World of Gothic Archiv > Rollenspiel
[GM] Begegnung im Nirgendwo
Seite 1 von 1  1 
16.02.2004, 16:16 #1
Saturas
Beiträge: 3.217
[GM] Begegnung im Nirgendwo
GM bin ich, Saturas. Wer vorne und hinten nicht drauskommt, kann sich entweder die alte Zusammenfassung ansehen oder sich direkt bei mir informieren (per PM bitte, hab im Moment kein ICQ).




Nichts bewegte sich im unendlichen Dunkel. Hier herrschte dauerhafte Stille. Man hätte eine kleine Feder schweben hören, einen noch so schwach leuchtenden, unendlich kleinen Punkt sehen können. Es schien weder Zeit noch Raum zu geben, vor allem keine Zeit. Richtig schauderhaft. Doch Schritt für Schritt tastete sich eine Gestalt immer weiter vor, auf der Suche nach etwas, das niemals gefunden werden konnte, wenn es das nicht selbst wollte. Es war eine Reise durch die eigenen Gedanken, die nicht so schnell enden sollte. Vielleicht fand die Gestalt aber gerade in der Finsternis Erleuchtung.
Ohne Schritte auf dem kalten Steinboden zu hören, war sich der Mann auf Irrwegen sicher, plötzlich nicht mehr allein zu sein. Ein eisiger Atem näherte sich ihm. Vorsichtig und möglichst lautlos zog der Mann sein Langschwert und suchte mit einer Halbkreis-Bewegung die Umgebung vor sich ab nach der Gesellschaft. Auf einmal wurde die Spitze der Klinge berührt von etwas, was er als mehrere Finger spürte. Und dann liess es ihm sein Gegenüber wie Schuppen von den Augen fallen.

Hrhrhrhrhrr…jenes abgrundtief böse, allzu bekannte Lachen machte klar, dass die andere Gestalt nur eine einzige sein konnte, die nämlich, die dem Suchenden so ähnlich war. Sie schlug ihre gelblich leuchtenden Augen mit der schwarzen Iris auf und sprach mit unverändert grausiger, hallender Stimme: Da bist du ja endlich.
Saturas (der suchende Mann) regte sich nicht und versuchte, sich wenig überrascht zu geben – mit mässigem Erfolg. Hast du mich etwa erwartet? Ein schlichtes Lächeln zeichnete sich ab unter den gelben, gespenstischen Augen, was der Magier natürlich nicht sehen, aber durchaus spüren konnte. Harhr. Was würde das schon für einen Unterschied machen? Ausserdem solltest du die Antwort eigentlich selbst kennen. Komm jetzt…- Bevor Saturas etwas dergleichen tun konnte, versetzte ihn ein dumpfer Schlag von hinten in Ohnmacht.

Unbekannte Zeit (abgesehen davon, dass Zeit an dieser Stelle ein sehr vager Begriff war) später und noch dazu an einem vermeintlich absolut unbekannten Ort fand sich der Magier in blau auf einem Stuhl an der Seite eines langen Holztisches sitzen. Nicht gefesselt, wohlgemerkt. Der Raum war dank einem Kronleuchter und vielen Kerzen an den Wänden recht gut ausgeleuchtet, was den unfreiwilligen Besucher zu einer umfangreichen Besichtigung einlud. Es schien eine Art Festsaal zu sein, mit viel verziertem Kram, edlen Teppichen an Boden und Wand, und wertvollen Möbeln. Es fehlten jedoch jegliche Ein- und Ausgänge, also Türen, Fenster oder verschiebbare Wände (Sat hatte ja schon die eine oder andere Erfahrung bezüglich Geheimtüren gemacht). Plötzlich veranlasste die coole, diesmal sehr laute Stimme, deren hallender Klang in diesem Saal noch verstärkt wurde, den Wassermagier, sich wieder auf seinen Stuhl zu setzen. Gleichermassen plötzlich erloschen sämtliche Kerzenflämmchen und das freundliche Ambiente des Raums wurde von der Dunkelheit aufgesaugt. Dieses Mal hörte er Schritte, als die fiesen gelben Augen sich ihm näherten.
Was soll der Quatsch mit dem Licht? Magst du etwa kein Licht?
Hrhrhr. Angst im Dunkeln? Bitte. Der fast unsichtbare Gastgeber schnippte mit dem Finger, was die Kerzen wieder aufflackern liess. Allerdings nicht in gewohnt warmer, gelber, sondern in bläulicher Flamme. Eigentlich hätte man sie auch als schwarze Flamme bezeichnen können, denn dieses Feuer spendete nicht gerade brauchbare Erhellung.Besser?
Sofort konterte Saturas, auf die Tischplatte starrend: Jetzt fühlst du dich wohl ganz wie zu Hause, was?
Harhar, denkst du wirklich, in Beliars Reich gibt es Licht? Noch dazu bist du natürlich noch immer überzeugt, dass ich ein Diener der Unterwelt bin. Du bist so kurzsichtig.
Ha! Du magst das Einfältigkeit nennen, aber jedem einigermassen vernünftigen Menschen ist, wenn er dich nur sieht, sofort klar, dass du ein Unto…toter…während er aufbrausend brüllte, schaute er sein Gegenüber schliesslich auch an. Und war ziemlich von den Socken. Mit heruntergelassener Kinnlade schaute er von der Robe, die zwar nachtschwarz wie eh und je war, deren furchteinflössender Schulterteil aus Eisenerz aber fehlte, zum entblössten (bisher ungesehenen) Kopf. Er erinnerte den Zauberer an die Gurus im Sumpflager: keine Haare, einige seltsame und detailreiche Tätowierungen. Das markante Gesicht hatte er sich nicht viel anders vorgestellt (mal abgesehen von der Tatsache, dass er sich nicht sicher war, ob der Untote überhaupt ein Gesicht hatte), es strahlte Bösartigkeit, Gerissenheit und Kaltherzigkeit aus, dennoch passte es überhaupt nicht zu diesem finsteren Teufel. Dafür war es verhältnismässig viel zu menschlich; genau das erschreckte den Priester.
Noch nie ins Gesicht eines Halbgottes geschaut, hm? Sarevok setzte sich und präsentierte seine ganz normalen, menschlichen, fleischigen Hände, indem er sie vor sich auf dem Tisch verschränkte, als ob er beten wollte. Nachdem er seinem Fast-Ebenbild noch einige Zeit zum Staunen gelassen hatte, spach er: Nun, denkst du immer noch, dass mich sofort jeder als Untoter entlarven würde? In einem etwas anderen, weniger auffallenden Aufzug mische ich mich problemlos unters Volk.
Doch nun lass uns zur Sache kommen. Du fragst dich sicher, warum du hier bist, das heisst, warum wir uns abermals begegnen…wobei dir schon klar ist, dass das kein Zufall ist…
Du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Ich bin ganz Ohr, Halbgott. Saturas wusste nichts anderes, als in einem leicht spöttischen und gleichzeitig sehr agressiven Ton (was weniger zu hören, aber umso mehr zu spüren war) zu sprechen, was, wie ihm schlagartig selbst bewusst wurde, eine seiner letzten, wenn nicht sogar die letzte Möglichkeit war, sich noch halbwegs aus dieser Situation zu retten. Andererseits war dies Vorhaben zum Scheitern verurteilt, wie es die alles umfassende dunkle Aura von Sarevok zumindest scheinen liess: gegen diesen Mann war kein Durchkommen möglich. Gegenwehr sinnlos.
Aber wie auch immer. Er hatte dem Blaumagier weder gedroht noch eine unterschwellige Bemerkung gemacht. Er liess ihn einfach ein bisschen dort sitzen, ein bisschen sein. Die Worte allein konnten ihm kaum Schaden zufügen, also liess er den Vortrag über sich ergehen.
Dann sprich doch endlich, du untoter Held, statt mich anzuglotzen mit deinem möchtegern-freundlichen, alles vernichtenden Blick.
Hrhr, ja ja, wenn Blicke töten könnten…
Das wär ja noch schöner. Dann wärst du der unangefochtene Massenmörder von allen Zeiten. Plötzlich veränderte sich Sarevoks Miene, sein Gesicht verdunkelte sich – als ob es gleich einen riesigen Donner gäbe und er sich in einen widerlichen Dämon verwandeln würde. Im Zorn, natürlich mit der ewigen boshaften Schadenfreude im Unterton, sprach er: Wenn DU wüsstest…unlängst habe ich ein Ereignis lanciert, das von seiner Grösse und Unglaublichkeit gar den anderen Göttern Ehrfurcht abverlangt hätte, ein Massenvernichtungsanlass, ein katastrophaler Wendepunkt in der Geschichte der jämmerlichen Menschheit…er hielt, mit seinen gehobenen Armen und Händen, die nach Macht gierten und danach griffen, kurz inne, dann sah er aus, als ereilte ihn ein Anflug von Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. DOCH, zischte er bedrohlich, und schlug mit einer Hand auf den prachtvollen Tisch, doch was hielt mich auf? Eine Winzigkeit. Der Glatzkopf beugte sich vornüber und hielt Saturas Daumen und Zeigefinger, die sich beinahe berührten und dieses Winzige darstellen sollten, vor die Augen. Ein Detail…nur ein kleines, aber ganz und gar nicht unbedeutendes Stück in einem nicht einfachen Puzzle, das ich vernachlässigte aus Zeitdruck – und wo stehen wir nun? Ich bin beinahe am Ziel meiner grossen Mission. Doch nicht weiter als vor einigen Wochen.
Sat war im Begriff, etwas einzuwenden, einfach etwas zu sagen, als Sarevok seine rechte Handfläche nach oben öffnete und in dieser eine nicht zu verachtende, wiederum sehr dunkle Flamme entzündete, die nur ein fahles Licht erzeugte. Saturas starrte ins Feuer, ihm war sofort klar: sein Gegenüber wollte ihm etwas zeigen. Dieser allerdings tat es ihm nicht gleich, er musterte stattdessen sein Fast-Ebenbild in seiner Neugier. Schliesslich erschien das Motiv eines Steins, einer Tafel bei genauerem Hinsehen. Es musste ein sehr altes Stück sein, die wenigen Schriftzeichen, die zwar ganz klar solche waren, konnten auf keinen Fall entziffert werden.

Die Tafel…diese oder eine ähnliche Steintafel habe ich schon einmal gesehen, dachte der Wassermagier, nicht direkt, auf die gleiche Weise wie jetzt gerade, und sie hatte offensichtlich im Zusammenhang mit einem grossen Sumpf gestanden…
Ohne den Kopf zu heben, nagelte der Üble den Rechtschaffenen mit seinen Augen fest. Das Bild in der Flamme verblasste, doch er liess sie weiterbrennen.
Ich weiss, was du denkst. Beziehungsweise, was du weisst. Du kennst diese Steintafel. Du kennst aber ihre Bedeutung nicht. Du hast keine Ahnung, weshalb du sie damals in der wahrsagenden Flamme gesehen hast. Nun, selber Schuld, aber wenn du willst und wenn du meine Gunst halten kannst, verrate ich es dir. Vielleicht.
Ach ja? Und was soll das heissen, wenn ich deine Gunst halte? Habe ich denn deine Gunst? Es war Sat irgendwie verwehrt, ganz normal mit diesem Gesprächspartner zu reden. Er schaffte es einfach nicht, seine Abneigung zu verbergen. Im Gegensatz zu Sarevok, dem Meister des Spiels. Wenn auch seine Nettigkeit sehr durchsichtig wirkte in Sats Augen. Er lenkte kurz ab, in dem er ein weiteres (bewegtes) Bild in seiner schwarzen Flamme erscheinen liess, welches die Aufmerksamkeit des Besuchers sofort auf sich zog. Viele Leute waren zu sehen, Stände, und, wenn ihn nicht alles täuschte, eine Arena im Hintergrund. Ja, ganz sicher, sie war auf einmal gefüllt und in ihrer Mitte kämpfte ein rotes Männchen gegen ein blaues. Die Khorinischen Spiele, kam es Saturas eher langsam, da er sehr erstaunt war, über die Lippen. Schnell und herrscherisch sprach der Untote: DAS ist die Masse! Im Nu verschwand das Turniergelände und die Steintafel kam zum Vorschein, dieses Mal aber irgendwie mit kleineren Schriftzeichen, wie es Sat schien, bis er merkte, dass es mehrere, perfekt zusammenpassende und –gesetzte waren. Auf eine seltsame Art und Weise lösten sich die Zeichen auf und einige noch komischere, grössere ritzten sich von selbst in den Stein. DAS ist der Schlüssel! Mit unnatürlich wenig Aufwand pustete Sarevok die Flamme aus und stellte sich äusserst zufrieden, als wäre er am Gipfel seiner Macht, aufrecht hin, ungewöhnlich laut sagend: Und ICH bin der Vernichter! Harharhar!
Ziemlich schnell (zu schnell: ohne, dass im Hintergrund die passende triumphalisch-böse Orchestermusik hätte eingespielt werden können), kalt und wieder spottend, wohl im blödesten Moment, entgegnete Saturas: Das wäre dann also deine ultimative Gelegenheit gewesen. Mmh, gigantisch, muss ich zugeben. Respekt. Eine ordentliche Opfergabe für Beliar, einen Dämon oder wen auch immer. Deine ultimativ verpatzte Gelegenheit.
Man kann durchaus sagen: wenn Blicke töten könnten, dann hätte es von diesem nicht viel gebraucht. Man kann es aber auch anders sagen: Sarevoks Gesichtsausdruck, besonders im Bereich der Augen natürlich, sagte alles. Sehr überraschend beherrschte er sich aber und rührte sich nicht vom Fleck. Gereizt und noch furchteinflössender als sonst fuhr er den Priester an: Du gehst sehr verschwenderisch mit deinen Möglichkeiten um. Furchteinflössend? Nicht so für den jungen Magier. Er liess sich nicht beeindrucken oder gar beängstigen durch die Mimik oder die Worte, die ihn bedrohten. Stattdessen warf er dem Mann in Schwarz einen ebenso gleichgültigen wie verabscheuenden Blick zu. Wieder relativ beruhigt begann der erneut zu reden: Doch es sei dir verziehen, da mir einfällt, dass ich dir deine Möglichkeiten noch gar nicht offengelegt habe. Schweig einfach und hör dir mein Angebot an.
Für einmal konnte sich der Magier Adanos zurückhalten.
Wie du dich sicherlich erinnern kannst, habe ich schon einmal versucht, an deiner Überzeugung zu rütteln. Wahrscheinlich weisst du auch noch, dass ich schon damals so was wie Heimvorteil hatte und dich ohne weiteres hätte töten können.
Ohne weiteres!? Saturas sprang auf und warf dabei seinen Stuhl um. Jetzt platzt mir aber wirklich gleich der Kragen! Das ist alles bloss Einbildung. Du siehst wohl alle Dinge so, als ob du weit über ihnen stehen würdest, als ob du jeder anderen Person und Kreatur haushoch überlegen bist. Übermächtig!---Hüte deine Zunge, Narr! Komm mir doch auch einmal entgegen, meinte der Böse, ruhig, aber mit dem gewissen drohenden Etwas, und zeigte mit dem Finger auf ihn. Er jedoch fuhr unbeirrt fort, gar noch mehr angewidert und damit gestärkt: Entgegenkommen! Du nimmst dir wohl nichts und gibst nur, was? Du bist der Inbegriff der Grosszügigkeit und Freundlichkeit! Auf der anderen Seite bist du hier Hausherr und unanfechtbar! Übermächtig, zum wiederholten Male! Gar in Überzahl, ja? Hast unsichtbare Diener!
So langsam war nun doch auch für Sarevok die Grenze überschritten. Breite, dunstige Fäden in allen Farben, wohlgemerkt relativ dunkel und schimmernd, traten aus seinen Ärmeln und schmiegten sich um seine Hände (wobei die eine noch immer auf Sat zeigte), wo eine Art magische Reaktion stattfand: Die Farben vermischten sich und eine schwarze, glänzende Hülle umgab zuerst die Hände als Ganzes, überzog dann jeden einzelnen Finger. Letztendlich gingen diese in (kleinen) Flammen auf und die flüssig wirkende Hülle löste sich auf. Zum Vorschein kam etwas allzu Bekanntes, die metallenen Hände nämlich, die eben aus so unerklärlichen Gründen gänzlich aus Eisen zu bestehen schienen. Das verblüffte und beeindruckte tatsächlich auch Saturas, der in kampfbereiter Haltung (warum mit Schwert und nicht mit magischem Geschoss bewaffnet, soll in diesem Moment in Sats Hirnwindungen verborgen bleiben) dastand und doch nicht bereit war, irgendetwas zu tun oder zu sagen. Dass sich Sarevok mit seiner unbeschäftigten Hand (oder ohne?) seine Kapuze über den Kopf zog (während er mit der anderen stets auf den Blauen zeigte) und sich sein Gesicht somit wieder verschleierte und dass plötzlich links und rechts neben dessen Kopf wieder jeweils drei erzerne Stacheln emporragten, war für Sat ebenso nebensächlich wie nicht nachvollziehbar.
Als also der Meister der Finsternis, wie er sich auch schon genannt hatte, in voller, eindrücklicher Montur vor dem Wassermagier stand, sprach er mit seiner gewöhnlichen, hallenden, durch und durch bösen Stimme:
Zügle sofort deinen Zorn, oder du wirst meinen zu spüren zu bekommen!
Das Gegenüber war baff. Unfähig, zu agieren.
Weiss ich dich also doch noch zu beeindrucken? Es soll nicht das letzte Mal sein. Wieder machte er eine kurze Pause, Saturas war stets wie zu Stein erstarrt. Doch seinem Gesichtsausdruck nach war ihm nicht nach aufgeben. Nur eben auch nicht nach einfach-irgendetwas-tun-oder-sagen. Schön. Ich würde dir raten, jetzt sofort deine, nicht zuletzt weil in deinen Händen durchaus tödliche und gleichzeitig wunderschöne Klinge entweder zur Seite zu legen, mir zu geben oder ganz simpel wieder einzustecken, wenn dir das lieber ist. Aber jetzt sofort. Sarevok sprach die wiederholten Worte mit sehr starker Betonung und Nachdruck und wollte offensichtlich tatsächlich nicht lange auf eine Reaktion warten. Und plötzlich erwachte Saturas aus seiner Starre und fragte, wobei er zumindest versuchte, einigermassen ruhig zu wirken und nicht so, als wäre er einige Momente abwesend gewesen: Und was habe ich davon?
Falsche Reaktion.

Beinah unhörbar fauchte der Mann in Schwarz:
Du willst es also drauf ankommen lassen? Bevor der Priester zurückfauchen konnte, wurde er geradezu überrollt vom lauter werdenden Grollen des Bösen. DAS hätte ich sonst nicht mit dir gemacht!
Wie aus dem Nichts kam Sat ein ausgewachsener Kugelblitz entgegen, ja, der hatte mindestens den Durchmesser eines Golemkopfes und traf ihn ungefähr so hart wie die Trollfaust, die den Abenteurer vom Berg hinunter wirft (kein Witz, er konnte das dank mehreren Erfahrungen diesbezüglich durchaus vergleichen), und das kam ihm wohl auch nur wegen dem mächtigen magischen Schutz seiner Robe so mild vor. An die Wand geschleudert, wurden seine Schultern er von zwei Händen (an denen robenüberzogene Körper mit dunkelroten Augen hingen) an selbige gedrückt. Unmittelbar wurde er von einem ebenfalls nicht gerade kleinen Feuerball erfasst. Nicht, dass dir noch kalt wird. Das sicher nicht, dachte Saturas, sofern er überhaupt noch denken konnte, besonders warm wurde ihm allerdings auch nicht, wiederum dank seiner Robe, die die Flammen nicht lange Flammen sein liess. Die Hände der beiden unbekannten Komplizen hatten wieder von ihm abgelassen, waren nun aber dem Heraufbeschwören eines Blitzes verschrieben, wie er langsam umherblickend feststellte. Noch grösseres Übel kam aber von vorne auf ihn zu: Sarevok machte ebenfalls gefährliche Bewegungen mit Händen und Armen, die von zuckenden Blitzen umgeben waren. Halt jetzt bloss still, sagte er, wieder relativ ruhig, aber bestimmt, wie immer. Er sammelte die hervorgerufene magische Energie etwa auf Brusthöhe vor sich und liess sie auf das Opfer los. Saturas wollte sich losreissen, war aber zu sehr gebannt durch diesen Angriff; insbesondere, als die Blitze der andern beiden Schwarzmänner auf ihn übergriffen und keiner der drei den Anschein machte, ausgelaugt zu sein oder den Fluss gar stoppen zu wollen, waren seine Chancen auf Entkommen äusserst gering. Er rang sich schmerzerfüllt, ging schliesslich zu Boden, und – so kam es ihm, da er wohl keinen klaren Kopf mehr hatte, vor – erst, als er kurz davor war, in Ohnmacht zu fallen, wurde der Angriff abgebrochen.
Gut. Ihr könnt gehen. Diese Worte meinte Sat zu vernehmen. Dann vernahm er erstmal gar nichts mehr.


Er wusste natürlich nicht, wie lange er weggetreten war oder was Sarevok in der Zwischenzeit gemacht hatte, abgesehen davon, dass nun einige Kerzen wieder brannten. Mit ihm scheinbar war scheinbar nichts Weiteres angestellt worden, er lag immer noch seitlich auf dem kalten Steinboden, zusammengekauert, verspürte einige Schmerzen, kam sich ziemlich kümmerlich vor. Jedenfalls schaute Sarevok auf ihn herab und sagte:
Nun? Hast du langsam Lust darauf, dich mir zu fügen? Mehr als einige Schmerzenslaute gab der Liegende nicht von sich. Sarevok spürte aber, dass er durchaus aufnahmefähig war.
Du bist am Ende deiner Kräfte, Saturas. Ohne deinen hübschen Umhang wärst du…ach, was sag ich, jeder andere wäre längst gestorben. Ich zweifle nicht daran,…er faselte irgendwas. Doch unterdessen hatte sich des Klostermagiers Verstand klar zurückgemeldet. Und er dachte. Er dachte: Ja, richtig, ob du mir nun weismachen willst, dass du mich für fast ebenso mächtig wie dich selbst oder sogar für gefährlich für dich hälst oder nicht, ohne die Robe wäre wirklich so ziemlich jede menschliche Kreatur verendet an deiner kleinen fiesen Machtdemonstration, du verdammter Sadist, dir werd ich’s zeigen, der hübsche Umhang hat gegeben, was er hat, doch an meinen Kräften ändert das nicht viel…und du willst über alles und jeden Bescheid wissen, du unterschätzt mich tatsächlich, das war ein Fehler, Beliar!
Ganz ungewöhnliche Gedanken schossen da durch seinen Kopf, ganze Stränge, ja Züge, wie auf Schienen rasten sie, crashten aber nicht ineinander, nein, fuhren schon geordnet nebeneinander; Rachegefühl machte sich breit, der Hass war kaum zu bändigen, sähe er sich in der vorherigen überlegenen Situation Sarevoks, er hätte es jucken und zucken und brutzeln lassen, bis der letzte Lebensfunken vertrieben gewesen wäre aus dem bösen Leib und niemals ein neuer alter untoter Geist ihn wieder beleben könnte…ungewöhnliche und nicht gerade lobenswerte Gedanken. Doch dann wurde ihm schlagartig klar, dass Sarevok nicht ewig schwafeln würde, ja gar gleich fertig wäre mit seiner kleinen Rede, und nützliche (geordnete) Gedanken eroberten das Gebiet unter dem Schädelknochen, der üble Kerl vor/ über ihm merkte nicht, dass es dort drin arbeitete, schwafelte noch ein bisschen weiter, seinen „Gast“ unaufhörlich anblickend, ahnungslos, dass er gleich etwas heimbezahlt bekommen würde.
Das Überraschungsmoment gehörte dem Wassermagier. Und er nutzte es. Er sprang auf, schlug Sarevok ins Gesicht, trat ihn den Bauch, und bescherte ihm somit wohl den ersten Schock seines Lebens. Um in der kurzen Zeit seinen Vorteil nicht zu verlieren, beharkte Sat seinem Kontrahenten mit einer wahren Fülle von Eispfeilen. Von dessen Gehilfen war keine Spur, und er schien erst einmal wehrlos. Sat stellte fest, dass sein Schwert nicht in greifbarer Nähe war und zückte deshalb den Langdolch. Mit aller Kraft, den Arm ausstreckend, die Klinge regelrecht durch die Metallplatten unter dem Stoff bohrend, versenkte er ihn in Sarevoks Brust, etwa dort, wo zumindest bei normalen Menschen das Herz platziert ist. Der Erstochene schrie nicht und brüllte nicht, schlug nicht und zauberte nicht. Er versuchte es gar nicht. Offensichtlich hatte er sich ergeben und sollte nun dieser absolut tödlichen Verletzung erliegen.
Sat umklammerte mit seiner rechten Hand immer noch fest den Griff der Mordwaffe, als ihm auffiel, wie ruhig es im Saal geworden war. Er liess ab vom Dolch, als er sich mit aufmerksamen, umschweifenden Blicken versichert hatte, dass ihm keine Gefahr durch weitere Fieslinge drohte (so gut es ging im Halbdunkel). Verzweifelt stand er da, wie ein Krieger, der müde ist von der Schlacht und irgendwie nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Immerhin wurde er vor einige harte Tatsachen gestellt: Würde er je wieder Tageslicht sehen? - Wie zum Teufel konnte er hier rauskommen? Keine Ahnung. Was würde mit Sarevok geschehen? Hatte er es geschafft, war sein Double ein für alle Mal besiegt? In dieser Sache musste er sich definitiv in noch grössere Sicherheit wiegen, und setzte es in Brand. Jetzt war er endgültig am Ende seiner Kräfte. Er setzte sich auf den Tischrand und betrachtete den leblosen Körper. Dieser hing schlaff, mit ein paar wenigen übrig gebliebenen magischen Flammen hier und dort, über einer hohen, schmalen Tischkonsole, die ihn mehr oder weniger aufgefangen hatte, dafür aber keine Kerzenständer mehr auf sich trug. Die Arme waren ausgebreitet; es sah fast so aus, als würde er sich dort auf eine coole Weise ausruhen. Doch der herunterhängende Kopf (bzw. die weite Kapuze, die selbigen einhüllte - das heisst, vom Gesicht war wie eh und je keine Spur) und vor allem der senkrecht zum Brustkorb stehende Griff des Dolches liessen kaum falsche Vermutungen zu. Aus der Wunde war jedoch nur sehr wenig Blut ausgetreten. Verwunderlich, dachte der Wassermagier. Egal, jetzt hole ich mir mein Schwert und dann verschwinde ich hier.
Nein, nein nein, du musst das jetzt zu Ende führen, sagte eine unbekannte Stimme (er war sich ziemlich sicher, dass es kein Gott war) in ihm, als er die Waffe aufgehoben hatte und sich noch weiter von Sarevok distanzieren wollte. Besiege ihn doch, wo du die perfekte Gelegenheit dazu hast. Finish him off.
Was sollte das denn nun? Diese Stimme gab ihm einigermassen Zuversicht, da sie eigentlich auf seiner Seite sein musste, wenn sie auch weder besonders warm noch kalt wirkte. Dann hätte er einen Verbündeten in diesem Nirgendwo. Das heisst, Moment mal – einen Verbündeten gegen wen? Glaubte er schon selbst nicht mehr daran, dass sein Kontrahent erledigt war? Wollte er dem Rat folgen, dieses böse Wesen auf alle Arten zerstören, die er kannte? Saturas entschied sich, auf die Stimme einzugehen, die grosse Wahl hatte er ja nicht. Ist er denn nicht tot – ich meine, besiegt?, sprach er laut, als stünde sein Gesprächspartner neben ihm. Dass der Tod nur für irdische Geschöpfe einsetzt, weißt du, hast du an diesem hier selbst herausgefunden. Besiegt hast du es, ja. Aber das will nichts heissen. Saturas schwankte. Das will – das will nichts heissen?
Muss ich ihn etwa vollständig zerstören? Ihn in seine Einzelteile zerlegen und diese auf der ganzen Welt verstreuen? Unerklärlicherweise hatte er die Arme zur Seite ausgestreckt und blickte nach oben, als ob er doch mit einem Gott (in diesem Fall wohl Innos) sprechen würde.
Dieser Aufwand wäre viel kleiner als die Verzweiflung, die du erfahren würdest, wenn dir bewusst würde, dass er nichts gebracht hat. Denn früher oder später wird Sarevok immer zurückkehren, jedes Mal stärker denn zuvor. Langsam senkte Sat die Arme wieder und verwandelte sich in ein Fragezeichen. Er hatte keine Kraft mehr hierfür. Aber…sagt mir, wie? Wie sonst? Wie kann ich diesen Untoten beseitigen mit der Gewissheit, dass er nicht wiederkehrt…? Er überdachte diese Frage kurz und befürchtete, die Antwort bereits zu kennen: Gar nicht. Die Stimme gab ihm keine Antwort darauf, sprich: keine andere. Bedenke meine Worte, sagte sie nur, und es klang so, als wäre sie gleich wieder weg. Nur irdische Geschöpfe erfahren den Tod…
Irdische Geschöpfe…der Magier überlegte lange…alle irdischen Geschöpfe sind sterblich…sterblich sein, was bedeutet das genau? Verletzbar, tödlich verletzbar…was grübelte er überhaupt, auf was wartete er? Einen genialen Einfall? Plötzlich: Tödlich verletzbar durch natürliche Kräfte. Durch Waffen, hergestellt und verwendet von Menschen, irdischen Wesen…und die Magie? Letztlich auch verwendet von gewöhnlichen Sterblichen, mal von der ungläubigen Seite betrachtet. War es das? Unterschied das die „natürlichen“ Wesen von den Untoten? Vielleicht war es das wirklich. Das wollen wir doch gleich mal sehen, dachte er. Er fasste alle Kraft und stellte sich aufrecht vor den vermeintlich Toten hin und beäugte ihn scharf. Du willst tatsächlich resistent gegen jede irdische Kraft sein? Wie siehts hiermit aus?
Den letzten Funken Magie holte er aus sich raus und verwandelte Sarevok mit ultimativer Antstrengung in einen stehenden Eisklotz. Zu seiner Verwunderung gelang ihm das praktisch einwandfrei. Er konnte jedoch kaum noch stehen, so ausgelaugt war er. Mit allerletzter Kraft (wirklich!) packte er die etwas obskure Statue und warf sie – nein, liess sie zu Boden fallen, wo sie zerschmetterte. Das funktionierte so, wie er es sich vorgestellt hatte: Sarevok war verstreut auf dem halben Fussboden bzw. den Teppichen, in kleinen Eiswürfeln. Perfekt. Saturas rettete sich auf einen günstig stehenden Stuhl, bevor er selbst umkippte, und wollte sich gehörig ausruhen. Was jetzt, hä? Was tust du jetzt, Macht des Bösen?
Und dann erschrak er.
16.02.2004, 16:22 #2
Saturas
Beiträge: 3.217

Die Stimme von vorhin antwortete ihm prompt: Du hast meine Worte nicht bedacht, obwohl du sie sehr wohl verstanden hast. Du sollst Zeuge werden, dass die Zeit nicht auf deiner Seite ist. Die Zeit, die der Untote braucht, um sich zu regenieren, um sein Feuer des Menschenlebens neu zu entzünden. Was? Saturas schrie innerlich auf. Die Zeit gegen ihn? Wollte Sarevok sich etwa jetzt gleich aus diesen Eis…- bei Adanos, was geschah denn nun um ihn herum? Kein Eis mehr, nur Wasser. Wasser auf Teppich, nicht aufgesaugt davon. Tropfen, Pfützen, Lachen. Eine grosse Lache. Ein kleiner See. Als ob sie lebendig gewesen wären, fügten sich die in Windeseile geschmolzenen Teile zusammen, immer schneller, angsterregend, ja geisterhaft, um ein neues altes Ganzes zu bilden. Sie bildeten sogar einen kleinen Turm, nein, einen grossen, dicker als zwei Menschenbeine und schon fast so hoch. Dunkel, glänzend, und irgendwie doch halbwegs durchsichtig war die Flüssigkeit. Während der blaue Magier das wachsende Etwas beobachtete (und nicht etwa versuchte, das Wachsen zu stoppen), wurde ihm klar, dass ihm die Stimme doch nicht unbekannt war: Da sie bei ihrem zweiten Auftritt wesentlich weniger neutral klang, konnte eindeutig er Parallelen zu derjenigen Sarevoks ausmachen. Aber war wirklich ER es, der mit ihm kommuniziert hatte? Fast unmöglich, fand er. Definitiv für unmöglich hingegen hätte er das gehalten, was sich vor seinen Augen abspielte, wenn er es nicht eben mit den eigenen Augen gesehen hätte. Oder tat es das gar nicht? War es gar nicht real, nur eine Einbildung? Eine Täuschung, ein Traum (na ja, ein Albtraum)? Um zu erraten, wer die geformte Person war, brauchte es keinen besonders scharfen Verstand. Sie schien jedenfalls sehr real. Das wasserartige Zeug wurde gänzlich undurchsichtig und nahm ganz konkrete Formen an - etwa Finger, den Stoff der Robe, die Metallzacken auf den Schultern, die Kapuze ohne sichtbaren Inhalt - bis schliesslich ein menschliches Ding, offenbar lebend, vor Saturas stand. Unfähig, etwas dagegen zu tun, betrachtete er das Wesen, wie es sich ihm näherte. Bevor es irgendetwas tat oder sagte, streckte er eine Hand aus (und sie wurde nicht aufgehalten) und betastete den Körper, als wolle er gar nicht glauben, was er da sah. In der Tat hatte sich das wässrige Zeug verfestigt. Sehr solide war der böse Magier.
Beeindruckt, was?, sprach er, als Saturas die Hand wieder zurücknahm, und räumte damit jeden Zweifel aus: er war wieder am Leben. Nun ja, seine spezielle Form von Leben. Jedenfalls war er - mindestens im Gegensatz zu Sat - putzmunter. Danke für die Abkühlung, grinste er, unüblicherweise ohne diese konstante Boshaftigkeit in der Stimme. Aber ich hoffe, ich muss dich nicht noch einmal bitten, es nicht zu wagen, auch nur zu versuchen, dich gegen mich durchzusetzen. Du bist geschlagen. Du bist mir unterlegen und wirst es immer sein. Siehs doch einfach ein.
Sat war geschlagen. Und er sah es ein. Für den Moment konnte er nur zuhören, alles andere hätte zu viel seiner praktisch aufgebrauchten Reserven in Anspruch genommen. Also unternahm er nichts und hörte nur zu. Er regte sich nicht einmal auf.
Ich will es noch ein letztes Mal versuchen mit dir. Mit Freundlichkeit und Toleranz an die Sache rangehen. Obwohl ich mir jetzt keine Ausfälle mehr gefallen lassen muss. Ich werde mich kurz fassen. Sats müde Augen schauten Sarevok nicht an, er nickte stillschweigend. Wie du hoffentlich – nein, zweifelsohne gemerkt hast, kannst du nichts gegen mich ausrichten. Schon gar nicht hier, schon gar nicht in der jetzigen Lage. Rein gar nichts. Das heisst, dass dein Leben in meinen Händen liegt. Eigentlich hängt es sogar nur an einem Faden, der an meinem kleinen Finger angebunden ist und reisst, wenn ich ihn zu fest bewege. Ich könnte dich also töten, wenn ich nur wollte. Siehst, das will ich aber nicht. Nicht, dass mir an deinem Leben etwas liegt, aber deine Fähigkeiten, die du hast, weil du genau der bist, der dazu bestimmt wurde, den wesentlichen Teil des Gleichgewichts zu erhalten, interessieren mich. Kommen wir zum anfänglichen Gespräch zurück, das leider unterbrochen wurde.
Was quatschte er denn da bloss wieder? Sat hatte jedes einzelne Wort aufgenommen…das war gar nicht Sarevoks Stil zu reden, viel weniger sprach er normalerweise, unumständlicher, unausführlicher, einfach kürzer, als ob alles, was er sagte, dem Gegenüber selbstverständlich war (oder sein musste), und dennoch klar und verständlich…eben auf seine überzeugende Art. Anders als hier. Trotzdem musste der Mann Sarevok sein: die bösartigen, schwarzen Augen, deren Pupillen Saturas aus der Kapuze heraus gelb anleuchteten, die Stimme, die trotz ihrer gutartigen Verfälschung ganz klar ihm gehörte, und einfach sein gesamtes Aussehen und Auftreten; der Wassermagier wünschte sich jedenfalls von ganzem Herzen, dass es keine anderen derartigen Diener Beliars mit eisernen Fäusten, einer alles Gute verdrängenden Aura und solch enormen magischen Kräften gab. Das hätte ihm zwar sowieso egal sein können, da er nicht sicher war – trotz Sarevoks „Entgegenkommen“ – ob er aus dieser Sache wieder lebend heraus kommen würde. Hör einfach zu, sagte er sich, vielleicht lässt er dich tatsächlich einfach so gehen. Aber möglichst bald!

Lass uns einmal zusammenfassen: du hast keine Ahnung, wo du bist, wie du hierher gekommen bist, wie lange das gedauert hat und wie lange du schon hier bist, was ich hier mache und wieso ich einfach so zwei nützliche Diener herbeirufen konnte. Und du scheinst immer noch nicht zu begreifen, was ich von dir will. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was er ihm darauf alles hätte antworten können, nickte Saturas. Guut, du leistest nicht einmal mehr Widerstand. Jetzt kommen wir endlich weiter. Das Fünkchen restliche Kraft, das er noch hatte, drohte, sich in Form von Hass in ihm auszubreiten und früher oder später auszubrechen. Immerhin wollte er sich zurückhalten. Er war es leid. Wie ich schon mehrmals gesagt habe, habe ich einen Vorschlag für dich. Einen recht lukrativen übrigens. Die Alternativen allerdings sind nicht gerade attraktiv für dich, muss ich gestehen…du solltest mir schon gehorchen. Also, kommen wir endlich zur Sache. Juhuu, wir kommen endlich zur Sache. Na, das war doch mal ein Wort. Zum Glück war Sat nicht imstande, etwas zu entgegnen.
Du bist wertvoll, mein Eben-, entschuldige, Originalbild. Wahrscheinlich viel mehr, als du dir je erdacht hättest. Der Einzige, der das eventuell auch vermutete oder wusste, war dein Vater. Und der hat ja jetzt keine Gelegenheit mehr,…egal. Wollen wir mal deinen Hass nicht weiter schüren und damit Zeit verlieren. Du sollst etwas für mich besorgen. Rate mal, was. Jetzt hatte er kapiert. Das war alles nur eine Verarschung. Sarevok wollte ihn so oder so abmurksen. Warum er das auf diese Weise hinauszögerte, begriff der Magier jedoch nicht. Er sah ihn schief an (weiterhin, ohne einen Laut zu machen). Warum, fragst du dich? Weshalb kann ich es mir nicht selbst holen, da es immerhin mein grosser Auftrag ist? Ich weiss genau, was ich suche und und wo ich es finden kann. Nur komme ich dort nicht hin. Als ob der Böse ihm die Kraft dazu eingeflösst hätte, fühlte sich Saturas auf einmal wieder befähigt, zu sprechen, und nutzte dies. Aha. Ich soll dir also dein letztes Puzzleteil besorgen. Ich sehe von der Frage, wieso du denn nicht an das Ding rankommst, mal ab, und würde gerne wissen, was das mit meiner Besonderheit zu tun hat, meinem grossen Wert, meinen super Fähigkeiten (er sprach schon wieder in diesem ironischen Ton, ohne dass er es merkte), und wie du darauf kommst, dass ich so etwas tun würde. Den Untergang der Menschheit einläuten. Was hat das bitte mit dem Gleichgewicht zu tun?
Sarevok schmunzelte. Das hatte er noch nie getan. Er war wirklich irgendwie anders. Willst du kurz darüber diskutieren? Was ist schon die Menschheit? Weshalb leben diese kleinen, unfähigen Geschöpfe überhaupt? Weshalb gibt es sie? Weshalb leben sie auf dieser Welt, zusammen mit Biestern und Pflanzen, weshalb erleben sie Freude und Unglück? Weshalb, Saturas, existiert überhaupt irgendetwas? Willst du etwa darüber reden? Über den Sinn von all dem?
Danke, das geht schon etwas zu weit…und sicher nicht mit dir.
Das Licht nimmt langsam aber sicher Überhand. Die Schatten werden verdrängt. Die Menschen löschen alles aus, was ihnen nicht passt.
Und wenn schon! Wer braucht schon Schatten? Ohne Licht würde nichts und niemand einen Schatten werfen!
Harhar, dir ist hoffentlich klar, dass Schatten und Dunkelheit vor dem Licht da waren und durchaus ohne es sein können. Dass das umgekehrt nicht auch stimmt, kann ich dir jetzt nicht erklären. Vergessen wir die Sache mit dem Gleichgewicht. Sehen wir für den Moment die kleinen sterblichen Menschen einfach als Marionetten der hohen Götter, als Untergebene, die sich deren Willen beugen müssen und selber nicht viel bis gar nichts Wesentliches an der Welt, deren Lichter oder Schatten verändern können. Es ist nun der Wille der Götter, dass ein Teil der Menschen ausgelöscht wird.
Der Wille aller Götter? Sarevok blickte den Priester dunkel an und sagte erstaunlicherweise für eine Weile nichts. Saturas zögerte etwas und fügte dann, in seinem leider unaufhaltsamen Drang, ihn zu provozieren, an: Hast du dich eigentlich bald mal entschieden? Ob du jetzt „neutral“ oder böse sein willst, meine ich.
Und dann erhob sich der schwarze Mann. Sofort sah er wieder viel bedrohlicher aus. Seine gewöhnliche Stimme war zurückgekehrt, er war unmittelbar wieder ganz der schreckliche Alte. Na schön, fauchte er, du willst es einfach nicht anders, und meine Geduld ist zu Ende. Du wirst mir diesen Stein besorgen, und wenn du dich nicht innerhalb einiger Tage dazu bemühst, sind sie gezählt, deine Tage, und zwar endgültig. Sat sass zwar immer noch relativ locker auf seinem Stuhl, er war aber dabei, weggefegt zu werden vom wütenden Sturm. Hör gut zu. Wir sind hier im Kloster, ja, deinem neuen Heim, das heisst, sehr tief darunter, irgendwo an einem unauffindbaren Ort im unendlichen Wirrwarr der Katakomben. Herausfinden wirst du schon von selbst, wenn es auch eine gewisse Zeit dauern wird. Wenn du wieder am Tageslicht bist – ich gewähre dir sogar etwas Erholung – wirst du wieder von mir hören und erfahren, was du zu tun hast. Erzähl ruhig jede Einzelheit von diesem kleinen Treffen deinen weisen, uralten Brüdern, Pyrokar und wie sie sich alle nennen und tu, was du nicht lassen kannst oder für nötig hälst. Aber wage ja nicht, dich mir zu entziehen, denn das wird dir auf keinen Fall gelingen, hast du verstanden? Du bist mir an jedem Ort auf der Erde ebenso ausgeliefert wie hier und jetzt, und anders als hier werde ich dir das nicht mehrmals klarmachen. Tausend Bemerkungen und Fragen schossen dem Wassermagier durch den Kopf, doch der Verhüllte liess ihm keine weitere Gelegenheit, sich zu äussern. Jetzt schweig und geh, Narr! Das einzige Leuchten an ihm, seine gelben Augen, erlöschte, und damit auch das verbliebene Kerzenlicht, und er war weg. Saturas stürzte sich, den Stuhl achtlos umwerfend, auf die Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, um nach ihm zu greifen, doch er war wirklich weg, verschwunden.

Einfach etwas brüllen, die wichtigsten Fragen, die übelsten Flüche, und auf Antwort aus dem Nichts hoffen? Nein, sinnlos. Einmal mehr war er mutterseelenallein in der Dunkelheit (was nicht heissen soll, dass er sich der Gesellschaft erfreut hatte). Die vielen Gedankenströme in Sats Kopf blockierten sich gegenseitig, er konnte nicht klar denken. Nur eines war ziemlich bald klar: er musste im Moment gar nichts überlegen, er musste einfach nur hier raus. Er wollte. Ehe er sich versah, waren auch all die edlen Möbel im Saal verschwunden. Er fühlte sich zwar lange nicht mehr so schwach wie noch kurz zuvor, dennoch musste er erkennen, dass er nicht in der Lage war, Zauber zu wirken, etwa ein äusserst brauchbares Licht. Fast ohne jegliche Orientierung (er erinnerte sich noch, wie die Wände verliefen, allerdings schienen sie sich verschoben zu haben) schritt er also los, in einem Raum, der inzwischen sicher einen Ausgang hatte, oder auch in einem endlosen Gang, der Innos weiss wohin führte. Irgendwie würde er schon hinausfinden, wie sein Dubel gesagt hatte. Irgendwann.
19.02.2004, 15:53 #3
Saturas
Beiträge: 3.217

Ohne jede Hoffnung und doch mit einer gewissen Sicherheit, dass er früher oder später erlöst würde, stakste Saturas durchs Dunkel. Er war auf alles gefasst, hätte erwartet, dass er weit nach unten fallen würde, wenn er sich nach vorne beugen würde, um den kalten Steinboden zu fühlen, oder, dass einfach so irgendein irre aussehendes Monster durch die Decke (die ausser Reich- und natürlich Sichtweite war) springen und ihn anfallen könnte. Nur darauf, dass er plötzlich eine brennende Fackel am Ende seines schnurgeraden Weges erblicken würde, war er nicht gefasst. Aber sie war da. Das war keine Einbildung – nur einige schnelle, lange Schritte lagen zwischen ihr und ihrem Entdecker. Und dann hielt er sie in Händen, unendlich glücklich.
Das Feuer erleuchtete nicht nur Saturas’ Weg, sondern auch ihn selbst, ein wenig zumindest. Auf einmal wurde ihm klar, dass er sich ja ohne weiteres ein magisches Lichtlein hätte herbeizaubern können. Idiot!, sagte er zu sich und schlug sich mit der freien Hand auf die Stirn. Dabei fiel ihm auf, dass das weder ein Klatschen noch ein ähnliches Geräusch erzeugte und auch die flackernde Fackel akustisch ganz still war. Was soll’s, dachte er, er war hier immerhin in einer durch und durch ungewöhnlichen Umgebung, vollgestopft mit Magie und mysteriösem Zeugs. Wenn Sarevok ihn nicht angelogen hatte und er tatsächlich in den weitläufigen (Untertreibung!) Katakomben des heiligen Klosters von Innos auf Khorinis war. Vielleicht war er diesen Gang sogar schon einmal entlang gelaufen, wer weiss. Vielleicht war er nur einige Meter unter dem offiziell bekannten Keller, nur einen kurzen Treppengang von köstlichem Wein, Nahrungsvorräten für eine ganze Eiszeit (oder auch nicht…), heiligen Artefakten, ein paar Novizen und dem Mixer Neoras entfernt. Ach ja, die alten und jungen Brüder. Gesellschaft. Wie sehnte er sich danach! Und plötzlich wurde Sat aus seinen Gedanken gerissen und wurde aufmerksam.
Anscheinend näherte er sich einem Raum, von dem er vorerst nur erkannte, dass er mit eigenartig hellen Fackeln bestückt und wohl ziemlich klein war (anscheinend, weil man an diesem riesigen Ort nie wissen konnte; es hätte gerade so gut eine Art Fata Morgana sein können). Er war sich erst sicher, dass der Raum tatsächlich da war, als er ihn betreten hatte, und zwar mit gezückter Klinge. Als er dann drinnen stand, steckte er sein Schwert erleichtert wieder weg und merkte dabei, dass seine andere Waffe aus Eisen fehlte. Er hatte den Langdolch vergessen, stecken gelassen in der leblosen Brust seines Gegenspielers. Nein, der war ja zerschmettert und geschmolzen, erinnerte er sich sofort. Das einmalige Stück musste irgendwo in dem zurückgelassenen Saal am Boden liegen. Aber zurück konnte er auf keinen Fall. Schade darum, es hatte viele Leute und Biester davon abgehalten, seinem Träger zu schaden. Wie auch immer, er musste sich erst einmal setzen, am besten in diesem sehr bequemen, einladenden Sessel…der soeben noch nicht dort war. Sehr seltsam, fand Saturas. Egal, seltsam war hier noch normaler als normal, ja langweilig eintönig. Er setzte sich und entdeckte sogleich einen überdimensionierten, gülden eingerahmten Spiegel auf der gegenüberliegenden Seite, aus dem er sich selbst erstaunt anschaute und von dem er hätte schwören können, dass er noch nicht da war, als er den Raum vor wenigen Augenblicken begutachtete. Der Sessel bot ihm den perfekten Komfort, trotz der sonst störenden Eisenplatten auf den Schultern, und er liess sich vollkommen zurückfallen. Als er die Augen schloss, sank er ohne Verzögerung ins Reich der Träume. Dies war ein Ort postitiver magischer Art.
Doch so schnell wie er eingeschlafen war, so schnell wurde er dem Schlummer auch wieder entrissen; möglicherweise lag auch eine lange Zeit dazwischen, jedenfalls kam es dem Magier sehr kurz vor und erholt fühlte er sich gar nicht – seine winzige Idylle war zerstört. Getrieben von seinem Unterbewusstsein oder einer fremden Kraft sprang er auf und fand sich leicht taumelnd inmitten des Raumes wieder, vor dem riesigen, alles verschlingenden, aber nicht alles reflektierenden Spiegel, der ihn sehr beunruhigte. Er war wie in Trance. Die wenigen Dinge, die sich bewegten, also die Flammen und sein Körper, taten dies sehr langsam und es erschien seinen Augen alles verschwommen. Dann, nach einigem Taumeln und Schwanken, lief er – wiederum sicher nicht getrieben von seinem eigenen Willen – auf die spiegelnde Fläche zu, sprang, und war weg. Verschluckt.
Was mit dem Teil passierte, wusste er natürlich in diesem Moment und auch später nicht, allerdings war es sicher nicht in abertausend Splittern. Genau so hingegen fühlte sich Saturas, der auf allerkomischste Weise durchs schwarze Nichts schwebte, wie er es – man glaubt es kaum – auch schon erlebt hatte. Ob dieses Mal der Grund wohl derselbe war? Hatte er eine Audienz bei einem Gott? Ohne Vorwarnung landete er, auf wirklich solidem Grund oder nicht, war ihm gleichgültig. Er prallte nicht auf, sondern stand einfach plötzlich da, als ob er gar nicht von oben auf den Untergrund gekommen war (in welcher Weise auch immer). Und es ging ihm wesentlich besser. Er war bei Sinnen. Das glaubte er zumindest, und was er glaubte, spielte in diesem Teil seines Abstechers von unbekannter Dauer in die unergründlichen Tiefen des „Klosterkellers“ die grösste Rolle, was er wahrnahm, wann er seinen Augen und anderen Sinnesorganen vertraute, was er wahr- oder nicht wahrhaben wollte.
Er befand sich also einmal mehr mitten im unerforschbaren Nirgendwo, eigentlich verloren, weil doch mit der Zeit entmutigt und völlig ahnungslos. Ihn umgab eine irgendwie bekannte Finsternis, und er hatte das Gefühl, dass er auf einer gigantischen Ebene und nicht in einem engen Gang ging, ja: ging, zielstrebig in eine bestimmte Richtung. Warum nicht. Sat begegnete nichts und niemandem, lange geschah nichts, er schien sich weder etwas (wie etwa ein Raum wie vorhin) zu nähern noch sich davon zu entfernen. Dennoch marschierte er weiter, bedenkenlos, tatsächlich nach dem Motto „Warum nicht?“, da er so sicher viel eher weiterkam als wenn er sich nicht von der Stelle rührte.
Er wurde nicht von körperlichen Makeln wie Erschöpfung, Hunger und Durst oder ähnlichem aufgehalten (wobei letzteres ihn sowieso eher vorangetrieben hätte), und wie gesagt, überzeugt war er, dass er keine andere Wahl hatte. Nur so eine bescheuerte unsichtbare Wand konnte ihn schliesslich stoppen. Diese war vielmehr eine magische Grenze als ein Gebilde aus Stein oder Holz, denn Sat konnte sie weder fühlen noch dagegentreten. Nur weitergehen konnte er an dieser Stelle nicht. Die Vermutung, dass es nur ein Pfeiler oder ein Teilstück war, starb sofort wieder, als er ihr viele Schritte in beide Richtungen folgte. Das war dann auch seine neue Hoffnung, einfach der Wand entlang gehen, früher oder später musste sie ja an ein Ende kommen. Noch immer war die Dunkelheit allumfassend: diese Magie hatte keine Farbe. Eben kam ihm aufs Neue der grandiose Einfall, sich seinen Weg selbst zu erhellen. Ein erfolgloser Versuch folgte jedoch dem andern. Kein Funken sprang über des Zauberers Kopf. Dies war offenbar eine Art Antimagie-Zone, wenn es so was überhaupt gab. Aber woher dann die Wand? Er irrte weiter, die unsichtbare Grenze bot ihm nur wenig Orientierung. Langweilig! Saturas wäre am liebsten tot umgefallen. Gerade, als er das zu sich selbst sagte, geschah es auch. Er fiel einfach um, auf den Rücken, schnurgerade, wie ein Pflock. Vielleicht war er nicht unbedingt tot. Aber sein Bewusstseinszustand war definitiv nicht sehr gut.

Er hatte eine Vision. Der Spiegel kam von oben auf ihn zu, und darin sah er etwas, jemanden. Eine Frau. Und Sand und Wasser und im Hintergrund nur den Horizont. Der Spiegel überkam ihn, er wurde ins Bild eingefügt. Sich wieder völlig lebendig fühlend schaute er sich kurz um und lauschte der leichten Meeresbrise, die die wenigen Bäume hinter ihm sachte wehen liess, und den kleinen Wellen, die den krönenden Schaum zu seinen Füssen trugen und rauschten. Sein Blick flog übers Wasser zum Horizont, über dem nicht weit die rötliche Sonne stand, deren ermunternde Strahlen auf der Oberfläche reflektierten; und zum hellblauen Himmel, der das Ganze schützend umgab. Eine herrliche Atmosphäre war das, paradiesisch, wenn man bedenkt, dass er nicht alleine war: die Frau kam langsam auf ihn zu, sie hatte langes blondes Haar und ein wunderschönes Gesicht, sie war, wie Sat erst jetzt auffiel, nur relativ spärlich bekleidet und offenbar sehr gut aufgelegt, sie freute sich, ihn zu sehen und lächelte ihn an. Sofort hatte er sie natürlich erkannt: Melyssa, ehemalige Amazonin und Magierin, seine grosse, erste (bisher einzige) Liebe. In der Folge dieser idyllischen, unendlich langen Momente am Strand (eigentlich auf einer Sandbank) in der Nähe des Amazonenlagers hatten sie ihrer Liebe leidenschaftlich Ausdruck verliehen.
Lange hatte er nicht an sie gedacht, nicht gewusst, wo und wie sie verblieben war, obwohl er sie sehr vermisste, nach ihr verlangte, nach einem einzigen Kuss, einer herzlichen Umarmung. Am Ende seiner Vorstellung erhielt er beides, sogar noch mehr, und das spielte sich nicht alles in seinem Kopf ab, er fühlte die Nähe, die Wärme, die Verbundenheit. Doch dann war es urplötzlich vorbei mit dem vollkommenen Glück. Dem Magier wurde kurz schwarz vor Augen und er fand sich wieder in einer gefährlichen Berglandschaft in der Nähe einer Klippe stehend, umgeben von tosendem, kalten Wind und ein paar milden Regentropfen, die gegen die Felsen prasselten. Auch hier war er nicht allein.
Er und sein zu diesem Zeitpunkt noch „junger“ Widersacher Sarevok hatten soeben kurzen Prozess mit einem ausserordentlich mächtigen Pelztier, einem Luzkan (so genannt von einem kühnen Abenteurer), der eigentlich nichts anderes war als eine an den Winter angepasste, ungleich grössere Form des nachtaktiven Schattenläufers. Wie auch immer, dieses Exemplar war tot und lag, durch Schwerter und Magie übel zugerichtet, einiges entfernt von Sarevok, der seinen Abstand zum Wassermagier langsam, aber stetig verringerte. Ob sie noch sprachen vor dem Kampf, wusste Saturas nicht, er wusste nur, dass es ein hundertprozentig ausgeglichenes Schwertgefecht war. Er selbst setzte nach einem Blackout erst am Ende desselben ein: erschöpft hielt er den eisernen Griff und drückte die Klinge, mit der er es unerklärlicherweise geschafft hatte, die Brust des Klons zu durchbohren, noch weiter nach vorne, wie im letzten Duell den Dolch; Sarevok liess sein (identisches) Schwert fallen und sank zu Boden, während das Langschwert (im Gegensatz zum Dolch) in Sats Hand blieb. Ihm wurde in diesem Moment bewusst, dass er nichts tun konnte, nicht anders handeln als damals. Er war nur Zuschauer im Kopf von seinem Selbst vor mehr als einem Jahr. So musste er beobachten, wie er nichts weiter unternahm, nicht abhaute, nur wartete, bis sich der Untote ganz unerwartet wieder erhob und ihn mit seinen gottähnlichen Kräften besiegte (man müsste sagen: regelrecht auseinandernahm), ihn schliesslich die Klippe herunterstürzen liess.
Nein, Moment, jetzt hatte er etwas durcheinander gebracht. Das waren zwei verschiedene Ereignisse. Nicht, dass er über diese Art Erinnerung auch die geringste Kontrolle hatte, aber sehr seltsam fand er das schon, dass sie vermischt wurden. Wer spielte hier mit ihm?
Plötzlich (wie immer) war er an einem völlig anderen, ihm unbekannten Ort. Er stand auf einer grünen Wiese, deren bunte Gräser ihm fast bis ins Gesicht reichten, er war nur ein kleiner Junge und blickte erstaunt in die grosse Welt hinaus, sah Wattestückchen am Himmel, monströs wirkende Büsche und Bäume ganz in seiner Nähe, ein Haus auf einem kleinen Hügel weit weg, und noch viele andere dahinter. Zwei andere Knaben, wesentlich älter, einfach gekleidet - nicht ganz wie er, der einen braunen, weichen Umhang aus Stoff trug, als wäre er damals schon Magier gewesen -, rannten fröhlich umher, sie spielten. Die Sonne lugte hinter den weissen Wattestückchen hervor und lachte, und er, der kleine Saturas (der 2.), das von den Eltern bevorzugte Wunderkind, war ebenfalls glücklich, wie er den andern beiden zusah. Und wieder - zack! war er in einer neuen Situation. Er kämpfte im dunklen Wald um das Leben seiner Liebsten, die entführt worden war, und um sein eigenes – mit seinen Brüdern. Kadmos und Baldur, die Älteren, die professionellen Jäger und trotzdem die Nichtsnutze, die weggeschickt, ja ausgestossen wurden. Noch nie hatte Saturas solchen Hass gegen Menschen (was Sarevok ja nicht war) verspürt, und in dieser Nacht tötete er seine beiden Brüder, vergoss sein eigenes Blut. Seither hatte er nie ernsthaft darüber nachgedacht, fühlte aber andauernd Reue, zum Teil auch, weil sie seine einzige Quelle zur Wahrheit seiner Vergangenheit oder seiner Vergangenheit überhaupt waren, denn darüber wusste er nur sehr wenig. Relativ gut reichte seine Erinnerung bis zur Stunde zurück, als er durch die magische Barrierenhülle geworfen wurde, doch weiter nicht.
Mit dieser letzten Vision wurde ihm auch klar, wer die beiden Jungen kurz davor gewesen sein mussten, und, dass es (was auch immer es war) ihm vielleicht noch mehr Einblicke gewähren würde…doch nichts da! Schluss, Ende, fertig. Mit der Flucht von der winzigen Lichtung, auf dem er den magisch abgefackelten Baldur zurückgelassen hatte; mit Melyssa auf seinen Armen (weil sie keine Schuhe hatte, trug er sie) endete der ganze Zauber. Aus der Traum.
Sat dachte erst ganz kurz, er wäre wieder auf der riesigen, finsteren Ebene, doch dem war nicht so: er stand jetzt tatsächlich in einem regelmässig beleuchteten, steinernen Gang, der ihm so unbekannt vorkam wie die meisten anderen Gänge, in denen er jemals gewandert war, dennoch sagte ihm etwas, dass er sich in schon gesehenen Gefilden aufhielt. Er war sich sicher, bei vollem Bewusstsein und wahrnehmungsfähig zu sein, und schritt eilig in die ihm korrekt scheinende Richtung, und befand sich bald vor einer Treppe, die er ganz bestimmt schon mehrmals benutzt hatte: er war unmittelbar unter dem Kloster. Endlich befreit. Bevor er jedoch die erste Stufe nahm, überkam ihn ein unbeschreiblicher Hunger, ebenso Durst und Müdigkeit. Das erfreute ihn umso mehr: er war eindeutig in der realen Welt, in der nicht einfach so irgendwelche unerklärbaren Sachen passieren oder irgendeine Macht in seinen Kopf eindrang und seine Gedanken verknotete oder sonst was damit anstellte. Als er die Treppe emporstieg, fühlte er sich ganz frei von Sorgen.
Seite 1 von 1  1