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[GM] Sturm auf dem Göttersitz
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12.06.2003, 14:34 #1
Superluemmel
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[GM] Sturm auf dem Göttersitz
Knirschend gab der Schnee unter schweren, mattschwarzen Stiefeln nach. Schwer aufatmend wischte sich Frost mit dem Unterarm die Schweißperlen von der Stirn.
Verdammte Hitze...
Ja, es war heiß. Trotz des schneidend kalten Windes des Gletschers war der Krieger schweißgebadet. Der Aufstieg war lang und hart gewesen. Steile Felshänge und sprödes Gestein hatte das Fortkommen erschwert. Selbst die Sonne schien es sich zum Ziel gemacht haben, das Vorhaben des Waffenmeisters mit aller Macht zu behindern.
Allein der bisherige Aufstieg war schlimm genug gewesen, um die meisten abenteuerlustigen Wanderer zum Umkehren zu bewegen. Zwar war Frost früh in der Nacht aufgebrochen, doch hatte ihn schon bald die Gluthitze des nächsten Tages eingeholt. Glücklicherweise hatte er auf halber Strecke eine Nische in den zerklüfteten Felsen entdeckt, in der er Schutz vor der Hitze finden konnte. Erst als die Sonne ein gutes Stück am Himmelszelt weitergewandert war, hatte er seinen Weg fortgesetzt.
Nun stand er hier, am Rand des Gorthargletschers. Vor ihm erstreckte sich die eisige Einöde in Form eines Meeres aus glitzerndem Weiß, welches von den Rücken der umliegenden Bergketten eingerahmt wurde. Stahlblauer Himmel und eine unbarmherzig glühende Sonne begleiteten den Krieger seit Beginn seiner Reise. Selbst hier, auf dem Gletscher konnte er kein einziges Wölkchen am Himmel erkennen. Die Sicht war gut, problemlos konnte Frost die hoch aufragende Felswelle des Göttersitzes erkennen, die ihren weiten Schatten auf das ewige Eis warf. Schatten, ja, den könnte er jetzt auch gebrauchen...
Keuchend ließ sich Frost nach vorne in den Schnee sinken. Die Riemen des schweren Rucksacks schnitten schmerzhaft in sein Fleisch, sowohl Kleidung wie auch Handschuhe klebten feucht an seiner Haut. Genussvoll sog er die deutlich kühlere Luft des Gletschers in seine Lungen. Der Wind zerrte an seinem Mantel und brannte eisig in seinem Gesicht. Dennoch war der Eishauch des Gletschers für Frost tausendmal angenehmer als der Dampfkessel, den die Sonne aus dem Felsengebirge gemacht hatte.
Nach einigen Minuten warf der Krieger seinen Mantel zurück und griff nach seinem Schwert. Leise singend glitt der Eisbrecher aus der ledernen Schwertscheide und wurde kurz darauf kraftvoll in das Eis gestoßen. Während er den Griff fest mit der Rechten fasste, senkte Frost demütig den Kopf und fuhr mit der anderen Hand sanft über die Schneide des Schwertes.
"Ein einsamer Krieger betritt dein ewiges Reich", sprach Frost mit fester Stimme, "doch ist er nicht gekommen um dich deiner Schätze zu berauben."
Die Hand des Waffenmeisters verharrte, als sie die Mitte der schlanken Klinge erreichte.
"Ich begebe mich in deine eisige Umarmung, auf dass du mich auf meiner Reise führest. Gewähre mir das Recht, auf deinem Leib zu wandern, damit ich meine Aufgabe erfüllen kann."
Plötzlich versteifte sich Frosts Hand. Scharfer Schmerz pulsierte in seinem Handballen. Eine einzelne Perle hell roten Blutes quoll zwischen seinen Fingern hervor und rollte eine rubinfarben schillernde Spur hinterlassend an der Schneide des Schwertes herab. Schließlich erreichte sie das Eis, faltete sich auseinander und ließ sich von den Schneekristallen aufsaugen. Kurz darauf entsprang ein ganzer Sturzbach der Quelle zwischen Frosts Fingern und folgte dem Beispiel seines Vorreiters. Schon nach wenigen Augenblicken war das Weiß des Schnees von roten Sprenkeln übersät.
"Nimm mein Blut als Pfand."
Ein Ruck befreite das Schwert aus dem Eis und ließ es wenig später in sein ledernes Ruhebett zurückkehren. Der Schmerz in Frosts Hand ging auf ein dumpfes Pochen zurück, nachdem er den Schnitt mit etwas Schnee gekühlt hatte. Noch einmal zog er die Riemen seines Rucksacks fest, dann setzte er seinen Weg fort.
Schon bald hatte er eine der gewaltigen Eisplatten erreicht, die sich Flüssen gleich durch die verschiedenen Regionen des Gletschers zogen. Der scharfe Wind legte das massive Eis selbst nach den heftigsten Schneestürmen wieder frei. Einheimische Gletscherwanderer und Jäger versuchten die Eisflächen zu ihren Gunsten zu nutzen, da dort die Wahrscheinlichkeit geringer war, von den mörderischen Luzkan angefallen zu werden. Zumindest war man dort vor ihren Hinterhalten geschützt. Zwar erlaubten ihre gewaltigen Grabklauen der Gletscherbestie, sich selbst durch festes Eis zu buddeln, doch beschränkten sich die Totengräber meist auf den lockereren Schnee. Allerdings schützten die Eisflüsse nicht vor der Witterung. Und die Luzkan verfügten über einen ausgezeichneten Geruchssinn.
Prüfend setzte Frost einen Fuß auf die Eisplatte und testete ihn auf festen Halt. Horasson hatte nicht übertrieben. Seinem neuen Schuhwerk zum Dank rutschte er keinen Fingerbreit ab. Also hatte sich der Aufwand doch gelohnt.
Ermutigt durch den Erfolg marschierte Frost geradewegs auf die gewaltige Eisfläche. Wenn er ihrem Verlauf folgte, würde er ein gutes Stück zurücklegen können, ohne sich der Gefahr einer plötzlichen Luzkanattacke auszusetzen. Hoffentlich hielt sein Glück noch etwas länger an.
13.06.2003, 14:56 #2
Superluemmel
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Leider schien Frosts Glückssträhne schon am nächsten Morgen abgelaufen zu sein. Vor der Eishöhle, in der er Zuflucht für die Nacht gesucht hatte, tobte ein gewaltiger Schneesturm. Hier in der Höhle war es relativ ruhig, doch draußen verschluckte das Heulen des Sturms jegliche Geräusche. Eiskristalle prasselten auf das Eis des Höhleneingangs, immer wieder trieb der Wind einen Vorhang aus winzigen Schneeflocken in Frosts Zufluchtsort.
Seufzend schüttelte der Waffenmeister den Kopf. Bei diesem Wetter auch nur einen Fuß auf den Gletscher zu setzen, glich Selbstmord. Scheinbar versuchten nicht nur die Götter sondern auch die Urgewalten selbst, jeden Menschen daran zu hindern, den Göttersitz zu erklimmen. Was war an diesem Felsen so besonders? Natürlich war er ein beeindruckendes Schaubild der Natur, doch war das alles? Etwas mystisches umgab den gewaltigen Berg. Der Alte hatte ihn nicht ohne guten Grund zum Austragungsort ihres Duells auserkoren. Steckte in den alten Legenden vielleicht doch mehr Wahrheit, als man glauben mochte?
Kopfschüttelnd schob Frost die Glut seines Lagerfeuers näher zusammen und legte etwas Feuerholz nach. Gut, dass er seinen Vorrat in dem Dorf der Bergarbeiter noch einmal kräftig aufgestockt hatte. Rot glimmende Linien wanderten Würmern gleich über die durch die Hitze spröde gewordenen Holzscheite. Das Prasseln der Flammen wurde lauter, als sich die Feuerzungen knackend um die neu hinzugelegten, trockenen Äset wanden. Die Hitze des Feuers erfüllte die Höhle mit einer geradezu heimeligen Atmosphäre. Ein schmales Lächeln stahl sich auf Frosts Züge. War es Zufall, dass er ausgerechnet im ewigen Eis derartige Gefühle empfand?
Eine weitere Sturmböe blies eine Wolke aus Eiskristallen in die Höhle. Das Feuer flackerte fauchend. Reflexionen des Feuerscheins brachen sich mehrfach in den winzigen Kristallen, als sie sanft wie Federn zu Boden rieselten. Verdammtes Wetter...
Frost war nicht auf den Gletscher gekommen, um sich von einem Schneesturm in eine kleine Höhle drängen zu lassen. Gelangweilt kaute er auf einem Stück Pökelfleisch herum. Bisher hatte er noch nicht viel von seinen Vorräten verbraucht. Er verfügte sowohl über ausreichend Brennholz wie auch Proviant für mehrere Tage. Dennoch, wenn der Sturm zu lange anhielt, würde er sein Unternehmen wohl oder übel abbrechen müssen.
Soweit durfte es nicht kommen.
Noch einmal rief er sich seine erste Begegnung mit dem Alten ins Gedächtnis. Ließ den Kampf erneut vor seinem inneren Auge ablaufen. Der Greis bewegte sich mit unglaublicher Schnelligkeit. Obwohl er selbst keine Rüstung trug, hatte er keinerlei Verletzung davongetragen. Wie denn auch, Frost hatte ihn höchstens zwei Mal erwischt...
"Frost!"
... allein seine Selbstsicherheit war gefährlicher als jede Waffe. Der Greis hatte genau gewusst, dass Frost keine Chance gegen ihn haben würde. Er hatte von Anfang an mit ihm gespielt, ihn ausgetestet um ihm auf höchst schmerzhafte Art und Weise seine Grenzen aufzuzeigen. Ja, Frost hatte den alten Mann unterschätzt. Gewaltig unterschätzt. Doch aus Fehlern konnte man lernen. Beim nächsten Mal würde der Kampf anders verlaufen.
"Frost?"
Eine sanfte, wie auf Engelsschwingen dahingleitende Frauenstimme riss den Krieger aus seinen Gedanken. Sofort sprang er auf und sah sich um. Er spürte, wie sich der Rythmus seines Herzens in ein dumpfes Pochen verwandelte. Niemand zu sehen. Konnte es wirklich...?
"Frost, hier!"
Die Stimme kam von draußen!
Mit einem Satz war Frost an dem Höhleneingang, schirmte obgleich des heftigen Schneetreibens die Augen ab und spähte in das Chaos aus Schnee und Eis.
"Esthera...", murmelte der Krieger.
Doch dort draußen war nichts. Nichts, außer dem Sturm und seiner Milliarden kleinster Eiskristalle. Er musste sich getäuscht haben.
"Frost!"
Gerade als er sich umwenden und in die Höhle zurückkehren wollte, hörte er abermals die sanfte Stimme. Augenblicklich fuhr er herum und suchte das dichte Schneegestöber nach der Rufenden ab.
Verdammter Sturm...
Abermals verfluchte Frost den mörderischen Blizzard. Außer schlichtem Grau war nichts zu erkennen. Der heftige Schneefall beschränkte die Sicht auf wenige Schritt. Doch mittlerweile war er sich Frost sicher, keiner Täuschung seiner Erinnerungen aufgesessen zu sein. Er hatte die Stimme gehört.
Elender Narr, wie soll in diesem Sturm irgendetwas überleben? Selbst die Luzkan werden sich in ihre Löcher zurückgezogen haben!
Nein, er hatte sich nicht getäuscht! Als er seinen Kopf suchend zur Seite drehte, sah er sie. Er konnte nicht mehr erkennen als ihren Schemen, ein Schatten von zierlicher Gestalt inmitten der Hölle aus tobendem Schnee.
"Frost, komm doch her!, erklang erneut ihre wohlklingende Stimme, "Warum bleibst du mir weiterhin fern? Ist es wahr, was sie sagen?"
Ein schmerzhaftes Stechen brachte seinen Puls zum Rasen. Mit dumpfen Schlägen schien sein Herz versuchen zu wollen, aus seinem Brustkorb hervorzubrechen.
Ohne weiter zu zögern lief er los, mitten in das Treiben des Sturmes hinein.
"Nein! Esthera, warte!"
So schnell ihn seine Schritte trugen, rannte Frost auf den Schemen zu. Winzige Eiskristalle stachen Nadeln gleich in seine Haut, schon nach wenigen Sekunden spürte er, wie seine Haut unter der eisigen Berührung des Gletscherhauches zu brennen begann. Ungeachtet der Schmerzen lief er weiter, immer darauf bedacht, den Schemen in dem Schneetreiben nicht aus den Augen zu verlieren.
Doch je schneller er lief, desto weiter schien sie sich von ihm zu entfernen.
"Esthera, so warte doch!", rief der Krieger, senkte seinen Kopf und versuchte seine Geschwindigkeit noch zu erhöhen.
Allerdings riss der Sturmwind seine Worte davon, sobald sie seinen Mund verließen. Flammen schienen an seinen Oberschenkeln emporzulecken, die eisige Luft loderte wie Feuer in seinen Lungen. Kleine Eiszapfen bildeten sich in Frosts kurzgeschorenem Bart, jegliches Gefühl schien aus seinem Gesicht zu weichen. Schließlich gaben seine Beine einfach nach und er brach schweißüberströmt zusammen. Haltlos schlitterte er über das Eis, bis er geistesgegenwärtig die Handflächen auf die spiegelglatte Fläche drückte.
"Esthera..."
Stöhnend stemmte sich der Waffenmeister in eine knieende Position hoch. Mittlerweile schienen sich die Flammen auf seinen gesamten Körper ausgeweitet zu haben. Jede Faser stellte ihren ganz persönlichen Tempel der Qual dar.
Was ging hier vor sich?
Wohin er auch blickte, er konnte niemanden entdecken. War es doch nur eine Sinnestäuschung gewesen?
Plötzlich hörte der Sturm auf, Frosts Gehörgänge mit seinem ohrenbetäubenden Heulen zu peinigen. Von einer Sekunde auf die andere ebbte das Schneetreiben um ihn herum ab. Verwirrt sah sich der Krieger um. Der Sturm hatte aufgehört. Stattdessen umgaben ihn nun Wolken aus dichtem, weißem Nebel.
"Frost, komm doch zu mir."
In einer fließenden Bewegung war der Krieger auf den Beinen und herumgefahren. Der Nebel teilte sich, gab den Blick auf eine zerbrechlich wirkende Frau frei. Kastanienbraunes Haar fiel in langen Strähnen über ihre Schultern, schmiegte sich sanft an ihre zarte Gestalt. Die schneeweiße Robe schien den verletzlich wirkenden Eindruck noch verstärken zu wollen.
"Esthera... Was... was suchst du hier?", fragte Frost ungläubig, als er langsam auf die Frau zuschritt.
In diesem Moment machte sich ein unangenehmes Kribbeln in seiner Wirbelsäule breit. Lange, dürre Spinnenbeine schienen sich seinen Rücken herabzutasten, seine Nackenhärchen stellten sich langsam, Stück für Stück auf.
"Endlich sehen wir uns wieder", sprach Esthera ohne auf Frosts Frage einzugehen, "Nach all der langen Zeit... Schließ mich in deine Arme und versprich mir, mich nie wieder zu verlassen..."
Tränen glitzerten in Estheras klaren, blauen Augen. Zögernd streckte Frost die Hand aus und legte seinen Arm zärtlich um ihre Hüfte.
"Ich... ich weiß gar nicht... Es ist so... unwirklich...", fasste Frost seine Verwirrung in Worte.
"Ich weiß was du denkst", sprach Esthera mit ihrer glockenhellen Stimme.
Sanft erwiderte sie Frosts Umarmung und schmiegte sich fest an den Krieger. Es war ein Kontrast wie Tag und Nacht. Frosts zutiefst schwarze Robe und das silbergraue Haar gegen Estheras reine, weiße Robe und kastanienbraune Haar.
"Doch ist das jetzt nicht unwichtig? Hauptsache, wir sind wieder zusammen..."
Ja, sie hatte Recht. Das war das einzige, was nun zählte. Vergessen waren all die Schmerzen, vergessen die Jahre in stiller Einsamkeit. Endlich waren sie wieder vereint.
Warm lächelnd strich Frost durch Estheras Haar und beugte sich leicht herab, um sie zu küssen. Im selben Moment, in dem seine Lippen Estheras berührten, explodierte eisige Kälte in seiner Brust.
Eine Welle aus purem Eis schien durch seine Knochen zu laufen, das Blut in seinen Adern gefrieren lassen und seine Bewegungen zu lähmen.
Was ging hier vor sich?!
Geqäult schrie Frost auf und versuchte sich von Esthera zu lösen. Doch ihre Umarmung war unnachgiebig wie die Kiefer eines Luzkan. Pure Agonie überschwemmte Frosts Bewusstsein. Er glaubte sich selbst auf einen gähnenden Abgrund zutaumeln zu sehen. Mit aller Macht kämpfte der Waffenmeister gegen die drohende Ohnmacht an.
Diese Schmerzen... Alles brennt, Flammen überall... Ich kann nicht mehr...
Ein glockenhelles Lachen drang an Frosts Ohren.
"Esthera... Nein, wa-... warum?"
Frost glaubte zu spüren, wie sich seine Glieder verhärteten. Schimmernde Eiskristalle begannen sich dem schwarzen Material seiner Rüstung zu bilden, überzogen sie mit einem Panzer aus weißem Rauhreif.
Nein, es war alles falsch...
Warum hatte er nicht auf seinen Verstand gehört? Er hatte die Gefahr gespürt! Und dennoch war er blind wie ein Maulwurf in die Falle getappt.
Jetzt zahlte er den Preis für seine Dummheit...
Auf einmal begannen sich Estheras Züge aufzulösen. Die Haut ihres Gesichts schien wässrig zu werden, das Haar verblasste langsam. Wie Farbe im Wasser lief das zarte Gesicht auseinander, verwandelte sich in dichten Nebel.
Statt der zerbrechlichen Gestalt Estheras wand sich eine vielgliedrige Gestalt auf dem Eis. Heimtückisch blitzende Augen, schwarz wie die Nacht, funkelten Frost aus tief liegenden Augenhöhlen an. Eingerahmt wurden sie von einem Hornwulst von eisgrauer Färbung. Der Kopf des Wesens erinnerte an den eines Menschen, nur war er vollkommen kahl und an Stelle von Zähnen blitzten dolchartige Fänge in dem lippenlosen Mund. Hier endete allerdings auch schon jegliche Ähnlichkeit.
Der Körper glich eher dem geschuppten Leib einer Schlange und befand sich in stetiger, zuckender Bewegung. Sechs schlauchartige Arme wanden sich um Frosts Körper und Arme und verdammten ihn zur Bewegungsunfähigkeit.
Gletscherdämonen...
Er hatte von diesen Wesen gehört. Von ihrer Fähigkeit, gewaltige Trugbilder zu erschaffen, gewusst. Und war dennoch töricht genug gewesen, sie als einen Irrglauben abzutun. Abermals verfluchte er sich selbst für seine Dummheit.
"Jetzt zeigt ihr also... euer wahres Gesicht, Dämon...", presste Frost mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor.
Luft... Seine Lunge schrie nach Luft. Der Griff des Dämons presste ihm unbarmherzig den letzten Sauerstoff aus dem erstarrenden Körper.
"Ich zeige nur das, was du dir am sehnlichsten wünschst"
Die Stimme des Dämons hatte nichts mehr von Estheras sanftem und beruhigenden Tonfall. Eher war sie auf eine beinahe schmerzhafte Art und Weise schrill und misstönend.
Stöhnend biss Frost die Zähne zusammen. Sein gesamter Körper schien sich ein einen Eisblock verwandelt zu haben. Es kostete ihn unglaubliche Kraft, allein die Finger zu bewegen. Und jede noch so kleine Bewegung ließ ganze Flammenhöllen in seinen Gliedern explodieren. So... kalt...
Beinahe zärtlich schmiegte sich der Dämon fester an Frost. Die spitzen Fänge näherten sich seinem Hals. Instinktiv wollte er den Kopf zur Seite werfen, um Abstand zu gewinnen, doch seine Muskeln verweigerten ihm den Dienst.
Was hatte der Alte über Instinkthandlungen gesagt? "Lass dich nicht von deinen Gefühlen leiten, sondern beherrsche deinen Körper."
Ja, er hatte sich von seinen Gefühlen lenken lassen. War ihnen blindlings gefolgt. Jetzt musste er dafür bezahlen.
Rauhreif knirschte, als sich Frosts Hand bewegte. Er durfte nicht aufgeben, nicht bevor er die Antworten auf seine Fragen gefunden hatte. Der Dämon gab ein bedrohliches Zischen von sich. Seine mörderischen Fänge blitzten kalt im trüben Licht der durch den Nebel brechenden Sonne.
Dann explodierte Frosts gesamter Körper in brennendem Schmerz. Einen Moment lang glaubte er, er würde einfach einer Eisskulptur gleich zerspringen. Doch dann fühlte er, wie sich seine Hand um den schuppigen Arm des Dämons schloss.
Seine Rechte fand wie von Geisterhand geführt zu kaltgefrorenem Leder, als sich der Krieger vor Schmerz brüllend zur Seite warf, um dem tödlichen Biss zu entkommen. Ein lautes Kreischen erfüllte die Luft, der Stahl des Eisbrechers schabte über die metallene Innenverkleidung der Schwertscheibe und kam schließlich in einem gleißendem Blitz frei.
Statt Frosts Hals zu zerfetzen, gruben sich die spitzen Zähne des Gletscherdämons in seinen rechten Oberarm. Warmes Blut lief über die eiskalte Haut des Waffenmeisters.
Der Dämon hing noch immer an Frosts Schwertarm, als der scharfe Ironiastahl den Schuppenpanzer seiner Arme durchdrang. Klatschend schlugen die abgetrennten Enden dreier Fangarme auf dem Eis auf, wanden sich noch einige Sekunden lang wie verletzte Schlangen, bevor sie erschlafften.
Das schmerzerfüllte Kreischen des Dämons vermischte sich mit dem rasenden Brüllen des Waffenmeisters. Spitze Fänge schnappten nach Frosts Gesicht. Schillernder Stahl zerschnitt sirrend die Luft. Um die eigene Achse wirbelnd wich Frost zur Seite aus.
Schmatzend grub sich die Klinge in das eisgraue Fleisch der tückischen Gletscherkreatur.
Der Dämon erzitterte. Das zahnbewehrte Maul weit aufgerissen, hing er auf den Schwanz aufgerichtet halb in der Luft. Regenbogenfarbenes Blut sickerte aus einer Wunde direkt unterhalb seines Kinns. Ein einzelner Sonnenstrahl brach sich auf der Spitze des Eisbrechers, welcher einem Horn gleich auf der Rückseite seines Halses ausgetreten war.
Sämtlicher Glanz wich aus den Augen des Dämons. Frost atmete auf. Keuchend senkte er das Schwert und schob den Kadaver mit dem Stiefel von seiner Klinge.
Völlig entkräftet sank er neben der Kreatur, welche wenige Minuten zuvor noch Esthera gewesen war, auf die Knie. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Was hatte er getan, dass das Schicksal dermaßen grausam zu ihm war?
"Was habe ich getan?!"
Sein Schrei verhallte in den Weiten des sich langsam auflösenden Nebels. Der Sturm hatte nachgelassen. Allmählich kehrte wieder Ruhe auf dem eisigen Leib des Gletschers ein.
14.06.2003, 15:36 #3
Superluemmel
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Einsamkeit.
Schmerz.
Kälte.
Tod.
Er trieb durch einen Ozean aus schwarzer Unendlichkeit. Leere. Endlose Leere umgab ihn. Überall das gleiche Bild. Schwärze, ein wogender Vorhang aus absoluter Finsternis.
Er wusste, dass er allein war. Allein in der unendlichen Einsamkeit seines selbstgeschaffenen Gefängnisses. Was hatte er sich nur dabei gedacht, alleine den Gefahren des Gletschers trotzen zu wollen? Den Göttersitz zu erklimmen! Wer war er, dass er gegen den Willen der Götter aufbegehrte?
Er war wieder auf sich alleine gestellt. Wie schon so oft zuvor. Doch dieses Mal war es anders. Dieses Mal würde es kein weiteres Erwachen nach dem Tod geben.
Dieses Mal würde er entgültig sein.
Lähmende Schmerzen in jeder einzelnen Zelle seines Körpers erinnerten ihn daran, dass er noch immer lebte. Wie lange noch? Wann würde sein Körper den Kampf aufgeben? Unglaubliche Kälte entfachte ein loderndes Inferno auf seiner Haut. Der Kuss des Gletscherdämons hatte seinem Körper jegliche Wärme entzogen. Selbst nach dem Tod der Kreatur versuchte sein Gift noch immer, das einmal begonnene Werk zu vollenden. Ein tödliches Vermächtnis. Seine Nemesis.
Und dann, wenn einmal auch das letzte Fünkchen Wärme aus seinem schwächer werdenden Körper gewichen war, würde er sterben. Noch einmal würde seine kraftlose Hülle versuchen, mit krampfhaften Zuckungen ihrem Schicksal zu entkommen. Obwohl der Kampf aussichtslos war, würde sein Leib den Kampf weiterführen. Bis zum bitteren Ende. Schließlich würde sich sein Körper mit einer weißen Decke aus Rauhreif überziehen. Wenn er Glück hatte, würde er einem der Aasfresser noch als Mahlzeit dienen können. Vielleicht würden auch andere Gletscherabenteurer seine steifgefrorene Leiche nach Jahren auf dem Eis entdecken. Ein schauerliches Mahnmal für all diejenigen, die sich tatsächlich einbildeten, gegen die Götter aufbegehren zu können.
"Frost, wach auf!"

Ein stechender Schmerz in seinem Kopf riss Frost aus seiner Starre. Flüssige Lava schien sich brennend ihren Weg durch seine Adern zu bahnen und hinterließ dabei ein unangenehmes Kribbeln. Eiserne Ketten hinderten Frosts Lunge, ihre Arbeit zu verrichten. Japsend schnappte der Waffenmeister nach Luft. Flammende Ringe sprangen vor seinen Augen auf und ab. Etwas festes, klobiges blockierte seine Atemwege. Keuchend schlug sich Frost selbst auf den Rücken und stürzte erneut hart auf das Eis. Gleichzeitig spürte er, wie sich die Blockade in seinem Hals löste. Hustend und würgend spuckte er Blut und eine seltsame, violettene Flüssigkeit. Binnen weniger Augenblicke verhärtete sich das seltsame Sekret und verschmolz mit dem Eis zu einer dunklen Lache. Nach Atem ringend wälzte sich Frost auf den Rücken.
Er lebte...
Zwar schmerzte jede einzelne Faser in seinem Körper als ob sie von ein paar tollwütigen Trollen zum Tauziehen benutzt worden wäre, aber er war noch immer am Leben. Hoffentlich blieb das auch noch länger der Fall...
Mit schmerzverzerrtem Gesicht stemmte sich Frost in die Höhe. Beinahe wäre er auf der wie mit Seife eingeriebenen Eisoberfläche gleich wieder gestürzt, fing sich jedoch im letzten Moment auf. Ja, er lebte tatsächlich noch. Allerdings würde das in wenigen Stunden auch keinen Unterschied mehr machen. Denn er befand sich inmitten der eisigen Einöde des Gletschers. Als er einem falschen Ziel folgend in den Sturm gerannt war, hatte er auch die letzte Orientierung verloren. Einzige Orientierungshilfen war der Göttersitz sowie die umliegenden Randgebirge. Er hatte nur die wenigen Sachen bei sich, die er bei der überstürzten Aktion am Leib getragen hatte. Mittlerweile völlig durchnässte Kleidung, die Geschwisterklingen und seine Rüstung. Dazu seine noch fast volle Feldflasche. Also stand er quasi mit bloßen Händen gegen die Urgewalt des Gletschers.
Hilflos sah sich Frost um. Wenn ihn seine Erinnerung nicht täuschte, lag die Höhle mit seiner Ausrüstung in der Nähe des östlichen Gebirgskamms. Umkehren konnte der Krieger nicht mehr. Dafür war er schon zu weit in die Eiswüste vorgedrungen. In seinem derzeitigen Zustand würde er nicht einmal mehr die Hälfte des Weges hinter sich bringen, bevor er vollends zusammenbrach. Andererseits war es genauso unmöglich für ihn, den Göttersitz zu erklimmen. Zumindest, bis er sich halbwegs erholt hatte.
Seine Lippen waren aufgesprungen, die Haut rot durch die Kälte. Knurrend meldete sich nun auch noch sein Magen zu Wort. Entweder, er fand die Höhle oder er verreckte doch noch elendig auf dem Eis. Letzteres erschien ihm um einiges wahrscheinlicher. Wenn er die Höhle finden wollte, musste er nach der berüchtigten Nadel im Heuhaufen suchen.
Ein letztes Mal suchte Frost die Umgebung nach Anhaltspunkten ab, die ihm bei seiner Suche helfen konnten. Nichts. Auf dem Eis waren keinerlei Spuren zu erkennen und der Schneesturm hatte sein Übriges beigetragen. Kopfschüttelnd lief der Krieger in die Richtung los, in der er die Höhle vermutete. Mehr als diese Vermutung hatte er ohnehin nicht. Erst recht keine Hoffnung, aus dieser Misere jemals wieder lebend herauszukommen.
Immerhin war das Brennen in seinen Gliedern auf ein leichtes Kribbeln zurückgegangen. Vielleicht steckte in seinem Körper ja doch noch mehr Leben, als er zunächst vermutet hatte. Die Sonne setzte ihre Reise über den Himmel unaufhaltsam fort, als der düstere Krieger durch die triste Wüste aus Weiß- und Grautönen stapfte. Einzig und allein der scharfe Gletscherwind begleitete ihn auf seinem Weg.
Er wusste nicht, wie lange er schon durch die Einöde wanderte, als ihm eine Lichtreflexion auf dem Eis ins Auge stach. Eine einfache Spiegelung, hervorgerufen durch eine besondere Anordnung der Eiskristalle? Viel zu verlieren hatte er auch nicht, wenn er den Grund für die Reflexion genauer untersuchte. Umso erstaunter war er, als er eine schlichte Kupfermünze entdeckte, die auf dem Eis lag.
Erstaunt sah sich der Waffenmeister um. Eine Münze, hier, mitten im ewigen Eis? Mißtrauisch geworden hob der Krieger das Geldstück auf und betrachtete es genauer. Das stilisierte Abbild des Königs von Myrthana blickte ihm aus leblosen Augen entgegen. Somit war also ausgeschlossen, dass es sich um einen der Schätze handelte, die der Gletscher im Laufe der Jahrhunderte verschlungen hatte.
Doch wie - Noch eine Münze. Unweit seiner Position blinkte eine weitere Kupfermünze auf dem Grau des Eises. Also eindeutig kein Zufall.
Frosts Hand lag am Knauf seines Schwertes, als er sich der zweiten Münze näherte. Als er wenige Schritt entfernt noch ein Geldstück fand, war er nicht mehr sonderlich überrascht. Kurz entschlossen folgte er der Spur aus Geld. Viel zu verlieren hatte er ohnehin nicht mehr. Außer seinem Leben, aber falls er die Höhle nicht bald fand, regelte sich dieses Problem ohnehin von selbst.
Er war den Münzen sicherlich eine gute halbe Stunde lang gefolgt, als er einen düsteren Umriss erkannte, der sich deutlich von der grauen Eisfläche abhob. Frosts Herz begann schneller zu schlagen. Konnte es wirklich...?
Seine Schritte beschleunigten sich. Schließlich flog er geradezu von heiß brennender Hoffnung beseelt über das Eis. Tatsächlich, wenige Schritt vor ihm klaffte ein tiefer Einschnitt im Leib des Gletschers. Und inmitten des Spalts war die kleine Höhle zu erkennen, in der er die vergangene Nacht über Zuflucht gesucht hatte.
In Gedanken dankte Frost dem Unbekannten, der ihn auf die richtige Fährte gelockt hatte und schob sich in das Innere der Höhle. Das Feuer war mittlerweile heruntergebrannt, nur noch verkohlte Holzscheite kündigten von der wohligen Wärme der erkalteten Glut. Ein ganzer Felsbrocken schien von Frosts Herzen abzubröckeln, als sein Blick auf den prall gefüllten Rucksack fiel. Die Mundwinkel des Kriegers verzogen sich zu einem grimmigen Lächeln.
So schnell würde ihn diese Welt nicht loswerden.
14.06.2003, 19:23 #4
Superluemmel
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Stück für Stück kämpfte sich Frost weiter den Berg hinauf. Der monotone Rythmus seiner Schritte, das kaum hörbare Knirschen des Eises unter den Sohlen aus Wurmhaut und der sanfte Singsang des Gletscherwindes bildeten zusammen die einzigen Geräusche auf dem reglos daliegenden Eisgiganten.
Der Krieger hatte den Kragen seines Mantels hochgeschlagen sowie die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, um seine Haut vor dem eisigen Wind zu schützen. Schon die leichteste Berührung des Eishauches ließ unzählige Schmerzenspole in seinem Körper aufflammen. Zwar hatte sich der Krieger wieder größtenteils von den Folgen des Dämonenangriffs erholt, doch bis seine unterkühlten Glieder wieder vollends einsatzfähig waren, würde noch einige Zeit vergehen. Und je mehr er sie schonte, desto schneller würden sie heilen.
Festen Schrittes setzte Frost seinen Weg fort. Der Eisfluss, dem er folgte, zog sich nahezu über den gesamten Gletscher. In dieser Hinsicht hatte er bisher sogar Glück gehabt. Kein Luzkan hatte ihn gewittert. Solange die Eisfläche weiterhin so breit blieb, hatte er gute Chancen, den Göttersitz zu erreichen ohne ein einziges Mal einer der Schneebestien zu begegnen.
Inzwischen wurde das Eis immer wieder von größeren Felsbrocken durchbrochen, die wie die Fänge eines gewaltigen Raubtieres gen Himmel ragten. Bruchstücke des gewaltigen Plateaus, welches die Spitze des Göttersitzes dargestellt hatte, bevor der vordere Teil des Berges aus unerklärlichen Gründen abgebrochen war und ein Stück des Gletschers unter sich begraben hatte. Nun lagen die Trümmer des massigen Bergkopfes über den gesamten Gletscher verstreut. Stumme Zeugen eines Ereignisses, das zu unvorstellbar für den menschlichen Geist gewesen war.
Über der gesamten Szenerie thronte der Gipfel des Göttersitzes, dem höchsten Berg der Luzkanzacken. Noch immer warf das gewaltige Felsmassiv seinen immerwährenden Schatten auf Teile des Gletschers, auch wenn die Finsternis aufgrund des Erdrutsches an Macht eingebüßt hatte.
Vor einiger Zeit musste General Kaszan Toras zusammen mit seinem Expeditionstrupp diesen Weg beschritten haben. Erstaunlich, wie weit er bereits gekommen war. Vor allem, wenn er bedachte dass von Toras' vierzig Mann gerade mal eine Hand voll zurückgekommen war. Der Gedanke trug sowohl etwas beunruhigendes wie auch aufbauendes mit sich. Wenn es selbst vierzig ausgebildete Soldaten nicht vollends mit den Schrecken des Gletschers klarkamen, wie sollte es dann erst ein einzelner Krieger schaffen? Andererseits hatte er den größten Teil des Weges bereits hinter sich und lebte immer noch. Zumindest mehr oder weniger.
Als sich Frost durch einen Spalt zwischen zwei gewaltigen Felsbergen zwängte, fiel ihm die Stille auf, die sich wie ein drückendes Tuch über die Szenerie gelegt hatte. Augenblicklich blieb der Krieger stehen, presste sich mit dem Rücken fest an den Fels. Da war es wieder. Ein unangenehmes Kribbeln in seiner Wirbelsäule. Millionen winziger Insekten, die einer Flutwelle gleich durch seine Nervenbahnen brandeten.
Die Stille war alles andere als natürlich. Vom Wind war nichts mehr zu spüren, obwohl die herumliegenden Felsen kaum ausreichen konnten, um das Gebiet von dem eisigen Hauch abzuschirmen. Dieses Mal war Frost vorsichtiger und griff nach dem Schwert, um die lange Klinge zwischen den Fingern lautlos aus der Scheide gleiten zu lassen. Bläulich schimmernd schwebte der Eisbrecher einer überdimensionierten Nadel gleich in Kopfhöhe, als sich der Waffenmeister vorsichtig um den Felsen herumschob.
Und verkniff sich gerade noch einen wüsten Fluch. Vor ihm breitete sich ein wahrer Irrgarten aus Felszacken und Eisspalten aus. Wenn hier etwas lauerte, hatte es mehr als ausreichend Verstecke für einen Hinterhalt. Die von den Felsen ausgehende Gefahr war geradezu körperlich spürbar. Ein Schaudern lief Frosts Rücken herunter, seine Nackenhärchen stellten sich zum wiederholten Male auf.
Was sich auch immer in diesem Labyrinth versteckt hielt, es war da. Frosts Atmung ging ruhig und flach, als er mit schlagbereit erhobener Waffe auf die Felsformationen zuhuschte. Rasch drückte er sich an den harten Stein, warf einen Blick über die Schulter und eilte dann zum nächsten Felsen, um das Spielchen zu wiederholen.
Als er um die Kante des Felsbrockens spähte, konnte Frost einen schwachen Lichtschimmer erkennen. Es war nur eine Spiegelung im Grau des Eises. Ein sanfter, orangeroter Schein der sich langsam von dem Waffenmeister fortbewegte. Mißtrauisch kniff Frost die Augen zusammen. Was ging hier vor sich?
Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, alleine den Gletscher zu besteigen. So hatte er niemand, der ihm den Rücken decken konnte. Sobald er seine Position preisgab, wurde er verwundbar für aus dem Hinterhalt geführte Attacken. Strategisch gesehen stand er schon mit einem Bein im Abgrund. Wenigstens war es nur sein Leben, über das er zu entscheiden hatte.
Leise zischend entwich die Luft zwischen seinen Nasenflügeln, seine Finger suchten neuen Halt an dem lederumwickelten Griff des Schwertes. Wie er diese Entschlüsse hasste. Den Lichtschein im Auge behaltend, ging der Waffenmeister leicht in die Knie.
Dann sprang er aus seiner Deckung, sprintete mit eingezogenem Kopf über das Eis und landete mit einer Hechtrolle hinter einer mehr als mannshoch aufragenden Eisnadel. Blitzschnell hob er die Waffe, jederzeit bereit einen plötzlichen Angriff zu kontern. Gespannt hielt er den Atem an.
Stille.
Das Wummern seines eigenen Herzschlages klang wie das Stampfen einer ganzen Trollherde in Frosts Ohren. Wenn ihn der Sprint nicht schon verraten hatte, dann würde es sein Herz tun.
Doch nichts rührte sich.
Frost zählte in Gedanken bis Zehn, dann lugte er abermals aus seiner Deckung hervor. Die herabgestürzten Felsen bildeten eine schmale Gasse, die auf einer Seite durch gewaltige Eisklötze begrenzt wurde. Unruhig suchte Frost die Ränder der natürlichen Schlucht ab. Er konnte schon fast fühlen, wie ihm ein unsichtbarer Beobachter laut "Falle!" zurief.
Scharf die Luft zwischen den Zähnen ausstoßend, ließ sich Frost in die Deckung der Eisnadel zurücksinken. Der Lichtschein verlor sich hinter der Kante der Schlucht. Der Krieger atmete tief durch. Es gab noch weitere Wege als diese offensichtliche Falle. Doch was hatte es mit diesem mysteriösen Licht auf sich? Lief er geradewegs in den Hinterhalt weiterer Gletscherdämonen?
Der Estheradämon hatte gemeint, er würde stets das zeigen, was sich sein Opfer am meisten ersehnte. Frost warf die Stirn in Falten. Er konnte sich nicht vorstellen, irgendwo in den Tiefen seiner Seele nach einem Lichtschimmer zu dürsten. Konnten diese Dämonen lügen? Hätte er einen Grund dazu gehabt?
Hastig verdrängte Frost die aufsteigenden Gedanken und trat enschlossen einen Schritt nach vorne und in die Schlucht hinein.
15.06.2003, 17:20 #5
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Schnelle Schritte trugen den Waffenmeister zur Eiswand der Schlucht. Augenblicklich drückte er sich mit dem Rücken fest an das Eis, das Schwert fest in der Hand und zum Zustoßen bereit. Gehetzt rannte sein Blick den Rand des riesigen Felsblocks entlang, der die gegenüberliegende Schluchtseite bildete. Die Muskeln des Kriegers spannten sich, in Erwartung eines plötzlichen Angriffs ging er leicht in die Knie.
Nichts rührte sich.
Ein scharfes Einatmen. Frosts Kopf drehte sich leicht nach links, suchte die eigentliche Schlucht nach möglichen Gefahren ab. Einen Wimpernschlag später war sein Blick wieder auf den Schluchtrand gerichtet.
Völlige Stille.
In einer fließenden Bewegung löste sich Frost von der Wand, wirbelte herum und huschte weiter. Nach mehreren, schnellen Schritten presste er sich erneut gegen das Eis. Aufmerksam sondierten die eisblauen Pupillen die Umgebung, durchleuchteten Fackeln gleich das seltsame Zwielicht, ließen keinen Schlupfwinkel unentdeckt.
Nichts.
Jeder Muskel, jede Sehne in Frosts Körper war bis zum Zerreißen gespannt. Das elektriesierende Kribbeln in seinem Nacken ein ganzes Reiterheer, das über seine Nervenbahnen donnerte. Er wusste, dass er nicht allein in dieser Wüste aus Eis und Felszacken war. Frost konnte die Anwesenheit von etwas fremden ebenso spüren, wie er den Gletscherdämonen gespürt hatte.
Diese Anspannung war zigmal schlimmer als jeder Gegner, der in den Schatten auf ihn lauern mochte. Sie verunsicherte ihn. Ein Feind aus Fleisch und Blut war immerhin eine Gefahr, die fassbar und dadurch besiegbar war. Doch diese Ungewissheit attackierte ihn, ohne dass er sich gegen sie wehren konnte. Sie schlug keine körperlichen Wunden, doch sie zehrte an seinem Selbstvertrauen, seinen Nerven. Durch sie wurde er daran erinnert, wie verwundbar er trotz aller Rüstung war.
Eine Spiegelung auf dem Eis sprang Frost ins Auge. Da war es wieder, ein flackerndes, orangerotes Licht. Wie das einer Flamme. Schwach reflektierte die Eiswand den Lichtschein. Was auch immer die Quelle dieses Scheins war, es musste sich hinter der Kante am Ende der Schlucht befinden. Verdammt, hier stank es gewaltig nach einer Falle.
Unruhig wanden sich Frosts Finger um den Griff des Eisbrechers, schmiegten sich fester an den lederumwickelten Stahl. Es brachte alles nichts, er konnte noch Stunden stehenbleiben und warten, ob sich etwas regte. Kurzentschlossen sprintete der Krieger durch die enge Schlucht, stieß sich vom Boden ab und rollte sich über die Schulter ab und um die Kante des Eisgrabens. Knirschend gruben sich die Schulterhörner seiner Rüstung in das Eis, winzige Partikel spritzten umher als Frosts Stiefel auf dem rutschigen Untergrund aufsetzten und die Bewegung abrupt stoppten. Der Eisbrecher zuckte einer zubeißenden Schlange gleich nach oben.
Doch der erwartete Angriff blieb aus. Pupillen, kalt wie der Hauch des Gletschers, musterten misstrauisch die Umgebung, als sich der Krieger langsam aufrichtete. Die Schlucht mündete in einem von Eiszacken umrahmten Kessel. Auf dem Eis brach sich mehrfach der ruhig pulsierende Lichtschein. Nur war die eigentliche Lichtquelle nirgends zu entdecken.
Zumindest nicht auf dem Eis.
Als sich Frost vorsichtig der Mitte des Kessels näherte, konnte er einen hellen Punkt mitten in dem gefrorenen Leib des Gletschers erkennen. Auf den ersten Blick sah es wie eine gewöhnliche, wenn auch ungewöhnlich flache Steinplatte aus. Bei genauerem Hinsehen konnte Frost jedoch feine Linien ausmachen, die sich wie ineinander verschlungene Schlangen durch den Stein wanden. Pulsierende Lichtströme, die durch die Gravur strömten, verstärkten den seltsam lebendig wirkenden Eindruck. Die Form des Musters erinnerte den Waffenmeister an Schriftzeichen, auch wenn er sie nicht entziffern konnte. Eine Rune? Mitten im ewigen Eis?
Zudem war die Steinplatte ungewöhnlich groß für eine Zauberrune. Frost kannte hauptsächlich die kleinen Runensteine, die von den meisten Magiern des Landes benutzt wurden, um ihre magische Energie zu fokussieren und in mächtige Zauber umzusetzen. Allerdings musste sich der Krieger auch eingestehen, nicht allzu viel von diesem gesamten Magiezeugs zu verstehen. Vielleicht sollte er diese Wissenslücke bei Gelegenheit einmal ausbessern.
Je länger er die Rune betrachtete, desto intensiver wurde das Kribbeln in seinem Nacken. Der Stein wirkte eine seltsame Anziehungskraft auf ihn aus. Fing seinen Blick ein, fesselte ihn mit unsichtbaren Ketten an sich und ließ ihn nicht mehr los. Zögernd, wie gegen einen nicht erkenntlichen Widerstand ankämpfend, hob sich Frosts Hand. Ebenso langsam fasste er das Schwert mit beiden Händen und kehrte die Spitze gen Boden, sodass sie schließlich direkt auf den Runenstein zeigte.
Was tat er hier, wie - Der Eisbrecher zuckte nach unten.
Krachend bohrte sich die Klinge aus schimmerndem Ironiastahl in das eisige Grau, mit aller Macht trieb Frost die Waffe tiefer in den reglosen Gletscherriesen. Knackend brach das Eis, gab mit dröhnendem Getöse nach und formte einen etwas mehr als fingerbreiten Riss, der von der Bruchstelle ausgehend sich rasch ausweitete und einen gezackten Spalt hinterlassend durch das Eis lief. Schließlich traf er auf eine der Talwände, rannte an ihr empor und kam knapp unterhalb ihres Randes zum Stillstand.
Die schmale Kluft hatte den Runenstein freigelegt. Der Riss verengte sich in der Tiefe immer weiter, bis er sich vollends schloss. Doch über der Steinplatte hatte sich das Eis wenige Haar breit auseinandergezwängt.
Und die wabernden Feuerlinien beschränkten sich nicht weiterhin nur auf ihr steinerndes Gefängnis. Feurigen Würmern gleich krochen sie an den Steilwänden des Risses in die Höhe, ließen zischend jahrhunderte altes Eis verdampfen und brannten schwarze Spuren in die eisige Umgebung. Langsam aber sicher näherten sie sich dem feststeckenden Eisbrecher. Frost versuchte endlich, das Schwert freizubekommen und zu verschwinden, doch er war unfähig, sich zu bewegen. Verdammte Hexerei...
Zum bloßen Zuschauen verdammt, musste Frost mit ansehen, wie die Feuerwürmer schließlich die Spitze seines Schwertes erreichten. Einen Moment lang schienen sie zu zögern, wanden sich unschlüssig um die stählerne Klinge herum. Dann sprangen sie auf den kalten Stahl über und krochen umso schneller an ihm empor, als ob sie die verlorene Zeit wieder einholen wollten. Jetzt konnte Frost auch die unglaubliche Hitze spüren, die ihm einer Faust gleich ins Gesicht schlug. Keuchend verengte er die Augen zu schmalen Schlitzen, war jedoch nicht in der Lage, die Hände vom sich stetig erwärmenden Schwertgriff zu nehmen.
Millimeter für Millimeter arbeiteten sich die feurigen Linien die Erzklinge hinauf, wanden sich in seltsam anmutenden Bahnen um die Schwertschneide, rasten direkt auf Frosts Hände zu. Warum konnte er das verdammte Schwert nicht loslassen?!
Einer der Feuerwürmer erreichte die Parierstangen, schlang sich wie ein Tentakel um den erhitzten Stahl, machte allerdings keinerlei Anstalten, weiter am Heft emporzuwandern. Seine Artsgenossen hatten keine derartigen Hemmungen, sprangen ungebremst auf das Leder des Griffes über. Mit vor Schrecken geweiteten Augen musste Frost mit ansehen, wie sich einer der Würmer geradewegs auf seinen kleinen Finger zubewegte. Innerlich bereitete er sich schon auf den Schmerz vor, den die Verbrennung mit sich ziehen würde.
Dann erreichte die Feuerlinie seinen Handschuh. Und drang widerstandslos in ihn ein. Doch der erwartete Schmerz blieb aus. Vielmehr kam es Frost so vor, als ob etwas kaltes, feuchtes über seine Haut tastete. Nicht nur über seine Haut. Weitere Feuerwürmer wanden sich seine Arme empor, schlängelten sich die Adern seines Halses hinauf und überzogen seine Haut mit einem gleißenden Gespinst. Als sie seine Augen erreichten, begann die Welt wie unter extremer Hitze zu verschwimmen.
Nie zuvor gesehene Bilder begannen sich vor Frosts Augen zu formen. Er sah blühende Gärten mit ihm völlig unbekannten Pflanzen. Sorgfältig angelegte Bäche zogen sich zwischen den prachtvollen Blumenbeeten und Bäumen hindurch. Gigantische Türme aus einem an Elfenbein erinnernden Material von reiner, weißer Farbe streckten sich dem Himmel entgegen.
Das Bild begann zu flackern, dann stürzte es einem Vorhang gleich in sich zusammen, nur um sich kurz darauf neu zu formen. Ein gigantischer Platz, eingerahmt von ausladenden Zuschauerrängen aus Marmor bildete sich hervor. Bunte Wappenbanner flatterten über einem Baldachin im Wind. Einige Sekunden lang war keine Menschenseele zu sehen. Dann füllte sich der Platz binnen weniger Augenblicke mit fremdartig wirkenden Gestalten. Für Menschen waren sie unglaublich zerbrechlich gebaut und ihre Züge wirkten um ein vielfaches edler, wie von einer inneren Ruhe erfüllt, nicht wie die abgerauhten Mienen biersüchtiger Zuschauer. Auf einmal kam Bewegung auf den Platz. Mehrere Gestalten huschten mit atemberaubender Geschwindigkeit über das Gras des Turnierplatzes und tauschten geschmeidig Schläge aus, duckten sich mit der Geschmeidigkeit eines Panthers unter vorschnellenden Klingen hinweg und griffen mit waghalsigen Sprüngen ihrerseits an. Die Kunstfertigkeit und Schnelligkeit der Kämpfer übertraf die eines normalen Menschen um Längen.
Langsam verblasste auch dieses Bild und löste sich schließlich in einen Hauch rötlichen Nebels auf. Frost blinzelte verwirrt, als er anstatt des prächtigen Amphitheaters auf einmal wieder das triste Grau des Eises vor Augen hatte. Allerdings befand er sich nicht mehr inmitten des kleinen Talkessels. Verwundert blickte er sich um, stellte zuerst verblüfft fest, dass er sich offensichtlich am Rande des Gletschers befand und suchte dann Seinen Körper nach Spuren der feurigen Berührung ab. Gerade rechtzeitig, um einen der Feuerwürmer zu erspähen, der sich gerade von seinem Handschuh löste und sich über den Stahl seines Schwertes davonschlängelte. Jedoch blieb er knapp oberhalb des Heftes stehen, wand sich dann mehrfach um sich selbst und ließ sich schließlich auf dem blanken Stahl nieder. Für einen Moment leuchtete ein fremdartiges Muster auf, dann verblasste das Glühen. Zurück blieb eine verschnörkelte Rune knapp oberhalb der Parierstangen. Sie erinnerte den Krieger an alte Schriftzeichen aus der Rimmersmark, wies jedoch leichte Abweichungen auf. Was hatte das zu bedeuten?
Stirnrunzelnd ließ Frost das Schwert ein paar Mal spielerisch durch die Luft gleiten, konnte allerdings keine Beeinträchtigung der Balance oder andere Probleme spüren. Schließlich rammte er den Eisbrecher zurück in die Scheide und sah sich unentschlossen um. Auf wundersame Weise befand er sich nun ein gutes Stück höher auf dem Gletscher, nahe des an den Göttersitz angrenzenden Berges. Eine glückliche Fügung des Schicksals, denn so würde es nicht mehr allzu lange dauern, bis er sich an den Aufstieg machen konnte. Die Antworten auf seine Fragen waren in greifbare Nähe gerückt...
15.06.2003, 23:37 #6
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Plätschernd klatschte eine glasklare Flüssigkeit auf die staubtrockenen Felsen, rannte in schmalen Flüssen über die miniaturisierte Hügellandschaft des Gesteins um stetig bergab zu fließen. Das Plätschern verwandelte sich in ein leises Tröpfeln, als die letzten, in allen Farben des Regenbogens schillernden Tropfen die metallene Kanne verließen und auf dem Granit zerschellten. Ein scharfer Geruch, ähnlich dem von Schnaps, nur deutlich aufdringlicher, erfüllte die Luft und reizte die Schleimhäute des dunklen Kriegers.
Kritisch betrachtete Frost sein Werk. Eine lange, feuchte Spur zog sich quer über den felsigen Untergrund und schillerte in den unterschiedlichsten Farben unter dem blassen Mondlicht. Schließlich ließ er die Kanne sinken, rümpfte die Nase und gewann rasch Abstand von dem künstlich angelegten Flüsschen.
Wenn sein Besuch eintraf, wollte er lieber ein schlechter Gastgeber sein und durch Abwesenheit glänzen. Immerhin präsentierte er seinem Gast ein saftiges Abendessen.
Sich auf dem Gestein abstützend, schwang sich der Krieger über einen niedrigen Felsbrocken hinweg und in die hinter ihm verborgen liegende Mulde. Noch einmal vergewisserte er sich, dass die Spur ordentlich gelegt war, dann ließ er sich in seine Deckung sinken. Von seiner Position aus hatte er einen guten Überblick über die Szenerie und war größtenteils vom Wind geschützt. Allerdings trug dieser einen Hauch des scharfen Gestanks mit sich. Vor diesem Zeugs gab es wohl kein Entkommen...
Umso besser. Denn so war es mehr als unwahrscheinlich, dass sein Gast die Fährte übersah. Frosts Hand wanderte zu dem Trinkschlauch mit dem Branntwein, während sein Blick an dem gigantischen Felsriesen emporwanderte, welcher den Göttersitz darstellte. Nur schwerlich waren die leicht zwei Schritt hohen Löcher zu erkennen, die die Felswand wie die Einschläge gewaltiger Geschosse in einer Burgmauer verzierten.
Kräftige Schlücke zwangen den starken Branntwein Frosts Kehle hinunter, entfachten ein Meer aus Flammen in seinem ausgetrockneten Hals und erfüllten seinen Leib mit einer wohligen Wärme. Sorgfältig stopfte der Krieger den Korken zurück in die Öffnung des Lederschlauches, bevor er ihn sicher in seinem Gepäck verstaute und statt dessen einen etwas mehr als faustgroßen Stein zur Hand nahm.
Abschätzend wog der Waffenmeister den kleinen Felsen in der Handfläche, warf ihn spielerisch einige Male in die Luft. Sein Blick richtete sich erneut auf die durchlöcherte Bergflanke, blieb schließlich auf einem unmerklich größeren Loch hängen. Ein schneller Satz katapultierte Frost nach vorne, sein Arm schwang nach unten, beschrieb eine fast vollständige Kreisbahn und entließ den Stein in einem weiten Schwung. Klackend knallte der Fels gegen die Decke der Höhle, verlor dabei einen kleineren Teil seines steinigen Körpers und verschwand dann polternd in der Dunkelheit.
Hastig duckte sich Frost zurück in den Schutz seines Verstecks. Wenige Sekunden später drang auch schon ein ihm bekanntes Geräusch aus dem gähnenden Schlund in der Felswand. Ein durchgehendes, lauter werdendes Schaben, als ob Sandpapier über schroffen Fels glitt. Der Vergleich kam der Realität erschreckend nahe. Es dauerte nicht lange, bis sich ein zutiefst schwarzes Etwas aus dem Höhleneingang schob. Wie der Rüssel eines Wildschweins ruckte der Wurmkopf herum, versuchte vergeblich zu erkennen, welcher Störenfried ihn da aus seinem Schlummer gerissen hatte. Nach wenigen Augenblicken verlor die Pendelbewegung an Kraft. Lautlos öffnete sich das grob dreieckige Maul, um den wahren Kopf des Klippenwurmes zu offenbaren. Ein einzelnes, geschlitztes Auge blinzelte in die Dunkelheit, rosafarbene Tentakelarme fächernden dem gierig aufgerissenen Maul Luft zu, um Witterung aufzunehmen. Ein Rinnsal einer klaren Flüssigkeit troff aus zwischen den Fangarmen verborgen liegenden Giftdrüsen und stürzte die Felswand hinab. Plötzlich verharrten die Tentakel in ihrer unsteten Bewegung. Knarzend schob sich der Wurm weiter aus seinem Bau hervor, das Kopfende neigte sich in die Tiefe. Offensichtlich hatte er das Sekret seines Artgenossen gewittert, welches Frost zuvor großzügig über die Felsen verteilt hatte. Augenblicklich kam Bewegung in den Wurm. Die Kopfhaut schloss sich fast vollständig, mit kraftvollen Schüben glitt das massige Ungetüm vollends aus seinem Loch und kroch mit erstaunlicher Geschwindigkeit die fast senkrecht abfallende Wand hinab. Selbst bei seiner zweiten Begegnung mit einem derartigen Koloss büßte der Klippenwurm nichts von seiner ehrfurchtserregenden Aura ein.
Ebenso wie der fellige Schatten des mächtigen Raubtieres, das sich düster vor der rabenschwarzen Kulisse der Nacht abzeichnete. Lautlos wie eine sich heranpirschende Katze setzten die mächtigen Grabschaufeln auf den Felsen auf, wuchteten den mehr als zwei Schritt hohen Körper nach vorne. Der Kopf des Luzkan befand sich dicht über dem Boden, seine Nüstern sogen den Geruch des Wurmgifts auf, während die tückisch blitzenden Augen aufmerksam die Umgebung sondierten. Für die Dauer eines Herzschlages verharrte die fellige Kreatur, als sie den sich unruhig windenden Klippenwurm erspähte.
Die Lefzen des Totengräbers hoben sich zitternd, entblößten die gut Schritt langen Reißzähne. Langsam sank die Schneebestie leicht in die Knie. Das schneeweiße Fell striff über den Felsboden, als er sich vorsichtig aber nicht unbedingt langsam näher an sein Opfer heranschlich.
Der Klippenwurm kroch währenddessen weiter ziellos über das Gestein. Er hatte die drohende Gefahr noch nicht bemerkt. Ohne das geringste Geräusch zu verursachen, schob sich der Luzkan weiter voran. Bleiches Mondlicht brach sich in den dunklen Pupillen des mächtigen Jägers, der gewaltige Schatten näherte sich unaufhaltsam dem Wurm.
Der Klippenwurm unterbrach seine Schlängelbewegung, um den Kopf zu heben und nervös hin und her zu winden. Spürte er den anrückenden Todesschatten?
Der Luzkan duckte sich zum Sprung. Selbst auf die Distanz von einem guten Dutzend Schritt glaubte Frost zu sehen, wie sich die gewaltigen Muskelpakete unter dem Fell spannten. Das Maul öffnete sich leicht, bereit sein Opfer in Stücke zu reißen.
Einen Moment lang verharrte der Luzkan in seiner Pose. Dann entluden seine Muskeln die aufgestaute Kraft in einem gewaltigen Satz. Der Wurm warf seinen Kopf zur Seite, giftiges Sekret spritzte an dem vorschnellenden Monstrum vorbei, mächtige Kiefer klafften auseinander um einen Sekundenbruchteil später zusammenzuklappen. Brüllend versenkte der Luzkan seine Ehrfurcht erregenden Hauer in der robusten Haut des Klippenwurms, konnte sie jedoch nicht durchdringen. Der Wurm begann in Todesangst wie wild zu zappeln, verteilte Schauer seines Gifts ziellos über die Felsen. Fauchend richtete sich die Gletscherbestie auf die Hinterläufe auf, demonstrierte seine eindrucksvolle Größe von mehr als vier Schritt. Begleitet von einem wütenden Knurren warf er den Kopf hin und her, sein wehrloses Opfer fest in den tödlichen Fängen. Knallend donnerte das Hinterteil des Wurms mehrfach auf den felsigen Untergrund, ließ Steinsplitter zur Seite spritzen und schien den Berg in seinem Urgestein erzittern zu lassen.
Die monströse Wurmkreatur gab ein angstvolles Zischen von sich, als die Pranke des Luzkan auf seinen schlauchartigen Körper drückte und ihn fest am Boden hielt. Der Totengräber sank wieder auf alle Viere herab, nagelte den Wurm mit den Vorderläufen fest und zerrte knurrend an seinem widerspenstigen Opfer. Mit unglaublicher Kraft trieb er seine Hauer tiefer in den Wurmleib. Mittlerweile sprudelte das Wurmsekret in unkontrollierten Fontänen zwischen der Schutzhaut am Kopf hervor, das Zischen wurde zunehmend gequälter.
Dann gab seine Haut mit einem dumpfen Knallen unter dem immensen Druck der Kiefer nach, die todbringenden Fänge gruben sich tief in das weiche Fleisch. Ein letztes Mal schmetterte der Luzkan den besiegten Feind wuchtig auf den Fels. Der Wurm bäumte sich zitternd auf, erschlaffte kurz darauf jedoch vollständig. Eine Spur aus zähem, gelblichen Blut hinter sich herziehend, trottete der Totengräber von dannen und wurde schon bald von dem wogenden Vorhang der Nacht mitsamt seiner Beute verschlungen.
Damit war Frost um ein Problem ärmer, das ihn am Aufstieg hätte hindern können.
16.06.2003, 19:38 #7
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Suchend rutschten behandschuhte Finger über den zerklüfteten Rand einer Felsspalte, erinnerten an die feingliedrigen Beine einer Spinne, die vorsichtig den Untergrund abtasteten um dem Körper festen Halt zu sichern. Endlich hakten sich die durch schwarzes Leder geschützten Fingerkuppen in der schmalen Spalte ein, die Handfläche drückte die rauhe Wurmhaut fest auf den Fels.
Schnaufend zog sich Frost ein Stück weiter in die Höhe, setzte seinen Stiefel auf einem Felsvorsprung fest und stützte sich mit dem zweiten Fuß an der Wand ab, bevor er mit der Linken nach einer vorstehenden Felsnadel griff. Erneut schob sich der Krieger an dem Berghang in die Höhe. Hastig sicherte er seinen Halt mit den Füßen ab, bevor er sich mit der Armbeuge bei der Felsnadel einhakte und sich eine kurze Verschnaufspause gönnte.
Sein Atem erinnerte den Krieger an das schwere Schnaufen eines Blasebalgs, die Adern an seinen Unterarmen traten wie fettleibige Würmer deutlich hervor. Die Schläfe pochte im wummernden Takt seines Herzens. Aufatmend wischte sich Frost mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Diesen Fels als hartnäckig zu bezeichnen, war wohl die Untertreibung des Monats.
Selbst an der Flanke des Göttersitzes fiel die Felswand größtenteils noch senkrecht ab, bildete einen Höhenunterschied von mehreren hundert Schritt und glänzte teilweise durch Überhang. Diesen hatte Frost glücklicherweise schon hinter sich gebracht. Vor ihm lag das letzte Stück des Aufstiegs. Gut zweihundert Schritt hohes, pures Granit. In diesem Urgestein Ansatzpunkte zu finden, an denen er die Kletterhaken in den felsigen Leib des Berges rammen konnte, war ein Abenteuer für sich.
Noch einmal versicherte sich Frost von seinem festen Halt. Einige Steinpartikel lösten sich und rieselten leise in die Tiefe. Die freie Hand des Kriegers schob sich unter seinen Mantel zu der ledernen Tasche mit den Kletterhaken. Das Klimpern von aneinanderschabenden Metall machte Frost klar, dass er das richtige Werkzeug erwischt hatte. Ruhig zog er den Haken aus der Tasche, fasste ihn mit der Linken und ließ den festgehakten Arm etwas abgleiten, um die Spitze des Kletterhakens in einer Rille im Fels festsetzen zu können. Dann zog er sein Schwert, peilte mit dem Schwertknauf die Verbreiterung des Hakens an und stieß dann kraftvoll zu. Die Eisenspitze grub sich klackend ein Stück weit in den Fels, zerbröseltes Gestein suchte sich seinen Weg in den Abgrund. Nachdem der Haken festsaß, klammerte sich Frost an der Felsnadel fest, um ihn noch tiefer in das Gestein treiben zu können. Erst nur noch das Ende des Hakens aus dem Fels lugte, steckte Frost den Eisbrecher ein, zog das Seil nach und schlang es fest um den Haken.
Seufzend lehnte er sich nach hinten, nur mit den Füßen an der Steilwand abstützend. Als er nach unten blickte, schien ihm der Abgrund wie ein hungriger Luzkan entgegenzuspringen. Suchend blickte er sich um. Deutlich konnte er den Fluss erkennen, wie er am Fuße der eisigen Einöde entsprang und sich wie eine monströse Schlange quer durch das Land wand. Von hier oben wirkten die Wälder wie grüne Farbflecken, die ein unvorsichtiges Kind auf einen braunen Teppich gespritzt hatte. Zwischen den einzelnen Waldinseln breiteten sich die weiten Ebenen und das am Gebirge angerenzende Hügelland aus. Ebenso war das staubgraue Schlachtfeld zu erkennen, totes Land, das einem Krebsgeschwür ähnelnd inmitten der blühenden Ebene lag.
Irgendwo dort unten striffen wahrscheinlich gerade im Moment seine beiden Schüler durch die Lande. Hoffentlich hatten sie nicht eben solche Probleme, wie er hier oben am Gletscher.
Ebenso hoffte der Krieger, dass Gardiff sein Versprechen hielt und nicht zu sehr auf seinen Hitzkopf hörte. Er selbst würde es zwar lieber mit zehn Inquisitionsgardisten gleichzeitig anstatt dieses verfluchten Berges aufnehmen, doch schien Gardiff im Gegensatz zu ihm doch etwas an seinem Leben zu hängen. Die Inquisition, der Kult, Tak...
Alles Dinge, die er seit dem Betreten des Gletschers verdrängt hatte. Seine Reise hatte ihn sämtliche Konzentration gefordert und tat es noch immer. Da konnte er keinen verrückten Tannenberg gebrauchen, der im Hintergrund seine Intrigen sponn um weitere Morde begehen zu können. Doch diesem Wahnsinnigen würde das Lachen schon noch vergehen....
Angespornt von diesem Gedanken arbeitete sich Frost weiter die Klippe empor. Stück für Stück, Meter für Meter schob er sich weiter, klammerte sich in schmalen Ritzen im Fels fest, verlor mehrfach den Halt wenn massiv erscheinende Felsvorsprünge unerwartet abbröckelten, konnte sich jedoch jedes Mal wieder fangen.
"Dieser Fels...", erneut reckte sich seine Hand dem stahlblauen Himmel entgegen, damit sich seine ausgestreckten Finger um einen steinernen Zacken schließen konnten.
"...wird mich nicht...", Frosts zweite Hand fand sicheren Halt in einem Spalt zwischen zwei granitenen Felsplatten.
"...auf...", ein letztes Mal zwang er seinen erschöpften Körper, sich zu strecken, presste sein schmerzendes Bein fest gegen den Fels, um das zweite nachzuziehen, den tauben Fuß zwischen Bergwand und dem Felszacken zu zwängen, seine Rechte nach der Kante der Klippe auszustrecken und sich mit aller verbleibenden Kraft festzuklammern.
"...halten...!"
Ein Ruck riss den Krieger in die Höhe, verkrampfte Armmuskeln zogen sich schmerzhaft zusammen, hievten den schweren Körper in einem verzweifelten Kraftaufwand in die Höhe und über die Kante des Felsplateaus.
Keuchend schwang Frost die Beine auf sicheren Boden, rollte sich dann auf den Rücken und blieb schwer atmend liegen. Sein Brustkorb hob sich in schweren Stößen, um dann schnaufend in sich zusammenzufallen. Kleine Lichtpunkte zeichnete sich über ihm in der Unendlichkeit des blauen Himmelszeltes ab. Stumme Zeugen der hereinbrechenden Abenddämmerung.
Er hatte es geschafft. Er hatte es wirklich geschafft. Zwar war er schweißüberströmt, seine Kehle glich dem toten Schlachtfeld und schrie nach Flüssigkeit und seine Glieder schmerzten, als ob wütende Trolle stundenlang auf ihnen herumgesprungen wären, aber er hatte den Göttersitz erklommen. Den Gedanken an den Abstieg verdrängte er augenblicklich wieder.
Ermutigt von seinem Erfolg wälzte sich Frost herum und stemmte sich ächzend in die Höhe. Ihm bot sich ein erstaunliches Bild. Der Gipfel des Berges war wirklich nichts weiter als ein flaches, ausladendes Plateau. An verschiedenen Stellen wuchsen mächtige Kristalle aus dem Fels, die Oberflächen abgeschliffen als wären sie von einem kunstfertigen Handwerker nachbearbeitet worden. Feurig rotes Licht der Abenddämmerung brach sich dutzendfach auf den spiegelnden Kristallkörpern und entfesselte ein prächtiges Farbenspiel. Bunte Lichtreflexionen wanderten langsam über den Felsboden, als sich die Sonne langsam dem Ende ihrer heutigen Reise näherte. Teilweise erreichten die Kristalle eine Höhe von über zwei Schritt, spalteten sich auf um ein baumgleiches Geäst zu entwickeln oder besaßen seltsame, gebogene Formen.
Fast exakt in der Mitte des Plateaus schossen vier besonders mächtige Kristalle in die Höhe, krümmten sich leicht je höher sie wuchsen und näherten sich wie die Finger einer gewaltigen Klaue aneinander an. Ein leises Knistern lag in der Luft. Von Zeit zu Zeit liefen bläuliche Entladungen durch kristalline Gefängnisse, sprangen peitschend von den Spitzen der Kristalle auf andere über.
Tatsächlich schien es, als wären die Kristalle direkt aus dem Fels herausgewachsen. Um die Austrittsstellen herum lagen kleinere Felsbrocken verstreut. Doch wie auch immer dieser Ort entstanden sein mochte, er war uralt. Und dennoch war seine Macht noch immer am gesamten Körper spürbar. Die in der Luft liegende Spannung griff unaufhaltsam auch auf Frost über, wand sich Zitteraalen gleich durch seinen Leib und brachte seine Nackenhaare zum Stehen.
Erst jetzt bemerkte der Waffenmeister die knochige Gestalt eines alten Mannes, die direkt in der Mitte der vier Kristallzacken stand.
"Du hast dir Zeit gelassen", begrüßte ihn der Greis.
17.06.2003, 21:25 #8
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"Ich wurde aufgehalten."
Kühl musterte Frost den alten Mann, während er sich ihm langsam näherte. Viel hatte sich seit ihrer letzten Begegnung nicht verändert. Der lange, eisig graue Bart hing in zwei sorgfältig gepflegten bis zum Kragenansatz, die wenigen verbleibenden Haare bildeten einen spärlichen Kranz um das Haupt des Greises.
Die knochigen Finger lagen locker um den Schaft eines langen, eisenbeschlagenen Stabes. Mit dieser Waffe hatte Frost schon mehr als schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Trotz seiner gebrechlich wirkenden Gestalt führte der Alte den Kampfstab wie kein anderer. Der Krieger schwor im Stillen, sich dieses Mal nicht von äußeren Eindrücken täuschen zu lassen.
Einzige Veränderung an dem Alten stellte die Rüstung aus schwarzem Leder dar, die den Platz seiner schlichten Robe eingenommen hatte. Auf der Brustpartie prangte das stilisierte Abbild zweier ineinander verschlungener Seeschlangen, die sich um die schlanke Klinge eines Schwertes wanden. Während die eine das Maul weit aufgerissen hatte, um den Knauf zu verschlingen, hatte die andere ihren Kopf auf der Schwertspitze zur Ruhe gelegt und die Augen geschlossen. Obwohl es sich lediglich um eine in das Leder eingearbeitete Verzierung handelte, wirkten die Schlangen auf geradezu unheimliche Art und Weise lebendig. Die hungrige Schlange schien Frost bösartig anzufunkeln, eine stille Warnung, auf keinen Fall den Griff des Schwertes unter ihrem gewundenen Leib zu berühren.
"Ihr schuldet mir Antworten", fuhr Frost fort, als er den Alten erreicht hatte.
Dieser erwiderte seinen eisigen Blick mit völliger Gelassenheit.
"Erst musst du beweisen, dass du sie auch verdienst."
Ein leises Knurren befreite sich aus Frosts Kehle. Er hatte diesen verdammten Berg nicht erklommen, um sich auf die Spiele eines alten Mannes einzulassen.
"Hast du die Flammenschneide bei dir?", fragte der Alte.
Wortlos warf der Waffenmeister den Mantel zurück. Der schwarze Stoff wogte flappend zur Seite und gab den Blick auf die beiden verborgen liegenden Schwerter frei. Woher wusste der Greis eigentlich von dem Namen der Klinge? Frost konnte sich nicht erinnern, ihm jemals von der Waffe erzählt zu haben. Bei ihrer ersten Begegnung hatte er sie nicht einmal bei sich getragen. Nicht zum ersten Mal fragte sich der Krieger, ob sein Gegenüber nicht in der Lage war, seine Gedanken zu lesen. Eine beunruhigende Vorstellung...
"Was ist mit ihr?", wollte Frost wissen, als er die Schwertscheide vom Waffengurt löste und dem Alten hinhielt.
Doch der Greis machte keinerlei Anstalten, nach ihr zu greifen. Aufmerksam musterten die unter buschigen Augenbrauen liegenden, dunklen Pupillen die Waffe, arbeiteten sich vom Griff aus über die doppelten und gezackten Parierstangen bis hin zu der in der Scheide aus blauem Samt steckenden Schwertklinge. Seltsamerweise schien es Frost, als ob der Alte geradewegs durch sie hindurch sehen würde.
Je weiter sein Blick wanderte, desto tiefer wurden die Falten auf der Stirn des Greises. Nach einigen Minuten begann er schließlich, mit den Fingern die Strähnen seines Bartes nachzufahren.
"Sie will sich nicht von dir führen lassen, nicht wahr?", wandte er sich an Frost.
Frosts Miene verdüsterte sich. Die Erinnerung an die Begegnung mit Tak auf dem Schlachtfeld erhob sich aus ihrem Grab in seinem Gedächtnis.
"Doch. Nur treibt sie mich gleichzeitig in den Kampfrausch."
Der Alte lachte sein heiseres Lachen.
"Das ist nur, was du denkst. Es ist ihr Wille, den du spürst sobald du sie ziehst. Sie kontrolliert dich, nicht umgekehrt."
Langsamen Schrittes entfernte sich der Alte von Frost und näherte sich einem der hochgewachsenen Kristalle. Das metallene Ende seines Stabes klackte bei jedem seiner Schritte auf dem Fels.
"Du ähnelst wirklich stark deinem Vater", meinte er nach einigen Sekunden des Schweigens. Trauer schwang in seiner Stimme mit. Auf einmal war er nicht mehr der unberechenbare Stabkämpfer sondern wieder ein alter Mann.
Der Krieger blickte auf.
"Woher...", begann er, wurde jedoch gleich von dem Alten unterbrochen, welcher unbeirrt weitersprach.
"Auch er ließ sich mit Mächten ein, denen er nicht gewachsen war. Du weißt selbst, wie es geendet hat."
Ja, das wusste Frost zu gut. Sein Vater hatte sich nach Monaten der geistigen Umnachtung aus dem Fenster hinaus in den Tod gestürzt. Niemand wusste was den alten Vater in den Wahnsinn getrieben hatte. Ein beunruhigender Verdacht drängte sich in Frosts Denken.
"Ihr wollt sagen, dass...?", versuchte er seine Gedanken in Worte zu fassen.
Der Alte nickte.
"Sein Schwert verlieh ihm große Macht. Doch nährte es sich als Ausgleich für seine Dienste an seiner Seele. Ich hatte deinen Vater gewarnt, aber er wollte nicht auf mich hören. Am Ende war er nichts weiter als eine ausgebrannte Hülle, verzehrt vom unstillbaren Hunger der Klinge."
Ruckartig drehte sich der Greis herum. Das Stabende stieß in Frosts Richtung.
"Du hast ihren Durst selbst gespürt. Und bist ebenfalls an ihr zerbrochen."
Frost starrte auf einen imaginären Punkt zwischen seinen Stiefeln. Langsam ergab die Vergangenheit einen grausigen Sinn zu ergeben. Der Alte hatte Recht. Damals, in der Unterwelt, hatte er gefühlt, wie sich das Schwert an seiner Lebensenergie gelabt hatte. Ein mächtiger Moloch, stark wie zwanzig Trolle doch ungleich hungriger. Ein Vampir, der seine unheiligen Fänge in seinen Hals grub, um ihm unaufhaltsam das Leben auszusaugen. Irgendwann war es zuviel für ihn geworden, die Macht des Schwertes wie eine Lawine über ihm zusammengeschlagen und seine Seele gewaltsam aus dem Körper gerissen. Gleichzeitig hatte sie sich aus einem Frost unbekannten Grund selbst vernichtet.
Und die Flammenschneide sollte die selbe Natur wie die Klinge seines Vaters teilen?
"Was soll ich tun?, fragte Frost schließlich, "Das Schwert vernichten?"
Ein heftiges Kopfschütteln von Seiten des alten Mannes war die Folge.
"Das kannst du nicht. Dein Weg ist auf ewig mit dem deiner Schwerter verbunden. Du hast dir dieses Leben selbst ausgesucht, als du die Waffen erschufst. Sie sind ebenso ein Teil von dir, wie du einer von ihnen bist."
"Dann werde ich also das Schicksal meines Vaters teilen müssen? Was ist mit dem Eisbrecher? Warum spüre ich keine derartigen Gefühle, wenn ich mit ihm kämpfe?"
Noch während er sprach, hallte die Antwort in seinem Geist wider.
"Im Gegensatz zur Flammenschneide wurde er in der Stunde der Not erschaffen, um das Leben anderer zu retten. Sein Wille ist es, zu bewahren, während die Flammenschneide nur Leid in die Welt tragen will."
Frost nickte. So stand es in den alten Schriften geschrieben. Er hatte ähnliche Worte in den Aufzeichnungen eines Unbekannten gelesen, auf die er in der Bibliothek des Zirkels gestoßen war. Ein unbekannter Autor...
Erschrocken blickte er dem Alten in die Augen. Bisher hatte er sich noch nie großartig Gedanken über den eigentlichen Verfasser der Schriften gemacht. Sollte etwa...?
"Also ist mein Schicksal besiegelt. Irgendwann werde ich das Schwert erneut in den Kampf tragen müssen. Ich muss gestehen, dass es geradezu danach verlangt."
Erneut zupfte der Alte an seinem Bart herum. Hinter seiner Stirn schien es zu arbeiten.
"Es gibt einen Weg. Lerne, die Klinge zu beherrschen. Sei stärker als sie. Breche ihren Willen. Mache sie dir Untertan."
Ein ungutes Gefühl machte sich in Frosts Magengrube breit, lag schwer wie ein Sack Steine in seinem Magen, versuchte ihm die Kehle wie der Strick eines Galgens zuzuschnüren.
"Sagt mir, was zu tun ist", presste er schließlich hervor.
Der Stab des Alten zerschnitt wirbelnd die Luft, bis er in der Armbeuge des alten Kämpfers zum Stillstand kam.
"Zieh deine Waffe", forderte er.
Schweigend legte Frost Rucksack und Mantel ab, kurz gefolgt von seiner ledernen Tragetasche. Entschlossen nahm er dem Greis gegenüber Stellung ein, direkt unter einem der vier riesigen Kristallzacken.
Doch als seine Finger den Griff der Flammenschneide berührten, zögerte er. Er spürte, wie das Schwert durch die bloße Berührung seiner Finger aus seinem Schlummer gerissen wurde, sich glühende Klauen seinen Arm hinauftasteten um sich nach seinem Geist auszustrecken. Noch konnten sie ihn nicht erreichen. Eine unsichtbare Blockade hinderte das Schwert, die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen. Dies würde sich jedoch schlagartig ändern, sobald er die Waffe aus ihrem samtenen Gefängnis befreite. Im selben Moment, in der sie freikam, würde sie ihre Giftzähne in seinem Geist versenken, in einem unkontrollierbaren Blutrausches seine Gedanken davonspülen und seinen Körper in eine rasende Kampfmaschine verwandeln, die nur noch ein Ziel kannte : Die Klinge in warmes Fleisch zu stoßen um Tod und Verderben zu säen.
Unsicher blickte er zu dem Alten. Dieser nickte nur.
"Du kannst es schaffen. Dein Vater wollte nicht auf mich hören. Begehe nicht den selben Fehler."
Noch einmal atmete Frost tief durch, sog die erfrischende Bergluft in seine Lungen, versuchte sich voll und ganz auf die Klinge zu konzentrieren. Er konnte förmlich spüren, wie das Schwert unter der Berührung seiner Finger freudig zu erzittern begann.
Dann befreite er die Flammenschneide mit einem entschlossenen Ruck.
18.06.2003, 12:58 #9
Superluemmel
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Im selben Moment in dem sich zum ersten Mal das blasse Licht des Vollmonds auf der schwarzen Klinge der Flammenschneide brach, fühlte Frost einen kräftigen Ruck durch seinen Arm gehen. Leise heulend beschrieb die Klinge einen Bogen in der Luft und fand festen Halt in Frosts Händen.
Ein Zittern lief durch die matt schimmernde Klinge. Für einen Moment schienen lodernde Flammen die Schneide entlang zu laufen, ein kurzes Aufatmen des Drachens, in dessen Herzen das Schwert geschmiedet worden war. Einen Wimpernschlag später erwachte der Dämon zu neuem Leben, schüttelte seine Ketten wie lästige Insekten ab und griff mit feurigen Pranken nach Frosts Geist. Glühende Tentakel schienen sich seine Arme hinauf zu winden, ließen den Krieger bei jeder Berührung wie unter Stromschlägen zusammenzucken.
Ein Strom warmer Luft entwich zischend zwischen Frosts Lippen, mit schmerzverzerrtem Gesicht biss der Waffenmeister die Zähne zusammen. Die Muskeln seiner Arme verkrampften sich, unter den mattschwarzen Panzerplatten seiner Rüstung hoben sich Adern wie die Leiber mächtiger Klippenwürmer aus der Haut hervor. Schlagartig erstarrte das Blut in seinen Adern zu Eis, nur um sich dann unter einer Woge von Adrenalin in einen Strom heißen Magmas zu verwandeln. Fauchend wallte die Glut durch seinen Körper, drohte sein Bewusstsein wie einen Ast in einem reißenden Strom einfach fortzuspülen.
"Kämpfe dagegen an!"
Die Worte des Alten drangen wie durch einen Vorhang aus Watte an Frosts Ohren, wurden fast vollständig durch das Rauschen in seinem Kopf davongerissen. Gleichzeitig spürte er, dass er der Macht des Schwertes nicht gewachsen war. Er würde untergehen wie ein Ruderboot auf sturmgebeutelter See.
"Wehr dich gegen seine Macht! Lass nicht zu, dass es -"
Der Rest des Satzes ging in dem Tosen des Sturmes in Frosts Schädel unter. Wie unter schmerzhaften Krämpfen begann sich sein Körper zu schütteln, das Schwert in seinen Händen vibrierte stärker. Eine stählerne Klammer legte sich um seinen Brustkorb, presste unbarmherzig die Luft aus Frosts Lungen. Keuchend rang er nach Atem, sank auf ein Knie herab, kämpfte mit aller Macht um die Kontrolle.
Die feinen Äderchen in Frosts Augen platzten. Rötliche Seen bildeten sich in dem Meer aus Weiß und eisigem Blau und wuchsen schlierenhaft weiter an. Der Geschmack von Blut lag bitter auf seiner Zunge. Schmerz, Leid, Tod und Verderben erschienen ihm auf einmal höchst erstrebenswert.
Donnernd kolliderte ein metallbeschlagenes Stabende mit Frosts Schläfe, ließ ihn haltlos zurücktaumeln und seinen Kopf in einem blitzenden Orkan aus Schmerzen explodieren.
"Gib nicht nach!", fauchte der Alte, "Du kannst es schaffen! Du bist stärker als das Schwert! Du bist die Klinge!"
Stöhnend hob Frost die Flammenschneide. Die Vibration der Klinge hatte weiter an Stärke zugenommen, inzwischen war sie nur noch als singender, verschwommener Schemen zu erkennen. Es kostete ihn Mühe, die Waffe weiterhin festzuhalten, immer wieder drohte sie, sich wie ein glitschiger Aal seinem Griff zu entwinden. Er durfte nicht nachgeben. Wenn er jetzt versagte, war er für immer verloren. Dies war die Stunde der Entscheidung. Falls er es jetzt nicht schaffte, den Willen des Schwertes zu brechen, war alles umsonst gewesen. Die gesamte Reise zum Herzen des Feuers, der kräftezehrende Kampf gegen den Drachen, das Opfer, das jeder seiner Gefährten gebracht hatte, um ihm die Möglichkeit zu gewähren, die Waffe zu schmieden.
Die Flammenschneide wollte töten. Sich im Blut seiner Feinde wälzen. Doch Frost war kein Mörder. Wenn er kämpfe, dann um zu siegen, nicht um zu töten. Es war falsch. Er durfte seine eigene Identität nicht aufgeben. Er hatte das Schwert geschaffen, es mit seinen eigenen Händen und seinem eigenem Blut geschmiedet. Es sollte ihm dienen, nicht umgekehrt!
Knurrend zwang er die Klinge tiefer, drückte die auf das Gesicht des Alten deutende Spitze nieder und dem Felsboden entgegen. Stechende Schmerzen peinigten sein Gehirn. Etwas warmes, klebriges lief an seinen Ohren und dem Hals herab. Kein weiteres Blutvergießen. Er war nicht wie Tak oder Tannenberg...
Langsam, wie ein Schwimmer der gegen einen reißenden Strom ankämpfte, drückte er das Schwert weiter nach unten, löste eine Hand vom Schwertgriff, um ihn verkehrt herum zu fassen.
Er war Frost, kein zweiter Großinquisitor. Seinen Schülern brachte er bei, zu überleben und sich selbst zu verteidigen. Bläute ihnen ein, nur im äußersten Notfall zu töten. Doch er selbst, als ihr Lehrmeister war zu schwach? Nein, er musste stärker als sein eigener Hass sein. Denn mehr war die Flammenschneide nicht. Sein personifizierter, in Form gepresster Hass, seine gesamte Wut die, unfreiwillig von seinem Körper getrennt, versuchte, die Kontrolle über seinen Geist zurückzugewinnen.
Endlich spürte Frost, wie die Hammerschläge des berserkerhaften Schmiedes in seinem Kopf schwächer wurden. Die Schmerzen gingen zurück. Gleichzeitig fühlte er seine alte Kraft zurückkehren, sich wie ein Strom pulsierenden Lebens durch seine Adern winden um die glühende Lava zurückzudrängen.
Unendlich langsam kehrte sich die Spitze der Flammenschneide gen Boden. Ja, er konnte förmlich spüren, wie er die Klinge in eine Ecke drängte. Ihr Einfluss auf sein Denken ging zurück, Schritt für Schritt verlor sie an Boden, gewährte dem Waffenmeister somit Platz, um selbst zum Angriff überzugehen. Das Zittern in seinen Armen ging zurück. Doch die Flammenschneide selbst vibrierte nur noch heftiger, als ob sie sich gegen Frosts stärker werdenden Einfluss wehren wollte.
Dann hob sich die Waffe erneut. Fest im Griff des Kriegers, schwebte ihre auf den Fels deutende Spitze einen halben Schritt über dem schwarzen Gestein. Noch einmal peitschte ein elektrisierender Schlag Frosts Gehirnwindungen, dann war es still in seinem Kopf. Statt dessen spürte er ein völlig neues Gefühl. Das Schwert schien nicht mehr wie bloßer, in Klingenform gezwungener Stahl, sondern vielmehr wie ein Teil seines Körpers, eine Verlängerung seiner Arme, ein zusätzliches Glied. Ungewohnt, doch gleichzeitig seltsam vertraut, als ob es vor langer Zeit einmal verloren gegangen war und nun zu seinem Körper zurückgefunden hatte.
Mit einem gellenden Schrei riss Frost das Schwert in die Höhe, um es dann kraftvoll in die Tiefe und in den Fels zu rammen. Knirschend gab das Gestein nach, der schwarze Fels zersprang knackend. Klirrend barst schillernder, unter der granitenen Oberfläche verborgen liegender Kristall, als sich die Schwertklinge ungebremst weiter in den Göttersitz bohrte. Völlig außer Atem blieb Frost stehen, die Hände immer noch fest um den Schwertgriff gelegt. Blutstropfen lösten sich von seinem Kinn und tropften leise platschend neben der Bruchstelle im Fels zu Boden.
"Du hast es tatsächlich geschafft", meldete sich der Alte nach einigen Minuten zu Wort.
Noch immer klang seine Fistelstimme seltsam gedämpft, das Rauschen in Frosts Ohren büßte nur allmählich an Stärke ein.
"Das Schwert hat dich als seinen wahren Träger akzeptiert. Alles, was jetzt noch fehlt, ist die Taufe."
Die Taufe... Obwohl er noch nie zuvor von einem derartigen Brauch gehört hatte, wusste Frost mit an Sicherheit grenzender Gewissheit, von was der Alte sprach.
"Hier, trink das", sprach der Greis und warf ihm ein kleines Fläschchen mit einer violetten Flüssigkeit zu. Frost wunderte sich selbst, dass er trotz der Erschöpfung schnell genug zugriff, um das Fläschchen aufzufangen.
"Dieser Trank wird dir helfen, wieder zu Kräften zu kommen", erklärte der Alte, während Frost die seltsame Flüssigkeit betrachtete.
"Für die Taufe wirst du all deine Kraft benötigen."
Ohne ein Wort zu erwidern, nickte Frost. Ploppend löste er den Korken der kleinen Phiole und kippte ohne zu Zögern den Inhalt herunter.
19.06.2003, 14:03 #10
Superluemmel
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Bitter erfüllte die violettene Flüssigkeit des Trankes Frosts Mundraum und hinterließ einen würzigen, leicht scharfen Nachgeschmack, der sich in seine Stirnhöhlen brannte. Als der Trank seinen Magen erreichte, flutete eine Woge aus Wärme seinen Körper, dicht gefolgt von eisiger Kälte.
Frost schüttelte sich. Doch verging die Kälte ebenso schnell wie sie gekommen war und machte Platz für neue Kraft. Er konnte regelrecht spüren, wie sich seine verkrampten Muskeln entspannten, das Ziehen seiner Sehnen nachließ, sich völlige Gelassenheit in seinem Geist auszubreiten begann.
Klimpernd prallte die Phiole auf den Felsen auf, erhob sich mit einem deutlichen Ping erneut in die Luft, überschlug sich zweimal bevor es abermals auf dem Boden aufschlug, zur Seite wegsprang und klirrend davonrollte. Die von schwarzem Leder geschützte Linke des Kriegers fiel auf den Knauf der Flammenschneide.
"Ich bin bereit", verkündete er mit ruhiger Stimme.
Der Alte hatte mittlerweile seine Position unter dem gegenüberliegenden Riesenkristall eingenommen. Sein Kampfstab ruhte wieder in seiner Armbeuge, das Ende locker unter die Achsel geklemmt. Der Harnisch aus schwarzem Leder wurde in ein sanftes, blutrotes Licht getaucht. Das Funkeln der Schlangenaugen wirkte durch das Dämmerlicht noch um ein gutes Stück unheimlicher.
Erst jetzt fiel dem Waffenmeister auf, dass sich der Himmel verdunkelt hatte. Wo wenige Minuten zuvor noch ein grelles Gestirn am stahlblauen Himmel blitzte, zogen jetzt graue Wolkenmassen ihre Kreise. Düsteren Heerscharen gleich rasten sie von allen Himmelsrichtungen heran, schienen dabei allesamt auf ein bestimmtes Ziel zuzuhalten - Den Göttersitz.
Ein schummriges, rötliches Licht brach durch Ritzen in der dichten Wolkendecke, zeichnete die Umrisse der Wolkenberge als glühende Linien nach und verwandelte den dunklen Granit des Gipfels in ein sanft gewelltes Meer aus Blut. Direkt über den Köpfen der beiden Männer begannen die Wolkenmassen zu kreisen. Der Wind frischte auf, ließ Frosts Haarsträhnen in der Luft flattern, zerrte mit unsichtbaren Fingern an seiner Gestalt. Ein peitschender Knall zerriss die Stille, knisternd sprangen gleißende Lichtbögen zwischen den vier Spitzen der kristallenen Riesenklaue umher. Die Spannung erfüllte Frosts Körper, lief schaudernd seine Wirbelsäule herab und brachte jedes einzelne Härchen an seinem Körper zum Stehen.
"Die Taufe ist ein Ritual aus längst vergessenen Zeiten", erklärte der Greis mit an Donnergroll erinnernder Stimme, "Die alten Waffenmeister vollzogen es, um den Bund mit ihren Klingen zu vollenden. Es ist ein heiliger Ritus, der nur ein einziges Mal durchgeführt wird. Danach ist dein Weg auf ewig mit dem deiner Waffen verbunden. Das Ritual selbst besteht aus einem zeremoniellen Duell mit einem vertrauten Waffenmeister. Gekämpft wird bis zur völligen Erschöpfung, jedoch nicht bis zum Tode eines der Kämpfer."
Nach einer mehrere Minuten andauernden Pause, in der Frost die Worte des Greises auf sich wirken ließ, fuhr der alte Mann fort.
"Frost, bist du bereit, die Taufe zu empfangen und als Schwertmeister für deine Ideale einzutreten?"
Der Krieger öffnete die Schnallen seiner beiden Schwertscheiden, befreite den Eisbrecher aus seinem ledernen Ruhebett und warf die Schutzhüllen achtlos zur Seite. Seine Linke lag fest um den Griff der Flammenschneide, während die Finger seiner rechten Hand das Heft des Eisbrechers umschlossen.
"Ich bin bereit", sprach er entschlossen.
"Erkennst du mich als deinen vertrauten Duellpartner an?", fragte der Alte.
"Ja, prüfe mich ob ich würdig bin, die Taufe zu empfangen!", antwortete Frost ohne zu zögern.
Zwar kannte er den Alten kaum, doch er wusste einfach, dass er ihm vertrauen konnte. So sicher, wie er seinen eigenen Namen kannte. Mittlerweile hatte ihm sein Gefühl mehr als oft genug bewiesen, dass er auf es hören konnte.
"Dann lass uns mit dem Duell beginnen!", donnerte der Alte schließlich.
Blitze liefen durch die Kristalle, wanden sich wie die zuckenden Leiber von Schlangen in ihrem durchscheinenden Gefängnis nach oben, um sich in einer peitschenden Entladung an ihrer Spitze zu befreien. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde der Göttersitz in gleißendes Licht getaucht.
Die eisige Kälte des Gletschers füllte Frosts Denken aus, als er sich mit erhobenen Waffen der Mitte des Kampfplatzes näherte. Die Spitze der Flammenschneide deutete am Ende seines gestreckten Armes direkt auf den Alten, während der Eisbrecher an Frosts Gesicht vorbei in die selbe Richtung zeigte.
Der Greis hingegen bewegte sich nur auf den Fußspitzen tänzelnd unruhig von einer Seite zur anderen und wechselte beständig die Hand, mit der er den Stab hielt.
Ansatzlos sprang er dann nach vorne, wirbelte den Stab um das linke Handgelenk und schlug aus der selben Bewegung zu. Frost hatte den Angriff jedoch vorhergesehen und war rechtzeitig zur Seite ausgewichen - hatte sein Gegner doch ihren ersten Kampf auf ähnliche Art und Weise eröffnet.
Die Geschwisterklingen sprangen nach vorne und auf den Greis zu, welcher mit einem Bein vom Boden abfederte, sich in der Luft auf die Seite rollte und den Stab fahren ließ, um die Schwerter zur Seite zu schmettern. Frost ignorierte das betäubende Kribbeln, das sich seine Arme hinaufwand, wirbelte seinerseits herum und sprang nach vorne.
In schneller Folge sirrten zuerst seine Schwerter, dann das rechte Bein und kurz darauf das linke auf den Alten zu. Seiner alten Knochen zum Hohen, bog sich der Greis nach hinten, schwang die Beine nach oben und ließ das Stabende klackend auf den Steinboden prallen. Ein Ruck riss die Waffe zur Seite, hakte sie zwischen Frosts Kniekehlen ein und brachte den Krieger mit einer weiteren, ruckartigen Bewegung aus dem Gleichgewicht.
Im letzten Moment drückte Frost die Flammenschneide mit der flachen Hand auf den Fels, um sich abzufangen, winkelte die Beine an und klemmte somit den Kampfstab seines Gegners fest und ließ sich mit einer erneuten Drehung nach hinten kippen.
Der Alte dachte jedoch nicht daran, seinen Stab freizugeben. Haltlos wurde er nach vorne gerissen, segelte über Frosts gekrümmten Körper hinweg, riss jedoch gleichzeitig das Stabende herum, um es wuchtig mit Frosts Kinn kollidieren zu lassen. Leuchtende Sterne explodierten in seinem Sichtfeld, sofort ließ er den Stab frei und rollte sich über den Rücken ab, um in einer fließenden Bewegung wieder auf die Beine zu kommen.
Zum Verschnaufen hatte er keine Zeit. Erneut blitzten die eisenbeschlagenen Schaftenden im Dämmerlicht auf, ließen in rasender Rotation Luftwirbel entstehen und schnellten geradewegs auf Frosts Gesicht zu. Blitzschnell riss er die Flammenschneide nach oben, spürte wie harter Stahl miteinander kollidierte und warf im selben Herzschlag sein gesamtes Körpergewicht nach vorne. Sirrend zerschnitt die lange Schneide des Eisbrechers die elektrisierte Luft, zischte direkt auf die ungedeckte Seite des Alten zu.
Blitzschnell riss sein Gegner das freie Stabende herum, blockte auch die zweite Klinge mit einer kaum mehr sichtbaren Bewegung ab. Augenblicklich verstärkte Frost den Druck seiner Klingen, versuchte den Greis durch seine überlegene Kraft zurückzudrängen und vielleicht sogar zu Fall zu bringen. Brennender Schweiß lief in seine Augenwinkel, funkensprühend schabte Metall aneinander, knurrend kämpften die beiden Männer gegen den Druck des jeweils anderen an.
Zuckend zerschnitten grelle Blitze den wolkenverhangenen Himmel über ihren Köpfen, krachend schickte der Donner seinen ohrenbetäubenden Schlag hinterher. Mittlerweile hatte sich in der Mitte der grauen Masse der Sturmfront der Ansatz eines nach oben gewölbten Trichters gebildet, um den die Wolken mit zunehmender Geschwindigkeit kreisten.
Ein Aufschrei, dann schmetterte der Alte mit einem harten Ruck Frosts Schwerter zur Seite und befreite seine eigene Waffe. Während sich der Krieger in einem Rückwärtssalto vor dem nachfolgenden Schlag rettete, fuhr der Greis mit beachtlicher Geschwindigkeit herum, fasste den Stab mit beiden Händen an seinem Ende und zog ihn am Ende der Drehbewegung über die Schulter, um kraftvoll zuzuschlagen.
Doch Frost hatte nicht untätig zugesehen. Einem verschwommenem Schemen gleich schnellte er nach vorne und riss die Schwerter nach oben, um den Angriff abzublocken. Pochender Schmerz zuckte durch seine Arme, dohrte jegliches Gefühl mit Hammerschlägen aus ihnen zu prügeln. Gerade als Frost eine Klinge aus dem Block lösen wollte um seinerseits zuzuschlagen, wurde der Himmel in ein feuriges Rot gebadet.
Der Wolkentrichter hatte inzwischen eine beachtliche Größe erreicht, glühendes Feuer schien zwischen den rotierenden Wolkenmassen zu lodern.
Dann erbebte der Berg unter einem gewaltigen Donnerschlag, als der Sturm in einem roten Blitz seine Macht demonstrierte. Als ob er an einer unsichtbaren Leiter herabkletterte, zischte der Blitz in die Tiefe, zuckte wie wild umher und spreizte feine Geäste aus dürren, ebenfalls roten Fingern zu den Seiten. Donnernd erreichte er die sich ihm entgegenstreckenden Riesenkristalle. Lichtbahnen tanzten zwischen den eng beeinanderliegenden Spitzen umher, Verästelungen des Blitzes krochen durch die kristallinen Leiber der Steine. Ungebremst schlug die sich windende Entladung im hoch erhobenen Stab des Alten ein. Der beißende Gestank von verbranntem Haar lag schwer in der Luft, als sich die Lichtfinger um den Schaft der Waffe wanden und schließlich auf Frosts Klingen übersprangen.
Doch der erwartete Schmerz blieb aus. Stattdessen fühlte Frost, wie sich die elektrische Entladung bei seinen Händen beginnend durch seinen Körper fraß, sein Herz antrieb, mehr Adrenalin in seinen überlasteten Kreislauf zu pumpen, den Krieger in einen Zustand freudiger Extase versetzte und sämtliche vom Kampf abweichenden Gedanken in seinem Kopf wie eine Böe des Sturms davonfegte.
Als der Donnerhall in seinen Ohren langsam abklang und sich die beiden Kontrahenten mit schnellen Sprüngen voneinander lösten, erlebte Frost das Geschehen wie im Rausch. Die unglaublich schnellen Bewegungen des Alten wirkten, als ob er sich durch zähen Sirup bewegen wirkte, in dem sich die Zeit selbst verfing und dabei begann, langsamer zu fließen. Das Klirren der erneut aufeinandertreffenden Klingen hallte seltsam verzerrt und langgezogen in seinen Gehörgängen, wie in Zeitlupe holte er mit dem Eisbrecher aus, während er mit der Flammenschneide den Stab des Alten zur Seite schmetterte. Wuchtig wurde sein Kopf nach hinten geschleudert, als der vorschnellende Stiefel seines Gegners schmerzhaft mit seinem Kinn kollidierte. Gleichzeitig fühlte er, wie seine Hand - nein, vielmehr der Eisbrecher selbst dem zur Parade herabschnellenden Stab auswich, blitzschnell zur Seite sprang um dann wie ein Pfeil in die Seite des Alten zu fahren.
Geschliffener Ironiastahl schrammte hart über das alte Leder der Rüstung, hinterließ eine neue Narbe in dem von vielen Kämpfen gekennzeichneten Material des Harnischs.
Beinahe zeitgleich schlug der Alte mit dem zweiten Stabende zu. Frosts Abwehrbewegung kam zu spät, der metallbewehrte Schaft traf wuchtig die Seite seines Halses. Einen Wimpernschlag später raste auch schon die andere Stabseite heran, hämmerte gegen die Schläfe des Kriegers und brachte ihn ins Taumeln, bevor ihn ein erneuter Treffer am Kinn zu Boden schmetterte.
Hart krachte er auf den unnachgiebigen Fels, schlitterte einen halben Schritt weit über den Boden und blieb liegen. Sein Schädel dröhnte, als hätten ihn sämtliche Schmiede Myrthanas als Amboss missbraucht.
Doch schon wenige Sekunden später sprang der Krieger erneut auf, fuhr mit schlagbereit erhobenen Waffen herum und funkelte seinen Kontrahenten kampffreudig an. Blut lief aus seinem Mundwinkel, um sich am Kinn zu sammeln und von dort aus in die Tiefe zu stürzen.
Doch dieser Kampf war noch nicht vorbei.
20.06.2003, 12:25 #11
Superluemmel
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Dichter Regen prasselte in Frosts Gesicht, vermischte sich mit kaltem Schweiß und dem Blut einer hässlichen Platzwunde an seiner Stirn zu rötlich gefärbten Sturzbächen. Dennoch lag ein grimmiges Lächeln auf seinen Zügen, trotzte dem Zustand seines erschöpften Körpers auf geradezu paradoxe Weise. Kampflustig war sein Kinn nach vorne gereckt, durchscheinende Atemwölkchen stießen zwischen seinen Zähnen hervor und stiegen nebelartig dem wolkenverhangenen Himmel entgegen.
Die langen Haarsträhnen klebten feucht an seiner Haut, mit einem wilden Kopfschütteln scheuchte er eine besonders widerspenstige Strähne aus seinem Sichtfeld. Der Sturm hatte weiterhin an Stärke zugenommen und sich zu einem Unwetter von apokalyptischen Ausmaßen entwickelt. Heftige Sturmböen peitschten den Göttersitz, versuchten vergeblich, die Kämpfenden von der steinernen Kampfplattform zu reißen. Blitze jagten über den Himmel, liefen in unkontrollierten Zick-Zack-Bahnen an dem mächtigen Wolkentrichter entlang, der sich wie ein gewaltiger Schlund in dem Meer aus Grau aufgetan hatte, um sich beständig tiefer zu senken und die Duellanten schließlich zu verschlingen. Mittlerweile hatte der Wirbel aus Luftmassen die Spitze des Göttersitzes fast erreicht, sein schauerliches Heulen erfüllte die Luft, ein dichter Vorhang aus herabprasselnden Regentropfen beschränkte die Sicht auf wenige Schritt und verwandelte die Welt außerhalb des Sichtbereiches in eine wogende, graue Masse.
Wieder wurde der Berg von mächtigem Donnerhall erschüttert. Blitze spiegelten sich auf Frosts Klingen, blühten für die Dauer eines Lidzuckens wie ein feines Gespinst aus rot leuchtenden Adern auf dem kalten Stahl auf, um dann ebenso schnell zu verblassen, wie sie erschienen waren.
Wasser spritzte über den rauhen Fels, als Frost einen wirbelnden Schemen in seinen Augenwinkeln bemerkte und geschmeidig wie ein Panther zur Seite schnellte, dabei in eine der unzähligen Pfützen trat und ihren wässrigen Inhalt quer über den Kampfplatz verteilte. Cobras gleich schnappten die Geschwisterklingen in einer Zangenbewegung zu, als der Kampfstab des Alten anstatt Frosts Kopf nur harten Fels traf und ein Bombardement aus Steinsplittern auf das nähere Umfeld herabregnen ließ.
Doch der erfahrene Kämpfer reagierte mit unglaublicher Schnelligkeit, stemmte das Stabende in den Boden um sich kraftvoll über seine Waffe hinwegzuschwingen, entging somit den tödlichen Klingen, musste jedoch einen Treffer von Frosts vorschnellenden Stiefel einstecken, der ihm in die Seite hämmerte. In einer Rolle glich der Alte die Wucht des Tritts aus, drückte sich mit einer Hand vom Boden hoch und kam in der selben Bewegung wieder auf die Beine.
Ansatzlos erhob er sich erneut in die Luft, der Stab wirbelte blitzend um seinen Körper herum, zuckte kurz vor dem Landen zweimal schnell nach vorne. Klirrend wurden die beiden Schläge mit den Schwertern abgefangen, wummernd der nachfolgende Tritt mit der Unterarmpanzerung abgeblockt.
Im selben Moment, in dem Frosts Ellenbogen mit dem Brustkorb des Alten kollidierte, glitt der Kampfstab an der Klinge des Eisbrechers ab und fuhr ihm schmerzhaft in die Magengrube. Ungeachtet der Schmerzen warf sich Frost nach hinten, krümmte seinen Körper und vollführte einen kompletten Radschlag über eine Hand, als die Faust des Alten gegen seinen Wangenknochen hämmerte.
Genussvoll ließ der angehende Schwertmeister das Pochen der Schmerzen auf sich wirken. Der Trank des Alten hatte ihm nicht nur seine Kräfte zurückgegeben, sondern ihn auch noch in einen Zustand versetzt, in dem er den Schmerz nicht mehr als schwächend empfand. Vielmehr wirkte er wie eine Droge auf seinen Geist, stachelte seinen Kampftrieb wie das Anfeuern einer schaulustigen Zuschauermenge an, pumpte weitere Adrenalinwellen in seinen Kreislauf und ließ ihn wieder und wieder aufstehen, egal mit welcher Kraft er zu Boden geschmettert wurde.
Es gab nur noch den Kampf. Ihn und den Alten. Die beiden Geschwisterklingen und den Kampfstab. Das Heulen des Sturms bildete die wilden Rufe der Zuschauermenge, die Luftwirbel die brüllenden Zuschauerränge. In der Zwischenzeit hatte der Wolkentrichter den Kampfplatz vollends erreicht, hüllte die Szenerie in einen Mantel stetig kreisender Luftmassen. Der Regen hatte im selben Moment aufgehört, doch die Blitze zuckten noch immer als rote Schlangen zwischen den Wänden des Schlundes umher, verfingen sich in den Kristallen und liefen knisternd an ihren Oberflächen entlang.
Als der Alte das nächste Mal zum Angriff ansetzte und hoch in die Luft sprang, stieß sich Frost ebenfalls vom Boden ab. Seine Beine knickten kurz ein, um den gepanzerten Körper den Bruchteil einer Sekunde später dem greisen Kämpfer entgegenzuschleudern. Blitzschnell warf der Waffenmeister seine Klingen hoch in die Luft, packte den auf ihn zuschießenden Kampfstab mit beiden Händen und setzte den Stiefel auf die Brust des alten Mannes. Wuchtig traf ihn ein Schaftende in die Seite, presste keuchend die Luft zwischen seinen Zähnen hindurch, konnte ihn jedoch nicht aufhalten. Mit aller Macht warf sich der Krieger in der Luft herum, zog das Bein an um es schlagartig wieder auszustrecken. Gleichzeitig entließen seine Finger den Kampfstab. Der Alte wurde von ihm weggestoßen, drehte sich halb in der Luft und prallte hart auf dem Boden auf. Den durch das Abstoßen gewonnen Schwung ausnutzend, schlug Frost einen kompletten Salto und kam ebenfalls auf den Felsen auf, wenn auch deutlich sanfter.
Zwei sirrende Schemen schnitten durch die sturmgeschwängerte Luft, augenblicklich griff Frost zu und fing die herabstürzenden Schwerter mit traumwandlerischer Sicherheit an den Griffen auf. Ohne zu Zögern sprang er nach vorn, wirbelte auf dem Absatz herum und schlug zu. Die Flammenschneide krachte dem Alten im selben Augenblick in die Seite, in dem ein Stabende den Eisbrecher abblockte und das andere Frost an der Schulter traf. Ein starkes Prickeln lief seinen Arm hinab, drohte ihn zu lähmen.
Frost beachtete ihn nicht weiter. Schmerzen waren in dieser Phase des Duells relativ. In schneller, kaum mit bloßem Auge zu folgender Folge tauschten die Kontrahenten Schläge aus, parierten mit ruckartigen Bewegungen Angriffe, ließen in stakattoartigen Ausfällen Hiebe auf den anderen niederprasseln, schleuderten sich gegenseitig mit heftigen Tritten zu Boden und fingen sich mit erstaunlicher Gewandtheit ab, um gleich wieder auf die Beine zu kommen und den Kampf fortzuführen. Längst hatte sich das Wasser in den Pfützen rot von ihrem Blut gefärbt. Doch die Kämpfer ließen sich davon nicht abschrecken. Vielmehr schien jeder Treffer den Kampf noch weiter anzutreiben.
Frost duckte sich hastig unter dem nach seinem Gesicht stocherndem Kampfstab weg, als der Alte auf ihn zusprang, mit einem Salto über ihn hinwegsetzte, für einen Wimpernschlag mit einem Bein an dem Riesenkristall in Frosts Rücken hängen blieb, sich dann kraftvoll von seinem Halt wegdrückte und den Stab doch noch gegen Frosts Hinterkopf knallen ließ. Der Krieger ließ sich nach vorne fallen, rollte sich über die Schulter ab und katapultierte sich in die Luft. Klackend schlug der Kampfstab an der Stelle auf den Fels, an der sich Frost einen Moment zuvor noch befunden hatte und zersprengte kleinere Gesteinsbrocken. Frosts aus der Drehung heraus vorschnellender Stiefel traf den Greis an der gepanzerten Brust und schleuderte ihn gegen den Kristall. Ein lautes, langgezogenes Ping hallte über das Plateau, als der Kristall unter der Erschütterung zu schwingen begann. Erneut zuckten Blitze durch das gläsern wirkende Gebilde, sprangen von seiner Spitze aus auf seine Geschwister über. Ein dichtes Netz aus peitschenden Energieentladungen bildete sich über den Köpfen der Kontrahenten, streckte sich nach den rotierenden Wänden des Wolkentrichters aus und lief an ihnen empor. Das Donnern und Knistern der Blitze erfüllte die Luft, ein unnachgiebiger Strom aus sich windender Energie entlud sich in das Auge des Sturms. Flackernd brachen sich Lichtreflexionen in den Wasserlachen der Felsen sowie auf den Waffen der Kämpfer.
"Du hast viel gelernt!", donnerte die Stimme des Alten über das Toben des Sturmes hinweg.
Der Schmutz sowie das aus Platzwunden quellende Blut in seinem Gesicht unterstrichen den Wahrheitsgehalt seiner Worte. Immerhin hatte ihn Frost bei ihrem ersten Treffen vielleicht ein einziges Mal überhaupt getroffen.
Doch er selbst gab kein besseres Bild ab. Warmes Blut verklebte seine Haare, kalter Schweiß brannte in den Wunden. Keine von ihnen war wirklich gefährlich, doch unter normalen Umständen würden sie nach der Zeit seine Kraft wie Egel absaugen.
"Ihr seid ein guter Lehrer!", rief Frost zurück.
Ein mächtiger Donnerhall schien seine Worte bestätigen und den Berg aus seinem Grundgestein reißen zu wollen. Flackernde Lichter tanzten über den Himmel. Die beiden Bartsträhnen hoben sich, als der Alte lächelte.
"Ich weiß, dass du noch mehr kannst!", brüllte er schließlich.
"Du musst alles geben, wenn du die Taufe bestehen willst!"
Ja, Frost spürte, dass er noch nicht an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit angelangt war. Ebenso wusste er, dass der Alte sich nur seinem Können anpasste. Es wurde Zeit, den Kampf dem Höhepunkt entgegenzutreiben.
20.06.2003, 19:14 #12
Superluemmel
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Das laute Krachen rasch aufeinander folgender Donnerschläge ließ kleine Glöckchen in Frosts Ohren klingeln. Steine rieselten leise an den Kanten des Felsplateaus herab, die Schwingung der Kristalle wurde stärker. Ihr beständiger, leiser Singsang wurde lauter und gleichzeitig intensiver, als mehr und mehr Steine zu vibrieren begannen.
In gleichem Maße verkürzten sich die Intervalle der die Kristalle durchlaufenden Blitze. Schon nach wenigen Sekunden war nur ein durchgehender, pulsierender Strom von einer blutroten Farbe zu erkennen, der sich durch die kristallenen Leiber wand, um sich an ihren Spitzen zu einem gewaltigen Strahl zu bündeln.
Sowohl Frost wie auch der Alte sprangen erschrocken zurück, als sich der gut baumstammdicke Strahl mit einem ohrenbetäubenden Knall exakt in der Mitte der vier Riesenkristalle in den Fels grub. Ein Beben lief durch den Berg wurde schnell stärker und riss die Kontrahenten fast von den Beinen. Der Boden unter Frosts Stiefeln bockte wie ein wildes Pferd, das Knirschen von Fels und das Donnern und Knallen der Entladungen bildete eine apokalyptische Geräuschskulisse.
Risse bildeten sich in dem Granit, breiteten sich in gezackten Linien rasch aus. Ein unheimliches, rotes Licht drang aus der Tiefe des Berges hervor, stach in schummrigen Lichtlanzen aus dem steinernen Leib des Göttersitzes ans vom Sturm getrübte Tageslicht. Steinsplitter wirbelten durch die Luft und regneten prasselnd zu Boden, prallten klackend von Rüstung und Haut des Kriegers ab ohne ihn ernsthaft verletzen zu können.
Von der Mitte des Kampfplatzes ausgehend durchzogen die Risse den Fels wie ein stilisiertes Kreuz aus Blut, welches von einem doppelten Kreis eingerahmt wurde. Erst bei genauerem Hinsehen konnte Frost erkennen, dass es sich wirklich um ein Symbol handelte. Die weggesprengten Steine hatten den Blick auf ein riesiges Runensymbol freigegeben, rote Blitze liefen die feinen Linien entlang und tauchten die Umgebung in ein schauriges Licht. Als der mächtige Energiestrom langsam abebbte, prangte in der Einschlagsstelle ein große, kreisrunde Rune. Ebenso waren sowohl die Streben des Kreuzes wie auch der äußere Kreis von pulsierenden Schriftzeichen verziert. Die aufgewirbelten Gesteinsbrocken wurden kurz darauf von den Sturmböen erfasst und mitten in den tobenden Wirbel geschleudert, in die Höhe gerissen und verschwanden inmitten des stürmischen Meers aus Grau.
Während Frost beeindruckt das Schauspiel beobachtet hatte, war der Alte auf den nur noch armdicken Energiestrahl zugetreten, der in der Mitte des Platzes auf den Fels traf und pulsierende Ströme magischer Energie durch das Linienmuster im Granit trieb. Einen halben Schritt vor dem reißenden Strom blieb der Alte stehen und streckte dann vorsichtig die Arme aus. Der Stab tauchte in den Lichtstrom ein, knisternd wanden sich die astralen Ströme um die Waffe, schlängelten sich an den Armen des Greises empor und hüllten für einige Sekunden seinen gesamten Körper ein.
Als der Alte seinen Stab zurückzog, konnte Frost noch immer rote Blitze erkennen, die um den Schaft der Waffe tanzten, ab und zu mit peitschenden Schlägen ihr feines Geäst in die umliegende Luft ausstreckten, um dann zu zerfasern und an anderer Stelle das Spielchen zu wiederholen.
"Zeig mir, was du gelernt hast!", rief der Alte und schnellte zum wiederholten Male auf Frost zu.
Der Kampfstab bildete einen blitzenden Kreis über seinem Kopf, um das Handgelenk des Alten kreisend schoss er auf den Krieger zu, zog sich blitzschnell wieder zurück, als er auf die abwehrbereit erhobene Klinge der Flammenschneide traf und wirbelte abermals auf Frost zu. Obwohl er jeden der kraftvoll geführen Schläge parieren konnte, griffen die sich um den Stab windenden Blitze über die Schwerter auf seine Hände über. Ein schmerzhaftes Prickeln machte sich in seinem Brustkorb bemerkbar, unzählige Insekten schienen einen wilden Tanz auf seiner Lunge zu vollführen.
Keuchend taumelte Frost zurück, fing sich jedoch gleich wieder und schlug selbst zu. Wie erwartet blockte der Alte den Hieb mit dem eisenbeschlagenen Stabende ab und wendete das andere Ende um zum Gegenangriff überzugehen. Doch anstatt zu versuchen, den Schlag abzuwehren oder erneut zuzuschlagen, warf sich Frost nach vorne. Sein Stiefel schoss knapp über dem Erdboden heran, schob sich zwischen die Beine seines Gegners und brachte ihn mit einem Ruck zu Fall. Der Alte reagierte blitzschnell, riss den Stab mitten in der Schlagbewegung herum und rammte ein Ende in den Fels, um sich an ihm abzustützen und einen Sturz zu verhindern.
Das Manöver glückte, brachte jedoch nicht den erwünschten Erfolg, da sich einen Wimpernschlag später Frosts gepanzerte Schulter in den Brustkorb des Alten bohrte. Selbst die übermenschlich schnelle Reaktion des Greises kam zu spät, um zu verhindern, dass sich Frosts Arme fest um den zerbrechlich wirkenden Körper seines Gegners schlungen und ihn kurzerhand vom Boden hoben. In tödlicher Umklammerung wuchtete der Krieger seinen Kontrahenten in die Luft und wollte ihn gerade wuchtig auf den Fels donnern, als der Stab seinen Hinterkopf berührte. Plötzlich ging sein Schädel in Flammen der Agonie auf, Farbblitze tanzten vor seinen Augen umher, erinnerten an die glimmenden Umrisse von Glühwürmchen. Glühende Lanzen schienen sich in sein Gehirn zu bohren, brannten sich langsam ihren Weg Frosts Rückgrat herab, um in seinem Brustkorb mit der Gewalt einer Supernova zu zerbersten.
Brüllend vor Schmerz ließ Frost den Alten los, fühlte, wie die Schwertgriffe seinen kraftlos gewordenen Fingern entglitten und sank auf die Knie, während die Geschwisterklingen klirrend auf dem Fels aufschlugen. Blut quoll in warmen Strömen unter seinen Fingernägeln hervor und lief dunklen Flüssen gleich aus seinen Handschuhen.
Der Alte rang schnaufend nach Atem, zögerte jedoch nicht lange um dem gestürzten Krieger nachzusetzen und seine Waffe mehrfach in seinen Rücken niederfahren zu lassen. Trotz der Rüstung spürte Frost die Treffer wie Hammerschläge, seine Lunge pfeifte als er nach Luft schnappte und durch die Wucht der Hiebe auf dem Felsboden aufschlug.
Nur zögernd wichen die Schmerzen in seinem Körper, vergingen in einem unangenehmen Kribbeln. Als der Schatten des Alten auf ihn fiel, rollte sich Frost geschmeidig auf den Rücken. Sein Fuß hackte sensengleich nach den Beinen seines Gegners, traf hart die Kniekehle und ließ den Alten für den Bruchteil einer Sekunde nach vorne taumeln.
Lange genug für den Krieger. Seine Hände drückten seinen Körper vom Boden hoch, während er die Beine nach oben schwang, um aus dem Handstand heraus zuzutreten. Während sein rechtes Bein den Stab zur Seite drückte, hämmerte das linke gegen die Brust des alten Mannes und schleuderte ihn zurück.
Scheinbar näherten sich auch seine Kräfte allmählich ihren Grenzen, denn bis er erneut aufgesprungen war, hatte Frost bereits seine Schwerter aufgerafft und war mehrere Schritt zurückgewichen. Der Alte schüttelte wie ein Stier, dem man vor den Kopf gestoßen hatte, benommen den Kopf, dann fasste er seinen Stab fester und begann Frost in einigem Abstand zu umkreisen. Frost wich langsam zurück. Ein leises Knistern drang an sein Ohr.
Der Energiestrom.
Der Krieger wirbelte auf dem Absatz herum und streckte die Klingen aus. Ein leichtes Kribbeln lief seine Arme herab, als seine Hände in den pulsierenden Strom eintauchten. Er spürte leichten Widerstand, einem Wasserfall gleich umspielte die magische Energie die Schwerter sowie seine Arme. Grelles Licht ließ ihn geblendet die Augen schließen, das Kribbeln griff auf seinen Körper über, breitete sich wie eine Flutwelle in ihm aus und erreichte schließlich sein Gehirn.
Eine unsichtbare, fremde Macht schien nach seinem Geist zu greifen, tastete sich auf dünnen Spinnenbeinen durch seine Seele, tauchte in die tiefsten Abgründe seiner Selbst hinab, erforschte Winkel seines Seins, die ihm selbst unbekannt waren und ließ ihn als ausgebrannte Hülle zurück, als sie sich schließlich zurückzog.
Als das Kribbeln schließlich abebbte, fühlte er es. Es war, als ob er von einem langen Traum erwachte. Auf einmal schien alles so klar. All die Jahre in hoffnungsloser Dunkelheit waren vergessen. Nein, nicht vergessen. Vergangen.
Ihm war, als ob jemand in seinem Inneren ordentlich aufgeräumt hatte. Die Vergangenheit sollte besser ruhen, was zählte, war die Gegenwart und die Zukunft. Es half nichts, den Schatten längst vergangener Tage hinterherzuhetzen. Einholen konnte er sie ohnehin nicht. Doch die Zukunft wartete auf ihn.
Langsam schlug Frost die Augen auf. Er hatte nicht gemerkt, wie er auf die Knie gesunken war. Als er die Schwerter aus dem Strom pulsierenden Lichtes nahm, konnte er das unscheinbare Runensymbol über den Parierstangen des Eisbrechers glühen sehen. Ohne allzu große Verwunderung stellte er fest, dass die Flammenschneide von einem fast identischen Symbol verziert wurde. Wie schon bei dem Stab des Alten umtanzten feurige Blitze die Klingen, ein Strang der magischen Energie verband sie an den Spitzen.
Frost glaubte zu spüren, wie sich die Gestalt gewordene Astralenergie um die stählernen Leiber der Schwerter wand, ein sanftes Kribbeln auf ihrer metallenen Haut auslöste und sie mit innerem Feuer erfüllte. Das leise Tappen lederner Stiefel auf rauhem Fels ließ Frost aufspringen und herumfahren. Das Lodern der Blitze spiegelte sich in seinen eisblauen Augen, als ob sich seine in neuem Lebenswillen entflammte Seele einen Weg in die Freiheit suchen würde.
Der Alte warf sich nach vorne, holte kurz Schwung um sich dann in blitzartiger Rotation in die Luft zu schrauben. Der Stab beschrieb singende Kreisbahnen in der knisternden Luft, feingliedrige Äste aus freigesetzter Magie bahnten sich ihren Weg ins Freie.
Dann fasste er ihn mit beiden Händen, schwang die Waffe über den Kopf und schlug zu.
Der schwarzgepanzerte Krieger ließ sich auf ein Knie fallen und hob die Schwerter, um den Hieb mit gekreuzten Klingen aufzufangen. Der sich windende Energiestrahl zwischen den Schneiden verdichtete sich. Gleichzeitig fühlte Frost einen stärker werdenden Sog an den Schwertklingen, als ob sie sich wie die entgegengesetzten Pole von Magneten gegenseitig anziehen würden. Unaufhaltsam näherten sich die Klingen einander an, der Kampfstab des Alten raste direkt auf Frosts Gesicht zu - Und kam klirrend zum Stehen, als sich die Schwerter berührten und den Stab abblockten.
Die Zeit schien stehenzubleiben.
Lichtbögen tanzten knisternd und zischend zwischen den Schneiden umher, bildeten ein Gespinst gleißender, weißer Fäden, das sich wie ein Spinnennetz langsam ausbreitete. Ein Aufblitzen, dann verging die Welt in weißem Licht, zerfaserte langsam in schemenhafte Fetzen und ging in einem gewaltigen Rauschen unter. Frost hatte das Gefühl, als ob sich die unsichtbare Faust eines Riesen um seinen Leib schloss, um ihn in einen bodenlosen Abgrund zu zerren.
Der Sturz schien Ewigkeiten anzudauern. Und der erwartete Aufprall blieb aus. Stattdessen fand er sich unvermittelt auf einer Ebene aus miteinander verfließenden Grau- und Schwarztönen wieder. Allerdings begann der Boden ständig seine Form zu verändern - Mal sah er die Umrisse gewaltiger Berge in der Ferne, dann klaffte der Erdboden wenige Schritt neben ihm auseinander um einen gähnenden Schlund zu bilden und sich kurz darauf wieder zu schließen. Die Klingen in seiner Hand waren nicht mehr als verschwommene, weiße Schemen, standen in krassem Kontrast zu der pechschwarzen Rüstung. Er fühlte sich seltsam schwerelos, als ob er noch immer in den bodenlosen Abgrund stürzen würde, nur befanden sich seine Stiefel fest auf dem hin und her wogenden Untergrund.
"Erstaunlich", durchbrach eine kräftige Männerstimme die Stille, hallte für die Dauer einiger Sekunden in Frosts Geist, um sich dann in der Unendlichkeit der Ebene zu verlieren.
Sofort drehte sich Frost herum. Wenige Schritt vor ihm stand der Alte. Doch war er kein alter Mann mehr. Anstatt des vom Alter leicht gebeugten Greises musterten ihn die wachen Augen eines hochgewachsenen Mannes mittleren Alters. Langes, rabenschwarzes Haar fiel in Strähnen über seine Schultern, ein gepflegt wirkender Bart zierte sein Kinn. So musste der Alte in seinen besten Jahren ausgesehen haben.
"Du hast es tatsächlich geschafft", fuhr Frosts Gegenüber nach kurzem Schweigen fort, "Du bist eins mit den Schwertern geworden."
Nachdem er seinen Blick über die sich ständig veränderte Umgebung hatte schweigen lassen, sprach der "Alte" weiter.
"Du fragst dich sicherlich, was passiert ist. Nun, man könnte sagen, du hast zu dir selbst gefunden."
21.06.2003, 15:56 #13
Superluemmel
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Der Krieger nickte. Er glaubte zu verstehen, was der "Alte" ihm sagen wollte. Die Schwerter waren ein Teil seiner Selbst. Schon immer. Seit dem Zeitpunkt, zu dem er sie aus dem glühenden Schmiedefeuer gezogen hatte, waren sie auf ewig an ihn gebunden. Doch hatten sie ihn noch nicht vollständig als ihren Träger anerkannt. Der Eisbrecher hatte ihm bisher zwar stets gedient, doch gehorcht hatte er nicht. Bei der Flammenschneide war diese Weigerung um einiges extremer ausgefallen. Im Gegensatz zum Eisbrecher nutzte sie ihre geistige Verbindung, um ihren Willen direkt in Frosts Denken einzuspeisen. Diese Waffe war gefährlicher als er zuerst angenommen hatte. Zwar hatte er jetzt ihren Widerstand gebrochen, jedoch blieb die Natur der Klinge die selbe.
Allerdings erklärte dies nicht den seltsamen Vorfall beim Zusammentreffen der Waffen. Was war passiert? Und was war dies für eine fremdartige Umgebung? Sie kam Frost auf mysteriöse Art und Weise vertraut vor...
"Aber wie ist das hier möglich?", fasste Frost seine Gedanken in Worte und schloss in einer Geste das gesamte, wogende Umfeld mit ein.
"Erklärt mir was passiert ist", forderte er den Alten auf.
Dieser reagierte mit einem Stirnrunzeln und stützte seine Rechte auf den Stab, während er sich mit der Linken den Bart rieb.
"Ich kann es selbst nicht genau erklären", gab er schließlich zu, "Bisher habe ich etwas derartiges noch nie selbst erlebt."
"Aber davon gehört?", hakte Frost nach.
Der Alte lehnte sich schwer auf seinen Stab, während er erneut die Umgebung musterte. Offensichtlich eine Angewohnheit, die er trotz seines verjüngten Körpers nicht ohne weiteres ablegen konnte. Schließlich nickte er.
"Ja. Ist allerdings lange Zeit her. Es gibt nicht allzu oft Menschen, die diese Fähigkeit in sich tragen."
"Ihr meint, ich bin schuld an diesem...", Frost suchte einige Sekunden lang nach einem treffenden Wort für das Bild vor seinen Augen, brach dann jedoch erfolglos ab.
Der Alte nickte eifrig.
"Definitiv. Ich versuche es dir so gut wie möglich zu erklären. Was du hier siehst, ist wie du bereits festgestellt hast nicht mehr der Göttersitz. Leider weiß ich selbst nicht genau, was es letztendlich wirklich ist. Vielleicht eine Zwischenwelt, eine andere Realität oder gar eine paralelle Dimension. So wie ich dir hier erscheine, sehe ich mich selbst noch immer in meinen Erinnerungen und somit meiner Selbst. Es sind nicht unsere Körper, die miteinander kommunizieren, sondern unsere Seelen."
Frost brauchte einige Sekunden, um das Gehörte halbwegs zu verarbeiten.
"Und wie ist das möglich?", fragte er stirnrunzelnd.
"Da fragst du mich zu viel", antwortete der Alte schulterzuckend.
"Vielleicht hängt es mit der grundverschiedenen Natur deiner Schwerter zusammen. Du könntest auch selbst der Grund dafür sein."
Abermals dauerte es einige Zeit, bevor Frost erneut sprach.
"Und... was wenn hier jemand sterben sollte?", fragte er mit einem Blick auf die Schwerter in seinen Händen.
"Dann wird er wahrscheinlich auch in der normalen Welt sterben. Vielleicht wird er auch als seelenlose Hülle weiterhin umherstreifen. Ich weiß es nicht genau."
Die Falten auf Frosts Stirn vertieften sich. Gegen seinen Willen musste er an den Moment zurückdenken, an dem seine Seele gewaltsam aus seinem Körper gerissen worden war. Keine schöne Erinnerung...
Nach einigen Minuten sprach der Alte weiter.
"Lass uns zurückkehren. Ich fühle mich hier so... verwundbar", meinte er mit einem verschmitzten Lächeln.
"Sagt mir wie", fragte Frost und blickte sich um.
Er konnte nirgends einen Ausgang oder ähnliches erkennen.
"Fass meine Hände", forderte ihn sein Gegenüber auf.
Wortlos trat Frost zu ihm und nahm die ihm entgegengestreckten Hände entgegen.
"Konzentrier dich auf den Kampfplatz. Den Ort, an dem du dich zuletzt befunden hast. Du musst selbst zurückkehren wollen."
Ja, das wollte er durchaus. Diese Umgebung war mehr als fremdartig. Auf seltsame Weise wirkte sie sogar bedrohlich. Und er konnte dem Alten nur zustimmen, wenn er meinte, dass er sich hier verwundbar fühlte. Er spürte es ebenfalls.
So rief er das Bild des Felsplateas vor sein inneres Auge. Zeichnete im Geist das rätselhafte Runensymbol nach, stellte sich das Zucken der durch die Kristalle rasenden Blitze vor. Im selben Moment spürte er einen sanften Sog, sah, wie das Abbild des Alten verschwamm und schließlich wie Nebel auseinandertrieb.
Ein Lidzucken später fand er sich auf harten Fels liegend wieder. Verwundert schüttelte Frost den Kopf, stemmte sich auf die Knie hoch und griff nach den neben ihm liegenden Schwertern, bevor er sich vollends aufrichtete. Neben ihm tat es der Alte ihm gleich.
"Da wären wir ja wieder", grinste der Greis und klopfte einige Wassertropfen von seiner ledernen Rüstung.
"Die Taufe ist vollzogen", kündigte er mit einem Blick in den Himmel an.
Mittlerweile hatte sich der Wolkentrichter aufgelöst. Nur eine trübe Masse an vorbeiziehenden Wolken zeugte noch von dem heftigen Unwetter. Vereinzelt klatschten noch einzelne Regentropfen auf den nassen Fels, doch die Sonne streckte bereits ihre wärmenden Lichtfinger durch Lücken in der Wolkendecke. Die Runen im Granit schimmerten noch immer in einem sanften Rot, doch von den Blitzen war nichts mehr zu sehen. Ebenso hatten die Kristalle aufgehört, zu schwingen.
"Was ist das für ein Ort", fragte der Krieger nach kurzem Schweigen, "Was hat es mit ihm auf sich?"
"Das ist der Göttersitz", grinste der Alte schelmisch, sprach jedoch weiter, als Frost entnervt die Augen verdrehte.
"Niemand weiß genau, wie er eigentlich entstanden ist. Einige behaupten, die Götter selbst regierten früher von hier aus die Welt, andere wiederum meinen, dass er mächtigen Zauberern diente, um die Mächte des Kosmos zu beschwören. Sicher ist, dass der Berg uralt ist. Um ein vielfaches älter als der Gletscher. Wie du selbst gesehen hast, wohnt ihm eine immense Magie inne. Selbst nach all den Jahrhunderten hat er nichts von seiner Macht eingebüßt. Vielleicht ist er deshalb so schwer zu erreichen. Ein Werk der Götter? Wer weiß..."
Schade, Frost hatte gehofft, mehr über den mysteriösen Gipfel herausfinden zu können. Doch scheinbar wusste der Alte auch nicht sehr viel mehr als er selbst.
"Da ich eure Prüfung bestanden habe, werdet ihr mir nun endlich Antworten auf meine Fragen geben?", drang die Neugier und der eigentliche Grund seines Kommens in Frost durch.
"Nein", antwortete der Alte nach kurzem Überlegen.
Im selben Augenblick, in dem Frosts Augenbrauen verärgert näher zusammenrückten, fuhr er fort.
"Zumindest nicht, solange du nicht mit diesen Formalitäten aufhörst. So spricht man doch nicht mit einem alten Freund", tadelte ihn der Greis.
"Alter Freund, hm?", brummte Frost. Die Verärgerung hatte mißtrauischer Neugierde Platz gemacht.
"Dann klärt doch erstmal auf, woher ich euch überhaupt kennen sollte."
Das Grinsen des Alten schien sein Gesicht sprengen zu wollen, als er lachend den Kopf schüttelte.
"Im Kampf lernst du schneller", grinste er fröhlich vor sich hin, während er zu dem Kreissymbol in der Mitte des Platzes wanderte.
"Wärst du so freundlich, mich aufzuklären wer du eigentlich bist?", seufzte Frost.
"Gestatten, Sturm, meines Zeichens Waffenmeister und ehemaliger Kampfgefährte deines Vaters", stellte sich der Alte mit einer spöttischen Verbeugung vor.
Die Erkenntnis fiel Frost wie Schuppen von den Augen. Als er den jungen Alten vor sich stehen hatte sehen, war eine blasse Erinnerung in seinem Geist erwacht. Bei den Göttern, wie lange war es her...
"Bei den Allmächtigen, ich habe euch - dich wirklich nicht erkannt", keuchte der Krieger und ging auf den alten Freund seines Vaters zu.
"Jetzt erinnere ich mich. Du warst früher oft zu Besuch. Damals, bevor Vater starb..."
Ein sanftes Lächeln huschte über die Züge des alten Mannes.
"Du erinnerst dich wirklich noch an mich? Als ich euch das letzte Mal besuchte, hast du mir kaum bis zur Hüfte gereicht."
"Es ist so verflucht lange her...", murmelte Frost, "Was hast du in all der Zeit getrieben? Und warum bist du uns nicht mehr besuchen gekommen?"
Für die Dauer weniger Augenblicke war ein Schatten auf Sturms Zügen zu erkennen. Doch er verflog ebenso schnell, wie er gekommen war.
"Ich habe dir erzählt, dass ich deinen Vater vor dem Schwert gewarnt hatte. Wir... haben uns gestritten. Und wie du inzwischen weißt, wollte er nicht auf mich hören."
Er seufzte lang in der Erinnerung an vergangene Zeiten.
"Es ist eine traurige Geschichte", sprach er weiter, "Und man sollte die Vergangenheit ruhen lassen. An ihr können wir nichts mehr ändern. Das solltest du selbst inzwischen am besten wissen."
Damit hatte er wohl Recht. Er hatte ihm selbst die Augen geöffnet.
"Du solltest langsam zu deinen Gefährten zurückkehren", brach Sturm das Schweigen.
"In der Zwischenzeit ist viel passiert. Sie stecken in Schwierigkeiten."
Erneut rutschte Frosts Augenbraue nach oben. Woher nahm Sturm all sein Wissen? Sein Blick schien auf einen Punkt in weiter Ferne gerichtet zu sein, er schien den Krieger vor sich nicht zu bemerken.
"Die Inquisition?", fragte Frost lauernd.
"Nein", der Alte schüttelte den Kopf, "Neue Gefahren werfen ihre Schatten auf das Land. Eine ist gerade erst von einer langen Reise zurückgekehrt. Eine andere zeigt sich in vielen Formen überall in Gorthar. Die Inquisition ist nicht viel mehr als ein Instrument, welches sich nicht bewusst ist, dass es nur benutzt wird. Lass uns gehen. Wir können uns auf dem Weg weiter unterhalten."
Sturm bedeutete Frost mit einem Wink, näher zu kommen.
"Komm her. Ich kenne einen schnelleren Weg."
Frost tat wie ihm geheißen und trat neben den greisen Waffenmeister. Der hob seinen Stab und ließ ihn zweimal klackend in die Mitte des Runenkreises schlagen. Das rote Leuchten wurde intensiver, Lichtbahnen brachen aus dem Fels hervor, ein leichtes Beben erschütterte den Boden. Die Rune in der Mitte des Platzes flammte auf, dann löste sich ein heller Lichtimpuls und begann rasende Kreisbahnen in dem riesigen Symbol zu beschreiben, bildete eine blutrote Spirale und begann zu verblassen, als er den äußeren Kreis des Symbols erreichte.
Die Welt vor Frosts Augen begann zu verschwimmen, sich gleichzeitig zu einer stetig enger werdenden Spirale zu formen und stürzte dann vollends in sich zusammen. Schon im nächsten Augenblick hörte Frost Schnee unter seinen Stiefeln knirschen.
Als er sich umsah, stellte er fest, dass er sich zusammen mit dem Alten am Fuß des Gletschers befand.
"Beachtlich", kommentierte er die rasche Reise, "Seid ihr auf diesem Weg auch auf den Göttersitz gelangt?"
"Da war schon wieder das böse "I"-Wort", grinste Sturm.
"Zu deiner Frage - Diese alten Knochen mögen zwar gebrechlich sein, doch kennen sie noch so einige Tricks", zwinkerte er.
"Hätte ich mehr erfahren, wenn ich dich geduzt hätte?"
"Sieh an, da wird doch nicht etwa jemand zu seinem alten Humor zurückgefunden haben?", lachte der Alte in gespieltem Tadel.
"Nenn es Sarkasmus", erwiderte Frost trocken.
Der Alte lachte abermals, während er sich daran machte, dem sanften Hügelland entgegenzuschreiten.
"Immerhin etwas. Wenn ich bedenke, was du sonst für eine traurige Gestalt abgibst..."
"Nur weil ich nicht vor Freude sprühend durch die Lande springe, heißt das noch lange nicht, dass ich ein Griesgram bin", schoss Frost zurück und folgte dem Alten.
"Nein, kein Griesgram. Nur durchgehend schlecht gelaunt."
Das Lachen des alten Mannes verlor sich in den Weiten des Gebirges.
"Wann findest du endlich deine Lebensfreude zurück?", fragte Sturm als Frost zu ihm aufgeschlossen hatte. Sein Blick drang tief in Frosts Augen ein.
"Ist es Esthera?", hakte er nach, als der Krieger keinerlei Anstalten machte, zu antworten. Das erneute Schweigen schien ihm Antwort genug zu sein.
"Du denkst oft an sie, nicht wahr?"
Frost nickte zögerlich und starrte auf das zwischen seinen Stiefeln dahinfliegende Geröll.
"Ja. Jeden Abend wenn mir die Erinnerung meinen Schlaf raubt, jedes Mal wenn ich im Kampf dem Tod ins Auge blicke. Jedes Mal wenn ich an die verschneiten Ebenen Hammerfoldts denke."
Sturm nickte verständig.
"Es ist gut, dass du sie nicht aufgibst. Irgendwann wirst du sie wiedersehen. Da bin ich mir sicher", lächelte er aufmunternd.
Der Schwertmeister erwiderte das Lächeln schwach. Irgendwann...
"Es hilft nichts, wenn du dir ständig den Kopf darüber zerbrichst, was hätte sein können. Ebenso bringt es dir keinen Frieden, wenn du dir selbst die Schuld für den Tod der Menschen gibst, die unter deinem Kommando gestorben sind."
Der Kopf des Kriegers ruckte herum.
"Woher nimmst du all dein Wissen?", fragte er mit unverhohlenem Misstrauen.
"Ich lese es in deinen Augen", antwortete der Alte, "Andererseits hat der Wind nicht sonderlich viele Menschen, die sich mit ihm unterhalten."
Frost konnte nur den Kopf schütteln.
"Du wirst mir wohl immer ein Rätsel bleiben..."
"Ist es nicht gerade das Ungewisse, das das Leben lebenswert macht?", meinte Sturm geheimnisvoll.
"Hör auf meinen Rat", führte er das Gespräch fort, als Frost abermals nicht antwortete, "Du machst dich nur selbst fertig, wenn du dir dauernd selbst Vorwürfe machst. Die Entscheidungen wurden schon längst gefällt, ändern kannst du sie ohnehin nicht mehr. Fass lieber neuen Mut, um der Zukunft entgegenzutreten."
"Da hast du wohl Recht".
Ein Seufzer entfloh aus Frosts Kehle. Sturm hatte wirklich Recht. Er hatte noch einige Jahre vor sich und mehr als genug Aufgaben zu erfüllen. Und von alleine würde sich ihm sicherlich kein Weg in den hohen Norden öffnen. Es wurde Zeit, die Gräber vergangener Zeiten ruhen zu lassen.
"Warum bist du eigentlich nicht verheiratet?", begann Frost ein neues Thema anzuschneiden, als sie die saftigen Gräser der Hügel erreichten.
"Ich? Nun, ich...", der Alte suchte sichtbar nach Worten. Mit einer derartigen Frage hatte er offensichtlich kaum gerechnet.
"Weißt du, manche Menschen wissen einfach, dass sie für die Einsamkeit geboren sind. Und vielleicht finde ich ja noch die Frau meines Lebens", grinste Sturm verschmitzt.
Dieses Mal war es Frost, der herzhaft lachen musste.
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