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06.03.2004, 14:30 #26
Veltrin
Beiträge: 35
[GM] Licht und Schatten -
Die Männer hatten sich dem Übel entgegen geworfen. Veltrin fegte mit der Lanze um sich, zog Beine Weg und durchstach Brustkörbe. Lama keuchte neben ihm. Er stürzte sich völlig unbewaffnet in den Kampf. Veltrin hielt kurz inne und sah sich zur linken Flanke um. Carras und Tarim waren nicht zu sehen, doch ihr Kampfgebrüll drang weit.
Der Zombie zu Veltrin Füßen wollte sich erheben, doch der Krieger jagte den Speerschafft durch dessen Schädel. Doch das Monster zuckte weiter voll grausiger Zähigkeit.
Veltrin sah eine Untoten Fliege über dem Schlachtfeld surren.
Die Magier mischten sich scheinbar ein. Doch es würde nicht reichen. Sie würden verlieren wenn nicht irgendwer eine brennende Id…
Veltrin verharrte reglos. Seine Augen arbeiteten Fieberhaft. Das wars. Er sah zu den steilen Felswänden, die den Pass umschlossen. Der Kriege rannte zu den Magiern zurück und griff sich Seraphin.
„Hör zu, in meiner großen Tasche ist eine dunkle Flasche Brandwasser. Für Wunden und der gleichen. Nimm sie und verteile alles auf dem Feld. Kreisförmig. Dann verschwinde mit den anderen auf die andere Seite.“
Er sah das Lama hinter ihn getreten war. „Lama wird euch decken.“ Seraphin verstand nicht genau, aber er kannte, dass jetzt nicht die Zeit für lange Erklärungen war.
Also bewegte er sich, Lama begleitete ihn als Schutz. Der Kampflärm wurde stärker. Carras und Tarim würden es bald mit doppelt soviel Zombiefratzen zutun bekommen, wo Veltrin und Lama sie auf der rechten Seite nicht mehr banden.
Nur einen Augenblick… flehte Veltrin innerlich.
Er eilte auf seinen Beutel zu und kramte darin rum. Da war es. Er zog vorsichtig die Glaskolben raus und zählte sie. Sieben Stück. Würde es reichen?
Renata kniete immer noch bei Hilias, der wimmernd vor und zurück wiegte, seine Augen starrten Blicklos.
Veltrin ging an Renata vorbei. „Seid bereit zu fliehen. Ceron? Du schützt sie.“
„Was habt ihr da?“ fragte die Frau.
„Damit bringe ich die Hölle über dieses Eistal.“ Antwortete er und kehrte in den Kampf zurück.
Hoffentlich eilt sich Seraphin… dachte er, während er einem weiteren Zombie mit dem Kriegshammer die Frisur richtete.
06.03.2004, 16:37 #27
Veltrin
Beiträge: 35
[GM] Licht und Schatten -
Die anderen hatten sich langsam zurückgezogen. Veltrin sah sich jetzt von den übel entstellten Monstern umzingelt. Einige krochen nur noch, andere hatten schlimme Wunden, gespaltene Schädel oder keine Arme mehr. Doch das Gewürm des Todes steuerte weiter auf den Krieger zu. Veltrin hielt den Speer mal dort hin, mal hier hin. Dann sah er, wie seine Gefolgsleute die andere Seite erreichet hatten.
Veltrin grinste wild und legte den Speer auf die Erde, schob den rechten Fuß drunter und zog die Glaskolben hervor. Schnelles Brennpulver. Kam es mit Wasser in Berührung, entwickelte es sich zu einer brennenden, ätzenden Flüssigkeit, die haftete wie Orkblut.
Der Krieger schätzte seine Chancen ab. Mehr als schlecht. Doch er war nicht wichtig. Nicht mehr. Die Medien waren auf dem Weg. Sie würden die Abtei auch sicher ohne sein weiteres Zutun erreichen.
Sein Schicksal war erfüllt. Veltrin, Krieger der wilden Länder von Westgorthar, nahm die Kolben zur Hand und brach die Glaskorken ab. Der Schnee fiel in dichten Vorhängen. Die Zombies schlurften auf ihn zu, zogen den Kreis enger.
„HEUTE IST NICHT DIE NACHT, IN DER IHR ÜBER DAS LEBEN GEBIETEN WERDET!“ brüllte er und drehte einen Halbkreis. Das Pulver wurde aus drei Kolben geschleudert, fing in der feuchten Luft sofort an zu Zischen und ätzte sich den Weg vorwärts.
Die Zombies wurden getroffen, watschelten noch ein, zwei Schritte, dann bemerkten sie, was passiert war. Veltrin verstreute den Rest des Pulvers auf dem Schnee. Die Luft fing augenblicklich Feuer, die Schneeflocken begannen sich in heiße Tränen zu verwandeln.
Der Ring aus Brandwasser flammte auf, einige Zombies wurden erfasst, das Pulver reagierte heftig auf die offenen Flammen und die Körper der Zombies explodierten in wildtanzenden Stickflammen. Die Fetzen flogen umher, klatschten auf und das Feuer fraß sich durch den ganzen Pass. Als wenn der Schnee dem gierig leckenden Flammen selbst als Nahrung dienen könnte.
Veltrin war eingeschlossen, verloren. Doch er haute weiter mit dem Speer zu sich, hinter ihm ging zwei weitere Zombies hoch. Das Feuer wurde dichte. Der Krieger versuchte sich die Monster vom Leib zu halten, doch sie waren zu zahlreich. Schon rissen sie ihm den Speer davon und er musste sich mit dem Kriegshammer wehren. „GEHT WEITER!!!“ schrie er den anderen zu.
„BEI ALLEN GÖTTERN UND DEN GESICHTERN EUER VÄTER, GEHT WEITER. ICH KOMME NACH!“
Er hackte auf die Fratzen ein, trieb einen von ihnen ins Feuer. Es krachte ohrenbetäubend, die Druckwelle haute Veltrin von den Füßen. Schon waren die kalten Gummihänder der Zombie über ihm. Er schrie. Der erste schlug seine Zähne in Veltrins Hals. Der Schrei riss ab und nur noch das Prasseln der Flammen warf sich in dem Passkessel hin und her.
06.03.2004, 20:17 #28
Veltrin
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[GM] Licht und Schatten -
Diese hirnlosen Thore waren wirklich zurück gekehrt. Doch Veltrin konnte ihnen nicht böse sein.
„ Steht da nicht rum und glotzt. Wir müssen zu den anderen zurück.“ Er erhob sich und klopfte seine Sachen ab. Dann sah er zu dem gespenstisch tanzendem Feuer, das irre Schatten an die Felswände warf.
„Gehen wir, hier gibt es nicht als Tod und Wahn für uns. Erinnert euch gut an diese Nacht. Jetzt wisst ihr, mit was wir es zutun haben.“
Die Männer wollten schon gehen, da hörten sie Kriechlaut. Veltrin wandte sich um, die anderen sahen ihm zu, wie er auf den letzten Zombie zu schritt.
„Er ist verloren. Er kann nicht sterben, sondern wird langsam vergehen. Ein furchtbarer Tod…“ sprach Veltrin mit verträumten Augen. Er kniete vor dem zerstörten Gesicht.
„Ich glaube, dieser hier hieß Fallas. War Bootsjunge auf unserem Boot. Er hatte keine 17 Sommer auf dem Holz.“
„Erlös ihn doch.“ kam es von hinten.
Doch ungelaubliche Härte trat ins Gesicht des Kriegers.
„Nein. Der Dreckskerl darf die Jahrhunderte zählen und sich in Qualen winden auf diesem toten Stück Land.“ Hass und Kälte war in Veltrin Augen getreten. Als er die anderen ansah, wichen sie etwas unsicher zurück.
„Gehen wir.“ Sagte er und schritt voran. Den Seelenlosen ließen sie zurück.
08.03.2004, 16:34 #29
Veltrin
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[GM] Licht und Schatten - Umbruch
Der Recke war erleichtert, als die salzige Luft zum ersten Mal seine kurzen, harten Barthaare durchfuhr- So unendlich erleichtert. Sie hatten ein gutes Stück hinter sich gebracht und waren alle noch am Leben. Sie hatten den Pass, die Kimme des Teufels, wie Veltrin sie im derben Tonfall bezeichnete, durchquert und die Teufelzähne überschritten. Die Küste war kalt, feucht, doch eine Erholung für alle.
So ließ der Krieger es auch drei Schwarzmagiern durchgehen, das sie sich einfach von der Gruppe entfernten. Er sah es ihnen nach. Wenn man die Zügel eines Pferdes lokcer lässt, wird es dich nirgendwo hinbringen, doch zerrst du zu sehr daran, wird das Pferd fallen und dir das Genick brechen. Diese Weisheit aus seiner Heimat traf hier voll zu, obwohl es lange her war, das er ein Pferd mit eigenen Augen gesehen hatte. Im Westen sollte es sie wohl noch geben, doch die Pferde waren in den ersten Orkkriegen zu solch hohen Zahlen im Felde geblieben, das ganze Zuchtlinen aus den Provinzen verschwanden und man den Leuten nur Ackergäule und Rindvieh daließ.

Veltrin hatte nicht das Interesse, den Mitgliedern der Gruppe noch mehr abzufordern, als irgend nötig. Wenn sie der Abtei nähr waren, würde es anders aussehen, aber noch konnten sich die Getreuen einige Freiheiten erlauben.
So überraschte er alle, in dem er plötzlich den Kopf hob und mit unverhofft klarer Stimme ein Lied zu singen begann. Es war in der hohen Kriegersprache verfasst, bei der es sich in Wirklichkeit nicht mehr als um einen Dialekt der alten Gelehrtensprachen handelte. Doch er erinnerte sich gut, wie er das Lied zum ersten Mal gehört hatte. Auf dem riesigen Platz, nah beim der heute niedergebrannten Hafenstadt Mir Talbash. Dort hatte er seine Weih von den Druiden seines Ordens erhalten und zum ersten Mal auf die heilige Prophezeiung schwören dürfen, das er, wenn die Zeit reif war, den Willen des Windgottes zu erfüllen und die drei Gesalbten des Dreigestirns aus dem Norden zur Abtei zu geleiten. Damit sie dort tun konnten, was sie zutun hatten.

So hielt Veltrin an und ging auf die brausende Gischt der Flut zu, donnerte das Lied in die brüllende Luft des Meeres. Von allen hätte Tarim seinen Blick wohl am ehsten verstanden, dann Veltrins Volk verband eben so viel Leidenschaft und Stolz für die See, diese kalte, unendliche Viele, die wie eine grausame Geliebte übereinen kam und nicht mehr los ließ, wie sie Stolz und Kraft aus dem Wind und der Schlacht gegen die Übel des Chaos zogen.
Und Veltrin hörte noch den Choral der Männer, wie sie über die Heimat, die See und den Wind sagen, während er, auf Knie liegend, dem Windgott und der heiligen Prophezeiung ewige Treue gelobte.

Die anderen verharrten stumm. Einigen zuckte ein unsicheres Lächeln über die Lippen. Ihr sonst stets so harter, Kaltwirkender Anführer, stand da am Meer und sang mit glockenklarem Bass gegen die bleigrauen Weiten an. Und als hätte der Windgott es selbst gehört, öffneten sich die Wolken und warme Sonnenstrahlen zeugten vom nahenden Frühling.

Dann verschallte die letzte Note, klang noch einen Augenblick nach…dann erlosch sie, wie Kerzeschein in der Finsternis.
Veltrin drehte sich wortlos auf den Weg zurück und marschierte weiter. Sein Gesicht war hart und ausdruckslos. Doch man konnte meinen, das es von Tränen feucht zu glänzen schien, oder waren es doch nur die sanften Schaumkronen der Gischt gewesen, die das trockene Antlitz seit wer weiß wie vielen Jahren, zum ersten Mal wieder mit dem salzigen Nass benetzt hatten?
08.03.2004, 20:37 #30
Veltrin
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[GM] Licht und Schatten -
Veltrin hatte das Ereignis um den Zombie des Feuergottes schnell als Belanglos abgetan. Das Medium würde nicht vor seiner Zeit selbst vergehen. Die Götter, fragte man sich warum, Veltrin wusste es nicht zu sagen, hatten diesem Mann ein Schicksal zugedacht. Er würde es erfüllen oder durch andere, höhere Mächte das Ende finden.
Deshalb wandte sich der Krieger mit entnervt rollenden Augen wieder nach Westen und stutzte.
Der Nebel hatte bereits mit seinen körperlosen, Gierigtastenden Fingern, den gesamten Strand erobert. Doch da vorne war etwas. Veltrin war ein Trockenkind, doch im Westen Gortars wuchs keine Junge auf, ohne die Siluete eines Schiffes erkenn zu können. Der Vorpresch*, die lange Nase des Schiffes, ragte über dem feinen Sand. Veltrin ging ein Stück nähr auf das Holzmonstrum zu, denn der Kahn war in einem erschreckenden Zustand. Speige und Kielmitte waren gerissen, über all prangerten kleine Lecks das Alter dieses Wracks an. Verfaulende Tagelage und Segelzeug gaben im Wind ein gespenstisches Flüstern von sich.
Leichen waren keine zu sehen.
Veltrin war ein nüchterner Mensch, doch seit seiner Kindheit; die nur vier Jahre gedauert hatte und mit dem Eintritt in den Orden geendet war; hatte man ihm Geistergeschichten und Fluchmythen über die Schicksale der Schiffe und ihrer Crews erzählt. Nicht als Unterhaltung oder zum Erschrecken, sonder als sachliche Gegebenheit, so wahr und richtig wie die Zyklen von Mond und Sonne, Wind und Gezeiten.

„Heiliger Wind sein barmherzig deiner Dienerschaft.“ flüsterte der Krieger. Käseweiß war sein Gesicht und seine Knie zitterten merklich. Er machte keinen Hehl draus.
„Wenn ihr clever seid, nehmt die nutzlosen Beine in die Hand und lauf geschwind um das Ding. Verschwendet keinen Blick danach. Ich werde keinen daraus helfen, wenn er verschlappt wird. Gegen Geister beißen Klinge und Stock nicht.“
Er sah sie alle mit eindringlichem Blick an. Seine Augen, die schon im Alter von 12 mehr einem dämonischen Killer, als einem Menschen glichen, blickten aus starrgrauer Tiefe hervor.
„Gehen wir…“

Er war schon bei Ansetzen des ersten Schrittes, da erschalte hinter ihm, deutlich. „Wartet. Wir gehen nicht.“
Veltrin verfluchte jetzt schon das Antlitz des Sprechers, weil er genau so etwas geahnt hatte.
„Sagts nichts, wir müssen darein.“ Er deutete auf das Schiff.
09.03.2004, 19:28 #31
Veltrin
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[GM] Licht und Schatten -
Veltrin hatte das Wiederkehren der Männer mit gemischten Gefühlen beäugt. Mit Erleichterung, das nichts passiert war, aber auch mit verletztem Stolz, weil er nicht recht behalten hatte. Doch das erste überwog und so nickte er allen zu, um dieser Erleichterung Ausdruck zu verleihen.
Endlich hatten fast alle das Schiff verlassen, nur Tarim, der wahrscheinlich seiner Neugier verfallen war und die Medien fehlten noch. Doch Veltrin hatte gute Sicht auf die Beiden. Kein Grund zur Besorgnis. Er sah kurz auf seine Füße, wo eine kleine Krabbe vorbeihuschte. Er musst den Impuls unterdrücken, nach dem Vieh zu treten und sah wieder hoch. Und erschrack.
„Wo zum Henker sind sie?!?!“ donnerte er hervor. Die anderen sahen überrascht und verwirrt auf und suchten ebenso verwundert nach den Beiden. Schultern zucken und fragende Gesichter.
Veltrin wollte ihnen am liebsten die dumm glotzenden Schafsaugen aus dem Schädel schlagen. Ihnen allen. Sie schienen immer noch nicht begriffen zu haben, wie wichtig die Medien waren.
„Dummes, nutzloses…“ wollte er losgiften, seiner eigenen Angst und Sorge um die Medien, dem Zorn über seine eigene Nachlässigkeit, an den Freunden Luft machen.
Doch Ceron unterbrach ihn. „Dort!“ rief er aus und zeigt zum Schiffsdeck. Veltrin wurde weiß. Das Medium, die Frau…Renata!
„Was sollen…“ wollte Lama beginnen zu fragen, als Veltrin schon an ihm vorbei war. Er kümmerte sich gar nicht um den Strick, der den Aufstieg erleichtern sollte. Er zog seinen Speer, rammte ihn in die Erde und stieß sich ab. Wenn er sich verschätzen sollte, würde es ihm das Genick brechen wie der Wind einen trockenen Grashalm. Er verschätzte sich nicht, aber es war knapp. Eine Handbreit vielleicht. Mit den Füßen voran, traf er das dürre Knochenmonster im Gesicht. Nagelte es an und rief seinen Streiter zu sich. Schon war er von einem guten Dutzend an bleichen Skeletten umringt. Das wenige, was sie anhatten ließ darauf tippen, dass es ehemalige Piraten waren. Deshalb waren es auch so viele von ihnen. Oft hatten die Freibeuter eine zahlenmäßige Überlegenheit von 10 zu 1 an Bord, um effektiv entern zu können.
„Was grinst ihr den so, ihr dämlichen Gettoknochen…“ knurrte grinsend Veltrin und zog den Kriegshammer. Seine Augen blitzten, die Magier des Kastells hätten wohl beschworen, solche Augen schon einmal gesehen zu haben. Doch wäre diese schwarz gewesen…nicht grau.
Die Untoten schwiegen. „Trockenes Publikum heute. Ist etwa einer…GESTORBEN?!?“ lachte der Krieger und hechtete vor. Das würde nicht einfach werden. Ein schwerer Kampf stand ihnen bevor. Doch eines hatte es für sich. Ich habe doch Recht behalten… Und er würde es sich nicht nehmen lassen, es allen nachher unter die Nase zu reiben.
09.03.2004, 21:07 #32
Veltrin
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[GM] Licht und Schatten -
Veltrin stand im Zentrum des Kampfgetümmels. Er ließ den Kriegshammer wild kreisen, Splitter von Schädelknochen sprühten umher, Rippen schlackerten mit atonaldumpfen Klängen, Kieferknochen brachen. Egal wo man hin schlug, man konnte nur richtig trefen. Doch so schnell die kalten Grimassen der Untoten unter den wütenden Klingen verdampften, so rasch kamen wieder drei neue dazu.
Ihre Zahl scheint endlos…
Veltrin hielt kurz inne und verschaffte sich einen Überblick. Carras hätte wohl noch Tagelang so weiter machen können. Auch Tarim ließ sich noch keine Erschöpfung anmerken. Die anderen schlugen sich besser als Veltrin es je für möglich gehalten hätte. Doch in zu vielen Gesichtern sah er schwere Schweißperlen stehen, sah Furcht und Sorge in den Augen, dass die Heerscharen nicht abnahmen.
Er sah nach oben, streckte vorher fast spielend einen weiteren klappernden Streiter nieder und erkannte, dass dieser Kampf aussichtslos war.
„Caras, Tarim, Lama!“ brüllte er. Die Recken sahen sich.
„Schlagt eine Bresche. Wir ziehen uns zurück..“ Die drei nickten und hämmerten jetzt eine Furche der Verwüstung durch die Reihen der Skelette. Zähne und Wirbelstücke säumten ihren Pfad. Die drei kämpfen gut zusammen. Carras würde keine Schwierigkeiten haben, sie zu unterrichten.
Plötzlich zischte es neben ihm und ein stechender Schmerz jagte durch sein Ohr. In dem Holz prangte ein Pfeil. Veltrin sah sich um. Drei Bogenschützen hatten sich auf dem Achterdeck verschanzt. Viele dutzend Grinsefratzen dazwischen. Veltrin riss sich aus seiner Starre.
„Runter vom Boot“ brüllte er und hackte sich seine eigene Bresche, die mit der anderen zusammen treffen sollte. An der Reling angekommen, sammelte er alle hinter sich. Carras und Tarim blieben zu Deckung an Bord, Lama sollte den Strand sichern. Die Magier stießen sich aneinander ab und landeten im weichen Sand. Sorgenvoll blickten sie zum Deck zurück. Veltrin gestikulierte wild. Geht schon bei allen Göttern, weg vom Schlachtfeld… sollte es bedeuten.
Hilias stand an der Reling. Veltrin trat an ihn heran. „Wir drei sichern euch ab. Werden dann nachkommen. Führ du die anderen nach Westen. Zu unserer Fähre. Wir haben euch morgen eingeholt.“ Und schon war er wieder verschwunden. In den Kampf. Tod und Teufel, immer im Kampf. Doch die Masse der Skelette wurde erdrückend, Selbst für die Krieger. „Haut ab, deckt mich am Strand.“ Fauchte er den Sumpflern zu. Die hatten volles Vertrauen darin, das Veltrin auf sich selbst aufpassen konnte und sprangen schnell von Bord.
Hilias blieb unschlüssig stehen. Veltrin drehte sich entnervt zu dem Thor um. „Nun geh schon endli…“
„Pass auf!“ warnte Hilias, doch Veltrin hatte keine Chance. Die Kurzaxt traf ihm oberhalb des rechten Hüftknochens, drang durch Rüstung und Fleisch. Die Leber riss, dunkles Blut spritze auf.
Hilias war so abgelenkt, das er ein anderes Skelett gar nicht kommen sah. Es stieß ihn von Bord, der Auserwählte fiel Kopfüber zur Erde.
Veltrin schnellte vor, Tot oder nicht, dieser Sturz würde Hilias vielleicht endgültig den Rest geben.
Er packte Hilias noch am Knöchel, hielt ihn fest. Das Medium sah entsetzt auf. „Veltrin…lasst mich fallen, der Kampf…“
Eine schwere Breitaxt traf den Krieger im Rücken. Er verbiss sich einen Schrei. „Dummer hässlicher Sturkopf… Ich weiß jetzt, warum du auserwählt wurdest. Immer um andere besorgt.“ sprach der Krieger mit sanfter Stimme.
Blut trat aus seinem Mund. „Führe sie weiter, Hilias. Und schau nicht zurück. Der Wind, mein Gott,... ist vergänglich und unbeständig. Geh nach …Westen und zahl die Überfahrt …mit der Dublette.“
Er hustete schwer, dann lächelte er Hilias noch einmal zu und ließ ihn fallen. Sah wie das Medium auf dem Rücken, anstatt dem Kopf landete.
Veltrin drehte sich schwerfällig um. Die Skelette hatten den Kampf eingestellt. Sie starrten den Krieger nur aus toten Höhlen an. Als wüssten sie um sein Schicksal. Doch noch hatten sie ihn nicht. Er zog den Speer vom Rücken und riss die Bänder um seinen Hals ab. Daran waren die zwei Steine befestigt, mit denen er die Medien gefunden hatte und eine dicke Silbermünze, mit einem Loch in der Mitte.
Er band alles um den Speer und schleuderte ihn auf den Strand. Dann zog er den Kriegshammer. Das Atmen tat weh, seine Arme waren schwer und noch nie hatte er sich so sehr nach schlaf gesehnt. Aber noch war nicht die Zeit.
Mit stolzen Augen und brennender Stimme fuhr er herum und schlug auf die Untoten ein, wie es von Beginn her seine Bestimmung gewesen war. Die Skelette wehrten sich erbittert und hatten ihn bald eingekesselt. Er zerschmetterte gerade einem den Brustkorb, als sich eine Schling um seinen Hals legte.
Sein Körper wurde in die Höhe gezogen, seine Füße strampelten verbissen. Er trat noch einem der Dreckskerle den Schädel weg, dann wurde sein Blick grau, alles verschwamm. Kälte stieg in seine Glieder. Er entschwand. Der Kriegshammer löste sich aus seinen, schon kühl werden Fingern und schlug auf dem Holzplanken auf. Dort blieb er nutzlos, leblos im Schatten seines gehängten Heerens liegen.
14.03.2004, 22:53 #33
Veltrin
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[Story]Krieger der wilden Länder Gorthars - [Story]Krieger der wilden Länder Gorthars
Vorwort

Es hat mir einmal jemand gesagt, ich würde meine Phantasie an die Kette legen müssen oder mit ihr zu Grunde gehen.
Ehrlich, genau in diesem Wortlaut. Ich habe es eine Weile versucht, wie ein Süchtiger den Stoff eine Weile sein lässt, damit die Dinge wieder klare Formen annehmen.

Doch irgendwann kehrt der Säufer zur Flasche zurück, der Junkie zur Spritze und der Rauche zur Tankstelle um die Ecke. Es geht langsam los, so war’s auch bei mir. Ich schrieb ein paar Zeilen in der Bahn oder wenn ich an der Ampelfasse auf Grün wartete. Ich schrieb in der Schlange bei Macdonalds oder im Wartezimmer meines Zahnarztes (alle die mit unserer Gabe des Schreibens verflucht/gesegnet sind, werden mir zustimmen, dass dies das einzig sinnvolle ist, was man in einem Wartezimmer tun kann).
Ich schrieb nie auf Papier, weil das schwierig ist beim Gehen oder Essen. Wenn man auf Klo sitzt oder im Fahrstuhl vom GBC fährt. Wenn man im Stadion auf den Anpfiff wartete oder seine Blumen gießt.

Ich will sagen, dass ich ununterbrochen schreibe. Andere würden sagen, ich denke nur übers Schreiben nach, aber es ist mehr. Tausende von Personen leben nur für Sekundenbruchteile in meinem Kopf. Ich sehe ihr ganzes Leben vor mir, während die körperlose Stimme über mir verkündet, dass die S1 gleich einfährt. Ich rauche und male in meinem Kopf die Welten auf das Papier meines Verstandes, erschaffe Städte und Königreiche( oder Statten wenn ich nicht im Mittelalter rum hänge, lege ganze Galaxien in Schutt und Asche, mit einem Fingerschnippen.
Ohne Stolz darf ich sagen, das ich wohl mehr Chars vergessen oder sterben lasse habe, als andere je erschaffen werden.
Das finde ich werde gut noch brüste ich mich damit, denn oft sehe ich die Gestalten nur schemenhaft und undeutlich vor mir. Andere können vielleicht nur ein bis drei handelnde Personen hervor bringen, kennen sie dann aber wie ihre Wohnung oder ihr Haus, ihren Garten oder ihr Bett.

Aber auch ich habe wache Momente. Und dann kommen Männer oder Frauen auf mich zu und lächeln(wenn sie gut sind)/funkeln(wenn sie böse sind) an, als wollen sie sagen "Warum setzen wir uns nicht und plaudern ein wenig, wir haben uns viel zu erzählen."
Dann greife ich zu und halte mich mit an Panikgrenzender Verbissenheit an ihnen fest. Ich kenne nie ihre ganze Geschichte. Ich muss in mühevoller Kleinarbeit ihre Historie freilegen wie ein Archäologe. Hier im WOG-Forum hatte ich Glück. Das Board ist eine Goldgrube an Impressionen und Eindrücken. Wie ein großen Gewürzlanden, in dem man umher streift, ein paar Schachteln aus den Regalen zieht, schnuppert und sie entweder mit verzogenem Gesicht wieder wegstellt oder aufgeregt zur Kasse rennt und mit der Freizeit bezahlt. Vor dem Geschäft steht man dann, das Herz pocht und man hält das Kästchen mit wild klopfend Herzen umklammert, als fürchte man, es könnte einem wieder weg genommen werden.

Ich hatte zwei Glückgriff hier auf dem Board. Einmal Veltrin, den ich als NPC für meine Quest [Licht und Schatten] entworfen habe. Er war, sozusagen, in einem unscheinbaren Kästchen verpackt und ich habe ihn aus einer Laune heraus mitgenommen. Als ich langsam mit ihm warm geworden bin, merkte ich, wie viel Tiefgang und Herz in diesem NPC stecken kann und nur auf die Freilegung wartet.

Er ist gestorben, was ich ein wenig bedauere, doch nicht verhindern konnte. Er war von Anfang an dazu angelegt. Aber vieles blieb ungesagt, liegt in rätselhaften Nebelschwaden verborgen. Ich selbst bin euch Lesern nur zwei Schritt voraus, kann nur sagen wie es mit dem Mann zu ende geht, aber nicht genau wie es angefangen hat.
Doch ich will diesen Glücksfall meine Ehrerbietung erweisen, in dem ich ihm nicht nur ein Zukunft, sondern auch eine Vergangenheit beschere.
Selbst der mächtigste Baum hat keine schöne Krone ohne die tiefen Wurzeln.

Also, wer Interesse an dem wilden Krieger aus Gorthar gefunden hat und ihn gerne nähr kennen lernen möchte, der soll mir folgen. Hier meine Hand, ergreift sie, schließt die Augen und erwacht mit mir in den Vorländern der westlichen Tiefsümpfe von Gorthar. Dort wo die Bretterlabyrinthe beginnen und das Leben endet. Wo einsame Seelen sich darauf vorbereiten, einen Sturm abzuwenden, des Ausgang heute noch ungewiss ist.

by Hilias
12.03.2004
15.03.2004, 00:21 #34
Veltrin
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[Story]Krieger der wilden Länder Gorthars -
І

Veltrin, Sohn des Kolrom, stand mit bebenden Lippen vor den steinernen Toren der Tempelstadt. Ihm war kalt und er hatte furchtbare Angst. Die Gegend war ihm fremd und er sah zum ersten Mal in seinem noch jungen Leben Gebäude aus Stein.
„Hör auf zu Heulen, nichtsnutzige Göre.“ zischte sein Onkel Beltram ihm zu. Doch Veltrin konnte die Tränen nicht zurück halten.
Warum tut sie nichts dagegen? Warum sitzt sie nur da und tut nichts? dachte er aufgelöst und schaute über seine Schulter.
Seine Mutter saß auf der Ladefläche des Ochsenwagens und hatte ihrem Sohn den Rücken zugedreht. Ihr langes, schwarzes Haar verwirbelte sich im Wind.
„Mami?“ fragte Veltrin zaghaft.
Wilde rote Sterne explodierten vor seinen Augen. Seine rechte Gesichthälfte wurde von züngelnden Flammen des Schmerzes bedeckt. Er fiel nur nicht, weil sein Onkel ihn hart am Handgelenk zurück riss.
„Still Balg oder du fängst die nächste. Möge Wind blenden dein Angesicht, ich schwör’s beim heiligen Körperlosen!“ presste Beltram den Kind zu.
Veltrin rannten stumme Tränen über die Wangen und er sah zu Boden. Er hatte in den letzten drei Monaten oft die schwielige Rechte seines Onkels zu fühlen bekommen. Eine ewige Beteuerung, wie schön der Bruder seines Vaters es fand, das Veltrins Körper noch atmete.
Darum hatte der Junge gelernt zu schweigen und den Boden anzustarren. Er war nicht so dumm, wie sein Onkel es immer behauptet (und wohl selber wirklich glaubte).
Aber die Tränen kamen trotzdem noch. Drei Monate waren nicht lang genug, dass die Prügel hätte sie endgültig ausbrennen können.
Beltram schien auf eine weitere Gelegenheit zu warten, dem Kind noch eine zu scheuern. Doch das Öffnen einer kleinen Pforte, die in eine der schweren Steintore eingelassen war, lenkte ihn wieder auf das Ziel ihrer Reise.
Heute hatte Beltram einen guten Tag erwischt. Sonst belagerten viele Familien die Tore, um sich ihrer Kinder zu endledigen. Das kam weiß der heilige Körperlose, oft vor. Die Zeiten waren hart.
Beltram hätte den Bastard seines Bruders auch hier abgeliefert, wenn sie keine harten Zeiten gehabt hätten. Er hätte es in jedem erdenklichen Fall getan. Nun kam seine Gelegenheit.
Er zog seinen Neffen brutal am Handgelenk, achtete nicht darauf, dass dieser stolperte, zog ihn einfach weiter.
Eine andere Familie wartete ebenfalls am Tor, doch Beltram drängelte sich rüde vor und kniete vor dem Mann nieder, der aus der Tempelstadt ins Freie getreten war. Der Mann war groß, schlank und trug eine hellgraue, samtartige Tunika.

„Heer, ich erflehe euer Gehör. Bitte erhört mein Anliegen und gebt mir den Ausschlag.“
Der Graue musterte erst Beltram, dann den Jungen, den er an der Hand hatte. „Sprich wahrhaftig, Sohn des Windes.“ sagte der Alte schließlich.
Beltram erhob sich schnell und zog den Jungen vor. „Das ist mein Neffe. Sein Vater, mein guter Bruder verließ uns vor ein paar Mondumläufen auf schmerzliche Weise. Ich hab seine Frau und dessen schwachsinnigen Sohn bei mir aufgenommen. Doch es sind harte Zeiten.“
Der Graue hörte schweigend zu, seine Augen waren ohne jede Regung, als habe er solche Geschichten schon in tausenden von Variationen gehört.
„Du sprichst wahr, mein Guter. Es sind harte Zeiten. Doch sind sie oft nur halb so hart wie man weich zu sich selber ist.“ Bei diesem Satz blickte er Beltram forschend an, was dem gar nicht gefiel. Er senkte betroffen den Blick, als habe man ihn beim Spannen an der Frauenwasserstelle erwischt.
„Ich kann nicht für den Jungen und seine Mutter sorgen. Der Junge ist so dumm wie schwächlich. Aus ihm wird nie etwas Gescheites werden. Deshalb wird er auch nie zum Unterhalt betragen.“ rechtfertigte sich Beltram, hob dabei aber nicht die Augen.
Der Graue musterte den Jungen aufs Neue. Veltrin war immer noch leicht benommen und pendelte sachte zwischen den hartherzigen Händen seines Onkels.
„Nun, wenn er wirklich so niederen Wertes ist, warum glaubst du, das wir ihn aufnehmen werden?“ sagte der Graue und kniete sich vor das Kind.
Beltram überlegte kurz. „Er wird in euerer Obhut vielleicht zu etwas werden. Er könnte euere Hallen putzen oder das Vieh hüten.“ sagte er.
Der Graue sah auf und seine steinfarbenen Augen bohrten sich tief in das Gesicht des Mannes.
„Ich will entscheiden, was zutun ist. Last mir den Jungen einen Augenblick und geht zu euerem Wagen zurück.“
Beltram nickte erleichtert und ließ das Kind fallen, als habe es eine ansteckende Krankheit. Mit schnellen Schritten ging er zu seinem Karren zu.
Der Graue betrachtete das Kind mit geschultem Blick. Seine Augen enthüllten viel. Er sah schon jetzt, dass die Kondition des Jungen zäh war.
Er war mager, aber nicht von Hause aus. Wenig Essen war der Grund für sein ausgezehrtes Aussehen. Viele Prellungen hatte er. Schläge vermutlich. Der Graue warf einen kurzen, aber intensiven Blick der Missbilligung auf Beltram, der schon auf dem Kutschbock saß und angespannt zum Tor zurück blickte.
Der Graue erhob sich. Er hatte weder Mitleid mit dem Jungen, noch fühlte er Verständnis mit Beltram. Beide waren ihm egal. Doch wenn sich ein Vorteil aus der Aufnahme des Jungens gewinnen ließ…
Das Gesicht der Alten schaute zum Himmel auf. „Hör zu Junge. Ich sag dir etwas. Wenn du weiter leben willst, solltest du dich jetzt zusammen nehmen. Ich werde das hier nur einmal machen. Bestehe oder versinke in Bedeutungslosigkeit.“ Der Graue erhob sich und drehte den immer noch leicht betäubten Jungen in Richtung Westen.
„Geh zehn Schritte in diese Richtung, an der Mauer entlang.“ Der Junge ging ohne eine Erklärung zu verlangen los. Das gefiel dem Grauen.
Die zehn Schritte waren vollbracht, als der Junge stehen blieb. „Sag mir“ rief der Graue ihm zu “wie kann die Antwort auf folgende Frage sein. Ich gehe vor der Sonne, aber werfe keinen Schatten. Was bin ich?“ Der Junge wippte leicht vor und zurück. Er war nur zwei Schritte von der Bewusstlosigkeit entfernt. Der Graue hob einen kleinen Stein vom Boden auf und wiegte ihn lässig in der Rechten. Als der Alte schon glaubte, das Kind würde nicht mehr antworten, sprach der Kleine wie im Traum, ein Wort aus. „Wind.“
Der Graue gab sich nur kurz der Überraschung hin, die ihn lähmte. Der Junge war durchaus kein Schwachsinniger. Er hatte Verstand, wenn er auch noch unter dem Schmelz der kindlichen Jugend begraben war. Doch das konnte man durch Hunger und hartes Training schnell ändern. Dann würde sicher ein scharfer Verstand zum Vorschein kommen. Hart und gefährlich sicherlich. Doch auch wehrhaft?
„Dreh dich um, Kleiner.“ befahl der Graue. Veltrin drehte sich um. Dem Grauen blitzten kurz die Augen, dann warf er den Stein. Sein Arm verschwamm, der Brocken löste sich aus der runzligen Hand, wirbelte durch die Luft, beschrieb einen flachen Bogen und jagte auf das Gesicht des Jungen zu.
Er wurde genau in der Mitte getroffen. Sein Kopf wippte hart zurück. Ein regelrechter Blutschwall platzte aus dem Antlitz, spritzte fächerförmig durch die Luft. Der Graue verzog das Gesicht.
Schade, kein Krieger... dachte er enttäuscht. Doch dann stutzte er. Der Junge stand da, der Stein schlug mit einem dumpfen Pochen auf die Erde. Das Kind blutete wie ein abgestochener Sumpfeber, aber es fiel nicht um. Nein, im Gegenteil, der Wurf schien dessen Geist nur geklärt zu haben. Der Graue starrte mir offenem Mund auf den kleinen Jungen.
Als er sich aus seiner Starre endlich lösen konnte, lief er gemessenen Schrittes zu dem Kutschwagen hinüber. Beltram, der glaubte, er solle den Jungen wieder mitnehmen, wollte schon lospreschen, aber die Ochsen bockten und ignorierten das Knallen der Zügel gelassen.
„Ein Schwachkopf, ihr habt recht. Doch ich will großzügig sein und ihn aufnehmen.“ sagte der Graue. Die Frau auf der Ladefläche zuckte kurz zusammen, dann saß sie wieder still. Den Grauen kümmerte das nicht.
Beltram bedankte sich kriecherisch. Der Graue winkte entnervt ab und schickte sie fort. Das ließ sich Beltram nicht zwei Mal sagen, er hatte sein Ziel erreicht. Er gab den Ochsen die Zügel um die Ohren, die setzten sich blökend in ihren schwerfälligen Trott.
Der Graue sah dem Wagen nach, wie er langsam davon fuhr, als seine neue Entdeckung weinend und nach seiner Mutter quengelt hinter her lief. Nun, auch das würde man ändern. Die Ausbilder kannten da ja Mittel und Wege, nicht wahr?
Der Junge rannte hinter dem Wagen hinter her, schrie seiner Mutter nach, stolperte und fiel schwer. Der Graue lächelte dünn und setzte sich lässig in Bewegung.
Er kam bei dem liegenden Kind an und betrachtete es einen Augenblick unschlüssig. Würde der Junge zerbrechen oder hart werden? Ertrinken oder schwimmen? Zeit, das raus zu finden.
„Steh auf.“ sagte der Graue eisig. Das Kind erhob sich nicht. Es weint nur hoffungslos und bitterlich. Das einfache, untröstliche Weinen, das nur Kindern beherrschen, die zu ihrer Mutter wollen.
„Steh auf oder bleib liegen. Mir ist es fast gleich. Ich geh jetzt zurück in mein Heim. Wenn du nicht dort bist, bevor die Tore sich geschlossen haben, bleibst du eben draußen. Allein.“ Der Graue sah mit einer kalten Befriedung, wie sich das erschrockene Gesicht des Jungen zu ihm umwandte. „Es soll hier viele Warane geben, in der Nacht.“ sagte der Graue mit völlig ernsthaften Tonfall. Und es war Ernst. Die Biester waren schnell und ihr Biss giftig.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, erhob sich der Graue, der in der Tempelstadt Bascabil genannt wurde und kehrte zum Tor zurück. Der Junge erhob sich ängstlich, sah sich sehnsüchtig nach dem Ochsenwagen um, dann wieder auf den Grauen, der schon fast die Tore erreicht hatte.
„Wartete!“ schrie der Junge schrill. Bascabil lächelte dünn und drehte sich um. Der Junge kam in seinen Schatten. „Ich will zu meiner Mutter.“ sagte er flehendlich. Der Graue, der viele dieser Kinder unter den hasserfüllten Händen des Nord brechen gesehen hatte, fühlte einen kurzen Stich des Mitleides.
Wieder einer mehr…wieder einer, der die Wahrheit zuerst von dir hören soll…es ist nicht fair, das zu tun…
Doch schnell zwang er diese Stimmen in die Ecke seines Verstandes, wo sie nicht mehr zuhören waren.
„Dein Leben endet hier. Genau hier und jetzt.“ sagte er zu dem Jungen, der einst ausziehen würde um Großes zu vollbringen. Aber auch schreckliches.
„Ich habe Angst.“ sagte der Junge.
Der Graue nickte traurig. „Und jenes Leben wird für dich nun beginnen.“ Er fasste den Jungen an der Schulter, fest, aber nicht schmerzhaft. Trost sollte es spenden, wenn Bascabil jedoch keine Ahnung hatte, wie das ging. Er hatte es wohl irgendwann verlernt. So führte er den Jungen, der Veltrin hieß, durch die Tore.
Veltrin war zu dieser Zeit fünf Jahre alt.
26.03.2004, 00:39 #35
Veltrin
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[Story]Krieger der wilden Länder Gorthars -
Bascabil führte das Kind an der Hand über den Tempelvorplatz. Ungeduldig trieb er den Jungen an, Schritt zu halten, doch dieser sog mit den Augen alle die umwerfenden Eindrücke der vielen mächtigen Steinbauten ich sich auf. Es gab soviel zu sehen, dass er übers Stauen fast seinen Kummer vergaß. So schien es.
Doch mit Wehmut musste Bascabil daran denken, wie schnell dieser Kummer wiederkehren und sich vervielfachen würde, wenn Nord erst die schwieligen Hände an den Jungen fetzen würde.

Der alte Mann führte den Jungen am rechten Flügel der Hauptratskammer vorbei und sie durchquerte eine enge Gasse. Der Regen und der nasse Boden hatten in dem schattigen Platz viele Pilze sprießen. Im Sommer konnte man sogar einige ernten und als leckere Abwechslung auf den Speiseplan setzen.
Bascabil führte sein neues Mündel weiter, bog in eine Quergasse ein, erklomm nach dem Jungen eine wacklige Holzleiter und langte auf den inneren Wehrmauern an. Nun konnte der Junge das Herz der Tempelstadt überblicken.
Reis- und Nekonfelder, soweit das Auge reichte. Nur schwach war am Horizont die Äußere Wehrmauer auszumachen. Im Norden verlor sich alles in dichtem Nebel. So früh am Tag war es nicht ungewöhnlich, dass das Flachland der Tempelstadt im Nebel versank. Nördlich erhob sich das Wohn und Arbeitszentrum der Gemeinen. Dort lenkte Bascabil mit sanften, aber bestimmten Schieben, das Kind.
„Wie ist dein Name, Junge?“ fragte Bascabil und stieg drei Treppenstufen hinab, um 20 Schritte weiter wieder drei Stufen zu erklimmen. Der Wall beschrieb einen langen Bogen von Osten nach Norden.
„Veltrin.“ antworte das Kind.
Bascabil nickte, als habe er genau diesen Namen erwartet.
„Starker Name. Von deinem Vater?“ fragte der alte Mann abwesend.
„Wann kann ich nach Hause?“ fragte Veltrin seinerseits.
„Bald.“ antworte Bascabil unbestimmt und sah die Antwort wie eine brenne Anklage vor seinen geistigen Augen stehen. Niemals! Dieser Junge wird unter den schweren Klauen des Nords genau so brechen, wie die vielen vor ihm. Du siehst vielleicht etwas in dem Kind. Doch es ist Wunschdenken. Geh zu Cholion oder Krem. Die werden ihn ausbilden. forderte sein Gewissen.
Doch sein verstand wusste es besser. Cholion hatte seine besten Tage hinter sich. Er würde nicht einmal mehr diese Klasse über den Winter bringen. Außerdem war Veltrin noch zu jung für solche Art von Unterricht. Und für Nord ist er alt genug? giftete sein Herz. Bascabil ignorierte es. Wie schon viele mal vorher.
Krem war eine Möglichkeit, doch Bascabil scheute den weichen, fast nachlässigen Ton des gutmütigen Tempelritters. Er hatte nicht genug Härte um Kinder zu wahrhaftigen Männern zu formen. Er war ein mutiger Krieger und hart gegen sich und seine Kameraden, doch bei Kindern wurden seine Stimme und sein Herz weich wie Ziegenkäse.
„Du wirst eine Zeit bei einem…Freund von mir bleiben. Er wird dir sagen, was zutun ist. Wenn du dich anstrengst, darfst du bald nach Hause zu deiner Mutter.“
Veltrin sagte nichts, doch in den Augen des Jungens konnte der alte Mann freudige Hoffnung sehen und nicht zum ersten Mal verspürte er Abscheu und Ekel vor sich selbst. Und nicht zum letzten Mal hinderten diese Gefühle ihn nicht, zutun, was von ihm erwartet wurde.

Sie erreichten die Wohnviertel. Terrassenartig schoben sich die Häuser ins Flachland. Die Häuser waren in verschachtelten Rhythmus über- in- unter-hinter- nebeneinander verbaut worden. Viele waren klein, nicht mehr als eine Feuerstelle mit einem Bett und einem Tisch. Die obersten waren größer und boten den Ausbildern und Heerführen der Ritterorden Unterkunft.
Bascabil war auf der zweithöchsten Ebene. Eine hohe Position, ganz ohne Zweifel, doch war es ihm dort viel zu ruhig. Oft zog es ihn in die unteren Ebenen. Breite Gassen, Verkaufsstände und allerlei Spiel, Lustbarkeit und Gespräch lockte viele Bewohner der Tempelstadt dort hin.
Natürlich herrschte ein gewaltiger Männerüberschuss. Doch die Frauenkaste, die den Männern nur in der Kopfzahl unterlegen war, bewohnt die Ebene darüber, die dritte von Oben.
Die insgesamt sechs Ebenen boten etwa 2000 Menschen Platz. Die sechste Ebene, die der Bauern und Handwerkern, war die größte und zog sich wie der Wurzelballen eines Baumes in die Länge.
Bascabil schaute nun von der ersten Ebene hinab ins Tal. Das Flachland mit seinen Schwemmfeldern lag da und spendete einen ruhigen und friedlichen Eindruck. Bald war Stechzeit. Nord würde wohl wieder seinen Löwenanteil mit seiner Klasse leisten. Die Bewehrungsprobe für Veltrin Wenn er den Sommer noch erlebt, dann schwöre ich feierlich den Schweigeeit. dachte Bascabil und deutete nach Südwesten.
„Siehst du die Hügelkette, Veltrin? Dort, wo die Schafe und Rinder weiden? Da müssen wir hin.“
Veltrin sagte nichts. Er schaute nur weiter mit seine neugierigen Augen, die noch groß und feucht von Tränen waren.

Nord war ein vernarbtes Scheusal ohne Gleichen. Seine schwieligen Hände, von den Ausmaßen zweier Bratpfannen, lagen ruhig gefaltet in seinem Schoß. Er war aus den vielen Kämpfen und Einkerkerung vor der Zeit gealtert. Knapp 30 mochte er gewesen sein, als Veltrin das erstmal in sein Leben trat. Doch weder seine Augen, noch das lederne Gesicht ließen irgendwelche sicheren Schluss auf sein Alter zu. Man konnte nur schätzen.
Bascabil kam über die nordöstlichen Schafsauen auf Nords Standort zu. Der Geck erhob sich nicht von seinem Baumstamm, so wie es andere eilfertig und kriecherisch getan hätten. Bascabil war der erste Maat über das Haupttor. Sein Wort hatte gewicht, wenn er sich auch nicht mehr sehr häufig im inneren Ring blicken ließ.
Ihm war wohl irgendwann des ewige Hickhack der Reihenfolge in Auf und Abstieg überdrüssig geworden. Seine Laufbahn lag abgeschlossen vor ihn. Mancher in seinem Alter versuchte noch den Sprung in den Rat. Doch dabei konnte man sich blutige Pfoten hohlen und man hatte schnell mehr Feinde, als es Sterne am Himmel gab.
Nord hatte so viele Feinde, innerhalb und außerhalb des Ringes, dass die Zahl der Regentropfen in einer stürmigen Nacht nicht ausgereicht hätte, um sie klar zu umreisen. Das kratzte den Nord nur noch wenig. Er hatte sich mit diesem Zustand abgefunden. Hier im inneren Ring hatte er es gut. Man ließ ihn zufrieden, wie man einen tollwütigen Hund zufrieden lässt, der nicht sterben will.
Nord einfach auszuschließen oder umbringen zulassen, hatte niemand, selbst die arroganten Kriegsmagier der Nachtkaste, gewagt.
Vier Anschläge hatte er überlebt, sich erfolgreich zwölf Verhaftungen widersetzt und war sieben Mal aus dem Gefängnis ausgebrochen.
Bei jedem dieser Vorfälle hatte es Tote gegeben. Einige der Einflussreich waren auch unter den Opfern seiner Rache, obwohl er nie irgendetwas gestanden hatte und keiner ihm es je hatte nachweisen können.

Nord kratzte sich mit vorgeschobenem Kiefer den Bart, spuckte aus und grinste Bascabil ein rotziges Lächeln zur Begrüßung zu.
„Meine Fresse, wer verirrt sich den hier auf meinen Hügel. Ist es vielleicht der Bascabil? Kann das sein? Meine müden Augen sollen verdammt sein, das du dich aus dem Schatten deiner Torwege heraus getraut hast. Ich wünsche dir ein langes, gesundes Leben voller Glück und Harmo…“
„Lass das Heucheln, Nord. Du warst nie gut darin.“ schnauzte Bascabil.
Nord sah zu Boden, es sollte wohl wie verletzter Stolz aussehen, doch die Augen blitzen mit lauernder List in den Höhlen. Dieser Mann hatte keinen Bezug zu Stolz, Ehre oder Wahrhaftigkeit. Seine Worte waren falsch, wenn es ihm half. Seine Taten waren falsch, wenn es ihm half. Der ganze Mann war nichts als wandelnde Falschheit in Person.
Bascabil schauderte es immer noch, wenn er daran dachte, wie viel Nord dennoch für den Orden und die Tempelstadt leistete. Durch seine Arbeit. Blutig und grausam. Verachtenswert ohne Zweifel. So bildete er die Soldaten des Tempels aus. Viele wurden von seinen beißenden Händen zertrümmert, manche an Leib, andere am Leben. Die es schafften, die Ausbildung zu meistern, gehörten bald zum Besten, was an Kriegsfertigkeit und Skrupellosigkeit, der Orden vorzuweisen wusste.
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