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Die Siedlung Drakia #5
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02.12.2003, 20:11 #251
Isabell
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Die Stärkung war nur von kurzer Dauer, sie konnte nach wie vor kaum was essen, nur ein kleines Wurstbrötchen, als sie dann noch eines mit Käse nehmen wollte, war ihr endgültig genug, sie legte das Zeug zur Seite und ging wieder auf die Bettkante zu, wo sie sich setzte und etwas auf ihn schaute, sie konnte in diesen Stunden wirklich nicht mehr tun, außer zu warten, zu warten und zu warten, nebenbei konnte sie aber auch viel nachdenken, nicht nur in ihren Träumen, sondern auch so, dabei ging es nicht mal unbedingt um den Kranken oder um ihre Geschichte, es gab manchmal auch ganz nette Erinnerungen, an die Zukunft, aber auch an die Vergangenheit, doch in der Gegenwart hatte sie nicht wirklich viel zu lachen, doch was sollte sie schon tun, wenn sie irgendwie mächtiger wäre, dann hätte sie vielleicht die Macht, wie diese Alte Frau, doch konnte sie sich nicht beschweren, noch mehr Macht? Wie wollte sie das nur anstellen?

Nebenbei war es mal wieder Zeit für die "Fütterung", schließlich hatte die Alte gesagt, er braucht jeden Tag einen Löffel voll von dem zähen, geruchlosen Sirup. Sie war schon verwundert, was sie hier eigentlich tat, einen Erwachsenen, zumindest glaubte sie das, so ganz sicher war sie da nicht, zu füttern, das hätte sie nie für möglich gehalten. Wenn sie ihm das erzählen würde, dann würde er lachen, ja das würde er, dass wenn sollte sie sich verkneifen, denn das würde alles passieren, nur musste sie daran auch selber glauben.

Eine kleine Hand ging über seine Wangen, wie öfters in letzter Zeit, aber auch sonst, der kleine Silberlöffel in der Hand, mit der Ampulle, wie gestern, zwei Tropfen darauf, dann war der Löffel voll, mit der Nadel schabte sie das Zeug ab, in seinen Rachen fallend, danach ein paar Schluck Wasser hinterher, aber eigentlich war es egal, er spürte das doch eh alles nicht oder? Sie konnte nichts weiter tun, so legte sie sich wieder neben ihn in das Bett, es war komisch, er lag da wie eine Leiche und sie lag neben dieser Leiche, doch fühlte sie keinen Abscheu oder irgendwelche anderen abwenden Gefühle, er war nur irgendwie weg, doch bald würde das alles zuende sein, das sagte sie sich immer und immer wieder...
03.12.2003, 13:56 #252
Isabell
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Ein Sonnenschein fiel über die Fensterscheibe, direkt auf einen kleinen Holzbalken, dem das aber nichts ausmachte, Isabell hatte nicht wirklich was zu tun gehabt und beschloss mal das Fenster zu öffnen, denn was sollte sie schon groß tun, jede Abwechslung war ihr lieb, denn diese quälende Langeweile war echt nicht auszuhalten, es war ja nicht direkt langweilig, es war schon sehr anstrengend, da man ja wirklich jede Sekunde auf etwas hoffte, doch der Körper, der Rythmus, er empfand dieses Nichtstun schon als abbauend und so übertrug er das auch auf die Nerven, die das eben an das Gehirn weiterleiteten und so entstand dieser quälende Mechanismus, es war ein böser Kreis von immer wiederkehrenden Geschehnissen und Abläufen.

Als sie das Fenster öffnete, da fiel ihr noch zuvor etwas auf, denn das Fenster war beschlagen, es war richtig beschlagen und das konnte nur auf eine sehr kalte Nacht und einem sehr kalten Tag hindeuten. Tatsächlich tropften einige Wasserperlen langsam ab und als das Fenster mit einem Ruck geöffnet wurde dann auch ganz deutlich kleine Rinnsäle mit tropfenden Wasser.
Draußen hatte sich ein dicker Nebel gebildet, das war also dafür verantwortlich, nun ja, es konnte sicher schöneres Wetter geben, doch so war es nun mal und das konnte man leider nicht ändern. Die Sicht war nun wirklich extrem niedrig, sie konnte nicht mal mehr den Hafen und das Meer erkennen und das konnte sie normalerweise bei normaler Sicht, aber so schaffte sie es gerade mal bis zu einem Stück der Dorfmauer und ein paar Konturen von anderen Häusern, wirklich eine Seuche mit diesem Nebel. Wenigstens hatte die Luft etwas sehr klares, es war sehr gut zu atmen, auch wenn es etwas drückte und schwer lag, wenn man einen vollen Zug nahm, doch wenigstens konnte sie für ein paar Minuten vergessen, einfach nur gedankenverloren raus schauen, dieses prickelnde Gefühl der kalten Luft auf der recht wenig bedeckten Haut spüren und nur in die tiefe Suppe aus Weiß-Grau schauen und mal an nichts denken, das ging wirklich gut, doch hielt nicht ewig, wenigstens war dann mal etwas frische Luft in das Zimmer gekommen, vielleicht würde er dann früher aufwachen, wenn er gute, sauerstoffreiche Luft bekam, doch so wirklich überzeugt war sie davon nicht.

Die Sachen von gestern lagen da noch immer, an dem Käsebrötchen konnte sie noch etwas knabbern, aber bei dem Apfel verging ihr schon wieder der Appetit und nur wiederwillig schluckte sie ihn herunter, nun hieß es wieder warten.
03.12.2003, 14:36 #253
Isabell
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Stimmen des Schicksals

Ich hab dir ja gesagt, dass sie inzwischen soweit ist, diese Prüfung wird bald zuende sein. Was glaubst du, wollten sie damit erreichen?

Es ist mir egal was sie wollten Tarugie, es ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, was sie wollten oder was nicht, wir sind dazu bestimmt darüber zu wachen was da unten vor sich geht, mehr nicht, persönliche Gefühle obliegen anderen, du hast doch gar nichts davon, immer und immer wieder darauf einzugehen.

Wahrscheinlich hast du Recht...

Ganz bestimmt sogar.

...aber dennoch ist es meine freie Wahl dies zu tun, nur weil wir zu irgendwelchen Aufgaben bestimmt sind, heißt das noch lange nicht, dass uns alles verboten werden kann. Erinnerst du dich nie an die Zeit, als du noch genau wie die beiden da unten warst, wo du noch keine Position hier eingenommen hast und wo es nichts gab, das ist alles nur Vergangenheit, aber nicht Vergessenheit, du kannst es nicht vergessen, du kannst es nur verdrängen. Du fühlst dich in dieser Pflicht scheinbar erfüllt, nun ich tu das nicht, es ist eine Schande, das alles so passiert ist Pator.

Ach Tarugie, was reißt du den alte Wunden auf, du solltest mich gut genug kennen, es hilft nichts. Lass uns unseren Pflichten nachgehen und unsere Dienste gehorsam verrichten, es gibt nichts anderes mehr. Die Aufgaben sind gestellt, die Bahnen werden gelenkt, nun liegt alles an ihnen, die Aufgabe ist schon lange erfüllt...

Aber warum?...

Es ist eine fortführende Geschichte, hast du dich nie gewundert, warum die alte Frau auf einmal so einfach aufgetaucht ist...
03.12.2003, 15:23 #254
Isabell
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Es herrschte trotz der nun deutlich frischeren Luft eine sehr gedrückte Stimmung in dem Raum, es war auch logischerweise kälter geworden und Isabell fragte sich, ob es wirklich so kalt sein musste, sie ging zum Kamin und kniete davor, sie hatte nicht so wirklich Ahnung, wie man denn ein Feuer entzünden konnte, sie hatte es zwar schon oft gemacht, aber das war immer eine Fummelei, das konnte Pergamo viel besser, bei dem stand der Kamin in ein paar Minuten licherloh in Flammen, doch darauf konnte sie nun auch nicht hoffen, also legte sie neue Scheite in die Kaminöffnung und legte noch etwas Reisig nach, damit es auch gut brennen konnte. Auch ihr fiel der beißende Geruch von Tanne und Fichte auf, der hier in der Nase lag, es war schon ein komischer Geruch, er hatte etwas wie aus dem Wald, als ob sie von einem solchen kommen würden, doch das war leider nicht so, Wald gab es hier ohnehin nicht allzu viel, es war eben ein Küstendorf, das am Meer lag, felsige Küsten lagen hier viel näher an einer Steppe mit wildem Gras und wilden Tieren, als eben große Nadelwälder, schon komisch, woher dieses Holz kam, sie konnte sich gar nicht daran erinnern, es musste wohl schon eine sehr sehr lange Zeit dort liegen, oder es wurde erst hineingelegt, als sie nicht mehr da war, doch Spuren von einer Bewohnung des Hauses hatte sie nicht vorgefunden, es war nur alles sehr verstaubt gewesen, doch das hatte sie alles gut wieder hinbekommen.

Als das Feuer dann endlich brannte, blieb sie noch lange davor sitzen, gemütlicher wäre es unten in den Sesseln gewesen, aber das war genau so unmöglich wie ein Spaziergang, alles war an dieses Zimmer gebunden und die Hände ebenso, es gab nur ganz wenig, was man hier hätte machen können, doch eine Idee hatte sie, nämlich ihre Wäsche mal wieder zu waschen, sie hatte die ganze Zeit die Zeit dafür gesucht, doch nun hatte sie sie gefunden, es war ein sarkastisches Bild, doch was blieb denn schon?

Mit einem Nicken notierte sie das ganze in ihrem Kopf, was gab es denn noch zu tun? Staubwischen konnte man nach all den Wochen auch mal wieder....eine lange Liste von Hausarbeiten fiel ihr spontan ein, doch war es eigentlich alles so bescheuert, wie konnte sie daran nur denken, an Arbeit....
03.12.2003, 16:26 #255
Isabell
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Ja wirklich, sie machte sich wirklich Sorgen, ausgerechnet an Arbeit zu denken, aber sie konnte es drehen und wenden, wie sie auch wollte, es fiel ihr kein gescheiter Grund ein, der dagegen sprechen würde, zwar war es etwas makaber, da man so tat als ob alles in Ordnung war und einfach arbeitete, doch was sollte sie sonst tun, den ganzen Tag sterben vor Vorwürfen und Angst um Pergamo? Das hätte er sicher auch nicht gewollt und da die Alte nichts gesagt hatte, was man tun konnte, außer diese zwei Sachen, konnte man auch nicht direkt helfen, wenn er aufwachen würde, dann wäre sie sofort da, außerdem war mit der Arbeit ja kein Alltag hergestellt, denn sie würde immer an ihn denken, wie sollte sie auch sonst, war er doch dauernd in ihrer Nähe. Tja, es war die Frage, ob sie das wirklich machen durfte, aber sie tat es, es half ja nichts, gar nichts...

Man erkannte schon wie schwer es ihr fiel, diese ganze Situation war total schwer für die junge Frau, auch wenn sie harte Schicksalsschläge gewohnt war, das übertraf noch mal alles, denn wenn sie wüsste, dass er tot war, dann hätte sie wenigstens eine Antwort, etwas, woran man festhalten konnte, doch so konnte sie nur rätseln, nur zweifeln und genau die Ungewißheit war es, auf der alle Ängste aufbauten, es entstanden erst Zweifel und Depressionen dadurch und auch die Hoffnung müsste man nicht nähren, wenn es Gewißheit gäbe. Doch was war ihr lieber, vielleicht die schwerste Frage der sie sich je gegenüberstand, eine tote Leiche mit Gewißheit oder ein scheintoter Körper mit Ungewißheit....
03.12.2003, 16:46 #256
Isabell
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Ich würde mich für die Hoffnung entscheiden, was denn sonst. Es gibt keine Sicherheit, man wird sich nie sicher sein können, selbst wenn er mich wirklich lieben würde und ich das auch wüsste, selbst wenn alles stimmen würde, gewiß wäre nur die Unsicherheit, man konnte das doch nicht mit Sicherheit sagen, es war nur eine ganz wacklige Brücke, man konnte jederzeit herunterfallen, ich weiß nicht, was es ist, die Einsamkeit tut uns Menschen besser, aber ich fühle mich dennoch zu anderen gezogen, wie sonst kann man erklären, dass ich immer noch hier bin, war es nur eine kleine Episode, war ich hier nicht wirklich glücklich? Doch das bin ich, es ist nicht immer schön hier und die Wildnis bietet eine ganze Menge, aber eben anderes, niemals diese Geborgenheit, es gibt mir selbst Kraft, wenn mich andere Menschen loben oder sich bedanken, es ist eine Bestätigung seines Wesens, seiner Existenz, doch ist es bei ihm mehr als nur das, ich fühle bei anderen Menschen immer etwas gutes, doch lassen mich die Ängste nicht los, dass einmal etwas passieren könnte, die breite Masse folgt allen so komischen Leitzielen, dass eine Frau eh nichts kann, nur gut für den Herd ist und für das ein oder andere dazu. Sie denken, sie sind stärker und besser in allem. Sie respektieren die Frauen nicht und diese lassen sich das auch noch gefallen...

Von diesen Frauen die sich Amazonen nennen, von denen ich hörte, sie schienen da anders zu sein, sie waren selbstständig und hatten eigene Gesetze, einen eigenen Platz zum leben und bestimmt noch vieles mehr, schade, dass ich so wenig über sie kenne, doch gefällt mir diese Art auch nicht, die vollständige Abschottung gegenüber den Männern. Aber ich hörte, dass sie auch Männer in ihr Lager ließen, doch für was? Egal, das spielt eigentlich alles keine Rolle.

Jedenfalls wird man als Frau die kämpfen kann noch immer nur belächelt, auch wenn die Leute wie der Wirt oder auch die vielen Drakianer immer sehr nett und zuvorkommend sind, ich glaube, dass sie sich immer noch über mich wundern. Genau das tut er nicht, er hat anderes im Sinn, das spüre ich, er hat mich schon seit unserer ersten Begegnung respektiert, dieses Band, dass ihn hinderte mich zu töten, was war das bloß? Es muss etwas sein. Er hat mich immer als gleichwertige Partnerin empfunden und hat sogar Zugeständnisse gemacht, die nicht nötig waren, teilt sein Gold mit mir und macht mir Versprechen, die so gar nicht typisch sind und dann noch dieser Respekt, das war immer das, was ich mir gewünscht habe, nie war jemand so zu mir, er hat etwas von meinem Vater, er war ähnlich wie er...

Keine Frage, ein Tod von ihm wäre nicht akzeptabel, nicht wenn ich mich nicht an seinem Mörder rächen kann, nicht wenn er einfach ohne Grund stirbt, ich muss es wissen, erst muss ich Gewißheit haben und auch dann werde ich alles dafür tun, dass es ihm gut geht, ich stehe in seiner Schuld, das weiß ich, bevor ich mich nicht revanchiert habe und endlich weiß, wer er wirklich ist, wird er mir nicht wegsterben, dafür wird schon irgendjemand sorgen und wenn es ein Gott ist.
03.12.2003, 17:40 #257
Isabell
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Mitten in ihren Überlegungen hörte sie ein Geräusch an der Türe, ein Klopfen. Ein Klopfen? Sofort eilte sie runter, wenn das wieder die alte Frau wäre, vielleicht könnte sie ihr jetzt endlich genaueres sagen. Sofort öffnete sie die Türe, doch es war nicht die alte Frau, sondern nur ein Junge, vielleicht zehn Jahre alt, sie kannte den Knirps, das war doch der, der so gerne ein Schwerttraining von Pergamo wollte, oder irrte sie sich da? Schon komisch, dass das Schicksal ausgerechnet ihn an dieser Türe klopfen ließ und dann noch in dieser Situation. Er hielt einen weiteren kleinen Korb in der Hand...

Ich bringe euch das Essen. Vom Wirt meine ich. Der schickt mich.

Schon gut Junge, du kannst gerne reinkommen, wenn du willst, ich hole schnell den von gestern, sonst gehen dem Wirt noch die Körbe aus.


Das war es also, der Bote von der Taverne, na dann, dann war es doch nicht die Alte, also doch keine neuen Erkenntnisse, wenn sie wieder kommen würde, dann würde sie sie nicht so schnell gehen lassen, sie wollte unbedingt mal wissen, was Pergamo eigentlich hatte, diese Krankheit war doch nicht normal. Vielleicht verheimlichte sie ihm auch was, wer weiß, es war jedenfalls gut möglich.

Den Korb hatte sie schnell geholt, ob der Junge wusste, oder ahnte, dass der Fürst hier wohnte, wahrscheinlich nicht, über die Krankheit konnte er auch nichts wissen, denn davon wusste noch niemand im Dorf und es war auch besser so, dass es niemand wusste. Sie gab dem Jungen den Korb zurück und versuchte zu lächeln, was irgendwie gelang, danach verschwand der Kleine wieder, hatte wohl selber keine große Lust dazubleiben, naja, sie hatte auch nicht wirklich Zeit, sich um ihn irgendwie zu kümmern, außerdem warteten sicher schon seine Eltern auf ihn, das Essen nahm sie dann wieder hoch und setzte sich an den Tisch um zu essen...

Es war wirklich seltsam, manchmal dachte sie gar nicht daran, aber in Momenten wie diesen fiel ihr selbst das Schlucken des Essens schwer, es war eine sowas von bedrückende Stimmung in ihrem Kopf, sie musste dann immer daran denken, dass sie hier einfach aß und er da lag und vielleicht sonstwas durchmachte und manchmal, da war dies alles weg und sie konnte alles normal so machen, wie sie es auch sonst machen würde, das war wirklich ein komischer Zyklus.
03.12.2003, 21:01 #258
Isabell
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Der Tag hatte sich zum Ende geneigt, es war einerseits schön, denn so konnte sie nun wieder schlafen und eine große Anzahl von Stunden wegstreichen, davon träumen, dass er wieder wach würde, wenn sie aufwachte, aber andererseits war es auch wieder die Angst, dass nach dem aufwachen alles so war wie bisher. Wenigstens hatte sie sich inzwischen damit abgefunden, schlafen zu müssen, denn es wäre ganz übel gekommen, wenn sie krampfhaft versuchen würde hier doch zu wachen, es half nichts, es passierte doch sowieso nichts, er blieb am Tage und in der Nacht regungslos da, war er auch regungslos in der Welt, in der Fantasiewelt? In der Traumwelt? In der schwarzen Welt? Gab es noch eine andere Welt? War er da vielleicht auf einer großen Wanderschaft und sehnte er sich nach ihr? Würde er sie vielleicht genau so vermissen, wie sie ihn jetzt? Wahrscheinlich schon, sie spürte das, wenn er es konnte dann tat er das auch.
Eigentlich war es das einzige, was sie noch hoffen ließ, das er selber noch hoffte, dieser böse Zauber, was anderes konnte es ja nicht sein, hatte ihn zwar seelisch unter Kontrolle, doch seine Gefühle konnte er nicht brechen, er konnte sie nur nicht mehr durch Worte, durch Mimik und Gestik, oder durch Bewegung zeigen, doch verloren waren sie trotzdem nicht.
Manchmal, wenn sie ganz nah an seinem Herzen war, da meinte sie es zu spüren, aber die Rüstung war doch sehr hinderlich dabei, sie fragte sich, was diese häßliche Skelettfratze da überhaupt zu suchen hatte, es war das einzige, was sie immer fürchtete und was ihr auch nicht geheuer war, sie hatte Angst vor diesem starrenden Ding, war das vielleicht auch der Sinn? Angst erzeugen? Sie hatte sich nicht getraut ihm die Rüstung auszuziehen, als ob sie ihn schützen würde, als ob sie ihm Kraft auf dem Weg gab, auf dem er nun war. Wer weiß, das alles waren nur Gefühle, Dinge, die man nicht wirklich ernst nehmen konnte, die man nicht erklären, nachlesen oder verstehen konnte, aber man wollte das auch gar nicht verstehen, man wollte nur fühlen, nur ein gutes Gefühl haben.

Und irgendwann, wenn du wieder wach bist, dann wirst du mir alles erzählen, was du erlebt hast, wo du warst und was du gefühlt hast, dann wirst du mich fragen, was denn passiert sei und ich werde dir alles erzählen, danach wird niemand mehr einen von uns seines Geistes rauben können, das wäre nicht gerecht, das wird nicht passieren, dann wird es aber auch Zeit, endlich Gewißheit zu schaffen und es wird Zeit sich zu überlegen, wie es weitergehen soll, das alles wird sehr bald passieren, da bin ich mir sicher.

Alles war erledigt, zumindest für heute, wieder ein Tag voller Warten, ein Tag voller Wunden, doch heilte es vielleicht schon, wer weiß, sie konnte viel in dieser Zeit lernen, eine Zeit der Selbsteinsicht? Hauptsache die Hoffnung, dass er erwacht, war nicht vergebens, hoffentlich war sie das nicht.
04.12.2003, 13:41 #259
Isabell
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Auch heute war nichts passiert, bis jetzt zumindest, denn jede Sekunde konnte es schon anders sein, aber noch immer war keine Verbesserung eingetreten. Immer noch war alles beim alten, diese Ewigkeit die hier zu sehen war, keinen Zentimeter hatte sich sein Kopf bewegt, keine Mundstrukturveränderung, er war körperlich wirklich tot, nur noch die wichtigsten Dinge arbeiteten, immer und immer wieder, Herz, Aoarta, Atem, das war's. Wie in einem Schlaf, es sah nicht schlimm aus, nur ruhig und regungslos da liegend, nur nichts tun, kein Etwas, das alles nur in einer Art Ohnmacht...

Der Tag fing spät an, doch war es doch zu früh, es war wie immer zu lange, denn mit jedem Erwachen fing doch nur wieder das warten an, immer und immer warten, es war wirklich verdammt, dieses Gefühl, es dauerte jetzt etwa vier Tage und immer noch hatte sie sich nicht daran gewöhnt, wie sollte sowas auch schon Alltag werden, wie konnte es nur, sie schaffte es nicht eine Distanz herzustellen, sie war emotional einfach viel zu sehr davon betroffen, da konnte man keinen Abstand gewinnen, in keinster Weise, zu keiner Zeit, niemals. Jeden Tag an dem es länger dauerte wurde etwas schlimmer, denn so länger sich das in die Länge zog, desto weniger Hoffnung hatte sie, dass es schnell zuende sein würde.

Auch die Alte hatte sich jetzt schon ne ganze Zeit nicht mehr blicken lassen, war sie vielleicht schon wieder weg? Sie wollte es nicht hoffen, aber es würde schon mal gut tun, endlich zu erfahren, was er denn eigentlich hatte, denn eigentlich gab es diese Krankheit doch gar nicht, oder etwa doch? Wieso wusste sie nur so wenig darüber, sie hatte doch keine Ahnung, alles war so schwer in den letzten Tagen, sie fühlte sich auch zunehmend selber schlecht, nicht körperlich, sondern psychisch, es zerrte, es zerrte an ihren Nerven, aber sie würde stark sein, nur wenn sie stark war konnte sie das schaffen.
04.12.2003, 14:03 #260
Isabell
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Stille. Ein kurzer Zug durch die Luft, dann wieder Stille.

*Tack*
*Tack*
*Tack*

Ihre Fingernägel fielen im passenden Takt auf den Tisch, das einzige Geräusch, dass jetzt durch den Raum ging, der Takt beruhigte sie irgendwie, immer regelmäßig auf den Tisch schlagend, immer gleichbleibend, ihr Blick hatte sich an die Decke gerichtet, Holzbalken ragten heraus, waren jedoch so stabil, dass sie keinen Regen hindurchließen, ansonsten hätte man mit Pech das alles wieder abdecken müssen, doch das hätte sie jetzt lieber getan, als nur dazu hocken.

Langsam stand sie von dem Schemel auf und nahm das Goldsäckchen, eine Menge Goldmünzen waren darin, er hatte es auf den Tisch gestellt und dann nichts mehr damit gemacht, sie wollte ihn immer fragen, was es denn darstellen sollte, oder für was man es benutzen sollte, doch es kam keine Antwort, es war nicht mehr möglich, es war nur eine von unzähligen Sachen, von unzähligen Dingen, die sie erfahren musste, eine Frage, so unwichtig wie alles andere auch, doch das musste geklärt werden.

Sie stand im Raum, ohne wirklich einen Sinn in dem allen zu erkennen, das restliche Abendessen hatte sie heute morgen gegessen, es kam ganz gut so hin, das Abendessen hatte sie sowieso fast nie aufessen können, es war immer zuviel und sie aß auch zu wenig, doch so hatte sie wenigstens noch ein Frühstück, die wenigen Gänge, die sie erledigen musste, es waren meistens Grundbedürfnisse wie Wasser holen oder frische Luft schnappen, kaum Abwechslung, kaum eine Art von Aufregung, doch die hätte sie eh nicht vertragen, wenn schon dieser Schmerz, dann brauchte sie auch die Ruhe, dass alles war schon so schwer genug...
04.12.2003, 15:45 #261
Isabell
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Dieser Schmerz, immer wieder kam er hoch, jeden Tag war es irgendwie im Großen und Ganzen das Gleiche, doch im Detail war jeder Schmerz anders, jeder Schmerz sagte etwas anderes aus, immer wieder gequält von den Zweifeln, mit Selbstvorwürfen gepeinigt und mit der Last der Schuld belastet, das alles machte die Situation nicht besser, eher noch schlimmer, doch waren diese ganzen Qualen noch so schlimm, so hatte sie immer noch nicht verzweifelt, noch war alles im Guten, die schöne Zeit und die Erinnerung daran, die funktionierenden Organe und die Worte der Alten, dass alles ließ sie hoffen, sie würde niemals aufgeben, nicht jetzt, nicht hier, nicht bei ihm, es durfte einfach nicht sein, wenn es so wäre, dann hätte man es auch gleich tun können, wieso sollte es noch Hoffnung geben, wenn es eh schon zu spät war, dieser Schlaf, diese Ohnmacht, sie würden enden, man wachte immer wieder auf, man war nie für immer weg, wie ein Schlag auf den Kopf mit einem schweren Gegenstand, man ist für eine lange Zeit nicht mehr imstande irgendwas zu tun, doch dann wacht man wieder mit Kopfschmerzen auf und alles ist wie immer. Ja, so oder so ähnlich muss es sein, so kann es nur sein, wieso auch nicht, ein Schlag oder ein Blitz, das ist doch eigentlich das gleiche und außerdem hat bestimmt noch nie jemand einen Blitzschlag in einen menschlichen Körper untersucht, von daher konnte es durchaus sein, dass diese Ohnmacht die Form davon ist, nur eben mit einer längeren Phase der Abwesenheit.

Was sie auch tat, zu erklären war es alles sowieso nicht, nur warten konnte man, warten und hoffen. Isabell ging hinunter und kramte den erst kürzlich benutzten Badezuber heraus und fühlte ihn mit Wasser, danach ging sie wieder hoch und holte alle ihre schmutzigen Kleider und Klamotten, auf dem Weg nach unten gab sie dem Daliegenden noch einen Kuss auf die rechte Wange und ging dann leicht abwesend hinunter, sie wusste auch nicht, wieso sie jetzt runter ging und Wäsche wusch, doch es warauch gut, irgendetwas zu machen lenkte sie ab, es war nur gut für sie, irgendwie glaubte sie nicht mehr daran, dass er sobald wieder aufwachen würde, aber dass es irgendwann mal passieren würde, davon war sie fest überzeugt.
04.12.2003, 17:27 #262
Isabell
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Gedankenverloren ging die Wäsche in das Wasser, glitt vorsichtig hinein und wurde sofort aufgesaugt, schwer wurden die leichten Stofffetzen, sie waren vollgesaugt mit dem kostbaren Nass, doch das war im Überfluss hier, der Brunnen versorgte sie alle mit kostbaren Wasser, da brauchte sie keine Scheu haben es zu verschwenden, aber mit Regenwasser wollte sie ihre schönen Kleider dann doch nicht waschen.
Eine kleine Melodie sang sie während der Prozedur, sie konnte sich gar nicht so richtig auf das Lied konzentrieren, zu sehr war ihr Herz voll Trauer und Hass, Hass auf all diejenigen, die immer das schöne Leben eines Menschen zerstörten, es waren nicht mal die Räuber und die Banditen, nicht mal die Orks oder die Soldaten, einfach allgemein die Feinde, die einem immer wieder das nahmen, an dem man hing und sei es nun der Tod persönlich. Das alles wollte sie schon lange nicht mehr, es war mittlerweile so normal geworden, während andere daran zugrunde gegangen wären, hatte sie es bis hierher geschafft, aber nun, nun sollte sich die Vergangenheit wiederholen, diese kurzen Momente wurden von längeren durchzogen und selbst wenn in diesem Fall nicht der Tod das letzte Mittel war, nicht das letzte Wort sprach, selbst dann würde wieder alles so sein wie vorher, daran konnte auch ihre Willensstärke nichts ändern, denn in diesem Punkt wurde sie vor langer Zeit einmal gebrochen, wieder alles wie immer und wer weiß, ob es endlich das Letzte war, es konnte jederzeit wieder passieren.
Das Lied wurde immer trauriger, den Text hatte sie so oft gesungen, dass sie ihn nicht vergessen konnte, doch ihre Stimme schien die Worte zu verschlingen, immer leiser, immer leiser, nur noch ein Flüstern war zu hören und der Kampf um die Tränen begann erneut, doch heute mit einem anderen Sieger, denn sie weinte nicht, sie arbeitete einfach weiter, unaufhörlich, ohne Pause, ohne nachzudenken, immer nur leise singend, immer nur die Wäsche waschend, sie wollte und konnte nicht mehr, aber mehr wollen als können, es war alles schon viel zu schlimm geworden, so weit hätte es niemals kommen können, alles geriet hier aus den gewohnten Bahnen und sie mitten drin, wieso nur, was war der Grund dafür, es musste doch eine Erklärung geben, es konnte doch nicht sein, dass es immer so weiter ging, dass diese Bahn nie aufhörte...

Bald schon, bald schon, ein Ende in Sicht, die letzte Prüfung, bald schon, bald....
04.12.2003, 18:13 #263
Isabell
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Die Wäsche, sie war jetzt sauber, sie war jetzt wieder so, wie sie sein musste, die ganze Arbeit erledigt, alles so egal, wen interessierte das schon, es war nur ein Mittel zum Zweck, irgendwie abzulenken, abzulenken von den eigentlichen Sorgen, den Problemen, den Ängsten, den Zweifeln...wie viele Wörter beschrieben denn bloß ihre Gefühle, so viele und jedes Wort schlimmer als das andere, alle hatten sie Recht. Die Ablenkung war nur zwiespältig gelungen, zwar hatte sie es geschafft, sie war tatsächlich von ihm weggekommen, hatte ihn da oben ganz alleine sich selbst überlassen, doch selbst hier unten war sie bei ihm, ihr Geist, ihr transparentes Abbild saß da oben an dem Bett, den ganzen Tag, egal wo sie war, es war doch immer jemand da, um für ihn da zu sein, doch solange er nicht aufwachte und da oben ein Teil von ihr war, solange könnte sie auch nicht ohne diese ganzen Gefühle leben, es war viel zu viel passiert, ein normaler Umgang war deswegen nicht möglich, man musste es irgendwie schaffen, auch wenn man selber dabei viel opferte, sie opferte wirklich viel, ihre ganze Kraft, die sie wiedergewonnen hatte, alles nur in der Psyche, nicht in der Physis, aber trotzdem würde diese im Zweifelsfall nichts tun können, hier gab es nichts, was menschliches Fleisch gefordert hätte, nein, nur auf die Seele legte man hier wert und diese schrie, sie schrie so erbärmlich um Hilfe und keiner konnte sie hören, so quälte sie sich weiter, egal was auch geschah, aber nicht aus Schuldbewusstsein, Ehrgeiz oder einem Anreiz nach etwas, es war nur ihre tiefe Verbundenheit, egal was sie sich zu erklären versuchte immer noch fühlte sie es und auch war es klar, dass sie bei jedem anderen auch so gehandelt hätte, wenn sie je in eine ähnliche Situation kommen würde, wollte sie nicht alleine sein, auch wenn alleine sein oft besser war, weil man so eine Klarheit hatte und niemanden weh tun konnte, so wollte sie das nicht mehr, es war schrecklich, wenn man alles alleine machen musste, genau wie sie es musste, weg von allen, weg von ihrer Mutter, weg von ihrem Vater, weg von ihrem Bruder, weder über ihren Vater, noch über ihren Bruder wusste sie mehr Bescheid, die Mutter von ihr gegangen und durch ihr Leben hier auch ohne Freunde, nur abgetrennte Kenner, aber keine tiefseeligen Menschen, wie konnte sie es nur verhindern, wie...sie war so schwach, so unendlich schwach, wäre sie doch nur etwas stärker, könnte sie das alles ändern, doch so...blieb nichts als die Schwäche, blieb nichts als die Ungewißheit...

Die Wäsche, natürlich, die war ja auch noch da, sie wrang sie ordentlich aus und hing sie dann im Zimmer auf, den Kamin hatte sie entzündet, er brannte so schön und Pergamo war so gerne hier gewesen, nur ein letztes Mal wollte sie in seine Augen sehen, nur einmal. Dieser Wunsch, war er denn zuviel verlangt, wann war denn endlich genug? Selbstzweifel...ein Scheitel fiel ihr aus der Hand...was war das? Stille. Ein Herz? Ein Klopfen.

*Poch*
*Poch*

Der Bote...nur der Bote...
04.12.2003, 20:16 #264
Isabell
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Nun hatte sie den Tag wieder rumgebracht, nur wieder ein weiterer Tag, es war wieder einmal nichts passiert, welcher war es heute denn? Das Essen war genauso lustlos in ihrem Rachen gelandet, wie auch der Rest, wie immer, ein verschenkter Tag, wieder nichts passiert, etwas nützlich im Haushalt gemacht, doch war das nicht das, was sie sich wünschte, total daneben, wie immer...

Die klare Luft draußen, sie war angenehm, doch fühlte sie sich damit nur noch gedankenverlorener, hier am Fenster lehnend konnte man so gut nachdenken, nur war das momentan nicht gerade gut für sie, denn egal wie sehr sie doch versuchte an etwas anderer zu denken, es klappte einfach nicht, es war immer wieder dasselbe Thema.

Es zerfraß sie, jetzt schon mehrere Tage, immer wieder hörte sie das gleiche, sei stark, gib nicht auf, kämpfe dagegen an...wogegen denn, wo man keine Ahnung hatte, konnte man auch nicht gegen ankämpfen. Ihr war ja selber klar, dass es so nicht weitergehen konnte, dass sie aber gleichzeitig nie aufgeben durfte, niemals ihre Hoffnung verlieren und den Glauben an ein Erwachen verschenken. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie diesen Blitz abbekommen hätte und nicht Pergamo, er wäre sicher nicht so drauf, er hätte schon gewusst, was zu tun war, ganz bestimmt sogar.

Diese Ruhe, niemand war mehr draußen, es wurde in den letzten Tagen immer kälter, kein Wunder, der Winter kam herbei und das mit großen Schritten. Ob es wieder schneien würde? Vielleicht, doch das war alles nicht so wichtig, wichtig war nur, dass diese Kälte nicht auf Personen überging, sie mussten warm bleiben.

Wahrscheinlich waren sie alle in der Taverne, da war sie auch schon lange nicht mehr, mal abgesehen von ihrem Kurzbesuch neulich. Sie vermisste diese Stimung ein bisschen, doch wollte sie da jetzt nicht sein, die Heiterkeit war nichts für sie, doch der Wirt, er war sicher weniger froh darüber, dass immer weniger Wild kam, doch da konnte sie nichts ändern, jetzt rausgehen und jagen, nein, das konnte sie nicht, das war unmöglich.
04.12.2003, 20:58 #265
Isabell
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Noch immer stand sie da, sah in den Mond und überlegte, es war eine schöne Nacht, wirklich schön, die Sterne lagen total klar da und sie sah auch diesen großen, glänzenden Stern, wie nannte der Junge sie immer? Polarstern. Ja, so hieß dieser Stern wohl und sie trug seinen Namen, wieso hatte er sie so genannt, was hatte sie mit diesem Stern gemeinsam? Vielleicht die Größe und den Glanz? Nein, bestimmt nicht, aber wahrscheinlich dachte er an etwas ganz anderes, etwas tieferes. Sie erinnerte sich an das Gedicht, dass er ihr geschrieben hatte, sie wollte es so gerne noch mal lesen....

Sie wusste nicht genau, wo er es hatte, doch dieses Buch, vielleicht war es ja darin, er hatte es als einziges Überbleibsel von seinem Tavernenzimmer mitgebracht. Sie öffnete es und bemerkte, dass dieses Buch gar kein richtiges Buch war und auch keine richtigen Seiten hatte, aber darin waren mehrere Pergamentblätter, sie trugen seltsame Titel wie "Orkballade" oder "Mondfinsternis", sie erkannte sogar ein paar Szenen selber darin, die Texte waren alle in Versform geschrieben, keine großen Geschichten, sie bewunderte diese Gabe der Schreibkunst, sie selber tat sich da seit langem schwer, hatte aber früher selber oft solche Texte geschrieben. Dann endlich fand sie das Blatt, das den schlichten Namen "Isabell" trug, er hatte also ihren Namen dafür verwendet.

Ein bisschen schämte sie sich ja, dass sie hier in seinen Gedichten herumwühlte, vielleicht würde es auch lieber für sich behalten, aber zumindest dieses Stück hatte er ihr ja geschenkt. Sie überwand ihre Scheu und las, es waren so schöne Worte und manchmal fast so übertrieben, dass sie es fast nicht glauben konnte, dass er das wirklich ernst meinen konnte, aber sie ließ sich gerne in den Bann dieser Worte ziehen, er hatte ihr damals versichert, dass er sie ernst meinte und genau so behandelte er den Text wohl auch. Diese Worte, sie waren so süß wie Honig und so rein wie klares Wasser, sie bauten sie richtig wieder auf, sie halfen fast alle Sorgen zu vergessen, fragte sich nur, wie lange das anhalten würde, doch sie liebte dieses Stück, hoffentlich liebte er sie auch so sehr, wie hier geschrieben, aber konnte man anders soetwas schreiben?

Verträumt und sorgenlos schloss sie das Fenster wieder und versuchte mal wieder krampfhaft ein Feuer zu entzünden, als es so schön knisterte, da hätte sie sich so gewünscht, dass er es doch sehen könnte, doch das war nicht der Fall, es ging nicht.
Sie legte sich wieder hin, lehnte sich an seine Schulter und nahm seine Hand, wenigstens das ging noch, er war nicht in dieser Form zu Stein erstarrt. Durch das andauernde Liegen und der warmen Decke war sein ganzer Körper sehr warm gewesen, auch seine Hand, das war normalerweise nicht so oft der Fall, aber jetzt war es egal, ob kalt oder warm. Sie durchfuhr die Handoberfläche mit ihrem Zeigefinger, spürte die tiefen Furchen darin, aber auch die Klarheit. Sie gab ihm noch einen Kuss und hoffte, dass er sie hören konnte, irgendwie jedenfalls.

Komm zurück, bitte, komm zurück, ich brauch dich doch hier.
05.12.2003, 14:08 #266
Isabell
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Wieder war nichts passiert, die ganze Nacht umsonst, nur gut um den Schlaf, gut für die Energie am Tag, doch sonst, sonst war alles ganz normal, ganz alltäglich, nur wachte sie auf, aber er nicht, ein schreckliches Gefühl zu wissen, man selber wacht in ein paar Stunden auf, aber wann der Mensch neben einem aufwacht, wusste man nicht, wie immer, so schrecklich...
Den ganzen Tag nichts als warten, nur gewartet, mal durch den Raum laufend, mal nichts tuend, einfach immer nur wartend, das einzige was aktiv war, war ihr Kleinhirn, dauernd dachte sie nach, sie schien so sinnlos zu leben, ihr Körper, alles, keine sinnvollen Tätigkeiten, nicht mal das, einfach nur den ganzen Tag dasein, ohne zu sprechen, ohne wirklich etwas zu tun.
Das Frühstück, das eigentlich ihr Abendmahl dastellen sollte, es war längst verzerrt, sogar morgends mit Appetit, doch brauchte sie soviel eigentlich nicht, war schon froh, wenn sie es schlucken konnte, denn da war alles total ausgetrocknet, trotz des Wassers, weil sie so wenig sprach, weil sie so wenig aß, totale Trockenheit.
Was sollte man schon machen, man konnte ja nichts machen, man konnte nur viel nachdenken, diese Ruhe, diese Einsamkeit, manche Menschen sehnten sich danach, eine Flucht aus dem Streß des Alltags, doch wem gelang das schon?
Sie wollte nicht mehr fliehen, nur noch zusammen gehen, nicht mehr alleine, doch nun war es eben wieder so, wieder alleine, ohne die Kraft und das Gewissen unter Menschen zu gehen, es war nicht möglich so etwas zu tun, es ging einfach nicht, wie an etwas gefesselt, dass es gar nicht geben durfte und doch existierte.

Mittlerweile hatte sie die Wäsche von der Leine genommen, es war alles schön getrocknet, die Hitze des Feuers war da sehr gut gewesen, alles ordentlich zusammenlegend, dann war auch das erledigt, wieder alles sauber, doch war es weder Ablenkung noch Vergessens, sie hatte in ihrer absoluten Phase einfach etwas getan, aber ohne die Präzision wie sonst, einfach nur als Beschäftigung für das Fleisch, für die aut und die Knochen, ein bisschen was für diese, eine gar mechanische Reaktion, eingebrannt in tiefe Teile des Gehirns, schon hundert Mal gemacht und deswegen in einer solchen Situation auch ausführbar, ansonsten wäre das wohl kaum möglich gewesen, Erfahrung hatte sie geleitet, aber was brachte das schon, gut Wäsche waschen, was für eine Ehre, so sinnlos, alles kaputt, angeknackst, unvollkommen.
05.12.2003, 15:04 #267
Isabell
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Immer wieder las sie die Worte, die auf diesem Pergamentstück standen, sie waren immer wieder anders, hatten nie das gleiche und das war es auch, was sie hauptsächlich neben dem untätig rumsitzen tat, es war anders als die letzten Tage, gab ihr immer wieder neue Kraft, es war nur die Frage, wie lange sie daran noch zehren konnte, wie lange würde dieses Stück Pergament noch helfen den seelischen Unmut zu unterdrücken.
Sie wollte es ihm aber nicht wegnehmen, auch wenn es ein Geschenk war, sie wollte es ihm lassen, damit er es auch immer bei sich tragen konnte, egal wo er auch war, doch eine Kopie von dem wäre sicher nicht schlecht gewesen. Endlich hatte sie wieder eine Aufgabe, auch wenn sie nicht groß war und auch nicht gerade verantwortungsbewusst, so konnte sie sich doch irgendwie nützlich machen. Schnell war sie die Treppe hinunter gegangen, mit dem kostbaren Stück in der Hand, sie wusste, dass es hier noch irgendwo Pergament gab und etwas zu schreiben auch, schreiben konnten nicht viele, nur Menschen die auch eine solche Bildung genossen, meistens wurden die kleinen Kinder von reichen oder einflussreichen Familien in Klöster oder an die Höfe von Adligen geschickt, damit sie das schreiben und lesen lernten, es war kein Wunder, dass ein Fürst dieses konnte, doch das sie, eine einfache Frau, dies konnte, dass war schon selten, ihre Familie hätte sich das nie leisten können, zumindest nicht ihre Mutter, mit der sie zusammen bis zu ihrem Tode lebte, aber ihr Vater schien es zu können, er hatte ihr immer wenn er mal dagewesen war Unterricht gegeben, so konnte sie auch lesen und schreiben, diese seltene Gabe, sie war genauso geheimnisvoll wie toll, immer wieder etwas für die Ewigkeit festzuhalten.
Besitzen tat sie kein Pergament, keine Schreibutensilien, nicht so wie Pergamo, der scheinbar immer etwas dabei hatte, doch in einem kleinen Schränkchen unten, da hatte sie früher immer ihre Schreibsachen aufbewahrt und tatsächlich, da lagen sie noch und das nach so vielen Jahren der Vergessenheit. Sie nahm ein Stück Pergament hinaus und pustete und wischte den Staub hinfort, eine dicke Schicht war auch auf dem Kohlestift, doch diese war leicht zu entfernen. Dann setzte sie sich an den Tisch und fing an, jedes Wort genau so zu übertragen, wenigstens für ein paar Minuten gelang es ihr, eine Menge zu vergessen und alleine das war es schon wert.
05.12.2003, 16:36 #268
Isabell
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Es mussten Monate sein, seit dem sie mal wieder etwas schrieb, ihre Hand war leicht zitternd, da sie es nicht gewohnt war und auch die ersten Anfänge waren alle mehr schlecht als recht, doch dann ging es langsam und ihre schöne Schrift kam wieder hervor, ihr Vater hatte immer gemeint, dass sie ein Talent dafür hätte und dann meinte er noch scherzhaft, dass weibliche Wesen eh immer eine schönere Schrift hätten, doch das wollte sie nie so recht glauben, wenn sie so ihre ersten Anfänge betrachtete, doch es war ja auch nur ein kleiner Witz.

Sie gab sich dennoch Mühe, wollte, dass es ja schön aussieht, denn jedes Wort musste gut lesbar sein und so schrieb sie jedes Wort, was dort auf dem Pergamentblatt stand, ab.
Nachdem sie dann endlich das letzte Blatt fein säuberlich in die letzte Zeile eingetragen hatte, legte sie den Stift aus der Hand und dann nahm sie ihn doch wieder auf, um noch etwas drauf zu skizzieren, doch sie wusste nicht, ob das so angebracht war, ließ es dann doch ganz weg, das wollte sie sich für etwas anderes aufheben.
Vorsichtig pustete sie den Kohlestaub weg, bis es fertig war, nun konnte man es wirklich als fertig betrachten und sie war zufrieden, dafür dass sie ziemlich lange nichts mehr geschrieben hatte, dafür sah das gar nicht mal so schlecht aus. Sie hatte jedenfalls keine Probleme es zu lesen, einfaches myrthanisch, doch der Text war ja auch nicht von ihr.

Sie wollte ihm irgendwann auch mal sowas schreiben, auch so ein schönes Gedicht auf seine Person, verdient hatte er es auf jeden Fall und unteranderem dafür musste er auf jeden Fall wieder aufwachen, doch daran zweifelte sie nicht mehr, sie wusste nur, dass sie sich quälen musste, wenn sie es schaffen wollte, dass alles war eben nicht mit Freude verbunden, es war alles eine riesige Folter, sie wusste nichts, nicht wann, nicht wie, nicht warum, nur wo, in ihrem Zimmer. Wenn sie sich Fragen stellte, dann würde es nur wieder Probleme geben, doch diesen Fragen konnte sie nicht entkommen, sie musste es tun, es ließ sie alles nicht so kalt, wie es vielleicht gemusst hätte. Sie waren miteinander nicht mehr fremd, sie waren bekannt, mehr als das, verbunden, das alles konnte man nicht einfach so wegdenken.

Langsam ging sie wieder hoch zu ihm, steckte ihr abgeschriebenes Pergamentblatt in den Folianten und nahm das Orginal zu sich, sie wollte es immer bei sich haben, wenn sie auf Reisen gehen würden, würde sie es mitnehmen, deswegen verstaute sie es in ihrer einzigen Tasche, so, dass es immer da war. Dann widmete sie sich wieder dem eigentlichen Problem, hockte sich an die Bettkante von Pergamo und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, was sie schon so oft gemacht hatte, durch seine Starre waren sie nur zurückgefallen, weil es ab und zu mal Zug gab, ansonsten wäre selbst dieses Detail so geblieben, wie es immer war. Wann würde das alles aufhören...
05.12.2003, 23:00 #269
Isabell
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Wie immer kam auch heute das essen pünktlich und sie konnte sogar was essen, etwas mehr als sonst, doch so richtig war das auch nichts, wie schon die ganze Zeit, doch sie war froh, auch heute etwas getan zu haben, nicht ununterbrochen nur dagesessen zu sein. Aber eigentlich war es egal, es würde wohl noch Tage so weitergehen, immer wieder dasselbe.
Immer nur zu jammern, das brachte auch nichts, schließlich wurde es dadurch nicht besser, man konnte jetzt nur abwarten und versuchen alles zu tun, was man tun konnte und das tat sie, jeden Tag genau die Menge an Wasser und von dieser komischen Sirupart, wie die Alte gesagt hatte, irgendwie musste das ja wohl klappen, doch ansonsten war sie zum warten verdammt, egal was sie auch anstellte, es würde nicht besser werden, es half nichts, er hörte nichts, er sah nichts, er roch nichts und er schien auch nichts zu fühlen, also konnte man nur hoffen und hoffen und hoffen.
Sie würde sowieso nie aufgeben zu hoffen, auch wenn es schon längst keine Hoffnung mehr gab, doch war dieses ganze Gefühlschaos schon fast sicher gewesen, was sollte schon passieren, es war doch alles so gut wie sicher.
Das einzige was hätte passieren können war so gut wie unmöglich, also sollte man auch nicht daran denken, es würde auch keinen Segen bringen, Erleichterung bringt nur der Tod und der war viel zu fern, sie dachte nicht im Traum an den Tod, nicht der Tod, er war es nicht wert, nicht wert.

Seit Stunden schon lag sie in dem Bett, Seite an Seite mit Pergamo, aber sie traute sich nicht mehr zu ihm zu schauen, denn sein Gesicht, es hatte sich verändert, es war nun nicht mehr glücklich und lächelnd, nicht mehr so, dass man es anschauen wollte, es wurde jeden Tag schlimmer, es veränderte sich in drastischer Weise, wurde immer enger, immer knochiger, die Bleiche war schon immer da gewesen, doch war diese Veränderung nicht schön, manchmal mochte man meinen, man schaute einer echten Leiche in die Augen.
Da spürte sie lieber seine Hand, sie war wie immer, genau so wie immer, die Wärme aus den vergangenen Tagen war noch immer zu fühlten und deshalb hatte sie sich auch auf die andere Seite gedreht, sie brauchte ihn nicht zu sehen, um ihm nah zu sein, sie wollte nur nicht einschlafen, nur nicht wachen, alles sollte ein Ende haben, nach so langer Zeit, aber es sollte nicht der Tod sein, nicht er....
06.12.2003, 10:32 #270
Isabell
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So lange schon hatte sie keine Träume mehr gehabt, doch seit der Ohnmacht von Pergamo war sie nie mehr ohne ausgekommen, meistens waren es abstrakte Träume, nicht mal unbedingt mit etwas lebendigem, doch war es schon erstaunlich, was man manchmal sehen konnte, oft sah man ja das Gute in einem Traum, doch manchmal auch nicht, dann war es ein böser, schrecklicher Traum, auch genannt Alptraum. Diese verspürte sie jetzt immer, ganz nah waren sie und sie konnte nichts dagegen tun, selbst die Gewißheit über Leben und Tod brachte ihr nichts mehr. Sie hatte schon vorher gewusst, dass es nicht leicht sein würde, doch langsam konnte sie nicht mehr. Es war immer das gleiche, wenn sie sich kurz abgelenkt fühlte, dann war fast jede Sekunde später wieder das Gegenteil der Fall und sie wusste noch immer nicht, wann das endlich aufhören sollte.
Wie lange konnte man sich denn in einer solchen Ohnmacht aufhalten? Vielleicht für immer? Wäre es vielleicht möglich, dass man für immer in dieser Daseinsform gefangen ist? Eigentlich war das doch so gut wie unmöglich oder? Sie wusste es nicht, dass einzige was sie wusste war, dass es heute der sechste Tag war, in dem sie alleine war. Sechs Tage, was für eine lange Zeit. Wenn sechs Tage schon so lange waren, wie würde es denn erst mit sechzig aussehen. Es waren ja nicht alle Tage gleich, nein, am Anfang sah es noch nach einer kleinen Krankheit aus, einer Art Ohnmacht und die große Hoffnung, dass bald wieder alles so war wie zuvor, sie war wirklich groß, vorallem weil sie ja anfangs dachte, dass es gar kein Entkommen mehr gab, dass er tot war.

Aber inzwischen sank alles, ihre Hoffnung war noch das, was am meisten aushielt, doch auch Hoffnung war nicht unerschöpflich, irgendwann würde auch sie zuende gehen. Sie konnte machen was sie wollte, bevor er nicht aufwachte war alles sinnlos, wirklich alles, egal was sie nun machte, es half nichts, vorallem dieses Angekette, dass sie immer hier war, was nutzte das schon, wieso ging sie nicht einfach, da sie hier nutzlos war und sich auch kaum an einer Genesung beteiligen konnte, war warten auch nicht besser. Wenn er sowieso nichts fühlen konnte, dann brachte es auch nichts hier zu sein.

Die Verzweiflung nahm langsam Überhand, denn so langsam fingen auch ihre gesunden Nerven an zu bröckeln, die Grenze zum Wahnsinn war nicht mehr so fern wie seit eh und je. Aber was sollte es schon bringen jetzt auszuticken, niemanden würde es helfen und schaden würde es nur ihr. Aber irgendwas musste doch endlich geschehen, wenn wenigstens die alte Frau mal wieder auftauchen würde, dass sie sie fragen konnte, was denn diese Krankheit war, doch nichts, einfach nur nichts kam. Andere Menschen hätten vielleicht helfen können, doch diese Menschen waren nicht hier, vielleicht existierten sie auch gar nicht.

Gefrühstückt und angezogen hatte sie sich dennoch, diese alltäglichen, gewohnten Dinge gingen immer noch wie von selbst und doch war es kein Wunder, dass ihr alles keinen Spaß mehr machte. Die Kleider sahen alle grau und eintönig aus, dass Essen schmeckte nach bitterem Gallenextrakt und auch sonst konnte sie keinen Gefallen an etwas finden, es war einfach nur ein monotones Grauen.
06.12.2003, 15:12 #271
Isabell
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Inzwischen hatte sie sich wieder eine unnötige Beschäftigung gesucht, da sie eh nichts tun konnte außer zu warten, manchmal machte sie dann einfach nichts und manchmal machte sie dann eben etwas unnötiges. Heute war Stiefelputzen angesagt, erst die Kleider, dann die Stiefel, was kam denn als nächstes? Wahrscheinlich würde bald das ganze Haus dran glauben müssen, doch wenn man so viel Zeit hatte und nichts, aber auch wirklich nichts machen musste oder konnte, dann fielen einem schon mal solche Sachen ein. Normalerweise putzte sie die Stiefel nie, da sie ja doch jederzeit wieder dreckig werden konnten, doch heute war ihr einfach danach, irgendwie ihre Arme zu bewegen, irgendwie etwas zu tun.
Zum Glück gab es die nötigen Utensilien in diesem Hause, ein bisschen Schuhpaste und ein Lappen reichten schon aus, um die eigentlich gar nicht so dreckigen Stiefel zum glänzen zu bringen. Doch auch nachdem sie schon längst wieder auf Hochglanz poliert waren, machte sie weiter, immer weiter. Nach einer Weile stellte sie die Stiefel dann aber doch zur Seite und packte die Paste wieder weg. Zum Fenster wollte sie wieder gehen, ein bisschen frische Luft schnappen.
Als sie es geöffnet hatte, wehte ein frischer Wind hinein, es tat gut mal wieder etwas Leben in der Nase zu fühlen, so empfand sie diesen Wind als äußerst angenehm und blieb lange am Fenster stehen.
In der Ferne konnte sie das Meer erkennen, die Wellen peitschten gegen die Küste und sie fragte sich, was das Meer wohl geraten hätte in einem solchen Moment zu tun, zwar wartete sie jetzt auf keinen Menschen mehr, aber sie wartete auf eine Seele und irgendwie wartete sie immer noch auf jemanden.
Ihr Erinnerungen schwelgten zu ihrem kleinen Bruder, der irgendwo da draußen sein musste und den sie unbedingt wiederfinden wollte. So lange schon waren sie nun nicht mehr zusammen, es mussten mittlerweile sechzehn Jahre gewesen sein und genau so lange schien es mit ihrem Vater zu sein, er war auch schon seit zwei Jahren nicht mehr da gewesen. Vielleicht waren sie ja beide schon tot, doch ohne die Gewißheit konnte sie das nicht glauben, zumindest ihr Bruder musste noch leben, irgendwo da draußen weit entfernt des Meeres Wegen.
Plötzlich flog ein kleiner Vogel an das Fensterbrett und sie sah ihn ungläubig an, dieser kleine Piepmatz schien gar keine Angst vor ihr zu haben, das sollte belohnt werden und deswegen holte sie noch etwas Brot das übrig war und zerkleinerte es in kleine Krümmel, die vom Vogel begierig aufgegessen wurden. Die ganze Zeit blieb er da und dann fasste er sogar Vertrauen und hüpfte auf ihrer Handfläche herum. Der Kleine war so niedlich, dass sie sogar lächelte, nach so langer Zeit mal wieder. Es tat gut so etwas mal wieder zu spüren, dass ihr Gesicht noch nicht ganz eingefroren war, wie schön.

Glaubst du, dass irgendwann mal wieder alles so sein wird wie früher Vogel?

*Tschiepp Tschiepp*

Ob ich meinen Bruder jemals wiedersehen werde und ob das alles vielleicht mal ein Ende hat?

*Tschiepp Tschiepp*

Oh entschuldige das Brot, du hast sicher noch Hunger, hier nimm noch was, verstehen kannst du mich ja sowieso nicht.
06.12.2003, 20:17 #272
Isabell
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Der Vogel war schon lange wieder weggeflogen, doch war es trotzdem schön, vielleicht war es in so einem Moment auch viel einfacher mit Tieren zu reden, als mit Menschen. Menschen konnten einen verstehen und eventuell auch antworten, das konnten Tiere nicht, zumindest nicht letzteres, wobei sie auch an ersterem große Zweifel hatte. Manchmal war es wichtig eine Antwort oder eine Reaktion auf all das zu bekommen, aber bei sowas wollte sie gar keine Antwort bekommen, sie wollte einfach nur mal wieder reden, aber nicht an die Wand, es sollte schon jemand da sein und ein Vogel war da der ideale Partner dafür, klein, süß, witzig und eben ein Tier.
Inzwischen hatte sie auch ihre abendliche Lieferung bekommen, der Junge war noch immer der gleiche, es schien ihm sichtlich Spaß zu machen, den Boten zu spielen. Wahrscheinlich bekam er dafür immer ein Goldstück oder so, der Wirt war da sicher spendabel. Oder er bildete gerade seinen Nachfolger aus, mit was konnte man da besser anfangen als mit Botendiensten. Schade, dass der Junge immer sehr schnell verschwand, er hatte wohl noch ein bisschen Angst vor Fremden, obwohl sie ihn gar nicht mehr als Fremden sah, aber das war nicht so wichtig.
Das Essen schmeckte auch heute grässlich, eigentlich war es überaus lecker, war es doch frisch und auch sehr gut zubereitet, andere Menschen wären sicher froh gewesen, wenn sie sowas hätten essen können, doch ihr war das alles zuwieder, trotz der kleinen Aufmunterung des Vogels und dem Alles-von-der-Seele reden konnte sie nicht einfach so weitermachen, es ging einfach nicht. Das Brot schmeckte staubtrocken und blieb ihr nicht oft im Halse stecken, wo sie es nur mit einem Schluck Wasser herunterspülen konnte, im Käse schmeckte sie saure Milch und in der Wurst waren lauter Bakterien, dabei war das alles nur Einbildung und vielleicht auch Ursache von den Gallensäften, die ihr die ganze Zeit übel aufsetzten.
Wieder ließ sie die Hälfte stehen, Hunger hatte sie schon seit dem ersten Tage nicht mehr verspürt, eines der wenigen Dinge, die positiv waren, doch so toll war es dann auch nicht, denn wenn sie einfach nichts mehr gegessen hätte, dann würde das niemanden weiterhelfen.

Je eher er endlich aufwachen würde, je eher würde es ihr wieder besser gehen, war es denn noch nicht schlimm genug, dass sie schon keine Ahnung hatte, wer ihr Bruder war, war es denn nicht schlimm genug, dass sie ihn vielleicht niemals finden würde? Musste man jetzt auch noch nachlegen und einen zweiten Menschen schaffen, einen zweiten, der ihr etwas bedeutete und noch mehr. Manchmal wusste sie, war die Einsamkeit doch am besten, denn wenn es niemanden gab, dann hatte man nur seine eigenen Probleme, wenn es niemanden gab, musste man keine Angst vor dem Tod haben, so aber war das alles da, es war ganz nah.
06.12.2003, 20:54 #273
Isabell
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Sie hatte sich sehr müde gezeigt, entweder war es das penetrante nichts tun, oder sie war heute einfach mal so müde, aber eigentlich war das fast unmöglich, denn sie hatte wirklich nichts gemacht, den ganzen Tag verschenkt, wieder einmal, heute war er schon sechs Tage unansprechbar, hatte sich sechs Tage nicht mehr bewegt und auch nichts mehr gesagt. Es war schon verdammt bescheuert, wahrscheinlich fühlte er sich auch selber nicht wohl, es war ihm sicher auch nicht so angenehm, da wo er jetzt war, aber das alles hatte sie ja schon so oft durchgekaut, wo er wohl war, was er machte, ob es ihm gut ging.

Selbst wenn sie gewusst hätte, wie es ihr hätte besser gehen können, dann hätte sie es wohl kaum gemacht, denn da hätte man bestimmt irgendwo hin gehen müssen, oder vielleicht irgendwas radikales, was sie nicht wollte. Aber was sollte das schon sein, es gab nichts, was sie hätte aufmuntern können, selbst die Vögel konnten das ja nicht wirklich.

Inzwischen war es dunkel geworden, was sonst, die Nacht senkte sich über Drakia und ganz Khorinis und auch in Gorthar waren schon längst die Lichter ausgegangen, obwohl sie dieses Land noch gar nicht kannte, nur schonmal davon gehört hatte. Die Luft hatte etwas klares, etwas noch besseres, doch das roch sie schon die ganze Zeit. Der Mond war langsam wieder am wachsen, während er vor noch gar nicht allzu langer Zeit seine volle Blüte erreicht und danach wieder abgenommen hatte, so wurde er jetzt wieder größer, wer weiß, vielleicht war es ja auch der Mond, der den Weg vorgab, vielleicht erwachte der Fürst ja wieder bei Vollmond, wenn dem so wäre, dann wäre sie froh, denn da wüsste sie wenigstens einen genauen Termin, aber so, ohne genaues Wissen war das ne hoffnungsvolle Idee, mehr aber auch nicht.

Ansonsten war es sehr ruhig, in und um Drakia, aber auch hier, in ihrem Haus, sonst war es immer laut gewesen, was sie doch nicht alles für Blödsinn und für romantische Sachen gemacht hatten, aber jetzt, jetzt war alles anders, es hatte sich etwas verändert, sie waren jetzt leiser geworden, die Geräusche. Kein Krach mehr, kein Lärm, keine Späße mehr, kein Kerzenlicht und auch kein knisterndes Feuer, keine Ideen mehr, keine Zukunftspläne, keine Worte mehr, kein Gedankenaustausch, keine Wärme mehr, kein prickelndes Gefühl, keine Erwartungen, keine...Hoffnung? Es fehlte ein erheblicher Teil, hier in diesem Raum, in diesem Haus, in diesem Dorf, es hatte sich etwas verändert, verändern tat sich aber nur, wenn jemand von ihnen ging, wenn jemand gestorben war. Sie wollte nicht daran denken, doch trotz der funktionierenden Organe und des Atems wurde sie die Gedanken nicht los, aber sie kämpfte dagegen an, hoffentlich, hoffen auf ein Erwachen, hoffen auf ein Ende.
07.12.2003, 11:10 #274
Isabell
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Ruhig waren die Träume, sanft wogen die Wellen am Horizont und der Wind war ihr heute sehr gewogen und spitzelte sich um ihre Nase. Am Firmament war es ein schönes helles Blau und die Sonne hatte sich nicht mehr blicken lassen, aber auch war es heute nicht mehr so kalt wie sonst zuvor, draußen war es so schön, ein wundervoller Wintertag, es war doch schon Winter, jetzt so kurz vor Jahreswechsel oder? Isabell saß wiedermal am Fenster, in der Hand hatte sie eine Tasse Tee, selbst gebrüht und sehr wärmend. Wie das Getränk in ihre Kehle glitt und dann die Speiseröhre und somit auch den Rachen erwärmte und dann irgendwann im Magen verschwand. Sie saß jetzt immer häufiger hier, hier wo sie das Meer beobachten konnte, hier war sie sehr nah bei ihm, so nah wie sonst kaum und trotzdem konnte sie sich in etwas flüchten, vielleicht die Flucht vor der Realität. Es war schön, wirklich schön hier, wenn man so auf das Meer schaute, da war es immer anders und die leisen Klänge im Ohr lauschend, sie ließen einen auch gerne mal einnicken.
Wenn sie so hier saß, ab und zu an ihrem Tee nippte und hinausschaute, ab und zu auch mal andere Drakianer sah und die Häuser studierte, dann ging es eigentlich, es war so, als ob die frische Luft, der Sauerstoff, sie hinderte an irgendetwas schlimmes zu denken. Hier ließ es sich echt aushalten, doch innerlich spürte sie noch immer die Belastung. Es war der siebte Tag, hunderte Stunden waren vergangen und nichts war passiert, er lag jetzt schon seit einer Ewigkeit in diesem Ohnmachtszustand, die Alte war schon seit Tagen nicht mehr aufgetaucht und sie war ganz alleine hier.
Das einzige was sie machen konnte war ihn zu füttern, doch auch das war keine wirkliche Verantwortung, war es doch inzwischen längst zur Routine geworden, immer und immer wieder. Sie hätte sich durchaus gewünscht mehr zu tun, egal wie schlimm seine Verletzung war, nichts war schlimmer als ein Schweigen. Wenn sie von ihm erfahren könnte, was ihn plagte, was sie tun konnte, aber so, so war es die Versorgung eines Toten ähnlich und manchmal zweifelte sie an ihrem Verstand, ob sein Herz in diesem Zustand wirklich noch schlug.
Jederzeit hätte es aufhören können zu schlagen, sie hätte es wohl nicht mal rechtzeitig gemerkt. Aber sich selber die Schuld geben, das war einfach zu einfach und auch nicht unbedingt sinnvoll, sie akzeptierte langsam, dass nicht sie für all das verantwortlich war, sondern irgendetwas anderes. Dennoch, es war kein unbekannter Attentäter, kein Mörder oder ein Anschlag, es war etwas nicht menschliches gewesen, fast etwas göttliches, dieser Blitz, wie sollte sie sich an einem Blitz rächen? Vielleicht, weil keine Rache erforderlich war, weil alles wieder gut werden würde...schwer fiel es ihr daran zu glauben, aber sie tat es dennoch.
07.12.2003, 13:17 #275
Isabell
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Sanft war der Wind noch immer um ihr Haar geschlungen, ließ die nun schwarzen Strähnen sehr schön in die Weite wehen, doch das alles geräuschelos und nur spürend. Einzelne Nervenbahnen leiteten das Gefühl weiter. Ihr Gesicht war durch den Wind leicht spröde geworden, ihr Lippen ausgetrocknet, doch das machte nichts, war es doch alles kein Zustand für die Ewigkeit, war es doch alles nur für eine kurze Zeit der Ablenkung. Es war etwas anders geworden, das saftige, schöne, kräftige Blau des Himmels wurde nun immer mehr von weißen Quellwolken abgedrängt und somit wurde es auch etwas dunkler, obwohl die Wolken wirklich weiß und nicht etwa grau waren.
Isabell hatte die Tasse Tee längst ausgetrunken, doch sie wollte sich nichts nachschenken, hatte vielmehr vorgezogen an einem Apfel zu knabbern. Doch selbst das ging nur sehr behäbig, hatte sie doch keine Lust zu schlucken und so kaute sie das Fruchtfleisch des Obstgewächses immer solange, bis es nur noch eine zuckrige Flüssigkeit war, die sie dann leichter herunterwürgen konnte. Wenigstens hatten ihre Kauleisten dann etwas zu tun, doch das einzige was ihr wichtig war, war längst nicht mehr da. Dieser Blick hinaus in die endlose Weite der Welt, er regte wenigstens etwas ihre Phantasie an, wie Pergamo soviel davon gesprochen hatte, als ob er schon oft rumgekommen war, doch das war jetzt nicht mehr wichtig. Von ihr aus konnten sie auch für immer hier in Drakia bleiben, auch wenn das sicher nicht das richtige war, so wäre es zumindest eine Alternative, hier waren sie wenigstens willkommen. Wer weiß, wie dieses Gotharr, oder Gorthar war, er hatte ja schon oft davon gesprochen und immer sah sie dann das Leuchten in seinen Augen, es musste schön sein, so hatte sie zumindest das Gefühl. Irgendwo da draußen, irgendwo am Horizont, da würde es liegen und sie bräuchten ein Schiff, um da hin zu kommen. Ja, sie wollte so gern mal dahin, aber jetzt...
Immer wieder schaute sie zu ihm, hoffte auf Zeichen der Besserung, auf eine kleine Bewegung, auf irgendetwas, doch da war nichts, da kam nichts, wahrscheinlich war es vergebliche Hoffnung.
Diese Alte, was wollte sie wohl? Warum half sie am Anfang so bereitwillig? Wie konnte sie überhaupt so früh da sein? Es half nichts, sie wusste das, Antworten waren das wenigste, was sie jetzt bekommen würde.
Mit einem tiefen Seufzer lehnte sie sich wieder zurück und sah weiter hinaus, hinaus zum Meer, zum Himmel und zum Dorf, immer die milde Luft im Ohr, in der Nase und auf den Hautporen spürend, immer wartend, in ewiger Hoffnung und keimender Verzweiflung, immer nur wartend...
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