World of Gothic Archiv > Story Forum
[Story]Khorinisches Tagebuch
Seite 1 von 1  1 
23.11.2002, 12:27 #1
Smu
Beiträge: 945
[Story]Khorinisches Tagebuch
Wie alles begann
Wie alles begann ...? Gute Frage. Das weiss niemand mehr so genau. Ein paar Seefahrer vom Festland Myrtanas mögen hier gestrandet und heimisch geworden sein, vielleicht war Khorinis ursprünglich auch ein Fischerdorf, oder, andersherum, die Insel war schon lange bekannt und die Stadt der letztlich erfolgreiche Versuch einer Kolonisierung.
Einerlei, die Rede ist von der Insel Khorinis, an deren Westküste das gleichnamige malerische Hafenstädtchen liegt, mit seinen weit über die Grenzen Myrtanas hinaus gerühmten Fischgründen. Bis ins Hafenbecken hinein soll Meeresgetier aller Art zu finden sein, fette Fische, sogar Rochen, und weiter draußen, wo sich keine der kleinen Jollen mehr hinwagt, echte Seeungeheuer. Sagt man zumindest.
Der Handel und die Fruchtbarkeit der Böden und des Meeres hatten Khorinis mit den Jahren zu einer wohlhabenden Stadt gemacht.
Aber den wahren Reichtum, den wahrhaft unermesslichen Schatz der Insel bildeten die Erzminen im Süden. Magisches Erz war es, das dort abgebaut wurde, und was immer man aus diesem Erz schmiedete oder goss, trug, sofern man die richtige Schmelztechnik verstand, einen Teil seiner magischen Kräfte für immer in sich. Sensiblere Naturen konnten die Magie des Erzes sogar spüren, sagt man, und einige wenige Abenteurer, die sich weit in den Süden der Insel vorgewagt hatten und mit dem Leben davongekommen waren, berichteten von Lebewesen, wie man sie sonst nirgendwo finden konnte - von verschiednenen Unterarten der über ganz Khorinis verbreiteten Snapper war die Rede, von gefährlichen, blutrünstigen Pelztieren und anderen Mutationen bekannter Tierarten. Angeblich alles eine Wirkung der Magie dort unten im Süden der Insel, hervorgerufen durch die reichen Vorkommen an magischem Erz. Die ungewöhnlichen Eigenschaften dieses Erzes machten es weit über die Grenzen des Reiches hinaus begehrt und mehrten so noch den natürlichen Wohlstand. Das beschauliche Hafenstädtchen wuchs zu einer wahren Perle heran und wurde eine der reichsten und prächtigsten Städte in ganz Myrtana.
Dann kam der große Krieg.
König Rhobar der IIte war nie ein sonderlich friedvoller Monarch gewesen, das Reich Myrtana sollte wachsen und gedeihen, und um selber zu wachsen, mussten andere Fürstenhäuser eben weichen. Rhobar II. verstand es zu allen Zeiten, das Volk hinter sich zu einen und seine Eroberungskriege als gerecht und heroisch zu verkaufen, sicher auch, weil er das Volk nie über die Maßen bluten ließ. Wo auch immer sein Tross vorbeidefilierte, war ihm der Jubel der Massen gewiss, und seine Feldherren genossen höchstes Ansehen sogar bei ihren Gegnern. Das Volk stand hinter seinem König. Bis in die Kinderlieder des Reiches ist zum Beispiel die Geschichte der Schlacht um Varant eingegangen, in der sich der Kriegsheld und General Lee der Übermacht des Feindes Lukkor stellte und ihn nach zähem Ringen hinwegfegte.
Bei all diesen Schlachten und Feldzügen hatte das magische Erz aus Khorinis immer eine bedeutende Rolle gespielt. Wie so oft mißbrauchte man nämlich die Macht dieses Schatzes aus der Tiefe der felsigen Scholle vor allem für kriegerische Zwecke, Klingen und Rüstungen aus dem magischen Erz wurden bald das wertvollste Gut des Königs.
Khorinis wurde also schon recht früh zu einer Garnisonsstadt mit schlagkräftigen Verteidigungsanlagen ausgebaut, tatsächlich war Khorinis eine der ersten Städte Myrtanas, zu deren Verteidigung sogar Kanonen aufgestellt wurden - wenn auch der absolute Großteil der Kriegsführung ohne Feuerwaffen auskam. Wer nun, nachdem das Reich geeint und die gegnerischen Fürsten und Könige unterworfen waren, aber glaubte, Frieden kehre ein, der irrte.
Im gegenteil, alles wurde nur noch schlimmer, denn der gefährlichste Feind sollte noch kommen - die Orks.
Die so oft gepriesenen Kräfte und der Heldenmut der myrtanischen Ritter und Landsknechte waren groß, aber was bei den menschlichen Gegnern so leicht gelang, war gegen diese Monstren fast unmöglich. Mit im wahrsten Sinne orkischer Kraft und rohem Brutalismus metzelten die grunzenden Horden ganze Legionen dahin. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte man, der König habe in einer Schlacht gegen die orkischen Heerscharen mehr Männer verloren als in allen Gefechten vorher, was wahrscheinlich nicht stimmte, aber die Moral der Krieger wie der Bevölkerung drückte.
Das Erz aus Khorinis wurde wichtiger denn je, und da auch auf der Insel selbst Orks hausten, ausgerechnet dort im Süden, nahe der Erzminen, baute der König seine wichtigste Förderstätte zur Festung aus. Allerdings wurde es zunehmend schwerer, freiwillige Arbeiter für den Erzabbau zu finden, die Gefahren erschienen den meisten zu groß, und so wurden kurzerhand die Sträflinge des Reiches zur Schufterei in den Stollen verdonnert - und immer rigoroser ging die Gerichtsbarkeit vor, bis bald so gut wie jeder, der sich eines auch noch so geringen Vergehens schuldig gemacht hatte, zur Arbeit in den Erzminen gezwungen wurde.
Um jede Flucht unmöglich zu machen, schickte der König die mächtigsten Magier des Reiches aus, eine magische Barriere um das gesamte Tal zu errichten - jedem Wesen sollte es unmöglich gemacht werden, aus dem Tal zu entfleuchen, kein Häftling sollte sich vor der Arbeit in den Erzminen drücken können. Für die Eingeschlossenen bedeutete dies lebenslange Gefangenschaft, und so fanden sich nur die treuesten Paladine des Königs bereit, die Aufsicht über die Delinquenten zu übernehmen. Nach einer Weile, hieß es, würden auch ihre Familien nachkommen können, und etliche glaubten sogar, die Magier könnten die Barriere nach Belieben und Bedarf wieder wegnehmen oder durchlässig machen, falsche Vermutungen, um deren Richtigstellung sich die Schergen des Königs als letzte bemühten - natürlich.
Wie inzwischen fast jeder im Reiche Myrtana weiss, schlug der Plan des Königs fehl. Die zusammengekommenen Magier erschufen zwar die geforderte Barriere, allerdings nahm diese erheblich größere Ausmaße an als geplant und verschluckte viel zuviel Land und etliche Menschen, die nicht hätten gefangen werden sollen - so auch die Magier selbst.
Auf Khorinis hielt sich seit diesen Tagen hartnäckig das Gerücht, die Magier, zumindest einige unter ihnen, hätten um die Gefahr der Barriere und ihrer Beschwörung gewusst und sie billigend in Kauf genommen - oder, schlimmer noch, die Überdimensionierung ihres magischen Gefängnisses sei insgeheim geplant gewesen, um irgendeine dräuende, unvorstellbare Gefahr im Vorfeld zu bannen. Das Kloster des Innos, ziemlich mittig im Norden auf der Insel Khorinis gelegen, sei der Schlüssel, munkelte man, aber kaum ein Stadtbewohner und erst recht kein Bauer wagte es, der Sache auf den Grund gehen zu wollen...
Die gigantische blaue Kuppel, die über das gesamte Minental von den kalten Bergen im Westen über das Orkdorf im Süden bis ans Meer im Osten reichte, war nun jedenfalls da, ausgestattet mit einer magischen semipermeablen Membran, aus der kein Entfleuchen eines lebenden Wesens möglich war.
Und als sei der Krieg, die rigide Rechtsprechung und die unerwartete Ausdehnung der Barriere nicht schon schlimm genug, kam es, kaum daß die magische Kuppel erschaffen war, zu einem kurzen, aber heftigen Aufstand innerhalb derselben.
Die Gefangenen nutzten einen kurzen Moment der Unachtsamkeit und entledigten sich ihrer Bewacher, wobei der König, wie schon erwähnt, einige seiner treuesten Männer verlor und nunmehr, wollte er nicht auf das Erz verzichten, mit den Häftlingen verhandeln musste.
Und so kam es, daß der König für jede Kiste Erz Waren aller Art in die Barriere schaffen musste, Stoffe, Genuss- und Nahrungsmittel, sogar Frauen für die Bespaßung der neuen Herrscher über das Minental, die sich flugs an die Spitze der Eingeschlossenen gestellt hatten. So hatte alles seine Ordnung, der König bekam, was er wollte, wenn auch wesentlich teurer, als zunächst geplant - die Häftlinge hatten eine Klassengesellschaft errichtet, die manche zu Herren, einige zu 'Milizionären' und viele zu Arbeitssklaven machte. Und an Nachschub herrschte kein Mangel, denn der König schickte immer mehr Sträflinge in die Minenkolonie.
Sogar einige illustre Gestalten waren darunter, sein altgedienter Feldherr Lee etwa, der aufgrund des Vorwurfs des Mordes an der Frau des Königs verurteilt wurde - eine üble Intrige, wie viele meinten, aber nicht laut zu sagen wagten.
Insgeheim hatte der König vielleicht sogar gehofft, daß sein treuer General die Lage bereinigen und die Barriere wieder in seine Hand übergeben würde, aber verbittert und enttäuscht hatte der sich mit einigen Gefolgsleuten und ein paar Magiern in den Bergen verschanzt und ging mit einer größer werdender Schar von Abtrünnigen seinen Ausbruchsplänen nach.
Noch ein Lager hatte sich innerhalb der Barriere gebildet, im Sumpf hatten sie ihr Lager errichtet und gingen der Beschwörung eines obskuren Gottes nach, der ihnen die Freiheit bringen sollte, aber von diesen beiden Lagern hörte man außerhalb der Barriere so gut wie nichts. Das sogenannte alte Lager war dasjenige, mit dem der König regen Handel trieb, und nur dieser rege Handel war es, den die Bewohner Khorinis mitbekamen, abgesehen von den Lichtblitzen am Himmel, die man über der blauen Käseglocke sehen und sogar hören konnte.
So ging es viele Jahre lang, und die meisten konnten sich ein Leben ohne die magische Barriere gar nicht mehr vorstellen. Es war, als sei sie immer da gewesen, und solange andauernd Schiffe mit Waren aller Art im Hafen einliefen und ihn später vollbepackt mit Erz wieder verließen, waren Wohlstand und gutes Leben in Khorinis, weder der Stadt noch der Landbevölkerung, ernstlich in Gefahr. Und das trotz des Krieges, der fernab auf dem Festland wütete und nur selten in Form von Schreckensmeldungen oder einzelnen Scharmützeln mit versprengten Orks ins khorinische Leben Einzug hielt - und sofort wieder verschwand.
25.11.2002, 02:34 #2
Smu
Beiträge: 945
Vor der Katastrophe
Nachdem die Barriere nun ein Teil des ganz normalen Lebens geworden war, wurde sie auch direkt von den offiziellen Landkarten Khorinis getilgt. Man konnte nicht mehr hinausgelangen, wer mit normalem Menschenverstand sollte also hinein wollen? Niemand – und wo keiner hin will, wird auch nicht kartographiert. Alte Karten der Gegend verschwanden mit der Zeit, und bald war ‚Khorinis’ nur noch der Nordteil der Insel, der Rest eben das Minental’.
Regelmäßig zogen Konvois von Soldaten über die Hochebene bei den großen Wasserfällen zum Austauschplatz, über den der gesamte Warenverkehr mit dem Tal unter der Käseglocke ablief. Schon damals kam es zu Spannungen zwischen dem Großbauern und der Stadt, die Abgaben waren dem alten Geizkragen zu hoch geworden, aber noch unternahm er nichts, maulte nur und ließ seine Pächter für seine eigenen Steuern bluten.
Ansonsten ging in Khorinis alles seinen gewohnten Gang. Die Bauern produzierten, die Städter konsumierten, jeder handelte mit jedem und wer das Geld locker machen konnte, ließ sich gelegentlich in einer der Kneipen vollaufen. Die Kaschemme im Hafenviertel, Umschlagplatz für Gerüchte wie - wahrscheinlich geklaute – Kleinodien aller Art, von denen die wohlhabende Stadt damals so reich war, wurde nur von denen besucht, die mutig oder heruntergekommen genug waren, sich ihrer Haut wehren zu können oder nichts zu verlieren zu haben. Das Hafenviertel überhaupt wurde von der feineren Gesellschaft gemieden, unschicklich war es, sich dort herumzutreiben, obwohl jeder wusste, dass manch feiner Herr im Schutze der Dunkelheit den Schönheiten auf der anderen Seite der Hauptstraße seine Aufwartung machte. Die Handwerksmeister der Unterstadt, Rückgrat des geschäftlichen Lebens, handelten und verarbeiteten Felle, Hölzer, Metalle, Kräuter und sonstige Waren, und was nicht in Khorinis wuchs oder zu beschaffen war, kam auf dem Seewege.
Die Märkte waren gut besucht, die Stände gut bestückt und der Magier in der Kapelle am Tempelplatz zog jeden Tag aufs Neue eine Schar an Menschen an, die genug Müßiggang mitbrachten, um seinen Ausführungen über die drei Götter stundenlang lauschen zu können.
Aus dieser goldenen Zeit stammt das noch heute bekannte Sprichwort: "Wenn du etwas suchst und nicht weißt, wo du es finden kannst, dann geh nach Khorinis - dort wirst du es ganz sicher kaufen können."
Außerhalb der Stadt, die viele Bürger nur sehr ungern verließen, begann die Gefahr, und je weiter man sich von den Wegen entfernte, desto gefährlicher wurde es. Schon der Weg zu der Kneipe in der Mitte der Insel war den meisten zu gefährlich, und so konnte man dort fast nur kräftige Bauern finden, die bei offenkundig oft genug manipulierten Trinkspielchen ihr letztes Stück Gold sowie ihr halbes Hirn versoffen. Der Norden der Insel war hingegen denjenigen vorbehalten, die tollkühn genug waren, sich mit den abscheulichsten Kreaturen herumzuschlagen, der Weg zum Kloster war das einzige, was den unachtsamen Wanderer nicht unweigerlich ins khorinische Gras beissen ließ. Magische Wesen sollten dort oben ihr Unwesen treiben, sagte man, und ganz im Norden sollte sogar ein schwarzer Troll hausen – von dem sogar mancher Jäger behauptete, ihn gesehen zu haben, aber man weiss, was man von solcherlei Aufschneidereien zu halten hat. Auf jeden Fall wohl gibt es wohl irgendwo im Norden uralte Kultstätten, von deren Besuch jedem normalen Menschen nur abgeraten werden kann. An den Tagen des Äquinoktiums ziehen die Magier aus dem Kloster in die Wälder, aber kaum einer weiss, was sie dort tun, und die meisten sind wohl ganz froh, es nicht wissen zu müssen.
Überhaupt lauerte schon vor der großen Katastrophe in jedem größeren Wald der Tod. Schattenläufer, laut schnarchend den Tag verschlafend, waren fast noch das freundlichste, was einem den Garaus machen konnte – untote Wesen trieben ihr übles Spiel mit den Lebenden und holten manche arme Seele zu sich, hieß es, und wer solches Gerede als Ammenmärchen abtat, kam später oftmals kreidebleich zur „Harpie“, um den wissend und mitleidig nickenden Bauern atemlos seine irrwitzigen Erlebnisse im nahen Wald zu berichten. Alte Friedhöfe mit mystischen Grabinschriften auf ihren verwitterten Steinen gaben jedem, der sie las, Rätsel auf, aber niemand wollte sie lösen – und wer es versuchte, konnte froh sein, sein Leben möglichst schnell ausgehaucht zu haben.
Natürlich gab es auch idyllische Orte, an denen Augenblicke vollkommener Kontemplation möglich waren – etwa auf dem Berg im Wald hoch über Stadt, nahe dem alten Leuchtturm, von wo man einen wahrhaft atemberaubenden Blick auf den Sonnenuntergang haben konnte.
Und selbst im tiefsten Wald gab es Orte der Heilung. Angeblich gab es irgendwo sogar eine einsiedlerische Kräutermischerin, die tief im Wald in einer geräumigen Höhle hauste. Wer verzweifelt genug war, den beschwerlichen Weg auf sich zu nehmen, konnte fast sicher sein, daß ihm geholfen werden konnte. Kaum hatten die werten Bürger aber ihr Zipperlein überwunden, zerrissen sie sich wieder das Maul über die 'Gifthexe’, die keinem geheuer, aber jedem einen Batzen Gold wert war, wenn er verletzt oder krank war und sich kein der Heilung kundiger Magier auftreiben ließ.
Es ließ sich gut leben in Khorinis. Wer es ruhiger wollte, blieb in der Stadt oder zumindest auf den Wegen, wer das Abenteuer, Ruhm, Ehre oder einfach einen grauenhaften Tod suchte, schlug sich in die Wälder, wo es so viele Höhlen und Verstecke für Banditen, Goblins und wildes Getier gab, dass ein weiser Mann einmal sagte, es sei unmöglich, alle Grotten der Insel in einem Leben zu besuchen.
Vielleicht hatte er recht.
26.04.2004, 15:47 #3
Diego | R@PC
Beiträge: 3.525

Liebe User des Story-Forums,

Das Story-Forum ist zusammen mit World of Gothic auf einen anderen Server umgezogen. Wenn ihr also eure Geschichten dort wieder posten und vielleicht auch weiterführen wollt, kopiert euch hier den von euch geposteten Text, speichert ihn auf eurem PC, und fügt ihn in unserem neuen Forum dann in euren neuen Thread ein.

Unser Forum befindet sich jetzt hier: Story-Forum.
Seite 1 von 1  1