World of Gothic Archiv
> Rollenspiel [GM] Die Ruinen der Festung Asu'a |
|
15.06.2003, 21:29 | #26 | |||
Arson Beiträge: 687 |
Als Aditu am nächsten Morgen neben ihrem menschlichen Gefährten erwachte, fand sie einen fröhlich lächelnden Arson vor, der ihr einen zärtlichen Kuss auf die ebenmäßig weißen Wangen gab, bevor er sich dann mit einer geschmeidigen Bewegung vom Grasboden erhob, um gähnend seine Glieder zu strecken. Grüne Pupillen blitzten in einem bartlosen Gesicht, das pechschwarze Haar fiel in langen, seidigen Strähnen bis zur Hüfte des Kriegers. Wer Arson an diesem sonnenbeschienenen Morgen dabei zusah, wie er Arme und Beine lockerte, sich dann gelassen, doch trotzdem geschickt in seine Tuchgewänder hüllte, der hätte ihn kaum für denselben zerkratzten und halbverdursteten Burschen halten können, der vor vielen Monaten durch die Tore der Stadt des ewigen Sommers getragen worden war. "Guten Morgen, liebste Aditu." Die Sitha erhob sich, trat an den hochgewachsenen Paladin heran und strich ihm spielerisch über die Brust, bevor sie sich ebenfalls nach ihren Kleidern bückte und sie mit anmutigen Griffen um ihren gertenschlanken Körper wand. "Guten Morgen, süßer Arson." Wortlos hakte sich die Sitha bei ihrem Gefährten unter, um dann an seiner Seite in das weitläufige Empfangszimmer der Residenz zu treten, die ihre Familie bewohnte. Wie jeden Morgen setzten sie sich an eine der langen Tafeln, um sich dann an verschiedenen Früchten und Gemüsesorten zu stärken. Arson aß mit gewohntem Appetit, wechselte sogar einige Worte mit Drukhi dem Hausherren, der sich nach dem Befinden des Sterblichen erkundete. "Danke Herr, es geht mir ausgezeichnet. Ich fühle mich frei wie lange nicht mehr." Der ehrwürdige Gründer nickte und schaute zu Aditu hinüber. Ein bitterer Zug huschte über Arsons Gesicht, nicht mehr als der Schatten einer Emotion, bevor sich der schmale Mund wieder zu einem höflichen Lächeln öffnete. Der Sithimann deutete die Bemerkung falsch. Völlig falsch. Und das war gut so. Sanfte Fingerkuppen berührten den Arm des Kriegers. "Begleitest du mich in das Yásira?" Aditus wunderschöne Augen glänzten, ihr Gesicht strahlte ihm Schein der durch die dünnen Seidentücher fallenden Sonnenstrahlen wie das Abbild einer Göttin. Arson nickte und erhob sich. "Natürlich." Gemeinsam verließen sie die Residenz, schritten langsam über die schmalen Kieswege der Stadt. Irgendwo in den breiten Kronen der Bäume zwitscherten Vögel, das in den Bachläufen sprudelnde Wasser war so rein, dass man jeden Stein auf dem Grund mühelos erkennen konnte. Wie trügerisch der Frieden doch war... "Oh, du trägst einen Ring." Aditu hob die Hand des Paladins, um das glitzernde Kleinod besser begutachten zu können. "Ja. Es ist der Ring meines Kriegerordens." Die Sitha hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Für die Dauer eines Lidschlages schien die Zeit stillzustehen, während hellen Grün auf gleißendes Silber traf, doch dann wandte Aditu sich wieder dem Weg zu. "Er ist schön." Arsons Lächeln bekam einen melancholischen Zug. Fast hatte er gehofft, seine Begleiterin würde seine Absichten in seinen Augen lesen können, ehrlich mit ihm reden und diesem ganzen Wahnsinn damit Einhalt gebieten. Sie hatte es nicht erkannt. Wahrscheinlich interessierten sie die Gefühle des Paladins nichteinmal, solange er tat, was ihr gefiel. Die Kiefermuskeln des Kriegers spannten sich. "Ja, das ist er." Sie erreichten die von dem gigantischen Mammutbaum überdachten Hallen des Yásira, traten in den Schatten der rauschenden Wipfel, gesellten sich zu hunderten anderer Sithi, um sich Seite an Seite im Gras der Zeremonienhalle niederzulassen. Arson betrachtete die an ihren Fäden hängenden Schmetterlinge. Ihre silbrig glänzenden Flügel bewegten sich als wären sie alle Teil eines einzigen, gewaltigen Lebewesens, schlugen in einem Rhythmus, der auf bizarre Weise zum Rauschen des Windes in den Blättern des Baumes passte. Welches Wunder hinter dieser riesigen Pflanze steckte, würde der Paladin wohl nie erfahren, denn jetzt hatten sich die Kinder Inelukis versammelt. Als sie die Augen schlossen, tat Arson es ihnen gleich, doch anstatt wie üblich in eine tiefe Meditation zu verfallen, blieb er hellwach, lauschte den leisen Klängen der sanften Lieder der Unsterblichen, wartete verharrte reglos auf dem grünen Wiesenboden. Eine gute Stunde war verstrichen, als sich die Augen des Paladins mit einem blitzartigen Ruck öffneten. Das freundliche Lächeln war wie aus dem Gesicht gewischt, die schmalen Züge des Menschenkriegers waren kühl und ausdruckslos. Mit gelassener Sorgfalt musterte er die ruhenden Sithi, erhob sich dann, um das Yásira ruhigen Schrittes zu verlassen und hinaus in den Sonnenschein zu treten. Jao'y'tinukada'ya war leer, allein die dezenten Geräusche der Natur begleiteten den Recken auf seinem Weg den Tempelhügel hinauf. Das gesamte Volk der Kinder des Sonnenaufganges hatte sich unter dem Baum versammelt um ihrer Ahnen zu gedenken. Welch Ironie des Schicksals, dass diese Ehrerbietung sich nun als ihre größte Schwäche entpuppte. Unangefochten erreichte Arson den Tempelkomplex, blieb einen Moment im gewölbten Eingangsportal stehen, sog die kühle Luft der gewaltigen Marmorhalle in seine Lungen und genoss das gespannte Kribbeln in seiner Magengegend. Dann trat er ein. Laut und hohl hallten die Schritte seiner bestiefelten Füße durch die riesige Halle, wurden von den gewaltigen Marmorsäulen reflektiert, die den Paladin zu beiden Seiten flankierten. Er war in das Venyha Do'sae eingedrungen, befand sich nun im Heiligtum der Sithi, im herzen ihrer Stadt. Nahe den Raumwänden standen die uralten Rüstungen der ehrwürdigen Helden auf ihren Silbersockeln, blickten stumm auf den Menschling hinab, der es wagte, ihre Ruhe in dieser Stunde zu stören. Arson trat an an > Himmelslied < , den strahlend weißen Panzer der Ersten Großmutter Amerasu heran. Seine Hand strich über das schimmernde Material, jede Mischung aus Erz und Hexenholz, die der Rüstung den Namen Hexenharnisch eingebracht hatte. Die Lippen des Kriegers öffneten sich, dann zuckte er jedoch zurück. Nein, für die Tat, die er im Sinn hatte, geziemte sich ein unbeflecktes Weiß einfach nicht. Der Paladin wandte sich ab, schritt die Reihen der Rüstungen ohne Eile entlang, bis er schließlich vor dem schwarzen Panzer mit dem bezeichneten Namen > Nachtschatten < innehielt. Wie Amerasus Harnisch glänzte auch dieses Rüstwerk in den schillernden Farben eines Insektes, erinnerte Arson stets an die Chitinleiber der bösartigen Blutfliegen, die es in seinen heimatlichen Gefilden so zahlreich gab. Bruststück, Arm- und Beinschienen waren reich mit kostbaren Silberverzierungen bestückt, die ehrwürdigen Schmiedemeister hatten sich alle Mühe gegeben, die Rüstung auf dezente Weise mit kostbaren Emaillierungen zu überziehen, komplexe Muster, unendlich verworren und doch von anmutiger Schönheit. Der neben dem Panzer auf einem Sockel ruhende Helm war dem Kopf eines Panthers nachempfunden, ruhig und leblos starrten die leeren Augenhöhlen den hochgewachsenen Krieger an. Dieser hatte seine Wahl getroffen. "A-Genay'asu." Kaum waren die Silben verklungen, da begannen die Panzerplatten sich zu bewegen, öffneten sich wie die Blüte einer Blume, gaben ihren Innenraum mit leisem, metallischem Schaben frei. Der Brustpanzer klappte nach Oben, Arm- und Beinschienen öffneten sich an zuvor unsichtbaren Nahtstellen, der Umhang entfaltete sich, fächerte auf und offenbarte sich als das, was er wirklich war - zwei einzelne Stränge vieler dünner, langer Seidenbänder, die sich nun nach allen Seiten ausstreckten, als wären es die Schwingen eines Vogels. Wie schon die Rüstung der ersten Großmutter schillerte auch die Innenseite dieses Harnisches in allen Farben des Regenbogens. Arsons Muskeln spannten sich, sein Herz begann schneller in der Brust zu pochen, während er atemlos auf den geöffneten Panzer starrte. Langsam drehte er sich um, schritt rückwärts auf den schillernden Hexenstahl zu, setzte die Füße unendlich vorsichtig zwischen die aufgeschnappten Beinschienen, hob die Arme und legte sie in die dafür vorgesehen Kammern. Zuletzt lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Rüstung. Knapp überhalb der Hüfte konnte er den etwas fingerlangen Stachel spüren, wie er die Haut über seiner Wirbelsäule piekste. Schweißtropfen perlten dem Paladin von der Stirn. Die Gegenwart von > Nachtschatten < war nun so deutlich zu spüren, dass Arson sich fragte, ob der Harnisch wirklich nur ein Harnisch war. Dem Paladin kamen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns. Was, wenn diese Rüstung ihn zerfetzte? Was, wenn sie ihn mit Haut und Haaren verschlang? Dann hast du es immerhin hinter dir, Narr. Da war etwas dran. Ein letztes Mal holte der Krieger Luft, öffnete dann die Lippen, um jene schicksalsentscheidenden Silben auszusprechen. "O-Genay'osé." Mit einem kalten Schaben schnappten die Stahlschienen um Arme und Beine des Menschenkämpfers, der Brustpanzer klappte nach von, schloss sich um Arsons Brust, drückte seinen Oberkörper vollends gegen die Rückseite des Harnisches, so dass sich der etwa fingerlange Stachel tiefer in seinen Leib bohrte. Die Nahtstellen der Rüstung verschmolzen zu einer Einheit, die Strähnen des Umhangs legten sich um die gepanzerten Schultern des Paladins, dann fühlte der hochgewachsene junge Mann, wie etwas Erhabenes, höchst Fremdartiges in seinen Geist eindrang. Eine stumme Frage wurde gestellt, und Arson konnte nicht anders als sie zu beantworten. nein, er war kein Sithi. Ja, er hatte vor, dem Volk der Unsterblichen zu schaden. Der Schmerz kam mit blitzartiger Schnelligkeit, traf den heiligen Streiter mit gnadenloser Wucht. Keuchend brach er in die Knie, während hunderte Supernovae auf seinen Netzhäuten explodierten. Tausend glühende Messer zerschnitten sein Hirn, zerstückelten seinen Geist, wollten ihn zwingen, die Kontrolle über sich selbst aufzugeben. Durch einen Nebel aus bunter Agonie sah Arson, wie sich seine eigene, von scharfen Klauenpanzergliedern umhüllte Hand auf sein ungeschütztes Gesicht zubewegte, die Finger in unverkennbarer Absicht verkrampft. Der Paladin wehrte sich. Bei Innos, dies war sein Körper, und er allein gab hier die Befehle! Speichel lief ihm in schillernden Fäden zwischen den gefletschten Zähnen hindurch, besudelte die makellosen Marmorfliesen, während sich der in schwarzen Stahl gehüllte Leib des Kriegers immer wieder in spastischen Anfällen aufbäumte. Arson dachte an Sludig, dachte an Einskaldir, zwang die Bilder seiner Kameraden vor sein geistiges Auge, hielt sie mit panischer Verzweiflung fest, klammerte sich an seine Erinnerungen wie der Ertrinkende an das rettende Floß, während er gleichzeitig gegen den uralten Willen eines unbekannten Wesens ankämpfte. langsam sank die Hand zu Boden, scharrte hilflos auf den kalten Bodenfliesen, hinterließ tiefe Kratzer im weißen Gestein. Arson dachte an Haestan, durchlebte noch einmal die Sekunden seines Todes, blickte dem lachenden Dämon, der ihn umbrachte noch einmal in das schmale Gesicht, sah noch einmal jene glühenden Mandelaugen, die auf so schreckliche Weise einem...Sitha ähnelten. Arson schrie auf, brüllte seine unartikulierte Wut zwischen zusammengebissenen Kiefern hinaus. Jetzt ergab es einen Sinn! Der Schlächter von Utanyeat, dieses unheilige, bösartige Wesen, war ein Sitha! Die Erkenntnis gab den Ausschlag. Der pure, ungezügelte Zorn des Paladin zerfetzte die Päsenz des Geistwesens als bestünde es aus nicht als Nebel, drückte es zurück in die Kammern seines Unterbewusstseins, nahm ihm seine Individualität, machte es zu seinem Diener. Der Zuckungen verebbten, als Arsons Leib zur Ruhe kam. Langsam normalisierte sich die Atmung, die Muskeln entspannten sich, das Bild wurde wieder klar. Als der Menschenkrieger sich erhob, war sein Gesicht zu einem ironischen Lächeln verzogen. Mit grimmiger Befriedigung bewegte er Arme und Beine, erfreute sich an den leise klickenden Geräuschen der kostbar gearbeiteten Panzerglieder. Jetzt, da sein Wille gebrochen war, gehorchte der Harnisch seinen Befehlen, unterstützte den Paladin bei jeder Bewegung, verlieh ihm somit zusätzliche Kraft. Der Streiter Innos' fühlte sich, als trüge er eine Rüstung bestehend aus himmelleichten Federn anstatt grauschwarzem Hexenstahl. Der Schmerz in der Wirbelsäule war gewichen, allein die dezente Gegenwart von etwas Fremden blieb an der Oberfläche des Geistes, war eng mit der mentalen Energie verbunden, mit deren Hilfe Arson für gewöhnlich die Macht seiner Runen aktivierte. Der Recke lächelte. So erhielt der Harnisch also seine Energie. Ein gezielter geistiger Befehl zuckte durch das Hirn des Kämpfers, und der dunkle Umhang öffnete sich, die einzelnen Bänder spreizten sich flügelartig ab, verharrten dann in bizarrer Reglosigkeit in der Luft. Arsons Blick fiel auf den Helmsockel. Hauchzarten Tentakeln gleich schossen die Seidenbänder nach vorn, wickelten sich um Helm und Sockel, trugen den schwarz schillernden Kopfschmuck bis vor Arsons Augen, während die übrigen Tentakel das marmorne Podest kraftvoll durch die Halle schleuderten. Krachend zerbarst der Sockel auf den polierten Bodenfliesen, rutschte geteilt in dutzende kantige Fragmente über den Stein, um klickend und klackend vor Säulen und Wänden zum Stillstand zu kommen. Beeindruckt betrachtete Arson das Ergebnis seines Gedankenbefehls nahm dann den Pantherhelm entgegen, um ihn über sein Haupt zu stülpen. Das Lange Haar band er dazu zu einem Schopf zusammen, der in Nackenhöhe durch eine dafür vorgesehene, kreisrunde Aussparung auf der Rückseite des Helmes gesteckt wurde, so dass das seidig schimmernde Haar nun in einem langen Zopf zwischen den gepanzerten Schulterblättern des Kriegers hindurch bis zur Hüfte fiel. Das aus Oberkiefer und Augenpartie bestehende Helmvisier ließ der Paladin geöffnet, warf einen letzten Blick auf die leere Halle der Helden, wandte sich dann ab, und marschierte tiefer in das Herz der Sommerstadt hinein... |
|||
15.06.2003, 22:15 | #27 | |||
Arson Beiträge: 687 |
Schillernd brach sich das durch die Buntglasfenster fallende Licht auf der reich verzierten Sithirüstung, als Arson vor die riesigen Flügel der bronzenen Tür trat. Grüne Pupillen musterten die detaillierten Ätzungen auf dem glänzenden Metall, suchten vergeblich nach einer Klinke, einem Knauf, einem Mechanismus, um den Durchgang zum innersten Sanktum zu öffnen. Prüfend legte der dunkle Krieger die gepanzerte Linke auf das Bronzebollwerk, drückte kurz gegen den schweren Türflügel, wurde dann wieder zurückgezogen, als klar wurde, dass sie nicht nachgab. "Ihr wollt mir den Zutritt verwehren?" Die Augenlider des Recken verengten sich zu schmalen Schlitzen. Drohend funkelte er die reglosen Abbilder uralter Sithihelden an, die mit ihren leblosen Pupillen auf den sterblichen Menschensohn hinabstarrten. Arson hob die Hände. Der Umhang des Hexenharnisches fächerte auf, dutzende Seidenbänder spreizten ihre durchscheinenden Körper, schossen dann auf die Tür zu, schlängelten sich über die bronzene Oberfläche, drangen in die Angelrillen und den schmalen, senkrechten Schlitz zwischen den beiden Torflügeln. Der Paladin konnte das kühle Metall fast körperlich spüren. Vorsichtig tastete er sich weiter vor, drang mit weiteren Bändern in die Türzwischenräume, unterwanderte wie schwere Konstruktion wie eine Rankenpflanze sich um eine Burgmauer schlang, um den Stein in Laufe der Jahre zu höhlen. Steile Falten standen auf der Stirn des Kriegers als er die Augen schloss, seine geistige Energie sammelte, sie zu einem einzigen, dicken Willensstrang kanalisierte, um sie anschließend durch seinen Körper in den Panzer und von dort in jedes der schillernden Seidenbänder zu schicken. Ruckartig wurden die Tentakel straff gezogen, spannten sich Drahtseilen gleich zwischen Rüstung un Tür. Ein hässliches Knirschen ertönte, gefolgt von dumpfen Knacken und Knistern. Ein feines Netz aus Rissen begann sich durch die makellose Marmorwand zu ziehen, in der das Tor eingelassen war, einzelne Steinfragmente lösten sich, bröckelten langsam zu Boden, während sich die Risse nun mit rasender Schnelligkeit vermehrten. Arson keuchte, die Kiefermuskeln des Paladins traten deutlich hervor, feine Schweißperlen rannen ihm über die Wangen, während er mit aller Kraft gegen das Bollwerk anging, seine gesammelten Kräfte in jene dünne Fäden fließen ließ, die sich zahlreich um das Bronzemetall spannten. Mit einem ohrenbetäubenden Knall brach die Tür aus den Angeln, wurde in einem Regen aus zerberstenden Steinfragmenten durch die Luft geschleudert, um dann mit apokalyptischer Wucht gegen eine der mächtigen Ziersäulen zu krachen und diese knapp unterhalb des Mittelteiles zu durchschlagen. Knirschend kippte die Säule zur Seite, zersprang in abertausende von zahnig-weißen Brocken, riss dabei einen großen Teil der Bodenplatten aus der Verkachelung, durchsetzte die kühle Luft mit einer stickigen Wolke aus winzigen Marmorkörnchen, tauchte den gesamten Korridor in bleichen Staubnebel. Der Streiter Innos öffnete die Augen, blickte auf das kantige Loch in der Wand. Dort, wo eben noch makellose Bronze schimmerte, gähnte nun ein zerbrochener Schlund, der polierte Boden war bedeckt mit Trümmern, die spiegelnden Fliesen zerbrochen und aufgerissen. Arson sog die staubige Luft in seine Lungen und blickte in den vor ihm liegenden Korridor. Bereits jetzt konnte er die verheißungsvolle Kälte seiner Rettung spüren. Der Weg war frei. Festen Schrittes, doch ohne Eile, setzte er seinen Weg fort, genoss die hallenden Geräusche seiner stählernen Stiefel auf dem Stein, während sein Blick durch das offene Helmvisier weiterhin starr auf die Dämmerung vor ihm gerichtet war. Unangefochten erreichte er den gigantischen Kraterraum, trat an die breite Marmortreppe heran, hob den Kopf und schaute nach oben. Ja, da war es, schwarz und schön schwebte es in der Schwerelosigkeit eines armdicken Energiestrahls, diente als Fokus für Mächte so alt wie die Erde selbst. "Sternenklinge..." Fasziniert starrte Arson das Schwert an, spürte erneut jenes magnetische Gefühl, das von der finsteren Waffe ausging. Langsam stieg er die Stufen empor, erreichte schließlich den schmalen Sims. Nur wenige Zentimeter trennten ihn noch von der uralten Klinge des ersten Rimmerkönigs. Ganz aus einem unbekannten, obsidianartigen Material gehauen und von unbekannten Wesen in ihre jetzige Form gezwungen, war die einzige menschliche Zierart ein schmales Silberband, welches sich in form einer kleinen Schlange um den glänzenden Griff wand und der Schwerthand somit den nötigen Halt geben sollte. Arsons Armmuskeln spannten sich, seine Finger zuckten. Die Kälte war inzwischen wahrhaft unangenehm geworden, beißend nagte sie an Stirn und Wangen des Paladins, der davon allerdings nicht das Geringste bemerkte. Hier war sie, die Geißel der Sithi, die Rettung der Menschheit, das einzige Werkzeug, Haestans Tod zu rächen. Der hochgewachsene Krieger dachte daran, welche taten er mit ihrer Hilfe vollbringen konnte. Es wäre nur Recht, sie zu nehmen. Sternenklinge sollte ihm gehören. Sternenklinge musste ihm gehören! Zitternd hob sich die rechte Hand des Streiters, langsam näherten sich die Finger dem silberumrankten Griff, verharrten nur wenige Zentimeter von dem Obsidiankristall entfernt - um sich dann mit einem entschlossenen Ruck um die Waffe zu schließen. Blitzartig versiegte der Energiestrahl. Eine Welle von solch absoluter Kälte durchflutete Arson, dass er fast damit rechnete, reinste Einskristalle ausatmen zu müssen, durchflutete den menschlichen Körper mit der Wucht einer Springflut, legte sich um jede Muskelfaser, jeden Nerv, jeden Gedanken, ertränkte die Gefühle, die Träume und die Ängste des Paladins in abgrundtiefem Frost. Von einer Sekunde auf die andere hörte Arson, der junge Bauerssohn, der ehemalige Novize und lebensfrohe Jüngling, der Streiter des Lichts und Freund von Einskaldir und Sludig, auf zu existieren, starb, um wiedergeboren zu werden in Arson, dem Krieger des schwarzen Schwertes. Als sich die Augen die Augen des Paladins das nächste Mal öffnete, blickte ein neuer Mensch in das Licht der Welt. Ja, er war noch immer der Sohn eines Bauers, ja, er diente noch immer dem Orden des Lichts und ja, er kannte sowohl Einskaldir als auch Sludig. Doch berührten diese Gedanken seine Gefühle nicht im Geringsten. Unter einer dicken Schicht aus Eis begraben gab es für Arson nicht mehr als unendliche und allgegenwärtige Kälte, nur unterbrochen von dem wispernden Schatten des Schwertes. Erinnerungen an Freundschaft und Frohsinn waren nicht mehr als schale Zerrbilder der Vergangenheit, dumpfe Phantastereien, nicht realer als ein nächtlicher Wunschtraum. Ein neues Kapitel war angebrochen. Der heilige Krieger wog die Klinge prüfend in der Hand. Sie war schwer, so schwer, dass Arson sie nur mit beiden Händen führen konnte, doch genau zu diesem Zweck schien sie auch geschaffen zu sein, denn sowohl die Länge des Griffes als auch die Ausmaße des schwarzen Klingenblattes gingen deutlich über die Verhältnisse eines Einhandschwertes hinaus. Gebannt hielt der Paladin die Waffe vor sich in die Luft. "Jetzt gehörst du mir..." -"Das werden wir noch sehen!" Arsons Kopf ruckte herum, sein Blick fiel auf den breiten Torbogen, der von der Kraterhalle zurück in den Korridor führte. War der Durchgang eben noch leer gewesen, so hatten sich nun ein gutes Dutzend Sithi dort versammelt, ausnahmslos in die weißen Lederrüstungen der Klingentänzer gekleidet und mit langen Hexenholzspeeren bewaffnet. An ihrer Spitze stand Jiriki, Aditus Bruder, und musterte den schwarzgepanzerten Sterblichen aus silbernen Mandelaugen. Diesmal zierte kein Lächeln sein schmales Antlitz, lediglich kalter Zorn verzog die schmalen Lippen des gewandten Stiha. Arson betrachtete den Kriegertrupp mit der milden Verachtung, die ein Fürst einer Küchenschabe entgegenbringen würde. Die Kälte des Schwertes hüllte seinen Geist in endlose Dunkelheit, ließ kein Gefühl der Trauer, nichteinmal das winzigste bedauernde Aufblitzen, an die kühle Oberfläche des Bewusstseins. Gelassen wandte der Krieger sich seinen Gegnern zu, das Schwert entspannt in der rechten Hand haltend. "Zur Seite, Sithi, oder ich werde euch alle töten." Klackend wurden die Speere gesenkt. Schweigend verteilten sich die Klingentänzer in der Nähe des Korridordurchganges. Arson überschritt eine weitere Trappenstufe. Etwas wurde... anders. War der Paladin eben noch in einer Welt des Eises gefangen, so mischte sich nun ein neues Gefühl in seine Empfindungen. Es war wie eine Art...Verlangen. Der Krieger blickte die Sithi an, und sein Puls begann sich zu beschleunigen. Ja, es war die Gegenwart der Unsterblichen, die ihn auf diese Weise erregte. Er konnte ihre Leiber riechen, hörte ihre kräftigen herzen in den schmalen Brustkörben schlagen, das helle Blut durch ihre dünnen Adern rauschen. Wie es wohl sein würde, einen von ihnen zu töten, einem ewige Leben ein schmerzvolles Ende zu setzen? Wie es wohl wäre, ihren Lebenssaft über das Klingenblatt seines Schwertes strömen zu lassen? Erst jetzt bemerkte Arson, dass er die schwarze Waffe bereits erhoben hatte, so groß war die Anziehungskraft der Sithi, oder Wille des Schwertes, sie zu vernichten. Arson biss die Zähne zusammen und blickte Jiriki in das weiße Gesicht. "Ich würde dir gern sagen, wie Leid es mir tut mein Freund, aber um ehrlich zu sein kann ich es kaum erwarten dich zu durchbohren." Die Augen des Sitha blitzen auf. "Hat es dich schon in seiner Gewalt? Du bist auch nicht besser als deie Vorfahren, kleiner Mensch. Eure Rasse wird bald aussterben." Arsons Augen waren grüne Spiegel des Frostes, der seine Seele umklammerte. Ein humorloses Lächeln verzog das feingeschnittene Antlitz des dunklen Kämpfers. "Eure Rasse ist bereits ausgestorben, Jiriki. Wenn ihr meine Zeit weiter stehlt, dann werde ich zu Ende bringen, was Elvrit vor so langer Zeit begonnen hat." -"Versuch es!" Mit einem geschmeidigen Satz sprang der Sitha nach vorn, schwang seinen Stab, um die gräuliche Waffe kraftvoll durch die Luft zu schwingen. Seine Brüder und Schwestern folgten ihm in einer synchronen Bewegung. Arson hatte den Angriff vorausgesehen, hatte die Anspannung in den Sithileibern gespürt, noch bevor der erste Fuß den Boden verlassen hatte. Flappend öffnete sich der schwarze Umhang, gepanzerte Beine knickten ein, um den muskulösen Menschenkörper einen Lidschlag später durch die Luft zu katapultieren. Peitschend schossen die Seidententakel nach vorn, schlangen sich blitzartig um Arme und Beine mehrerer Klingentänzer, um die Stihi noch im selben Augenblick wahllos durch die halle zu schleudern. Während die dünnen Leiber krachend gegen die harten Steinwände schlugen oder zappelnd in der Unendlichkeit des Kraterloches verschwanden trafen Jirikis Speer auf Arsons Sternenklinge. Hexenholz schabte funkensprühend über schwarzen Kristall, die beiden Kontrahenten drehten sich in der Luft, um dann mit den Füßen auf den Absprungstellen des jeweils Anderen aufzusetzen. Ansatzlos drehte der Paladin seinen Körper, schwang sein Schwert sirrend durch die Luft, um einen von der Seite angreifenden Klingentänzer zurückzutreiben. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein weiterer Sitha auf ihn zusprang. Er hatte den Zenit seiner Flugbahn noch nicht erreicht, als ihn die schwarzen Bänder fesselten, um in dann mit der Wucht eines Schmiedehammers auf den zurücktaumelnden ersten Gegner herniedersausen zu lassen. Knirschend und knackend zerbrachen die beiden Körper unter der Kraft des Zusammenstoßes, rollten leblosen Puppen gleich über den Marmorboden, um dann über den Kraterrand hinab in die ungewisse Schwärze zu kippen. Arsons Pulsschlag raste. Mit einem geschmeidigen Satz sprang er nach hinten durch den Korridordurchgang, landete inmitten einer auf ihn wartenden Truppe Sithikrieger. Wieder traf Holz auf Kristall, Metallplatten klickten, Seide rauschte und Knochen brachen, doch die Klingentänzer waren zahlenmäßig weit überlegen. In letzter Sekunde riss der Paladin seinen Körper zur Seite, wich damit einem zustoßenden Speerschaft aus, ließ dann sein eigenes Schwert niederdonnern, um den Angriff eines weiteren Unsterblichen abzuwehren. Die Wucht des Schlages prellte dem Klingentänzer die Waffe aus der Hand. Arson drehte sich, nutzte den Schwung seines Schlages für einen weiteren sichelförmigen Hieb. Das Klingenblatt seiner Waffe schnitt tief in die Schulter des zurückspringenden Sitha. Der schlanke Krieger schrie auf, als bläuliche Flammen aus seinem Arm schlugen und sich die ebenmäßig weiße Haut mit rasender Geschwindigkeit dunkel zu färbigen begann, um dann in verkohlten Bocken abzufallen und den darunterliegenden Knochen zu entblößen. Arson stöhnte vor Überraschung auf. In dem Augenblick, als Sternenklinge in den Körper des Sitha eingedrungen war, war ein elektrischer Impuls durch seinen Leib gerast, der nur noch mit sexueller Erregung zu vergleichen und doch auf eine bizarre Art völlig andersartig war. Fest stand, dass dem dunklen Recken dieses Gefühl durchaus gefiel. In seiner Welt der Kälte und des Eises war jeder Funken Emotion, jedes Aufflackern einer Empfindung mit tausendfacher Intensität zu spüren, da es keine anderen Gefühle gab, die diesen Impuls hätten überlagern können. Arson wollte mehr. Kraftvoll führte er sein Schwert gegen den nächstbesten Klingentänzer, packte ihn mithilfe seiner Tentakelbänder an den Armen um ihm anschließend die Klinge in den Bauch zu rammen. Der Blitz, der ihn durchzuckte, brachte ihn fast zum schreien, während er fasziniert beobachtete, wie das blaue Feuer aus der Brust des Sitha schlug und dessen Fleisch zu verzehren begann. Die übrigen Unsterblichen wichen zurück, die silbrigen Mandelaugen weit geöffnet starrten sie voll Entsetzen auf die leblose Gestalt, die einmal ihr Bruder gewesen war. Dort, wo Sternenklinge ihn durchbohrt hatte, klaffte nun ein handflächengroßes Loch im Körper des Sitha, an dessen schwarzen Rändern noch die zerbrochenen Überreste seiner Rippen zu sehen war. Innerlich schien das Wesen fast völlig ausgebrannt zu sein, nicht mehr als eine leere Hülle, das zerborstene Gefäß einer zerstörten Seele. Der Menschenkrieger nutzte die kurze Atempause, um die Lage einzuschätzen. Er hatte die Sithi verunsichert, soviel stand fest, doch noch immer waren es etwa zwei Dutzend Kämpfer, die sich ausser ihm im Korridor aufhielten und seinen Tod verlangten. Arson machte sich nichts vor, er konnte noch weitere zehn oder vielleicht auch zwanzig von ihnen töten, doch irgendwann würden auch seine Kräfte erlahmen. Er wusste, dass sich etwa fünfhundert Unsterbliche in Jao'y'tinukeday'ya aufhielten, darunter sieben uralte und erfahrene Krieger, die schon gegen Elvrit und seine Schergen gekämpft hatten. Er würde unterliegen, wenn er nicht zusah, dass er zurück in die Katakomben der alten Feste Asu'a kam. Die Beine des heiligen Streiters knickten ein, dann sprang Arson mit einem kraftvollen Satz über die Köpfe der Klingentänzer hinweg. Zischend glitten die Seidenstränge des Hexenharnisches durch die Luft, schlossen sich um einige Zierarbeiten an der Korridordecke, ermöglichten es dem sterblichen Recken so, sich zusätzlich hochzuziehen und seine Flugbahn um viele Meter zu verlängern. Klackend landete er zwischen den Trümmern der zerstörten Bronzetür, stieß sich gleich wieder ab, um weiter in die Halle der Helden einzudringen und somit möglichst viel Raum zwischen sich und seine Verfolger zu bringen. Wie nicht anders zu erwarten hielten sich auch hier bewaffnete Sithi auf, die sich augenblicklich singend in den Kampf stürzten. Arson sah sich einem wahren Wald aus Speeren gegenüber, musste all sein Können und das volle Potential der schwarzen Rüstung ausschöpfen um sich gegen die zustoßenden Hexenholzspitzen zu verteidigen. Immer wieder wurden einzelne Sithi wuchtig durch die Luft geschleudert, um dann krachend mit Wänden oder Säulen zu kollidieren, blaue Stichflammen schossen in die staubschwangere Luft, während Sternenklinge sich einen blutigen Pfad durch die Reihen des Schönen Volkes bahnte. Arsons Atem ging schwer, Schweiß perlte ihm in Strömen über das blasse Gesicht, sein Blickfeld drohte ständig zu verschwimmen. Längst hatte sein Geist der Klinge das Feld überlassen, seine Reflexe kamen mit der blitzschnellen Routine eines erfahrenen Kriegers, seine Hiebe waren nicht von Gedanken, sondern von Instinkten geleitet. Mit einem letzten, strauchelnden Satz katapultierte sich der Paladin durch das Ausgangsportal des heiligen Tempels, sprang hinaus in die sonnenbeschienene Welt von Jao'y'tinukeda'ya. Noch während er in der Luft war, nahm er das vertraute Schimmern von sanftem Rosa in den Augenwinkeln wahr. Ohne zu überlegen griff er mit den schwarzen Seidenbändern seiner Rüstung danach, spürte, wie sich die Tentakel um einen schlanken, weiblichen Sithikörper schlangen, und zog seine zappelnde Beute an sich. Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Augenblick erschien Jiriki im Portal des Venyha Do'sae, den Speer noch immer mit beiden Händen umklammert, und setzte auf Arson zu. Als er sah, wen der dunkle Krieger umschlungen hielt, kam er schlitternd zu stehen. "Ihr Sterblichen seit noch viel ehrloser, als Drukhi es in seinen wildesten Geschichten erzählt!" Der Paladin drückte die Sithifrau enger an seinen Leib, löste nun die schwarzen Seidenbänder, um ihr die schwarze Klinge an die Hals zu halten. Millimeter vor der weißen Haupt kam der kalte Kristall zum stehen. Aditu schluckte, rührte sich jedoch nicht, sondern verharrte reglos in Arsons Umklammerung. Der Duft ihrer Haare stieg dem hochgewachsenen Recken in die Nase, während sich nur wenige Meter vor ihm immer mehr Sithi versammelten, auf Jirikis Geheiß hin allerdings von einem Angriff absahen. „Gib meine Schwester frei!“ Langsam bewegte sich Arson den Tempelhügel hinab. Seine Augen waren auf die nachrückenden Krieger gerichtet. Bedrohlich ragte Sternenklinge vor Aditus Hals in die Höhe. „Ich werde das Schwert mit mir nehmen.“ -„Das wirst du nicht!“ Jiriki wollte zornig auffahren, doch eine zweite Stimme brachte ihn zum Schweigen. Die Menge teilte sich, und Amerasu trat hervor. Der Blick, mit dem sie Arson musterte, war nicht freundlich, doch war er ebenfalls frei von Zorn. „Warum willst du diese Klinge mit dir führen? Wieso ist sie dir das Leben der Kinder Inelukis wert, die du bereits getötet hast?“ Der Paladin hielt in seinen Bewegungen nicht inne, sondern schritt beständig weiter in Richtung der Höhlenwand. Etwas in seinem Kopf sagte ihm, dass dort der Zugang zu den Katakomben zu finden war. Etwas Kaltes. „Ein Sitha mordet in meiner Heimat, viele Menschen sind ihm zum Opfer gefallen. Lediglich diese Waffe kann ihn verletzen.“ Amerasus Miene verzog sich um keinen Deut. „Cheka’iso.“ -„Ich weiß nicht, wie er heißt, doch ich weiß, wie ich ihn aufhalten kann.“ Arson wich weiter zurück, überquerte dabei eine der kunstvollen Marmorbrücken der Sommerstadt. Er hatte schon ein gutes Stück zurückgelegt. Schließlich stieß Amerasu ein leises, melodisches Seufzgeräusch aus. „Nun gut, nimm die Klinge, sie ist es nicht wert, dass wir weitere Angehörige unseres Volkes opfern.“ -„Was?!“ Jiriki sprang vor. „Aber der Zeitzauber…“ „Er ist für unser Überleben nicht zwingend notwendig. Sei unbesorgt, Weidengerte, du weißt, wie kurz das leben eines Menschen ist.“ Amerasu wandte sich dem Menschenkrieger zu. „Höre, was ich dir zu sagen habe, Arson. Wir werden dir das Schwert überlassen, doch wisse, dass deine Jugend nicht ewig anhält. Wir hingegen leben ewig, und wenn die Zeit kommt, in der die Waffe deinen Körper und deinen Geist vollends ausgezehrt hat, werden wir sie uns zurückholen. Dies soll dein Schicksal sein.“ Der Paladin betrachtete die uralte Sitha mit kühlem Blick. „Wir werden sehen, Großmütterchen, wir werden sehen.“ Sie hatten die Wand der Kuppelhalle erreicht und traten endlich in den Schatten des dämmrigen Katakombenkorridors. Noch immer hielt Arson die zitternde Aditu im Arm. Der Paladin spürte, wie ihr Körper bebte, fühlte, wie die ebenmäßig weiße Haut, die er Tage zuvor mit heißer Leidenschaft geküsst hatte, am Halsansatz bereits dunkler wurde, so fatal war die Gegenwart des Schwertes für die unsterbliche Frau. Es gab Gefilde seines Geistes, da konnte selbst Sternenklinges Einfluss nicht hinreichen. Zumindest noch nicht. Arson konnte seine ehemalige Geliebte einfach nicht sterben lassen, dazu bedeutete sie ihm einfach noch immer viel zu viel. Mit einem entschlossenen Ruck ließ er sie los. „Geh, du bist frei.“ Überrascht blickte Aditu den schwarzgepanzerten Menschen an, betastete vorsichtig ihren Hals, um das Gesicht dann zu einem Ausdruck des Schmerzes zu verziehen, als ihre Finger den verbrannten Striemen berührten. „Arson, ich…“ -„Sei still.“ Die Stimme des Paladins klang unwirsch, ein verletzter Unterton schwang in jeder der Silben. „Ich weiß um deine wahren Gefühle bescheid. Geh nun, bevor ich dich ebenfalls töten muss.“ -„Aber Arson…“ Die Sithifrau trat abermals an ihr heran, wollte ihn umarmen. „Fass mich nicht an!“ Die stimme des Kriegers überschlug sich fast, als er herumwirbelte. Und in die weit aufgerissenen Augen seiner Geliebten starrte. Langsam senkte sich sein Blick, erkannte die schwarze Klinge, die fast bis zum Heft in der Brust der Sitha steckte. „Nein…nein…“ In panischer Verzweiflung riss der Paladin die Klinge heraus, beobachtete in schmerzhafter Hilflosigkeit, wie sich Aditus Körper langsam aufzulösen begann. Feine Rauchschwaden stiegen auf, als die Haut sich schwärzte, um Sekunden später zu heißer Asche zu zerfallen. Schweigend stand der Krieger Innos’ vor dem schwarzen Haufen, der einmal seine Geliebte gewesen war. Sein Kopf wandte sich, als er langsam das schwarze Schwert vor die Augen hob. „Sternenklinge…“ Das Gesicht des Paladins verzog sich zu einer Maske der Trauer. „Wer immer dich so genannt hat, wusste nicht von deiner wahren Natur. Nichts als Schmerz und Tod bringst du, Furcht und Hass sind deine ständigen Begleiter. Von nun an soll dein Name Leid sein, auf dass ein jeder Mensch dein wirkliches Wesen erkennen mag.“ Schweigend hielt Arson die Klinge in die Luft, eine stille Taufzeremonie, deren Zeugen der blasse Mensch und die wispernden Schatten der Katakombengeister waren. Erst Minuten ließ der Paladin die Klinge wieder sinken, um sich dann an den langen Aufstieg an die Oberfläche zu machen… |
|||
16.06.2003, 12:51 | #28 | |||
Arson Beiträge: 687 |
Grau und schwer hingen die gewaltigen Wolkenmassen am trüben Regenhimmel, wälzten ihre massigen Leiber beständig gen Osten, eine endlose, geisterhafte Armee, stumm, und doch auf eine beklemmende Weise unheilverkündend. Einskaldir zog den schweren Fellumhang enger um seine breiten Schultern. Ein kalter Wind war aufgezogen, der erste Vorbote eines heraufziehenden Sturms. Hart ließ er die Wellen gegen das am Kiesufer vertäute Ruderboot klatschen, brachte das hölzerne Gefährt zum Schaukeln. "Sieht so aus als würden wir heute noch nass werden." Gorjon, einer der Ritter, die den Rimmersmann auf diese Expedition ins Nichts begleitete hatte, war an das traurig knackende Feuerchen herangetreten, das die heiligen Ordensstreiter nur unter Mühe aus einem kleinen Haufen feuchten Waldholzes hatten machen können. Einskaldir nickte. "Aye." Sein Blick wanderte zum Waldrand hinüber, jenem dunklen Schemen, an dessen Stelle einst die strahlende Sithistadt Asu'a gestanden haben musste. So prächtig die Bauwerke der Unsterblich auch gewesen sein mochte, heute machten die mächtigen Baumriesen keinen sonderlich einladenden Eindruck. Eine Unregelmäßigkeit um einheitlichen Braun und Grün erregte die Aufmerksamkeit des Nordmannes. Konzentriert kniff er die Augen zusammen, seine Stirn furchte sich. Ja, ohne Zweifel, irgendetwas war dort hinten. Auch die übrigen Soldaten hatten den dunklen Schemen nun bemerkt. "Sieht mir nach einem Menschen aus." -"Oder vielleicht der Geist eines Sithidämonen?" Scharrend wurden zehn sorgfältig polierte Klingen aus ihren Scheiden gezogen. Einskaldir packte seine schwere Doppelaxt fester. "Aufteilen." Der Kriegertrupp fächerte auseinander, bildete eine lockere Linie, die bei Bedarf in Sekundenschnelle zu einem tödlichen Kreis zusammengezogen werden konnte, in dessen Mitte sich dann der Gegner befand. Schweigend standen die Ritter im Kies des Inselstrandes, harrten mit gezogenen Waffen auf die langsam näherkommende Gestalt. "Bei Innos..." Gorjons Stimme klang mehr als überrascht. "Es ist tatsächlich einer der Unsterblichen. Was er wohl will?" Der Rimmersmann gab keine Antwort. Schweigend musterte er die schlanke Gestalt. Der hagere Körper steckte in einer Art schwarzen Ganzkörperharnisch, dessen Bruststück mit feinen, kunstvoll gearbeiteten Silberemaillierungen verziert war, um die gepanzerten Schultern wallte ein knöchellanger, dunkel schimmernder Umhang. Unter den linken Arm hatte sich die Gestalt einen stählernen Helm geklemmt, die rechte Hand umklammerte ein langes, pechschwarzes Zweihandschwert. Es schien sich um einen Mann zu handeln, obwohl der Rimmersmann dies auf diese Entfernung noch nicht genau sagen konnte. Das glänzend schwarze Haar fiel offen über die Schultern, umrahmte blasse, feingeschnittene Gesichtszüge. Die Bewegungen der Gestalt waren seltsam geschmeidig, glichen dem sehnigen Gang eines Raubtieres, die Beine bewegten sich fließend und ansatzlos, kein Vergleich zu den stapfenden Bewegungen eines Menschenkriegers in voller Rüstung. Der Nordmann hob die Hand. "Halt, im Namen Innos, nennt mir Euren Namen und Euer Begehr!" Der dunkle Mann schritt unbeirrt näher. Einskaldir wiederholte seinen Aufruf. Wiederum keine Reaktion. Die Ritter hoben ihre Schwerter. "Auf mein Zeichen..." Der Rimmersmann ging leicht in die Knie. Das doppelte Stichblatt der massigen Kriegsaxt glänzte trüb im wolkenverhangenen Tageslicht. "Achtung..." Die Gestalt war nun bis auf wenige Meter heran. Einskaldir hob den Blick und sah ihr ins Gesicht. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. "Arson...?" Der schwarzgepanzerte Krieger blieb stehen, kühle, grün blitzende Pupillen musterten den Rimmersmann, während das bleiche Gesicht weiterhin ausdruckslos blieb. "Ah, Einskaldir, hier bist du also. Sehr gut." Langsam ließ der Nordmann seine Axt sinken. Auch die anderen Ritter steckten ihre Schwerter zurück in die Scheide, ließen den hageren Mann dabei jedoch nicht aus den Augen. Unverhohlenes Misstrauen funkelte in ihren Blicken. "Was...ist passiert, bei allen Göttern? Wir dachten, du wärest tot." Einskaldir deutete auf den schillernden Harnisch des zurückgekehrten Paladins. "Und was ist das für eine Rüstung?" Schweigend setzte Arson seinen Weg zum Strandufer fort. "Die Rüstung ist unwichtig. Das hier ist es, nach dem du fragen solltest." Der Krieger hob das schwarz glänzende Kristallschwert. "Ich habe Elvrits Schwert gefunden. Wir können zurück in unsere Heimat." Mit ehrfurchtsvollem Gesicht musterte Einskaldir die dunkle Waffe. "Das ist also Sternenklinge. Sie ist wunderschön." Langsam wandte Arson den Kopf und blickte dem Rimmersmann in die Augen. Ein undefinierbarer Ausdruck lag auf seinem schmalen Antlitz. Einskaldir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Die Kriegergruppe erreichte das vertäute Ruderboot und machte sich mit routinierten Griffen daran, das schaukelnde Seegefährt wieder wassertauglich zu machen. Am bleigrauen Horizont erhob sich der Schatten derStern von Wrodalia des Handelsschiffes, mit den die heiligen Streiter auf diese verlassene Halbinsel gekommen waren, und mit deren Hilfe sie diesen Ort wieder zu verlassen gedachten. Während die Ritter an dem Ruderboot hantierten, wandte Arson sich ab. Sein Blick fiel auf die massige Gestalt des hochaufragenden Berges, auf dessen abgeflachter Kuppe sich die Überreste des großen Tempels von Asu'a befanden. Dort oben war auch der unterirdische Zugang zu dem weitverzweigten Katakombensystem zu finden, welches einen jungen Paladin vor nicht allzu langer Zeit verschluckt hatte, um kurz darauf einen dunklen Krieger an die Oberfläche zu speien. Es war bizarr, welche Wege das Schicksal manchmal einschlug. "Einskaldir..." Der Rimmersmann schaute auf. "Wie lange wartet ihr schon auf mich?" -"Etwa vier oder fünf Wochen." Arson nickte stumm, enthielt sich jedoch eines Kommentares. Also stimmte es, Jao'y'tinukeda'ya war wirklich von einem Zeitzauber überspannt gewesen. Einem Zauber, den er durch die Entwendung des Schwertes vernichtet hatte. Der Paladin fühlte weder Schuld noch Trauer, lediglich die übliche, eisige Kälte Leids, die durch jede Faser seines Körpers brandete wie der klagende Geist eines Toten. "Das Boot ist bereit." Nacheinander stiegen die Krieger in das schaukelnde Holzgefährt. Vier der Ritter setzten sich an die Ruder, der Rest verteilte sich auf die übrigen schmalen Sitzbänke. Während der gesamten Fahrt spürte Arson die verstohlenen Blicke seiner Ordensbrüder auf sich haften. Auch Einskaldir bildete da keine Ausnahme. Deutlich konnte der Paladin die Mischung aus Mitleid, Furcht und Freundschaft erkennen, die die breiten Züge des Nordmannes verzogen. Der Hüne räusperte sich. "Hoffentlich ist Herr Sludig noch wohlauf. Diese Bestie schien mir nicht an dem Dorf interessiert zu sein, doch man kann ja nie wissen." Arsons Augen ruhten weiterhin auf den kleiner werdenden Umrissen des Sithiberges. "Er wird sicher noch am Leben sein. Sei unbesorgt, alter Freund, der Dämon wird bald vernichtet sein." Alter Freund. Die Worte klangen schal und abgestanden, dahergeredete Floskeln ohne den geringsten emotionalen Hintergrund. Falls es Einskaldir auffiel, ließ er es sich nicht anmerken. Schweigend setzten sie ihren Weg zum Handelsschiff fort, kletterten schließlich über eine verstärkte Strickleiter an Bord. Auf Deck wurden sie bereits vom Kapitän der Stern von Wrodalia erwartet. Der grauhaarige, leicht untersetzte Mann humpelte hustend auf sie zu, funkelte sie mit grauen, in ein von lederartiger Haut überspanntes Gesicht gebettete Augen an. "Ahh, die Paladine kehren zurück. na endlich. Und, fündig geworden?" Ohne Eile trat Arson an den bärbeißigen Burschen heran, beugte sich zu ihm herab und legte ihm dann langsam die gepanzerte Hand auf die Schulter. Seine Stimme war nicht mehr als der leise hauch eines kalten Winterwindes. "Ja, das sind wir..." Der Kapitän war unter der Berührung zusammengezuckt, starrte den dunklen Paladin mit aufgerissenen Augen an, unfähig, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Das entsetzte Unbehagen stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Als Arson seine hand von der Schulter des Seemannes entfernte, konnte dieser sich ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen. Eilig humpelte er zum Steuermann hinüber, erteilte diesem einige halb gebrüllte Befehle. Es war offensichtlich, dass der ältere Herr seine Reisegäste nun so schnell wie möglich loswerden wollte. Arson schritt langsam auf die Decktür zu, wurde jedoch von Einskaldir aufgehalten. "Wo willst du hin? Möchtest du mir nicht erzählen, wie du das Schwert gefunden hast? Es war doch sicher nicht ganz einfach, oder?" Der Paladin legte die Hand auf die Klinke der Tür. Quietschend schwang das Holz in den rostigen Angeln. "Ich bin müde, Einskaldir, und mir ist kalt. Ich werde mich nun ausruhen. Klopf an meine Tür, wenn wir Gorthar erreichen." Ohne eine Antwort abzuwarten, duckte Arson sich unter dem Türrahmen hindurch und begab sich unter Deck. Es war nicht gelogen, was er dem Nordmann erzählt hatte. Der Kampf mit den Sithi und die Wanderung durch die Katakomben hatten ihn in der Tat ausgelaugt, ausserdem schien die Ferne zur Stadt des ewigen Sommers auch die Kräfte seines Panzers zu beeinträchtigen. Er war zwar noch immer leicht, doch unterstützte er die Bewegungen des Kriegers immer weniger. Arson schätzte, dass er die übermenschlichen Mächte des Hexenharnisches in Gorthar nicht mehr nutzen konnte, so schwach war ihm schon jetzt zumute. Nun, es machte keinen Unterschied. Gestärkt vom Blut der Sithi war sein Schwert stärker denn je, sein frostiger Atem hatte sich um den Geist des heiligen Streiters gelegt wie eine dicke Decke aus feinen Eiskristallen. Leid würde ihn bei der bevorstehenden Aufgabe nicht im Stich lassen. Arson erreichte seine Kajüte, ließ sich in vollem Panzer auf die niedrige Koje fallen und schlief fast augenblicklich ein. Es war kein guter Schlaf, er wurde begleitet von dunklen Alpträumen, kalten Schauern und flüsternden Geisterstimmen. Doch egal wie sehr der Paladin sich im Schlaf herumwarf, wie stark er die Stirn runzelte oder welche Worte er murmelte, die Finger seiner rechten Hand blieben eisern und unbeirrt um den glänzenden Griff des schwarzen Schwertes geschlossen. Die Klinge hatte einen Träger gefunden, und sie schien nicht gewillt, ihn wieder freizugeben... |
|||
|