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[Story]Die Kronenburg
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07.04.2004, 22:02 #26
Heimdallr
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Sie erinnerte sich gut daran, an diesen nassen Apriltag, an dem sie überhaupt nicht aus ihrer Kammer heraus wollte und den ganzen Tag mit Sonja geredet hatte. Vielleicht war es ja ein Schicksalshieb, dass sie ausgerechnet über ihren Bruder geredet hatten und sie das erste Mal seit langer Zeit wieder an ihn gedacht hatte. Sofort kam wieder die Sehnsucht auf, sie wusste nicht warum, warum sie ihn so vermisste, warum ihr Hirn diese Gefühle aussendete, aber es war nun mal so. Sie wollte ein wenig Abstand finden, war deshalb, trotz des Schmuddelwetters auf den Hof gegangen und auf einmal sah sie ihn, wie er da durch die Anlage irrte und scheinbar irgendetwas suchte. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran, wie verzweifelt er da bei seiner Suche aussah und scheinbar keine Ahnung von der Abtei hatte. Noch viel interessanter war für sie allerdings die Frage gewesen, wie er sich an den Schwestern vorbeischmuggeln konnte. Doch das war alles nicht so wichtig, viel wichtiger war damals gewesen, dass er da war. Sie hatte sich an ihn angeschlichen und ihn von hinten umarmt, freilich spürte sie, wie er aufschreckte und sich umdrehte, doch dann war wieder alles gut. Als sie sich in den Armen lagen und minutenlang schwiegen und erst später ins Gespräch kamen, bei dem Talos ihr dann alles erzählt hatte, über das Kloster, seine Tätigkeiten und seinen Plan. Natürlich hatte auch sie viel zu erzählen gehabt und so hatten sie lange Zeit nur geredet und das an diesem anfangs so grauen Tag, war ihr Herz in strahlendem rosa aufgegangen.
07.04.2004, 22:09 #27
Heimdallr
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Viel wurde damals geredet, viel wurde damals auch geweint, viel wurde damals gestritten, viel wurde damals gelacht, viel wurde damals gesagt. Natürlich war es ein bitterer Abschied, genau wie sie ihn nie wollte. Nicht nur ihr brach es das Herz und oft stellte sie die Entscheidung in Frage, aber Talos hatte unmissverständlich gesagt, dass er wieder gehen wollte und er hatte gefleht, dass sie, Imoe, mitkommen solle. Sie konnte nicht ablehnen und ihr Herz wollte auch gar nicht ablehnen. Es wollte beides, bei ihren Freundinnen bleiben und nicht die Idylle der Abtei hinter sich lassen, aber es hätte es auch nicht verkraftet, Talos zu verlieren. Irgendetwas musste den Ausschlag gegeben haben, eine Sache, die sie nicht erkannte, noch nicht wiedergeben konnte. Doch es blieb wenigstens hier bei einem friedlichen Abschied. Die Nonnen bedankten sich, dabei hatte sie doch eigentlich zu danken. Ihren einzigen, mitgebrachten Besitz, den gestohlenen Eisendolch erhielt sie zurück, alles andere hatte sie im Kopf, das Wissen über den Bogen, über die Magie der Elemente. Bald wollte sie sich einen eigenen Bogen kaufen und auch einen für Sonja, bald wollte sie wieder kommen und feiern, so große Pläne waren es noch, die sie hatte, als sie die Abtei zu zweit verließen, doch die schöne Fantasie wurde spätestens an dem Zeitpunkt eingeholt als sie feststellte, dass sie kaum Gold hatten, wieder im Wald die Nächte verbrachten und nicht mehr nach Kronenburg konnten, zumindest nicht laut ihrem Bruder, damals hatte er das gesagt...
08.04.2004, 10:39 #28
Heimdallr
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Talos erhob sich von seinem steinernen Ruheort, ging ein paar Schritte zum Bach und labte sich dort an dem frischen Wasser. Steckte seinen Kopf in das strömende Gewässer und blieb zehn Sekunden darunter, ehe er wieder hochkam und nach Luft schnappte. Sein Gesicht war nun vollkommen nass und seine Haare waren voller Wasser, das jetzt langsam nach unten tropfte, auf seinen Brustkorb, auf seine bescheidene Klosterkleidung, auf seinen Novizenrock.

Der junge Sklave fühlte sich nun besser, er wollte die ganzen Erinnerungen nicht zu sehr dramatisieren, zu viel war passiert, auch im Kloster, auch in den zwei Jahren des Glückes, das doch nie vollkommen war. Erst jetzt, wo sie wieder in der Wildnis waren und keine warmen Decken mehr hatten, kein geregeltes Essen und auch keine Freunde neben sich, da verstand er, wie wertvoll dies alles doch war. Doch er hatte auch dieses Gefühl. Er fühlte sich so viel erleichterter, als er Imoe wieder neben sich hatte. Ihre blonden Haare, ihren schmächtigen Körper und ihre zarten, weißen Gesichtszüge, ihre Kornblumenaugen und ihre zarten Lippen... Seine Schwester war erwachsen geworden, zumindest gereift war sie. Als sie das Kloster verließ, er erinnerte sich, war sie noch ganz klein und kindlich. Sie war gewachsen und hatte nun ältere Züge bekommen. Die zwei Haare hatten ihrer Schönheit gut getan und doch wusste er noch immer nicht, was sie so quälte.

Er ging wieder zurück und setzte sich neben sie, im Schneidersitz, ausharrend, bereit sich zu unterhalten, ein Gespräch, nach dem langen Schweigen. Seine Gedanken waren lange genug bei der Vergangenheit gewesen, jetzt zählte die Gegenwart
08.04.2004, 10:48 #29
Heimdallr
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Imoe knabberte auf ihren Fingernägeln herum, jetzt waren sie wieder gut, doch irgendwie erschien das alles so sinnlos. Verstehen schien schwer, wenn man die Lösungen nicht kannte, Antworten nutzten nichts, wenn die Fragen nicht gestellt worden. Noch immer war die Abtei so nah und nicht in weite Ferne gerückt. Wie sollte es auch anders sein, war es doch noch nicht mal eine Woche her, seitdem sie in ihrem Bett eingeschlafen war, seitdem sie im Kräutergarten die Samen setzte. Sie verspürte ein leichtes Hungergefühl, in den nächsten Stunden würde es sich sicherlich noch stärker bemerkbar machen, bis dahin wollte sie etwas zu essen auftreiben. Hätte sie einen Bogen gehabt, wäre es nicht schwer geworden ein schönes Stück Wild zu fangen, aber sie besaß ja nichts weiter als den kleinen Dolch. Ein Dolch und die Kleider die sie am Leib trug, das war alles, war ihr geblieben war. Wahrer Besitz war schon immer ein Fremdwort gewesen. Imoe sah wie beiläufig auf ihren Finger, das rote Stück, dass dort in ihrem Blickwinkel lag. Sie musste lächeln, einfach so, denn sie besaß noch etwas drittes, außer den Kleidern und dem Dolch. Ein kleiner Ring, er war es, der ihren Finger zierte. Ein Schmuckstück, dass die Nonnen nicht gesehen hatten, das sie immer trug. Sie war sechs Jahre alt, ihr Bruder sieben, als sie noch immer in Kronenburg bettelten. Es war dieser Tag, als sie überhaupt nichts bekamen und schon seit drei Tagen nichts gegessen hatten. Imoe erinnerte sich noch gut daran, wie sie schrecklich an dem Tag geweint hatte und ihr Bruder hatte ihr dann diesen Ring geschenkt. Es waren Abfallreste aus Metall und das Glas hatte er aus einem Kirchenfenster geschlagen, einfach so, ohne nachzudenken. Der Ring war keine Schönheit, im Gegenteil, er war sogar hässlich, aber er hielt sich an ihrem Finger seit sie sechs Jahre war. Also nunmehr elf Jahre. Sie hatte an dem Tag sofort aufgehört zu weinen und mit dem neuen Spielzeug gespielt, ja, diese Erinnerung sollte auch bleiben, als schöner Tag in dunkelster Zeit.

Sie drehte sich wieder um, ließ die Zähne von ihrem Fingernägeln weg und sah zu Talos, der nur milde lächelte. Sein Gesicht zierten nun spiegelnde Wassertropfen und nasse Haare, seine eigentlich hellbraunen Haare waren dabei richtig schwarz gefärbt, aber das war eben das Wasser.
08.04.2004, 10:58 #30
Heimdallr
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Immer mal wieder ließ der ehemalige Sklave seinen Blick von ihr schweifen, sah hinaus in die Klippen oder hoch in den Himmel, besonders häufig aber sah er auf den Boden, nur wenn er sprach, sah er seine Schwester an. Talos hatte einen Plan, er war in ihm entstanden, als er auf dem Weg in die Abtei war und er war wagemutig, alles andere als sicher. Doch er wollte ihn auf jeden Fall durchziehen, zu viele Schmerzen hatte sein Körper erleiden müssen, zuviele Demütigungen seine Familie erdulden müssen. Er wollte sich an den Herren rächen und den Schatz der Kronenburg rauben. Dazu musste man wissen, dass Kronenburg zweierlei war. Einerseits war es der Name der Stadt, doch andererseits hieß auch die Burg so, die auf einem großen Hügel über der eigentlichen Stadt thronte. Kronenburg war verdammt reich, doch für die Bewohner blieb oft nur Armut. Doch er wollte sich auch an dem Gold der Adligen bereichern, er wollte den Schatz stehlen. Er wusste, dass es gefährlich war, doch durch die Bibliothek im Kloster kannte er auch einen Weg, einen Weg in die Burg, ein anstrengender Weg, doch er sollte sich lohnen. Doch er wollte Imoe nicht da mit reinziehen, wenn sie es nicht wollte. Er hatte sie beobachtet. Seine Schwester. Sie hatte immer noch eine Sehnsucht nach der Abtei, nach ihrer gewohnten Umgebung. Er wollte sie nicht da mit reinziehen, da er genau wusste, dass es mehr als nur gefährlich werden würde. Talos plante nämlich einen ganz großen Coup. Er wollte nicht nur stehlen, sondern auch töten. Er wollte sich so rächen, für den Tod seiner Eltern, den Tod an seinem Körper und dem Tod an Imoes Seele. Er wollte es tun, daran gab es keine Zweifel mehr, doch er wollte es auch alleine tun, alleine...
08.04.2004, 11:20 #31
Heimdallr
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"Du bist ganz schön gewachsen Schwester"
"Du aber auch Bruder"
"Ja, kann schon sein..."
"Was hast du denn?"
"Nichts, es ist nur...hör zu, ich habe dir noch nicht alles erzählt."
"Du willst zurück nach Kronenburg. Und du musstest aus dem Kloster fliehen."
"Nein, so ist es nicht. Ich musste nicht aus dem Kloster fliehen, ich hätte sogar bleiben sollen. Ich wollte einfach gehen, ich wollte zu dir, aber die Mönche meinten, dass ich mich für ein Leben im Kloster entschieden hätte, deswegen musste ich fliehen."
"Ach so war das..."
"Ja, ich wollte wegen dir gehen..."
"..." Imoe wurde ein wenig rot um die Backen, ließ sich aber nichts anmerken.
"Aber ich will auch nicht direkt zurück zur Kronenburg. Wir sind jetzt drei Tage von der Abtei weg und ich denke, es ist an der Zeit, dir die Wahrheit zu sagen."
"Die Wahrheit?"
"Ja, die Wahrheit. Ich habe in der Klosterbibliothek oft Karten studiert und weiß inzwischen, wie man in die Burg eindringt. Nicht die Stadt, sondern die Burg. Ich habe im Kloster einiges gelernt und ich bin bereit mich dem Schicksal zu stellen." Talos Stimme wurde energischer, doch sie schrie nicht zu Imoe, sondern zu der Kronenburg.
"Was meinst du damit, dem Schicksal stellen?"
"Mein Plan sieht vor den Schatz der Burg zu rauben. Außerdem möchte ich Rache und deswegen bin ich bereit zu töten. Ich weiß, es ist gottlos und für einen Klosterbruder nicht tragbar, aber ich bin immer noch an den Fluch des Sklaven gebunden. Meine Wunden sind noch immer so tief, die Bilder vom Tod unserer Eltern sitzen zu bitter. Ich kann nicht so leben, als ob nichts wäre. Deswegen werde ich mir meinen Weg mit Blut erkaufen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt."
"Ich..." Noch bevor sie zum zweiten Wort ansetzen konnte, unterbrach sie Talos schnell.
"Nein warte. Bevor du etwas sagst, lass mich bitte aussprechen. Ich weiß, dass du dir sicherlich nicht so etwas vorgestellt hast, deswegen möchte ich dir auch die Wahl lassen. Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, was ich ohne dich tun sollte, aber ich weiß auch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich beim Versuch den Schatz zu stehlen getötet werde, sehr groß ist. Ich möchte nicht, dass dir etwas geschieht, aber ich möchte dich auch nicht missen. Von daher liegt es ganz bei dir, ob du mich weiterhin begleiten willst Imoe. Gehe zurück zur Abtei oder komm mit mir, es ist deine Entscheidung...für mich gibt es nur diesen einen Weg..."
08.04.2004, 11:49 #32
Heimdallr
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Talos stand auf, nachdem er seine Worte vorgetragen hatte und schwieg. Er wandte sich von seiner Schwester ab, beobachtete viel mehr den Himmel, der sich langsam verdunkelte und nicht mehr lange hell bleiben würde, doch innerlich bebte er, denn er wusste, dass jetzt eine Entscheidung getroffen werden musste. Er hatte Angst vor der Entscheidung und trotzdem wusste er, dass es der richtige Weg war, ihr alles zu erzählen. Er war nie ein Lügner gewesen, Ehrlichkeit zog sich durch seinen ganzen Körper, wie ein weißer Faden und so hatte er zumindest sein Gewissen nicht enttäuscht.

Imoe hatte die Nachricht erst nicht schocken wollen, irgendwie wollte sie es überhaupt nicht erstaunlich finden, einfach in die Burg einzusteigen und dort die Juwelen und das Gold zu stehlen, obwohl es natürlich ein Schock sein müsste, doch dieser kam, als ihr Bruder noch weiter ausholte. Zuerst hatte sie ihren Mund weit aufgerissen und lange nicht mehr zubekommen, doch die ersten Vokale und Silben waren verstümmelt, wurden von ihrem Gehirn unterbunden. Eigentlich wollte sie erst rigoros aufschreien, doch sie tat es nicht, denn sie hatte eine Erinnerung. Sie wusste nicht was es war, aber eine innere Lust stieg in ihr auf, eine Wut, die sie all die Jahre unterdrückt hatte. Es war wirklich ein Hass auf Männer gewesen, der sich da in ihr gebildet hatte. Selbst beim absoluten frommen Meister Cain hatte sie manchmal ein unwohles Gefühl, wenn er sie aus seinen gierigen Augen ansah. Natürlich war es Blödsinn zu glauben, dass dieser Mensch etwas Böses tat, doch zu viele Männer hatten ihr das Gegenteil bewiesen. Einzig und alleine bei Talos war so ein Gefühl nie vorhanden, egal aus welchem Blickwinkel und egal wie lange er sie ansah. Doch sie hatte auf einmal Lust bekommen, an seinen Worten gefallen gefunden. Auch wenn es nicht möglich war, sie lächelte dabei und willigte ein.

"Ich will dich nicht mehr verlassen. Nie mehr Bruderherz. Und wenn du töten musst, dann will ich an deiner Seite sein, wenn du stehlen musst, will ich an deiner Seite sein und auch wenn du sterben musst, will ich nicht, dass du alleine stirbst. Wenn du also erlaubst, würde ich diesen Weg mit dir gehen...auch wenn ich nicht weiß, was uns erwartet."
08.04.2004, 12:02 #33
Heimdallr
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In Talos Gesichtszügen mischten sich entspannte Züge, sein Herz schlug langsamer und er war in diesem Moment einfach nur glücklich. Es wäre nicht schön gewesen, wenn er das letzte Mitglied der Familie schon wieder verlassen hätte und es wäre erstrecht nicht schön gewesen, alleine zu sterben. Die Gedanken an den Tod, sie beschäftigten ihn aber noch nicht, noch waren sie in zu weiter Ferne.

"Ist gut...dann wollen wir mal los oder?"
"Ja, ist gut...aber ich hab Hunger"
"Das kriegen wir schon..."

Gerade hatte er noch den Satz abschließen wollen, da schlug neben seiner Schwester ein Pfeil ein und verfehlte sie nur um Millimeter. Sofort schreckte Imoe auf und Talos blickte sich um, doch er sah weit und breit niemanden.

"Komm, schnell Richtung Wald!", waren seine einzigen Worte, die er fand, als an der Stelle, wo er stand, ein zweiter Pfeil einschlug. Er sah nach oben und konnte die Gestalt erkennen, wie sie an einer Klippe stand und den Bogen ein drittes Mal spannte, doch als der Pfeil noch flog, waren sie schon über den Bach getapst, gesprungen, gehechtet und direkt in den Wald geflohen, unmöglich sie noch einzuholen. Doch es war knapp, nur um Haaresbreite, hätte er sich mit dem Tod beschäftigen müssen...dabei waren sie noch nicht einmal in der Nähe der Burg...
08.04.2004, 12:31 #34
Heimdallr
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...........................Akt I

......................Der Beginn

Nur knapp waren sie den Pfeilen entkommen, doch sie waren den Pfeilen entkommen, das war die Hauptsache. Der Bogenschütze hatte sie verfehlt und sie hatten keinen Kratzer davon getragen. In den Büschen des schönen Laubwaldes, hatten sie Schutz gesucht und gefunden, nun atmeten ihre Lungen schneller, der Herzschlag nahm zu, bis sie wieder stehen blieben und abwarteten.

"Hast du eine Ahnung, was das war?"
"Nein, nicht die Geringste."
"Verdammt, irgendjemand wollte uns einfach abschießen."
"Und es wäre ihm fast gelungen."
"Hoffentlich ist dies kein Zeichen." Talos fasste sich an die Seiten, um besser atmen zu können und grübelte schon, wer der Schütze gewesen sein könnte."
"Ein Zeichen, dass uns jemand jagt?"
"Ja...möglicherweise...ich weiß, es klingt verrückt, aber es könnte sein, dass es noch immer Leute gibt, die das Kopfgeld kassieren wollen, damals, nach meinem Mord am Sklavenführer, da musste es sicher ein Kopfgeld gegeben haben..."
"Hm...ist doch jetzt egal."
08.04.2004, 13:40 #35
Heimdallr
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Die beiden schlenderten über den trockenen Waldboden, es musste lange nicht mehr geregnet haben. Die Äste waren schon zahlreich zu Boden gefallen, waren es doch noch Überreste des Winters. Denn nun, im Frühling, sprießen neue Äste an den Bäumen hoch. Bald schon würden sie treiben, neue grüne Blätter würden kommen und die Vorboten die jetzt schon daran hingen, noch verstärken. Nun wehte ein stärkerer Wind als noch zuvor und ließ die Bäume weit biegen, immer hin und her wippen, mal nach links, mal nach rechts. Einige der jungen Blätter hielten dies nicht durch und fielen ab, die meisten aber waren so stark verwachsen, dass ihnen dieser Frühlingswind nichts ausmachte. Talos hatte beschlossen, dass sie sich erst mal nur im Wald bewegten, allerdings immer in der Nähe vom Waldrand. Schließlich mussten sie für ihren weiteren Weg wieder in das Flussbeet eintauchen, denn nur über dieses führte der Weg zu ihrem Ziel.

Der ehemalige Sklave strich sich seine Haare wieder aus dem Gesicht, inzwischen hatten sie wieder ihre helle Farbe angenommen, doch niemals würden sie so schön sein, wie die von Imoe. Er hatte im Kloster fiel über Gott gelernt und so wusste er auch, dass der Herr den Menschen das Leben schenkte. Also musste er bei der Erschaffung bei den zwei Geschlechtern den weiblichen Wesen die Schönheit geschenkt haben, da war er sich ganz sicher. Schon in der Abtei hatte er einige schöne Wesen gesehen, genau wie seine Erinnerungen noch an Kronenburg hafteten. Doch nie war jemand so schön wie Imoe, doch das alles sagte ihm nicht viel, es sagte ihm eigentlich nur, dass er nicht schön war, aber er wollte auch gar nicht schön sein, es war ihm egal...
08.04.2004, 13:54 #36
Heimdallr
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Die Winde trollten sich wie mehrere Luftschlangen, die man aus kleinen Faserteilchen herstellen konnte. Sie waren voller Leben, pulsierten kräftig nach oben und fielen ab nach unten. Die kleinen Gräser auf dem Boden wehten hin und her und machten es den Bäumen gleich, obwohl sie es doch waren, die am wenigsten zu befürchten hatten. Ganz andere Sorgen mussten sie vor den Stiefeln der Beiden haben. Imoe hatte eigentlich ganz gute Stiefel, doch sie waren schon sehr lange abgetreten, schließlich trug sie diese schon seit zwei Jahren und langsam wurden sie wirklich zu groß. Das war auch eine der Wünsche, denn sie wollte so gerne mal richtige Stiefel tragen, so gerne bei einem Schuster für gutes Gold ein Paar Schuhe kaufen. Doch nun trat sie immer nur wieder über diese Grasbüschel und presste sie bei jedem Tritt in den Boden. Nicht mit Absicht, aber es war unausweichlich, denn man konnte fast nicht ohne. Die Gräser würden sich bestimmt wieder aufrichten, doch einige wurden herausgerissen oder in die Erde gedrückt. Auch hier tötete sie die Natur, dabei war sie sich keiner Schuld bewusst. Und außerdem tötete man sowieso jeden Tag, alleine die ganzen kleinen Insekten, die sie in Aufruhr versetzte, nur weil ihre Schritte ein Erdbeben auslösten. Doch im Moment war die Natur nicht präsent in ihren Köpfen, viel mehr folgte Imoe ihrem Bruder hinterher, der eine Karte vor sich hielt und daraus anscheinend einen Weg errechnen konnte. Sie hatte seit ihrer Einwilligung geschwiegen, sie wusste einfach nicht, was sie noch sagen sollte. Sie musste es auch erst mal verdauen, denn ihre Entscheidung, sie verstand sie nicht wirklich.
08.04.2004, 15:48 #37
Heimdallr
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Warum sie mitging, sie hatte es nicht verstanden, dass Verständnis müsste wohl erst kommen, aber irgendwann würde sich alles aufklären. Dieses flaue Gefühl im Magen, es wurde größer, aber irgendwie war da noch etwas anderes. Nicht nur ein hungerndes Zehren, sondern auch ein fremdartiges Etwas, das sie nicht erklären konnte. Sie konnte es sich nicht erklären, aber es war so, als ob ein junger Zweig mit Kirschblumenblüten über ihren Bauch strich und ihrem Herzen etwas zuflüstern wollte. Doch nicht alles konnte gedeutet werden, dies sollte zunächst nur eines von unzähligen, mysteriösen Geheimnissen auf dieser Welt sein. Genauso wie die Magie ein Geheimnis war, denn auch sie war unbekannt und hatte nie einen Kopf erreicht, bis zu dem Zeitpunkt, als sie in der Abtei vor Meister Cain und Schwester Sorbonne standen. Ob Talos es verstehen würde? Sie wollte es vorerst geheim halten, damit sich nicht zu viele Fragen ergaben, das war sicherlich das Beste.

Aber das Mädchen sah sich nun vermehrt nach Nahrung um, irgendetwas, was man fangen und essen konnte. Sie hätte auch vorlieb mit einem Pilz oder einem Apfel genommen, ein paar Waldbeeren, irgendwas eben. Der Waldboden wirkte manchmal so tot und dann war er wieder quicklebendig. Ein paar Spitzmäuse zuckten immer mal vorbei, genau wie einzelne, verirrte Hasen, aber sie waren alle zu schnell. Vielleicht wären sie auch mal auf Wölfe gestoßen, doch diese Tiere waren äußerst gefährlich und sicher keine guten Beutetiere. So musste sie zunächst einmal weiter fasten und hoffte, dass dies nicht noch lange dauerte, zumindest Wasser tröstete sie, das hatten sie genug.
08.04.2004, 15:55 #38
Heimdallr
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Die Ohren von Talos suchten nach Geräuschen, die nicht zu ihren gehörten, auch Tiere machten Fehler und traten auf morsche Äste und auch Menschen taten das. Wer weiß, ob dieser Jäger auf der Klippe alleine war. Vor diesem hatten sie vorerst nichts zu befürchten, denn die Klippe war zu hoch und zu weit weg war der nächste Abstieg, aber vielleicht war er nicht alleine und hatte noch Komplizen. Oder es waren noch mehr, als er sich vorstellen konnte, hinter ihnen her. Talos beschäftigte sich die ganze Zeit mit dem Grund und war bei seinen Überlegungen auch auf das Kloster gestoßen. Dort musste seine Flucht längst bemerkt worden sein, vielleicht hatte man inzwischen ja tatsächlich die Wachen in Kronenburg informiert. Aber welchen Grund sollten die Mönche gehabt haben? Er hatte weder etwas gestohlen, noch etwas getan. Er war als reine Seele vom Kloster gegangen, kein schwarzer Fleck hatte seine zwei Jahre dort getrübt. Wahrscheinlicher war wohl doch, dass es noch immer Leute gab, die sie jagten. Aber auch das war komisch, denn schließlich hatten sie sich verändert und wie wollte der Bogenschütze von dort oben auf der Klippe überhaupt erkennen, auf was er da schoss. Es war eine seltsame Sache, er traute dem Braten nicht so recht. Doch noch etwas bewegte ihn, denn er hatte ja gehört, wie Imoe meinte, dass sie Hunger hätte. So wollte er nicht nur seine Ohren, sondern auch seine Augen offen halten, damit sie heute Abend was zu essen hatten. Eine schwierige Sache, denn er hatte nicht das passende Werkzeug zur Jagd. Doch zumindest der Dolch, seine flinken Hände und sein Talent sich anzuschleichen, war ihm geblieben, vielleicht konnte man damit ja noch etwas anfangen.
08.04.2004, 16:04 #39
Heimdallr
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In der Luft lag ein Hauch von Tod. Er waberte um die ganze Welt und zwängte sie in sein enges Korsett. Doch das Leben hielt wacker dagegen und schlug den Tod an jeder Stelle...irgendwann...auf den großen Schlachtfeldern der Welt, dort, wo hunderte Menschen an einem Tag zu Boden gingen, dort aber war auch das Leben chancenlos. Dort, wo Vernunft und Einsicht herrschen sollten und doch nur Chaos und Hass wütete. Dort war der Tod zu Hause, er hing dort schwer in der Luft. Wenn sich die kriegerischen Parteien des Nachts zurückzogen und scheinheilig an einem Feuerchen saßen, tranken und speisten, dann konnte manch gebildeter, weiser Mann seine Nase weiten, die Augen schließen und gen Himmel schauen und einen tiefen Luftzug nehmen. Dann spürte auch er, dass es nach dem Tod roch. Und es roch deutlich danach. Man hätte fliehen sollen oder auch um Frieden betteln, doch man tat es nicht und opferte die Menschen lieber wie Nahrung. Doch man gab sie nicht an den Feind, an andere Menschen, die mit so einer mächtigen Rasse nichts anfangen konnten, sie nicht mal verspeisten konnten, nein, man gab sie einzig und alleine dem symbolisierten Sensemann preis. Und egal welche Partei auch als Sieger aus dem Schlachtfeld hervorgehen mochte, verdient hatte jeder den Tod, irgendwann...auf einer anderen Schlacht.

Zum Glück herrschte bei ihnen das Leben, doch auch bei ihnen war der Hauch dabei. Nur ein einziger Hauch, der aber schnell wachsen konnte, denn der Tod war nie zufrieden und auch nie satt. Er nahm alles und jeden, egal ob Pflanze, Tier oder Mensch. Doch vor allem Lebewesen mit Blut bevorzugte er, denn sie waren seine Leibspeise.

Ein Hauch...
08.04.2004, 16:11 #40
Heimdallr
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"Hey, schau mal, dort..." Talos deutete mit seinem Zeigefinger auf eine Stelle, bis eben war er noch vollkommen darauf fixiert etwas zu finden, bis ihm dieses wunderschöne Rehkitz ins Auge sprang.
"Wo? Ah, ein Rehkitz. Wie süß"
"Wie süß? Ich dachte eigentlich, dass das unser Abendessen wird."
"Hm...ja, schon in Ordnung. Es ist aber trotzdem süß. Und so jung. Es ist so...schon gut, töte es, wenn du es schaffst." Für einen Moment dachte Imoe an sie selber und sie wollte tatsächlich das Beispiel von dem Tag bringen, als ihre Eltern getötet worden. Sie konnte damit fast schon souverän umgehen, obwohl es ihr sehr wehtat, aber wenn sie das jetzt gesagt hätte, dann wäre wohl ein Donnerwetter auf sie niedergegangen. Außerdem hatte sie wirklich Hunger, da konnten sie keine Rücksicht auf Jung und Alt nehmen. Sie mussten nehmen, was sie kriegen konnten und da war nun mal dieses Rehkitz auf einmal da. Es rannte auch nicht weg, hatte es doch noch gar nicht bemerkt, dass es beobachtet wurde und Imoe war dafür, zu flüstern und dämpfte ihre Stimme.
"Aber wie willst du dich dem Tier denn nähern?"
"Lass das mal meine Sorge sein, bete einfach, dass es nicht aufschreckt, bis ich da bin. Denn so viele Chancen auf ein Abendessen mit Fleischanteil wird es nicht geben..."
08.04.2004, 18:41 #41
Heimdallr
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Talos erinnerte sich an das, was er von dem Mönch gelernt hatte. Jetzt sollte sich zeigen, ob er es denn auch in der Praxis anwenden konnte. Vorsichtig ging er in eine gebückte Haltung, um so das Gleichgewicht besser halten zu können, dann setzte er einen Schritt vor den anderen und gab Imoe ein Zeichen, dass sie sich nicht bewegen sollte. Vorsichtig umfassten seine Augen dann das Rehkitz, das mit dem Rücken zu ihm stand. Es aß Gras, schönes, saftig aussehendes Gras von einer Waldwiese, auf einer Wiese, wo auch Beeren zu finden waren, kleine Kleeblätter und Gänseblümchen und eben dieses saftig aussehende Frühlingsgras. Doch mit Beeren wollte er sich nicht zufrieden geben, er wollte das Fleisch des Tieres. Natürlich sah es süß aus, es gab fast nichts schöneres als ein junges Reh, er mochte die Tiere, vor allem Säugetiere, die etwas größer waren als z.B. eine Schnecke, aber dennoch, ihr primärer Nutzen bestand darin, sie zu ernähren und nicht schön auszusehen. Sie würden auch irgendwann getötet werden, obwohl sie leben wollten, da war sich der ehemalige Sklave sicher. Natürlich wollte das junge Reh nicht sterben, aber er würde auch nicht sterben wollen, keiner wollte das. Es war nun mal der Kreislauf von Leben und Tod, jeder musste mal abdanken. Der eine jung, der andere alt, das war bei Menschen so und auch bei Tieren, niemand konnte den Kreislauf des Lebens ändern, auch sie nicht. Noch hatte er es ja nicht einmal getötet, doch zumindest ein Versuch war löblich. Ob es gelang, das hing von dem Reh ab, von den äußerlichen Einflüssen und von Talos selber, doch dieser erledigte seine Arbeit souverän und hielt sich an die Worte seines Lehrmeisters.

"Immer schön langsam, einen Schritt vor den nächsten. Ästen, Scherben oder anderen lauten Sachen ausweichen, erst den nächsten Schritt tun, wenn das Gewicht verlagert ist. Und immer schön ein- und ausatmen, ein- und ausatmen..."
08.04.2004, 18:56 #42
Heimdallr
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Das kleine Kitz kam immer näher und sein Blick war mittlerweile auf das Tier fixiert, so dass er selbst einen Wolf übersehen hätte, der einen Meter neben ihn stehen könnte. Aber auf einmal machte das Kitz zwei Schritte nach vorne und Talos sah das schöne Essen schon entfliehen, da blieb es wieder seelenruhig stehen und futterte weiter. Der Jäger atmete auf und konzentrierte sich wieder...einen Schritt vor den Anderen...Gleichgewicht halten...aufpassen. Er kam dem Kitz immer näher und dann endlich war er in Schlagweite. Jetzt musste er ganz ruhig sein, er wusste genau, wie schwierig es war, es reichte schon, wenn es ein Geräusch gab, dass das Kitz nach hinten sehen ließ, er hatte keine Chance gegen das flinke Tier. Lautlos griff er zu seinem Dolch, den er sich an den Gürtel der Ordenskluft gesteckt hatte und umpackte den Griff. Es fühlte sich gut an, etwas in der Hand zu haben, doch gleichzeitig wurde es auch schwieriger das Gleichgewicht so zu halten. Doch jetzt war es sowieso fast vorbei, auf den entscheidenden Punkt kam es an.

Plötzlich musste ein starker Luftzug zu spüren gewesen sein, als seine linke Hand blitzschnell hervorschnellte und den Hals des Kitzes packte, in derselben Sekunde fuhr sein Dolch heraus und schnellte in den Hals des Tieres, das sofort Unmengen an Blut verlor. Er hatte es geschafft, in dem Moment, wo der Dolch den Hals durchbohrte, war das Tier geschlagen. Er hatte es geschafft, ihr Abendessen hatten sie sicher.
08.04.2004, 19:10 #43
Heimdallr
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Ohne Gegenwehr sank das Tier zu Boden, gab sofort jeden Widerstand auf und hatte sein Leben ausgehaucht. Ein guter Tod, ein sehr guter sogar. Niemand wollte langsam sterben, auch Tiere nicht. Er jedenfalls wollte einen schnellen Tod, am besten auch so, wie das Kitz eben, doch zuvor wollte er noch einiges erreichen. Natürlich war es Mord, doch weder die Kirche, noch das Kloster sagten etwas gegen diese Art von Mord. Tiere waren zum töten freigegeben. Ob er das gut fand, das wusste er so nicht, hatte er sich doch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, aber für Talos gehörte es dazu, dass man das nahm, was es gab. Man konnte da nicht groß wählen, es war einfach so, wenn man nichts besaß, musste man von dem wenigen leben, was man besitzen konnte.

Das warme, rote Blut rann ihm über die Finger, über die ganze Hand, tropfte noch zu Boden, als er die Klinge der tödlichen Waffe endlich wieder aus dem Hals zog und seinen Griff von dem flauschigen Hals des Tieres nahm. Er gab seiner Schwester noch ein Zeichen, aber die war ohnehin auf dem Weg zu ihm und so war also am Ende doch noch alles normal gekommen, so wie er es erwartet hatte. Aber als er so überlegte, fiel ihm auf, dass dies sein erstes, richtiges Jagdopfer war. Das erste Tier, das er ganz bewusst getötet hatte, um zu essen. Eigentlich war es ja mehr für Imoe, die so großen Hunger hatte, doch bis zum Abend würde es ihm nicht anders gehen. Doch bis dahin musste sie sich noch gedulden. Aber jetzt war es ja egal, die Beute konnte man ihnen nicht mehr wegnehmen.
09.04.2004, 16:01 #44
Heimdallr
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"Du hast es geschafft! Glückwunsch."
"Ja, geschafft. War reine Glückssache, aber ich denke, davon können wir heute Abend satt werden."
"Dankeschön."
"Ach ist doch auch für mich von Nutzen. Aber in einem hattest du Recht. Das Kitz ist wirklich süß."
"Ja nicht. Schade nur, dass es jetzt voller Blut ist. Das schöne Fell, es ist so schön weich." Imoe streichelte ein wenig über den Rücken des Tieres und fuhr mit ihren Fingern durch das noch so junge Fell, als sie das sagte.
"Hauptsache wir werden satt. Das ist auch wichtig. Lass uns mal langsam wieder in das Flussbett gehen, ich denke, hier im Wald kommen wir nicht weit und locken nur unnötig Gäste an, die das Blut sicher schon riechen."
"Ja, ist gut." Imoe nickte ihrem Bruder zu und ging schon sichtlich entspannter wieder in Richtung Flussbeet. Ein satter Gesichtsausdruck hatte sich auf ihrem Gesicht gebildet und der Grund war auch klar, denn das Essen würde sicherlich sehr lecker werden. Doch ein Problem sah sie noch, über das sie noch gar nicht nachgedacht hatten, sofort drehte sie sich wieder um und sah zu Talos, der sich an dem Kitz zu schaffen machte und es gerade schultern wollte, logisch, denn sie wollten ja noch nicht hier Rast machen. Das Tier war noch jung und sicherlich auch nicht allzu schwer. Aber eine richtige Vorstellung hatte sie davon nicht.
09.04.2004, 16:18 #45
Heimdallr
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"Hey, warte Mal."
"Hm?"
"Wie wollen wir denn das Kitz braten, ohne Feuer?
"Feuer...du hast Recht. Ja, hm, gute Frage. Ich wüsste da was, weiß aber nicht, ob es klappt. Ich hab in der Bibliothek einige Bücher gelesen und darunter war auch eins in dem stand, wie man Feuer machen konnte. Man brauchte dafür zwei gute Hölzer, die durch Reibung eine Stichflamme erzeugten. Oder aber zwei Steine, die man aufeinander schlug, um Funkensprühung zu bekommen. Das kann ich ja mal versuchen. Auf jeden Fall brauchen wir Holz. Such doch bitte etwas zusammen, hier gibt's ja genug. Und wenn du noch irgendwas zum anfeuern findest, wäre das auch gut."
"Ja, hier findet man ja genug, zum Glück isses nicht wieder so nass, wie noch vor zwei Jahren..."

Während Imoe nach dem Holz suchte, kümmerte sich Talos weiterhin um das Kitz, das er einfach über die Schulter nahm, so dass beide Seiten gleichmäßig verteilt lagen. So sollte es möglich sein das Gleichgewicht zu halten, ohne große Kraft zu verlieren, dachte er sich. Das Kitz war so leicht, dass er es gar nicht wirklich spürte und mit einer Hand noch extra festhielt. Gleichzeitig jedoch dachte er noch einmal kurz an die Flucht aus Kronenburg, von der Imoe gesprochen haben musste. Damals, da war das Holz tatsächlich nass...aber woher hatten sie noch all diese Erinnerungen, warum erinnerten sie sich immer wieder an irgendetwas davon, es war seltsam, wirklich seltsam...
09.04.2004, 21:31 #46
Heimdallr
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Die Blätter von den Bäumen fallen manchmal ab. Dann fliegen sie geschwind auf den Boden. Langsam und doch schnell. Aber wenn der Wind von den Blättern Besitz ergreift, dann werden sie durch die Luft geschleudert und fliegen über weite Strecken, in entfernte Länder und über große Seen. Dabei lassen sie eine Menge hinter sich und der einzige, der sie am Leben hält, ist der Wind. Der Wind trägt alles und jedem, auch die Lebewesen, die keine Flügel haben, fliegen, irgendwann, wenn ihre Körper zu Asche werden oder sie ins Erdreich zergehen...doch der Wind ist auch dafür da, dass er weite Strecken zurücklegt und zwar in Windeseile...

Mittlerweile waren sie schon weite Strecken auf dem Flussbeet entlang gelaufen. Die Klippenlandschaft hatte sich kein bisschen geändert und würde wohl noch eine lange Zeit ihr ewiger Begleiter aus Stein sein. Doch auch der Bach plätscherte nach wie vor an ihnen vorbei, mal war er weiter weg, nahm er doch auch oft Kurven und Biegungen, mal war er direkt neben ihnen, aber er würde auch noch lange ihr Begleiter bleiben. Talos hatte das Kitz geschultert und trug es ohne Probleme mit sich. Das Blut, das es noch immer verlor, tropfte dabei auf seine fromme Klosterkleidung, doch das war ihm egal. Bald würde ohnehin noch eine ganze Menge Blut fließen. Imoe indes trug ein paar Äste und Zweige, dazu noch ein paar trockene Flechten und trockenes Gras, das sie zum anzünden benutzen wollten. Die Nacht war hereingebrochen und die beiden gingen ihre letzten Schritte für den heutigen Tag.
09.04.2004, 21:48 #47
Heimdallr
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"Es ist schon lange dunkel, sollten wir nicht langsam rasten?"
"Ja, in Ordnung, leg das Holz am besten irgendwo an eine Stelle, ein paar Meter vom Bach entfernt, dann können wir das Feuer direkt löschen."
"Ja, in Ordnung."

Imoe suchte sich eine schöne Stelle, wo man sich auch gut hinsetzen und am besten auch hinlegen konnte, dann legte auch Talos das erlegte Kitz ab und nahm gleich zwei schöne Äste heraus und spitzte sie mit seinem Dolch schön an. Während seine Schwester noch das Holz und die Flechten und das getrocknete Gras gut hinlegte, machte er sich dann daran dem Tier die ersten Fleischstücke rauszureißen. Es war eine sehr rabiate Methode und kostete auch erneut sehr viel Blut, obwohl die eigentliche Blutung am Hals mittlerweile versiegt war, aber das machte dem ehemaligen Sklaven nichts. Blut hatte er genug gesehen, als das es ihn noch schockieren konnte. Blut gehörte mittlerweile zu seinem Leben. Eine Flüssigkeit, die er verehrte, die er aber nicht als heilig ansah. Mit dem Dolch war es schwer, die zähnen Stücke zu durchschneiden, kleine Sehnen waren ein Horror, die Haut eigentlich weniger. Es gelang ihm trotzdem genügend Fleischstücke herauszuschneiden, so dass sie auf jeden Fall satt werden müssten. Blieb nur noch das Feuer. Er ging zum Bach, wusch sich seine Hände gründlich ab und trocknete sie an seinem Rock, danach nahm er die beiden kleinen Holzgriffel, die er sich extra im Wald besorgt und zurecht geschnitzt hatte und fing an. Das trockene Gras und die Flechten, sowie dünne Holzäste hatte er dahingelegt und fing an zu reiben. Es musste doch irgendwie möglich sein, Feuer zu entzünden...
09.04.2004, 22:53 #48
Heimdallr
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Es dauerte eine ganz schöne Zeit und seine Hände fühlten sich schon bald an wie Schmirgelpapier, aber dann endlich wurde eine Flamme erzeugt, die über das trockene Gras ging und sofort auch die Flechten entzündete. Vorsichtig legten sie das gesammelte Material nach und legten die ersten, kleinen Holzzweige darauf.
Nach "nur" fünfzehn Minuten brannte das Feuer endlich, auch über die größeren Hölzer ging es nun. Es würde nicht lange halten, vielleicht zwei Stunden, danach würde es noch eine kleine Nachglut geben, aber auch nicht sonderlich lange, aber die Zeit würde ihnen reichen, um das Fleisch anzubraten und sich ein wenig zu wärmen. Danach wollten sie ohnehin schlafen, je eher desto besser, denn dann würden sie vielleicht noch zu Sonnenaufgang aufwachen.

Sie steckten die groben Fleischstücke des Rotwilds auf die angespitzten Stöcke und hielten sie ins Feuer. Langsam ergriffen die Flammen Besitz von dem Fleisch, umhüllten es fast vollständig und sorgten dafür, dass das Blut verbrannt wurde. Es wurde jegliches Wasser entzogen, kleine Fetttropfen fielen zu Boden, die Haut des Kitzes, die sie nicht abgezogen hatten und sogar noch das erste Fell dranließen, sie wurde nun auch angebrannt, bekam einen dunkleren Ton. Das Fleisch hingegen wurde warm, je länger sie es in das Feuer hielten, umso wärmer und schon bald konnten sie essen. Essen einer Beute, die sie selber gefangen hatten. Es war ein Essen, dass sie sich verdient hatten.
10.04.2004, 12:12 #49
Heimdallr
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Zart schmeckte das dunkle Fleisch, war aber noch heller als sonst, da es ja noch ein Jungtier war. Als Talos das Fleisch zerkaute und die einzelnen Stücke von dem Stock abbiss, als er das Fleisch mit seinem Speichel benetzte und die letzte Flüssigkeit, die darin enthalten war heraussaugte, als er den zarten Geschmack des wunderbar weichen Fleisches auf seiner hinteren Zunge spürte und dann herunter schluckte, fühlte, wie das Fleisch die Rachenwand berührte und die Speiseröhre hinunter fiel, bis es irgendwann im Magen ankam, die ganze Zeit über spürte er keine Reue oder gar eine Schuld. Es war zu lecker, als das man sich fragen musste, ob es wirklich ein verdienter Tod war. Kaum jemand hatte den Tod verdient und ein Tier schon gar nicht, aber ein solch leckeres Tier würde er jederzeit wieder umbringen. Es war nun mal ihr Essen und ohne das Fleisch wäre es schwer zu überleben, denn genug Gold um sich Nahrung zu kaufen hatten sie noch lange nicht und selbige Naturpflanzen zu finden, von denen man auch satt wurde, das erwies sich als schwer, gerade jetzt im Frühling, wo für nichts eine wirkliche Erntezeit war.

Auch Imoe schmeckte das Fleisch gut, aber sie kämpfte zumindest noch am Anfang mit der Frage der Schuldigkeit, biss nur ganz vorsichtig in das Fleisch, während sie darüber nachdachte, ob es denn rechtens wäre ein solch schönes Tier zu töten, doch schlußendlich gewann doch der Hunger und sie knabberte die Fleischstücke bis auf die Knochen und kleineren harten Stücke ab. Sie hatten die letzten drei Tage nicht viel zu sich genommen und deswegen war der Hunger auch ziemlich hoch. Aber das ganze Tier schafften sie natürlich nicht, es gab schließlich auch Stellen, die sie lieber unberührt ließen. Imoe hatte zum Beispiel eine Abneigung gegen Organe. Diese konnte man zwar auch essen, würde sie aber nie tun...zumindest nicht jetzt...der Hunger nahm manchmal diabolische Formen an...
10.04.2004, 12:26 #50
Heimdallr
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Dunkle Lichter lagen über dem Land, ein schwarzer Schatten hatte Besitz von allem ergriffen, die Tiere schliefen seelenruhig oder gingen nun auf Nahrungssuche, nur einige Menschen wollten dem Lauf der Dinge nicht Einhalt gebieten und zündeten noch immer ein Feuer, eine Kerze oder eine Fackel. Doch auch diese sollten die Nacht nicht vertreiben, niemals sollte es gelingen. Die bösen Geister, sie waren gar nicht böse, im Gegenteil, sie schenkten der Landschaft einen ganz neuen, ganz fremden und interessanten Teil seiner Existenz. Auch wenn man noch einige Stimmen hörte und das ewig gleiche Plätschern dasselbe blieb, die Ruhe kam nur in der Nacht, denn am Tag herrschte mehr Leben als sonst.

Nach ihrem ausgedehnten Mahl, waren die Geschwister noch eine Weile dagelegen und hatten sich die schönen Sterne angeschaut, die heute an einem wolkenlosen Nachthimmel standen. Doch irgendwann hatte sich die erste Verdauung gelegt und man wurde müde. Hatte man doch schon so lange nicht mehr geschlafen. Die Augen, sie schlossen sich, wurden müde, schwerer, träge. Irgendwann konnten sie sich nicht mehr halten.

Imoe schreckte noch einmal auf, als sie etwas spürte. Als sie hinsah konnte sie nur sehen, wie der kleine Finger von ihrem Bruder über ihre Hand gerutscht war und wie er nun auf dem Steinboden lag. Ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder und bald legte auch sie sich wieder hin und schlief ein. Was für ein komisches Gefühl das doch war...
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