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[Story]Der Suchende
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13.07.2003, 22:02 #1
starvin_marvin
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[Story] "Der Suchende"
Langsam öffnete Alek die Augen. Es kam ihm so vor, als hätten sie seit Monaten kein Sonnenlicht mehr gesehen. Es blendete. Mit einem heiseren Stöhnen legte er den Ärmel über sein Gesicht. Seine Glieder schmerzten. Sein Kopf schmerzte. Alles schmerzte. Er dachte nach. Wo war er? Was war passiert? Das letzte woran er sich erinnern konnte, war ein markerschütternder Schrei- und dann endlose Dunkelheit. Er versuchte, sich zu erinnern.
Alek war als zweiter Sohn eines Schreiners in einer Stadt namens Aramon irgendwo im Osten des Königreichs Myrtana geboren. Durch den Geschäftssinn seiner Mutter, die als Händlerin auf dem Marktplatz arbeitete, hatte es die Familie geschafft, einigermaßen zu Wohlstand zu kommen. Sein Vater beschäftigte mehrere Lehrlinge und hatte es sogar geschafft, zwei weitere Schreinereien in der Stadt zu unterhalten, die von seinen ältesten Lehrlingen betrieben wurden. Somit war es ihm gelungen, sämtliche Konkurrenz vertreiben.
Allmählich hatten sich seine müden Augen an das Licht gewöhnt. Er richtete sich trotz seiner stechenden Rückenschmerzen auf und sah sich um. Er saß auf einer großen, blühenden Blumenwiese und keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Die Vöglein zwitscherten. Eigentlich war es ein schöner Tag, Alek hätte nur wirklich gerne gewusst, was zur Hölle hier passiert war.
Bei dem Versuch, seine Gedanken einigermaßen zu ordnen, musste er zwangsläufig wieder an Anna denken. Sie war die Tochter des Polizeichefs, Alek`s Freundin und das einzige Mädchen, das er je geliebt hatte. Sie war -zumindest in seinen Augen- die schönste Frau der ganzen Stadt. In der Zeit seiner Gefangenschaft musste er immer an sie denken, ihre langen, rötlichblonden Haare, ihre großen blauen Augen, ihr perfekter Körper, und ihr Lächeln, bei dessen Anblick er alles um sich herum vergaß. Er musste bitter grinsen. Wahrscheinlich saß sie jetzt mit irgendeinem neuen Freund (oder Ehemann?) in einem großen Haus, größer als das, was er ihr je hätte bieten können. Warum auch nicht? ER war ja jetzt schließlich nichts weiter als ein verurteilter Gefangener, abgeurteilt für den Rest der verdammten Ewigkeit in den Erzminen von Khorinis zu schuften, Bezahlung: Existenzminimum, ein freier Tag im Monat, hier ist die Spitzhacke, bitteschön.
Moment. Ihm war schon die ganze Zeit aufgefallen, dass irgendetwas... nun ja, anders war als sonst. Irgendwas... Alek blickte nach oben. Der Himmel. Da war NUR der Himmel. Keine blaue Kuppel. Die Barriere war weg. Einfach nur weg. Sein Mund klappte auf.
Sein Vater hatte immer gewollt, dass Alek in seine Fußstapfen trat und Schreiner wurde, so wie schon sein Bruder. Aber er wollte nicht. Er empfand den Gedanken, den ganzen Tag hinter einem Tisch zu stehen und HOLZ zu bearbeiten, als furchtbar. Schon als kleiner Junge wollte er den Milizen beitreten. Es hatte ihn schon immer beeindruckt, wie diese Menschen täglich dafür sorgten, dass in der Stadt alles seinen geordneten Gang ging und alle sicher leben konnten. Als er einmal mitansehen musste, wie seine Mutter auf den Nachhauseweg vom Marktplatz von einem angetrunkenen Penner überfallen wurde, waren sofort zwei Milizsoldaten zur Stelle, die den Kerl zu Boden warfen, abführten und somit nicht nur die Tageseinnahmen seiner Mutter, sondern möglicherweise sogar ihr Leben gerettet hatten. Von diesem Tag an war er von dem Wunsch beseelt, einer von ihnen zu werden. Noch ein Wunsch, den er jetzt getrost vergessen konnte.
Obwohl seine Beine noch immer höllisch wehtaten, stand Alek auf. Erst jetzt fiel ihm der seltsame Mantel auf, den er anhatte. Er war aus dunklem Stoff angefertigt, mit zwei roten Längsstreifen in der Mitte. Er hatte sogar eine Kapuze. Es schien eine Art Magierrobe zu sein. Sie sah aber nicht wie die eines Feuermagiers aus und erst recht nicht wie die eines Priesters Adanos`.
Er schwitzte unter diesem Ding, aber da er, wie er merkte, darunter außer einem Lendenschurz nichts anhatte, musste er sie wohl oder übel anbehalten. Vielleicht könnte er es in der nächsten Stadt verkaufen, es sah ja eigentlich ganz edel aus. Er hätte aber schon ganz gerne gewusst, wo er das Ding nun eigentlich herhatte.
Der Tag, der sein Leben für immer verändern sollte, hätte eigentlich schön werden sollen. Statt dessen endete er in nichts geringerem als einer Katastrophe.
An diesem Abend hatte er Anna in die größte, schönste und teuerste Taverne der Stadt ausgeführt, weil er um ihre Hand anhalten wollte. Es war alles so perfekt gewesen. Er hatte einen abgelegenen Tisch reserviert und sich sogar genau überlegt, wie er es angehen wollte, was er ihr sagen wollte.
Seine Berufsausbildung war so gut wie abgeschlossen, durch sein jahrelanges Training war zu einem guten Kämpfer geworden. Viele Leute in der Stadt kannten ihn und vertrauten ihm. Er wäre ein guter Polizist geworden. Wäre.
Er war an die Bar gegangen, um für Anna und sich etwas zu trinken zu holen. Er hatte gespürt, wie seine Hände zitterten. Und als er zurück an ihren Tisch ging, wusste er auch, warum. Alek musste mitansehen, wie irgendein hässlicher und offensichtlich furchtbar angesoffener Typ nicht nur seine Freundin anmachte, sondern sie sogar begrapschte, obwohl sie versuchte, sich dagegen zu wehren.
Eigentlich wollte Alek nicht so fest zuschlagen. Er hatte noch nie jemanden geschlagen, aber als der Kerl seine Versuche, ihn zu vertreiben, nur mit einem "Ey, reg dich ab, Kumpel" quittierte, rastete Alek zum ersten Mal in seinem Leben aus. Ein Schlag in die Magengrube und ein fester Kinnhaken hatten ausgereicht, um den Besoffenen quer über den gedeckten Nachbartisch zu schicken.
Mit einem Mal war alles ruhig. Alle starrten ihn an. Auch Anna. Alek begann allmählich zu begreifen, was er getan hatte. "Das... war der Neffe des Bürgermeisters." hörte er Anna sagen. Das war er also. Da lag er, in seinem eigenen Blut und einem Haufen Scherben.
Es gab keine Verhandlung und kein Gerichtsurteil. Der Bürgermeister hätte Alek am liebsten am Galgen gesehen, aber durch den Einflussreichtum seines Vaters, Annas entlastende Aussage bei der Polizei und die Tatsache, dass der Neffe des Bürgermeisters abgesehen von einer leicht entstellten Nase keine bleibenden Schäden davongetragen hatte, wurde er "nur" zur Arbeit in den Erzminen verurteilt. Dass es in dem Minental von Khorinis keinen Ausgang gab, hatte ihm keiner erzählt.
Die Sonne begann allmählich wirklich unangenehm heiß zu werden. Alek überlegte kurz, sich diese unangenehm dicke Robe auszuziehen, aber war sich sicher, dass man ihn in seinem Lendenschurz bestimmt nicht in die Stadt (welche auch immer die nächste sein mochte) lassen würde. Das war es, was er am Sektenlager so geschätzt hatte: Keinen störte es, wenn man ohne Hemd herumlief.
Die ersten Tage im Minental waren die schlimmsten. Gleich am Austauschplatz wurde er von zwei Gardisten verprügelt und ausgeraubt, nur um kurz darauf wieder von ein paar Banditen aus dem so genannten "Neuen Lager" vermöbelt zu werden, weil er keine Wertsachen bei sich hatte. Im Alten Lager angekommen musste er die paar Erzbrocken, die er bei einem Händler gegen ein paar gesammelte Kräuter eingetauscht hatte, gleich an einen Kerl namens Bloodwyn zahlen, um sich vor weiteren Prügeln zu schützen. Hätte er eine Waffe gehabt, hätte er sich wahrscheinlich umgebracht. Am Marktplatz im Alten Lager hatte er einen Typen aus dem so genannten Sumpflager getroffen, der ihm lauter wirre Geschichten über eine Art Gottheit, die sie "Schläfer" nannten, erzählt hatte, dieses Viech sollte angeblich alle aus der Barriere befreien. Alek glaubte von Anfang an nicht an diesen Schwachsinn, aber um vor den Banditen und Gardisten sicher zu sein, hätte er sich sogar von diesem "Schläfer" feiwillig vergewaltigen lassen.
Alek blieb stehen. Da hinten war jemand! Als der Mann Alek erblickte, stand er ruckartig auf, zog seine Waffe und blieb einfach stehen. Alek näherte sich ihm, und als er fast sein Gesicht erkennen konnte, fing der Fremde an, hysterisch zu brüllen: "Hau ab! Lass mich in Ruhe!" Darauf ließ er sein Schwert fallen und rannte weg. Alek blieb wie angewurzelt stehen. Was zur Hölle war DAS denn? Er starrte dem Mann hinterher, der panisch vor ihm davonlief und nach kurzer Zeit nur noch ein Punkt am Horizont war. Irgendetwas furchtbares musste hier passiert sein.

Im Sektenlager lebte es sich tatsächlich angenehmer als im Außenring des Alten Lagers, und an die schwüle Hitze gewöhnte man sich auch nach einiger Zeit. Alek hatte es durch die Hilfe einiger anderer Novizen ziemlich schnell geschafft, ein paar der Gurus zu beeindrucken und so durfte er sich bald als Mitglied im Lager des Schläfers bezeichnen. Er wurde dazu eingeteilt, Sumpfkraut zu pflücken und aufzupassen, dass kein Sumpfhai den erntenden Novizen zu nahe kam. Es war keine sehr aufregende Arbeit, aber wenigstens war er hier vor den Banditen und den Gardisten sicher.
Doch schon nach kurzer Zeit begannen ihn die Gurus und Novizen, ihn gewaltig zu nerven. Er war nie ein sehr religiöser Mensch gewesen, und dieses Geschwätz über den Schläfer, den großen Retter und Erlöser, hatte ihm gerade noch gefehlt.
In der Zeit seiner Gefangenschaft dachte er oft an Anna. Er war bestimmt schon seit zwei, drei Monaten hier drin und es sollte ihn sehr wundern, wenn sie nicht schon längst einen anderen Freund hätte. Die Barriere, so hatte er sich sagen lassen, existierte seit knapp zwanzig Jahren und so war es nicht wahrscheinlich, dass er jemals wieder hier rauskäme.
Nachts, wenn sich alle anderen vor dem Tempelplatz oder in ihren Hütten versammelten und sich mit dem geernteten und zu Stengeln gedrehten Sumpfkraut um den Verstand kifften, saß Alek alleine an der Küste und blickte schweigend auf das Meer hinaus, das durch diese verdammte undurchdringliche Barriere von ihm getrennt war. Da war die Freiheit, so nah und doch so unerreichbar. Einmal hatte er sich von den anderen Novizen dazu breitschlagen lassen, das Kraut zu probieren. "Komm schon, das machen alle hier!" hatte einer gesagt. "Naja, vielleicht erträgt man das hier dann alles leichter", hatte sich Alek gedacht und einen tiefen Zug genommen. Es hatte sich so angefühlt, als ob er einen glühenden Schmiedestahl in den Hals stecken und gleichzeitig einen Faustschlag in die Magengrube bekommen hätte. Er hatte gehustet, sich verschluckt, keine Luft mehr bekommen und sich unter dem brüllenden Lachen der anderen Novizen beinahe übergeben. Einer hatte ihm kumpelhaft auf den Rücken gehauen und gemeint: "Mach dir nix draus, beim ersten Mal passiert das jedem!" Alek hatte gequält versucht, zu lächeln, während seine Augen zu tränen begannen.
In der nächsten Zeit hatte er das Zeug öfter geraucht. Er schämte sich vor sich selber, weil er zugeben musste, dass dieses Kraut TATSÄCHLICH dabei half, das alles besser zu ertragen. Aber er rauchte es meistens allein. An seiner einsamen Meeresküste. Dabei starrte er immer in den Himmel, der durch diese entsetzliche, blaue, unbarmherzige Barriere verunstaltet war. Bei dem Gedanken, tatsächlich bis zu seinem Tod, also möglicherweise für die nächsten 20, 30, oder gar 40 Jahre hier zu sitzen und den Tag mit Blutfliegenverjagen, "Achtung, HAI"-Brüllen und Kiffen zu verbringen, musste Alek oft an Selbstmord denken. Das einzige, was ihn hier drin am Leben hielt, war der unbändige Wunsch, eines Tages wieder rauszuspazieren, dann am besten gleich zu Annas Haus gehen, ihrem perfekten Ehemann eine reinzuwürgen und ihren Kindern, die sie bis dahin garantiert hätte, zu sagen, dass Innos nur eine Erfindung der Feuermagier sei.
Es war das einzige, was ihn am Leben hielt, dieser Gedanke, nicht hier, in diesem verdammten Minental sterben zu müssen, und bei dem Anblick der anderen Novizen sowie einiger Buddler aus dem Alten Lager war er sicher, dass es nicht nur ihm so erging. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und die Hoffnung kam.
Es war ein Neuer, hatte Alek erfahren, der aber schon einiges geleistet hatte. Angeblich hätte er fast alleine das Minecrawlernest in der Alten Mine auseinandergenommen, eine Aufgabe, an der die Templer schon seit Ewigkeiten gearbeitet hatten. Alek hätte ihn gerne einmal persönlich gesprochen und ihm seine Hilfe angeboten, aber der Fremde war immer schon wieder weg, wenn Alek erfahren hatte, dass er gerade im Lager war.
Schließlich kam der große Tag, an dem die Gurus den "Schläfer" anriefen. Hatte Alek jemals auch nur eine noch so geringe Hoffnung gehabt, dass an dieser Sache mit dem "Schläfer" doch etwas dran ein könnte, so wurde sie bei der Anrufung nun endgültig begraben. Der "Schläfer" hatte sich nicht offenbart (wer hätt`s gedacht) , aber dafür war Y`Berion, der "geistige Anführer" der Sekte bei dem Ritual gestorben. Angeblich wollte das Sumpflager nun mit dem Neuen Lager zusammenarbeiten und die Wassermagier bei ihrem Ausbruchsversuch unterstützen. Dazu hatten sie seit Jahren in der so genannten "Freien Mine" Erz abbauen und von den Söldnern des Neuen Lagers beschützen lassen, um mit dessen magischer Energie irgendwie die Barriere zu zerstören; auch wenn außer ihnen kaum einer wusste, wie das funktionieren sollte. Alek hatte sich kurz überlegt, ob er sich freiwillig als Schürfer in der Freien Mine melden sollte, einfach nur, um für die Freiheit zu arbeiten, aber bei dem Gedanken, unter der Fuchtel der Söldner schuften zu müssen, wurde ihm schlecht. Die meiste Zeit verbrachte er wieder im Sumpf, um dort Kraut zu pflücken. Er dachte daran, es einem Händler zu verkaufen, und das Erz irgendwie den Wassermagiern zukommen zu lassen. Er hatte auch gehört, dass dieser seltsame Neue, dessen Namen keiner kannte, nun für das Neue Lager arbeitete, und aus irgendeinem Grund fühlte Alek, dass die Freiheit ein Stück näher gerückt war. Zumindest konnte er sich überhaupt nicht mehr vorstellen, hier noch länger als ein paar Wochen sitzen zu müssen.
Als eines Tages der Novize Talas eine Krautlieferung ins Alte Lager zu den Erzbaronen bringen sollte, war Alek zu ihm gelaufen und hatte ihm gerade sein geerntetes Kraut übergeben wollen, als auf einmal ein nervenzerfetzender Schrei alles, und zwar wirklich alles übertönt hatte. Alek war zusammengefahren und hatte gesehen, wie Talas, mit dem er sich eben noch unterhalten hatte, kreischend zusammenbrach und sich vor Schmerzen am Boden krümmte. Alek`s Trommelfelle schienen zu platzen. Er ging in die Knie und sah, während er zu Boden ging, einen Templer, der vor Schreck und Schmerzen in den Sumpf rannte, wo ihn sich ein Sumpfhai schnappte. Der Mann leistete keinen Widertand. Alek lag am Boden, und bei dem Versuch, seine Ohren zuzuhalten, grub er seine Fingernägel in die Kopfhaut und spürte, wie ihm sein warmes Blut die Wangen herunterlief. Überall dieses Geschrei und die Panik.
Bei dem Gedanken an diese letzten Ereignisse fasste sich Alek an den Kopf. Er spürte nichts. Keine Narben. Die Wunden, die er sich während dieser Panikattacke selber zugefügt hatte, schienen mittelerweile völlig verheilt zu sein. Dieses Erlebnis musste, obwohl es das letzte war, woran Alek sich erinnern konnte, schon Wochen her sein. Seitdem konnte er sich an nichts mehr erinnern, außer ewiger Dunkelheit, und--- Orkgeräusche. Auf einmal erfüllte die Erinnerung an das orkische Gegrunze seine Gedanken, als hätte er in den letzten Wochen seiner geistigen Abwesenheit kaum etwas anderes gehört. Sehr seltsam. Aber wenn er überlebt hatte, müsste es doch auch noch irgendjemand anders aus dem Sumpf geben, irgendwer, der es geschafft hatte...
Alek blieb stehen. Da vorne war ein Haus, wahrscheinlich ein Bauernhof. Davor saßen mehrere Männer. Als Alek näherkam, sah er, dass sie blaue Rüstungen anhatten, die ihn an die Banditenklamotten aus der Strafkolonie erinnerten. Egal. Hier war er jedenfalls außerhalb des Minentals und die Leute würden ihm schon den Weg in die nächste Stadt zeigen. Die Männer schienen ihn bemerkt zu haben, denn sie standen auf und gingen langsam auf ihn zu. Es waren insgesamt vier Stück.
"DA IST WIEDER EINS VON DIESEN DRECKSVIECHERN!!!" brüllte einer plötzlich. Die anderen zogen ihre Schwerter und Äxte und rannten auf Alek zu. Alek drehte sich um, ob irgendetwas hinter ihm war, was die Männer erschreckt haben könnte. Als er nichts entdeckte und sich den Söldnern erneut zuwandte, konnte er ihre Gesichter erkennen ihre hasserfüllten Augen, er starrte entsetzt auf die Waffen, mit denen sie bedrohlich ausholten und es dauerte zirka eine Schrecksekunde, ehe er gewahr wurde, dass sie IHN meinten.
Alek drehte sich um und rannte. Er rannte trotz seiner schweren und unbequemen Magierrobe den Weg, den er gekommen war, zurück. "Bleib stehen, du Arschloch!" hörte er hinter sich. Die Männer waren offenbar schneller, denn sie schienen näher zu kommen. Er rannte über die Wiese, Richtung Fluss, weil er aus irgendeinem Grund hoffte, seine Verfolger schwimmend abhängen zu können, wenn er nur aus diesem verdammten Kittel hinauskäme. Er zog sich im Rennen die Kutte über den Kopf und konnte für kurze Zeit nichts sehen. Auch nicht den Stein, der ihn zu Fall brachte. Seine Knie schlugen hart auf den Boden auf und er sah nur noch Dunkelheit.
Er drehte sich zu seinen Verfolgern um und sah sie den Hügel hinter ihm heraufrennen. "Da ist er!" Diese Hitze. Alek konnte nicht mehr aufstehen. Er hatte sich seiner Robe entledigt und saß nur in seinem braunen Lendenschurz auf der Wiese. Er hatte nicht mehr die Kraft zu fliehen oder zu schreien. Der erste Verfolger hatte Alek erreicht und hob seine Streitaxt. Alek konnte nur noch müde den Arm vor sein Gesicht heben und die Augen schließen. Die Sonne brannte auf seine kurzen Haarstoppeln. Irgendwo kreischte ein Scavenger.

to be continued ?
25.07.2003, 00:16 #2
starvin_marvin
Beiträge: 643

"Was...was ist passiert?" Alek sprach die Frage aus, noch bevor er die Augen geöffnet hatte. Sein Körper war gefühllos, aber die Schmerzen in seinem Unterkiefer wurden beim Sprechen schlimmer. "Bleib ruhig liegen, Junge. Gleich gehts dir besser.", sagte eine freundliche, väterlich klingende Stimme. Alek verlor das Bewusstsein.
Der Fremde ging fröhlichen Schrittes auf ein großes Haus in der Stadt zu. Alek kannte das Haus, es war das Haus des Oberkommandanten der Miliz, Annas Vater. Alek war schon oft dort gewesen, es war ein schönes, großes Fachwerkhaus, efeubewachsen, mit einem Springbrunnen im Vorhof. Der Fremde öffnete die Tür und betrat die Eingangshalle. Anna lief die Treppe herunter, umarmte und küsste ihn. "Da bist du ja endlich, Schatz!" rief sie fröhlich. Der Fremde sagte irgendwas. Anna lachte und sagte auch irgendwas. Sie drehte sich um und ging zurück in die Küche, um das Essen fertigzumachen. Ihr Bauch war dick.
Alek klappte die Augen auf. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Sein Körper klebte. Sein Hals war trocken. Er hätte sich am liebsten übergeben, doch sein Magen schien völlig leer zu sein. Wo war er hier?
Er richtete sich auf. Das Zimmer, in dem er lag, war abgedunkelt, aber durch die Vorhänge fiel Tageslicht, es war wohl Mittag. Seine Pritsche war ziemlich ungemütlich, eigentlich war es nur eine dünne Decke auf einem Brett. Alek stand auf und ging mit schwankenden Schritten Richtung Tür. Seine Beine hatte er offensichtlich schon ewig nicht mehr benutzt. Er hörte Kinderlachen.
Hinter der Tür lag ein Wohnzimmer. Zunächst dachte Alek, es sei leer, doch dann bemerkte er die Frau, die mit dem Rücken zu ihm in der Kochnische stand. Sie drehte sich um.
Alek hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte und warum er hier war. Das einzige, was ihm im Gedächtnis geblieben war, waren die Alpträume. Einerseits Alpträume von Anna. Alpträume, in denen sie mit irgendeinem Fremden zusammen war. Alek hatte die beiden in seinen Träumen zusammen durch den Park laufen sehen, er hatte sie zusammen beim Essen gesehen, er hatte gesehen, wie sie sich küssten und er hatte gesehen, wie Anna in ihrem Bett lag und der Fremde auf ihr... und... bei diesem Anblick wollte Alek immer schreien, aber er konnte keinen einzigen Ton herausbringen. Sein Hals und sein Mund schienen dann immer mit kiloweise Sand vollgestopft zu sein. Doch dann gab es noch andere Alpträume. Diese Träume bestanden nur aus Dunkelheit und seltsamen Worten, die Alek nicht verstand, und doch wusste er immer, dass es Befehle waren. Mit einer unheimlich düsteren, tiefen, aber dennoch väterlich klingenden Stimme wurde Alek befohlen, den mächtigen Feind zu finden und zu töten. Den Feind, der aus dem grellen Licht gekommen war und offenbar schon einmal einen hohen Diener des Meisters getötet hatte. Wenn sich Alek in diesen Alpträumen umgesehen hatte, konnte er, wenn sich seine Augen nach einiger Zeit an die Dunkelheit gewöhnt hatten, um sich herum andere Gestalten erkennen. Es waren unglaublich viele, sie standen alle sauber aufgereiht neben- und hintereinander und lauschten gebannt den Worten des Meisters. Alle waren maskiert und trugen Magierroben, deren Farbe man in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Alek war fest entschlossen gewesen, den mächtigen Feind zu töten.
"Oh, endlich bist aufgewacht, Junge." lachte die Frau Alek fröhlich an. Sie war schlank, vielleicht Mitte vierzig, hatte schulterlange, dunkelbraune Haare, und ein hellbraunes Kleid an. "Du hast sicher Durst." Alek öffnete den Mund und krächzte. "Oh, wie dumm von mir. Sie nahm eine Flasche Wasser aus einem Küchenschrank und reichte sie ihm. "Weißt du, wir haben hier draußen nicht oft Besuch.", sagte sie, während Alek das Wasser gierig in sich hineinschüttete. Er verschüttete einen Teil und spürte das kalte Wasser seine Schultern hinunterlaufen. "Du willst bestimmt wissen, wo du bist." Sie zwinkerte ihm zu. Alek war überrascht. Er hätte eigentlich erwartet, dass sie ihn fragen würde, wer zur Hölle er sei, wo zur Hölle er herkomme und warum er hier ihren Küchenboden dreckig machte. "Ich heiße übrigens Lena. Unsere Söldner haben dich da draußen gefunden, Junge. Die haben erst gedacht, du wärst einer von diesen komischen Viechern, die plötzlich aufgetaucht sind und alle mit ihren Feuerzaubern umbringen... einer von ihnen hat dir eine ordentliche verpasst, und- Moment, tut`s eigentlich noch weh?" Alek fasste sich an den Unterkiefer und spürte einen leichten, druckartigen Schmerz. "Geht schon." "Man kann heute gar nicht vorsichtig genug sein. Erst kamen die Orks, dann die Miliz vom König und dann diese Kapuzentypen... der Sohn von meiner Nachbarin, Joran hieß er, ist letzte Woche auf der Jagd von einem dieser... Höllenviecher angeriffen worden. Zum Glück hat ihn dieses Ding mit seiner schwarzen Magie nicht getroffen. Er hat ihn dann mit seinem Bogen erlegt und ihm die Maske abgezogen. Die Kutte hat er mitgenommen. Eigentlich ein schönes Stück. Gut verarbeitet." Sie deutete mit ihrem Kopf auf den Tisch, auf dem Alek`s Robe, in der er aufgewacht und wegen der er beinahe gelyncht worden wäre, gewaschen und ordentlich zusammengelegt lag. "Hast du auch einen von diesen Dingern...""Jaja", fiel ihr Alek hastig ins Wort. "Ich...äh... hab dieses Ding im Wald gesehen. Er hat mich nicht bemerkt. Ich hab auch schon was von diesen Viechern gehört, also hab ich mich angeschlichen und ihm kräftig eine verpasst. Aber als ich dann mit dem Mantel hierhergekommen bin, haben mich so Typen angegriffen..." "Ah ja," antwortete sie, "das waren unsere Jungs. Tut mir leid, dass sie dich angegriffen haben, aber mein Mann sagt immer: Besser Vorsicht als Nachsicht, und so sehen das unsere Söldner auch. War auch ein wenig unvorsichtig von dir, mit so einem Ding rumzulaufen, in Zeiten wie diesen... meine Nachbarin hat ja gesagt, dass diese komischen Magier von Khorinis kommen. Ich versteh dann aber nicht, wie die hierhergekommen sein sollen. Geschwommen? Mit ihren langen Mänteln?" sie fing an zu lachen und entblößte dabei eine Reihe makellos heller Zähne, die nur von einer einzigen breiten Zahnlücke unterbrochen wurde. "Die Milizen sind ja auch immer schlimmer geworden. Mein Mann hat vor einem Monat was von diesem Bauernaufstand auf Khorinis gehört. Du weißt schon, wo sich die Bauern, die nicht mehr für den König ackern wollten, ihre Höfe von Söldnern bewachen ließen. Das waren meistens irgendwelche Verbrecher aus dem Minental. Aber die Leute, die wir angeheuert haben, sind ganz sauber." Sie zwinkerte Alek zu. "Zwei sind unsere eigenen Söhne, Angor und Karlos, ein anderer ist ein altgedienter Milizsoldat, der die Schnauze voll hatte und der vierte war früher Schmied in der Stadt. bis sie ihn rausgeworfen haben- wegrationalisiert, haben sie das genannt! Kannst du dir das vorstellen?!" Sie lachte wieder und schlug Alek auf die Schulter. Er versuchte, ein müdes Lächeln zustande zu bringen, was ihm ansatzweise auch gelang. "Ja, klar, vier Söldner sind natürlich nicht viel, aber wir sind auch nur ein kleiner Hof. Was wir hier ernten, reicht grad mal für uns und die Fettsäcke in der Stadt wissen das. Zweimal im Monat kam immer ein Polizist und wollte fünf Säcke Getreide. Und irgendwann hat mein Mann ausgerechnet, dass uns zwei zusätzliche Söldner billiger kommen als die Steuern an die Stadt. Letztes Mal haben wir die vier einfach vor dem Hof aufgebaut und unser Ältester, Angor hat zu dem Polizisten einfach gesagt: Nein, wir zahlen nicht mehr. Ha! Der hätte sich fast in die Hose gemacht. Das war so`n Junger, weißt du. Seitdem habe wir von der Stadt nix mehr gehört. Soll mir ganz recht sein. Was tun die denn für uns? Das mit den Söldnern war echt eine Spitzenidee von meinem Mann. Unsere Söhne arbeiten noch genauso wie früher auf dem Feld und die zwei anderen schlafen in der Scheune...Ach, jetzt hab ich die ganze Zeit erzählt und erzählt und weiß dabei noch überhaupt nichts von dir. Wie heißt du eigentlich, Junge? Und wo kommst du her? Erzähl mal was von dir."
Alek klammerte sich an seine leere Wasserflasche und fürchtete, ihren ehemaligen Inhalt gleich wieder rückwärts loszuwerden. "Ja... also... ich heiße Alek und... ich... äh..."
In dem Moment, in dem Alek bewusst wurde, dass ihm KEINE Lüge einfallen würde, nicht solange die freundliche Bäuerin ihn weiterhin so freundlich anlächelte und nicht, solange er nicht einmal wusste, auf welcher verdammten Insel des Königreichs Myrtana er sich hier befand, ging die Tür auf und der Bauer kam herein. Er war ein großer Mann, vielleicht einsneunzig, sicherlich Ende vierzig, er hatte einen gräulichen Schnurrbart, ein grobes, fleckiges Holzfällerhemd über seinem muskulösen Oberkörper und schwielige große Hände. Er blickte Alek an und Alek blickte zurück.

to be continued
26.04.2004, 16:28 #3
Joni Odin von Hassenstein
Beiträge: 3.925

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