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[GM] Fluch der Vergangenheit
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21.09.2003, 21:34 #251
Samantha
Beiträge: 12.569

Samantha stand regungslos auf der Waldlichtung, den Blick starr auf das dunkle Fleckchen Erde gerichtet, auf dem bis eben noch Daschnavar mit seinem übermächtigen Lachen gestanden hatte. Das eben Geschehene mochte noch nicht ganz den Weg in ihr Bewußtsein finden. Der Dämon hatte gesiegt, die Gruppe aus Kriegern und Magiern hatte es nicht geschafft ihn zu vernichten. Auch wenn er etwas angeschlagen worden war und viele seiner Diener verloren hatte, so kamen mit Sicherheit bald neue herbei und würden ihn zu neuer Macht führen. Ihr Scheitern legte einen tiefen Schatten auf die Gruppe.

Noch tiefer jedoch traf der Tod Angroths. Die hohe Templerin richtete ihren ausdruckslosen Blick stumm auf den reglosen Körper ihres Freundes. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals. Steif ging sie zu ihm und kniete sich nieder. Er sah so friedlich aus, die Lippen bleich und die Augen geschlossen. Samantha streckte zaghaft die Hand aus und fuhr mit ihren Fingern über die blasse Wange. Ungewohnt kalt war sie. Kalt und leblos.
"Beim Schläfer, das darfst du nicht zulassen...nicht...bitte...nicht...", flüsterte sie tonlos und eine Träne tropfte hinab auf die Stirn des bleichen Templers. Sie blinzelte und drehte sich zu den anderen herum.
Zwei Schwarzmagier waren schon wieder im Aufbruch, keiner wollte länger als nötig an diesem Ort verweilen. Samantha sah flehend zu Trulek hinauf, der neben ihr stand.
"Bitte...hilf mir, wir müssen ihn auf die Trage legen und ihm Hilfe holen", sagte sie leise und hob sanft den Kopf des Templers an.
Trulek schaute etwas überrascht, da doch jede Hilfe in diesem Fall zu spät schien. Dennoch holte er die Trage von Rango herbei, der ja nun jetzt wieder von selbst laufen konnte, und gemeinsam hoben sie Angroth darauf. Samantha bestand darauf den Bruder selbst zu tragen, auch wenn Trulek ihr natürlich dabei helfen musste, da der Templer doch ein gewisses Gewicht hatte.

Sie machten sich auf den Rückweg. Samantha blieb kurz nochmal stehen und schaute sich um. Der Ort würde ewig in ihrer Erinnerung haften bleiben. Gerade wollte sie sich wieder herumdrehen, da funkelte etwas in ihrem Augenwinkel auf. Es war Angroths Schwert. Schwermütig hob sie es in die Höhe und betrachtete es. Erinnerungen wurden wach. Wehmütig steckte sie es ein, keinesfalls sollte es hier zurückbleiben. Ein letzter trauriger Blick auf den reglosen Freund auf der Bahre, dann zogen sie davon.

Der Wald schien noch dunkler als auf dem Hinweg. Je länger sie wanderten, desto dichter wurde er. Kein Laut durchbrach die Totenstille, welche sich über das triste Blattwerk gelegt hatte. Nicht mal ein Käuzchen schrie, kein Rascheln im Unterholz von nachtaktiven Nagetieren. Der Wald war ein einziger Friedhof, ein Platz des Todes und der Vernichtung. Sie wollten ihn so schnell wie möglich hinter sich lassen.

Nach Stunden scheinbar hatten sie endlich wieder die Ebene erreicht. Der Weg war dieses Mal kürzer, da sie nicht den Umweg über den Gletscher nehmen mussten. Dennoch fraß die bedrückende Stimmung, die sich über die Gruppe gelegt hatte, jegliche Aussicht auf Hoffnung oder gar Freude auf. Der Verlust ihres guten Freundes und die Niederlage gegenüber Daschnavar lastete schwer auf ihren Gemütern.

Fast wie in Trance hatten sie die Ebene durchquert und sahen bald schon die Lichter Gorthars in der Ferne aufleuchten. Die halbe Nacht mochten sie hindurch gewandert sein, keiner wollte eine Rast machen. Sie wollten weg von diesem Ödland, welches ihnen nur Kummer und Schmerz beschert hatte.
Als sie die großen Stadttore erreicht hatten, blickte sich Samantha nochmal um. Lange schaute sie in die Dunkelheit hinaus, stumm und mit feuchten Augen. Irgendwo dort draußen war der Ort des Schicksals, der ihr so böse mitgespielt hatte. Doch irgendwann würde sie zurückkehren, mächtiger und zuversichtlicher. Und dann musste sich Daschnavar warm anziehen. Er mochte einen Teilsieg errungen haben, doch die Schlacht war noch nicht ausgefochten.

Entschlossenen Blickes drehte sich die hohe Templerin wieder herum und betrat mit den anderen die Stadt Gorthar. Wenn Angroth es nicht mehr tun konnte, sie würde den Clan der Ruchká rächen. Wenigstens das war sie ihm schuldig, das fühlte sie.
Stumm schritten sie durch die nächtlichen Gassen Gorthars. Ihr Weg führte sie geradewegs zum Hafen, dem einzigen Weg heraus aus diesem Land.
Einer der Schwarzmagier hatte ihnen Boote organisiert, denn das große Schiff war verschwunden. Keiner wunderte sich wirklich als einer der Hafenarbeiter ihnen erzählte, dass das Schiff samt Besatzung vor einiger Zeit wieder ausgelaufen war. In Anbetracht der anderen seltsamen Vorkommnisse mit diesem Gefährt war sein plötzliches Verschwinden geradezu vorauszusehen gewesen.
Sie mussten also Boote für die Rückfahrt benutzen. Mit Sicherheit kein Leichtes, denn das Wetter war instabil und sollte sich das Wind verstärken, würden sie hart kämpfen müssen auf dem weiten Meer. Doch der Drang zurück nach Hause war stärker als alle drohenden Naturgewalten. Einer nach dem anderen fand Platz in einem hölzernen Gefährt. Samantha ließ Angroth sanft neben sich nieder und setzte sich dann auf eine Holzbank. Den ganzen Weg über hatte sie kein einziges Wort gesagt.
21.09.2003, 22:07 #252
Greis
Beiträge: 27

Eine sanfte, nach Salz schmeckende Brise fuhr durch den Mantel des Alten, der in einer dunklen Ecke des Hafengebietes stand, und zusah, wie die besiegten Gefährten mit dem toten Clansmann das Südland verließen.
Mit ernstem Blick sah er ihnen nach, während er sich gebeugt auf seinen Wanderstab stützte. Seine buschigen, grauen Augenbrauen waren zusammengezogen, sein Gesichtsausdruck verhieß Betroffenheit. "So sollte es nicht enden." murmelte er undeutlich.
Die Frage, warum der letzte mit Sicherheit bekannte Nachkomme der Ruchká nicht auf seinen Vorschlag gehört hatte, das Schwert der Familie wiederzufinden und gegen ihren Feind zu schwingen, war einfach unerträglich und führte zu keinem schlüssigen Ergebnis.
Schwer schnaufte er, Daschnavar hatte ein weiteres Mal gegen ihn gesiegt. Doch trotzdem würde er nicht aufgeben, er hatte einst diesen Schwur geleistet, er würde ihn nicht brechen.
Bei seinem Blute war er den Ruchká verpflichtet, und seine Aufgabe war noch nicht beendet. Dieser hier, Angroth, er war noch nicht verloren. Er musste nur seine Seele zurückerlangen, Daschnavar hatte den Wald nur für diesen Zweck einst erschaffen, und nun war er von keinem Wert mehr gewesen.
Die Seele, sie war kostbar. Es würde nicht die Aufgabe des Greises sein, die Seele zurück zu erobern, aber es war seine Aufgabe, den Körper des Menschen nicht vergehen zu lassen bevor er nicht den Feind allen Lebens dieser Region bezwungen hatte! Er würde der Seele des Templers ihre Hülle wiederaufbereiten, das war seine Aufgabe.
Entschlossen schloss er die Augen, klammerte sich mit beiden Händen an seinen Stab als wäre er das einzige, was ihn vor einem tiefen Fall bewahren würde, und murmelte in einer alten, längst vergessenen Sprache.
Er dehnte seinen Geist aus, tastete nach der sterblichen Hülle des letzten Ruchká, umfasste sie mit seiner magischen Kraft. "Oh" entrann es ihm, stark hatte der Körper leiden müssen. Es erinnerte ihn an sich selbst, damals ... in diesem Winter ...
seine Konzentration geriet ins Wanken, er verlor den Kontakt; rasch wischte er die Vergangenheit beiseite und konzentrierte sich erneut.
Jetzt spürte er das ganze Ausmaß der Verletzung, der Brustkorb war stark angeschlagen. Ein geschäftiges seufzen drang aus dem Mund des Alten, dann streckte er die Hände aus, lehnte den Wanderstab an seine Brust.
Uralte Symbole zeichnete er in die Salzige Meeresluft, ein gleißendes Glimmen folgte nun seinen Andeutungen, ein Bild formte sich vor dem Alten in der Luft, während er sanft vor sich hinsummte, die Augen geschlossen.
Und dann beendete er sein Werk, öffnete plötzlich die Augen und sah nur die Dunkle Nacht, der Mond stand hoch am Himmel. Er keuchte. In seinem Gedächtnis hatte sich das Bild eingebrannt, die Wunden des Templers waren gestillt, nach langer Zeit des Todes hatte er der leblosen Hülle Leben eingehaucht.
Der Atem des jungen Mannes hallte in den Ohren des Greises, und zufrieden lächelte er, als er sich wieder an seinen Stock klammerte, als habe er nie etwas anderes gemacht. "Mehr kann ich nicht tun, befreie deine Seele.
Deine Aufgabe ist noch nicht beendet, Angroth ..."
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