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[Story]Auf dem Hof
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18.04.2004, 19:07 #1
Seraphin
Beiträge: 318

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18.04.2004, 19:09 #2
Seraphin
Beiträge: 318

Kapitel I: ~Auf dem Hof~



Die untergehende Sonne schickte ihr warmes Licht über die Wiesen und Wälder von Myrtana und ihre letzten Strahlen brachen sich leuchtend in den Wipfeln des kleinen Hains. Vogelgesänge erfüllten die Luft mit wohlklingenden Tönen. Weit schallten die Lieder der kleinen gefiederten Wesen und verloren sich in der gewaltigen Größe der umliegenden Felder. In der Ferne war ein Hof zu erkennen. Die letzten Menschen zogen sich langsam in ihre Behausungen zurück oder trafen die nötigen Vorbereitungen für das Hereinbrechen der Nacht. Doch nicht alle gingen dieser Beschäftigung nach.

Einige rüsteten sich für den Kampf. Andere wiederum für die Jagd. Und wieder andere für das Leben. In dem sie Erfahrungen sammelten…




Der Junge rannte so schnell er konnte. Immer wieder stolperte er über kleine Hindernisse auf dem weichen Waldboden, Kuhlen, Äste oder Baumstümpfe. Hinter ihm brach etwas durch das Unterholz. Zwei krächzende Schatten kreuzten immer wieder ihre Laufrichtung blieben dabei aber dicht auf seinen Fersen. Der Junge rannte weiter, sein weißes Haar wirbelte wild durch die Luft und ließ ihn wie eine kleine Lichtgestalt aussehen die alleine durch das Dunkel des Waldes tanzte. Die Pflanzen schwiegen und betätigten sich als stumme Beobachter der kleinen Jagd. Es war der ewige Kreislauf des Lebens, Fressen und Gefressen werden. Vorneweg die Lichtgestalt des Lebens, ein gerade mal 14 Sommer zählende Junge, hinter sich die zwei Schatten des Todes deren triumphierendes Geschnatter sich in der Weite der umstehenden Bäume verlor. Die dunklen Säulen des Waldes flogen nur so an ihm vorbei während er um sein Leben rannte. Und rannte. Und rannte. Einen Moment huschte ihm ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf. Was wenn er die falsche Richtung gewählt hatte? Wenn er tiefer in den Wald hinein als hinaus auf die offenen Felder und in die Nähe des Hofes rannte?

Hinter sich meinte er das gierige Schlagen kleiner verkümmerter Flügel zu hören welche die lederne Haut ihrer Besitzer in Falten warfen. Wieso hatte er auch wieder mal nicht aufgepasst. Für einen Augenblick überlegte er, was schlimmer wäre; unter dem gewaltigen Wutansturm seines Vaters oder der scharfen Schnäbel der beiden Scavenger hinter ihm zu Grunde zu gehen. Ein schauerliches Krächzen beendete seine Gedanken. Wenn sein Vater ihn erwischen würde bliebe es wenigstens in der Familie. Hier würden seine Gebeine oder viel mehr das, was von ihnen ihm nachhinein übrig war, auf dem trockenen Waldboden Schritt für Schritt von allerlei unterschiedlichem Getier auseinandergenommen werden. Keine schöne Vorstellung. Der Junge warf im Laufen seinen Kopf in den Nacken und ließ seinen Blick für einen Moment durch die Kronen der stummen Wächter des Waldes wandern. Die letzten Strahlen der Sonne kamen von Westen und beschienen in mehr oder weniger großen Flecken den Rücken seines Hemdes. Erleichterung machte sich für einen Augenblick in ihm breit. Zumindest lief er richtig. Es konnte nicht mehr lange Dauern bis sich dieser verdammte Wald endlich lichtete. Es durfte nicht mehr lange Dauern. Und noch während er diesen Gedanken dachte bestrafte irgendjemand seinen kleinen Blick zum Himmel und die damit verbundene Unachtsamkeit gegenüber des Waldbodens mit einem dicken Ast, welcher zur falschen Zeit am falschen Ort herumlag. Der Aufprall war hart und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Aber zum Glück stürzte er auf keinen Stein und der weiche Blätterteppich nahm seinem Fall die meiste Wucht. Er rollte ein paar Meter weiter über den Boden, bevor er sich hastig aufrappelte…

...und mit schreckgeweiteten Augen den ledernen Körper mit dem gewaltigen Schnabel wie in Zeitlupe auf sich zu rasen sah. Im letzten Moment bog er sich irgendwie zu Seite und spürte noch den Luftzug des dreieckigen Schädels welcher nur einen Augenblick später dort vorbeiflog wo vorhin noch sein Kopf gesessen hätte. Er wartete nicht bis der Riesenvogel einen zweiten Angriff starten würde dem er sowieso nicht mehr ausweichen könnte. Außerdem musste sein Freund nur knapp hinter ihm gewesen sein. Kleine, mordgierige Augen schienen ihn zu beobachteten und nur darauf zu warten sich triumphartig zu verziehen sobald ihr Besitzer sich auf ihn stürzte. Hastig erhob er sich und rannte weiter. Hinter ihm hörte er das Stampfen der ledernen Klauen und er versuchte noch schneller zu laufen als es ihm ohnehin schon möglich war. Er musste hier raus. Seine Kräfte erlahmten spürbar und die nächste Attacke dieser Viecher würde er nicht überleben. Das wusste er einfach.

Und endlich, seitdem die Jagd begonnen hatte, schien das Glück sich doch noch auf seine Seite zu schlagen. Mit leuchtenden Augen nahm er war wie sich die letzten Ausläufer der Bäume lichteten und die Sicht auf die Felder freigaben. Und dem Hof. Hoffnung machte sich in ihm breit und spornte ihn ein letztes Mal zu noch schnellerem Laufen an. Ab jetzt konnte er gesehen werden, ab jetzt bestand die Chance aus diesem ganzen Schlamassel vielleicht doch nur mit ein paar Schrammen herauszukommen. Die Scavenger allerdings schienen zu merken dass ihr Opfer drauf und dran war ihnen zu entwischen und beschleunigten ebenfalls ein letztes Mal das Tempo. Mit einem Satz brach der seltsame Trupp aus dem Unterholz und bewegte sich über die Felder in Richtung des Gehöfts.

Der Blick des Jungen schweifte hektisch suchend über die Felder und endete schließlich bei dem großen Wohnhaus. Freude durchfuhr ihn wie ein Blitz als er die Gestalten der beiden Knechte erkannte. „Hiiiiilfe!“ schrie er atemlos und bemerkte erleichtert wie sich die beiden Männer mit einem Ruck umdrehten. Und sie verstanden schnell. Ein paar kurze Worte wurde gewechselt, dann rannte der eine auf ihn zu und zog sein Schwert während der Zweite mit schnellen Schritten im Wohnhaus verschwand…





Senar hatte sich gerade am Tisch niedergelassen um den wohlverdienten Feierabend zu genießen. Seine rauen Hände streckten sich zufrieden nach dem frischen Brot und registrierten erfreut den Becher klaren Weines welcher sich direkt daneben befand. Ihm gegenüber ließ sich gerade einer seiner Knechte nieder und wusch sich kurz die Hände im bereitstehenden Wasserbottich. Nor war gerade damit fertig geworden die Lämmer zu scheren und rupfte sich die letzen Wollreste von der Bauerskleidung. Ein paar der weißen Schafshaare hatten sich zu den schwarzen auf seinem Kopf gesellt und Senar musste unwillkürlich Schmunzeln. Nor bemerkte allerdings nichts davon und selbst wenn hätte er wahrscheinlich geschwiegen. Er redete niemals mehr als nötig aber arbeitete dafür umso mehr. Und Senar schätzte das sehr. Außerdem war Nor alles andere als dumm, er dachte einfach nur praktisch und hatte eine stille Seele mit der aber jeder auf dem Hof klar kam. Senar lächelte noch einmal bevor er noch einmal herzhaft in das Brot biss und mit einem Schluck Wein nachspülte. „Hast du heute alle geschafft?“ richtete er das Wort an den hochgewachsenen Mann. Einen Moment arbeitete es in den klaren Zügen. „Drei fehlen.“ kam die knappe Antwort. Senar war zufrieden. Das bedeutete Morgen könnten sie die gesamte Wolle in Säcken verpackt zum Markt bringen oder den Paladinen verkaufen. Außerdem brauchten sie ein paar neue Decken und einige Löcher mussten gestopft werden. „Gut gemacht. Wo bleiben Rheyan und Beltrom?“ erwiederte er. Von seinem vierten Knecht, Herger, wusste er das dieser gerade auf der Jagd war aber die beiden Anderen konnten sich eigentlich nur noch Draußen herumtreiben. Wahrscheinlich brachten sie gerade das Vieh in den Stall oder genossen die letzten Sonnenstrahlen. Zumindest Rheyan sähe das ziemlich ähnlich. „Sind irgendwo Draußen.“ antwortete Nor. Senar grinste.

Einen Moment überlegte er noch nachzuhaken, dann beließ er es aber dabei. Und außerdem lenkte ihn ein ziemlich aufgebrachter Beltrom welcher gerade mit Riesenschritten in die Küche stürmte davon ab, da sich die Frage damit ja zur Hälfte beantwortet hatte. Allerdings sah es seinem erfahrensten Knecht gar nicht ähnlich so plötzlich irgendwo herein zu platzen. Irgendwas musste passiert sein was ihn ziemlich aus der Ruhe gebracht hatte und dieser Umstand ließ Senar alarmiert aufspringen. Nor tat es ihm einen Augenblick und wesendlich ruhiger gleich. „Was ist passiert?!“ fragte er erschrocken. „Dein Sohn hat sich mal wieder zu lange im Wald herumgetrieben. Und sich bei der Gelegenheit mit zwei Scavengern angelegt. Rheyan ist bereits auf dem Weg um ihm zu helfen aber ich dachte ich sage euch vorher besser Bescheid. Vielleicht schafft Rheyan es nicht rechtzeitig zu ihm…“ keuchte Beltrom hervor und Senar hielt sich nicht mit unnötigen Worten auf. Aus den Augenwinkeln hatte er beobachtet wie Nor nach Oben gestürmt und jetzt mit seinem eigenen Schwert und Senar’s Langbogen zurückkehrte. Im Stillen dankte er ihm dafür und rannte zusammen mit Beltrom und ihm aus dem Wohnhaus. Sofort wanderte sein Blick Richtung Wald während er registrierte wie Nor bereits an ihm vorbei stürmte und den Vorsprung zu Rheyan zu verkleinern versuchte.

Und dann erblickte er Seraphin, noch bevor er die Rufe und das Gekrächze der hässlichen Riesenvögel hörte. Wann würde er es endlich lernen. Einen Moment lang spiegelte sich Wut in seinen Zügen wieder aber dann überwog die Sorge um seinen einzigen Sohn und mit geübtem Blick erfasste er den Ernst der Lage. Rheyan hatte schnell geschaltet aber er würde es wahrscheinlich nicht mehr schaffen Seraphin zur Hilfe zu eilen bevor die Scavenger ihn eingeholt hatten. Hastig zog er einen der langen Pfeile aus dem Köcher und legte ihn ruhig auf die Sehne bevor er sie spannte. Seine dunklen Augen zogen sich zusammen und sein Blick fuhr an dem Schaft des Pfeiles entlang bis er schließlich die die weit entfernten Körper der beiden Scavenger erblickte. Er durfte sich nicht verschätzen sonst würde er seinen eigenen Sohn töten. Aber er würde sich nicht verschätzen. Ganz sicher.

Mit einem Ruck sog er die Luft ein und ließ den Pfeil von der Sehne des gewaltigen Langbogens schnellen. Als ob die Zeit plötzlich langsamer fließen würde sah er das Geschoss auf die beiden Tiere zurasen, wie Rheyan nur noch wenige Manneslängen entfernt sein Schwert zum Schlag erhob und Seraphins gehetzten Blick. Er glaubte den Angstschweiß in der Sommerhitze zu riechen und mit dem aufgewirbelten Staub der Felder verschmelzen zu sehen. Und den Schrecken in den Augen der Riesenvögel zu erspähen als sie bemerkten welchen Fehler sie gemacht hatten…
18.04.2004, 19:52 #3
Seraphin
Beiträge: 318

Seraphin spürte den heißen Atem der Tiere direkt hinter sich während er über das Feld rannte und versuchte möglichst nicht mit den Füßen in der Ackerfurchen hängen zu bleiben. Rheyan hatte ihn gesehen. Aber er würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen bevor die beiden Viecher ihn eingeholt hatten. Verzweifelt mobilisierte er noch einmal all seine Kräfte und versuchte den Vorsprung ein letztes Mal zu halten aber er hatte keine Chance. Scavenger waren nicht umsonst zum Laufen geboren. Und das machte sie, zumindest für einen einfachen Bauernjungen, zu tödlichen Gegnern. Allerdings geschah in diesen Moment etwas was ihm wieder Mut einflößte.

Die Tür des Wohnhauses schwang auf und er erblickte die wehenden Haare seines Vaters gefolgt von Beltrom. Er glaubte auch Nor zu erkennen der jetzt mit schnellen Schritten an den beiden vorbeistürmte und Rheyan folgte. Endlich… Seraphin erkannte den gewaltigen Langbogen der selbst die der geübten Jäger noch in Größe übertraf. Er wusste nicht woher sein Vater dieses Meisterstück hatte aber was zählte war, dass er damit umzugehen wusste. Und das rettete ihm jetzt vielleicht das Leben. Rheyan brüllte irgendetwas und seine Augen weiteten sich vor Schreck. Gehetzt blickte Seraphin über die Schulter und erkannte wie einer der Riesenvögel zum Sprung ansetzte. Und gleichzeitig übersah er die Rübe unter seinen Füßen. Ein weiteres Mal stürzte er und rollte sich diesmal ab und auf den Rücken. Seine Zeit langte gerade noch um zu erkennen wie sich der vordere der beiden Scavenger spannte und im Laufen zum Sprung ansetzte. Die heimtückischen Augen blitzten triumphierend auf und wechselten dann zu der alten Mordlust über, während sich der Vogel mit einem Satz in die Luft erhob. Die Zeit schien still zu stehen. Er hörte Rheyan’s Schreckensruf und glaubte regelrecht zu spüren wie der Knecht ein letztes verzweifeltes Mal versuchte an ihn heranzukommen. Doch er war noch gute drei Manneslängen entfernt. Zu viel.
Die verkümmerten Flügel der Bestie schienen im Schein der untergehenden Sonne zu wackeln, als ob sie symbolisch schlagen würden um ihren Besitzer über sein Opfer zu bringen. Das Flackern in den tückischen Vogelaugen erreichte seinen Höhepunkt und das rote Licht der Dämmerung ließ den Schnabel blutig leuchten. Aber der Scavenger starb noch bevor er ihn angreifen, ja überhaupt wieder den Boden berühren konnte. Der schwarze Pfeil mit den Wiederhaken bohrte sich im Flug direkt zwischen seine Augen und riss mit einem brutalen Ruck den dreieckigen Kopf zurück. Die Wucht des Geschosses war so groß das die Spitze am anderen Ende wieder austrat und den sterbenden Riesenvogel einen grotesken Rückwärtssalto in der Luft beschreiben ließ. Blut spritzte in dünnen Fäden dem Himmel entgegen während der lederne Körper mit einem dumpfen Knall auf dem staubigen Feld aufschlug.

Und die Zeit lief wieder normal. Keuchend betrachtete Seraphin den Körper des toten Riesenvogels neben ihm und sah Rheyan mit gezogener Klinge an ihm vorbei stürmen. Der zweite Scavenger war, überrascht von dem plötzlichen Tod seines Artgenossen, mitten im Lauf stehen geblieben und versuchte wohl die Szenerie zu erfassen. Dann erblickten die kleinen Augen den Knecht und der Vogel stürmte wütend krächzend auf ihn zu, anstatt das einzig Richtige in seiner Situation zu tun und umzudrehen. Aber dazu war er offensichtlich nicht intelligent genug. Und Rheyan ließ ihm keine Chance.
Mit hasserfülltem Blick riss er noch im Laufen den Schwertarm hoch in die scharfe Klinge des Langschwerts fuhr wie Butter durch den Hals des Scavengers. Der kopflose Körper des Riesenvogels torkelte noch ein paar Schritte weiter, als wolle er einfach nicht akzeptieren dass er Tod sei. Dann blieb er stehen, verharrte einen endlosen Augenblick und stürzte mit einem dumpfen Laut auf den staubigen Boden.

Sorgfältig überzeugte sich der Knecht dass die beiden Scavenger auch wirklich endgültig Tod waren bevor er sich Seraphin näherte. In seinem Blick regierte eine Mischung aus Sorge und Wut, wobei der zweite Umstand wohl aus ersterer geboren wurde. Traurig schüttelte Rheyan den Kopf und betrachtete abwechselnd die beiden Tiere deren Lebenssaft jetzt das Feld tränkte. “Ist dir etwas passiert?“ fragte er besorgt, obwohl er mit den ersten Blicken schon erkannt haben musste das außer ein paar Schrammen nichts ernsteres zu beklagen war. Es war einfach eine nette Geste, mehr nicht. „Nein…“ erwiderte Seraphin leise. "Wann lernst du es endlich, hm? Wir können nicht immer da sein, Sera." entgegnete Rheyan. Seraphin schwieg und betrachtete trotzig die dunklen Augen des Knechts. Rheyans Züge blieben teilnahmslos, allenfalls ein bisschen traurig und vorwurfsvoll. Und in diesem Moment hasste Seraphin ihn dafür. Weil er wusste das der Knecht Recht hatte. Wie schon so oft. „Geh besser zu deinem Vater. Er wartet auf dich.“ seufzte Rheyan schließlich. Mit zitternden Knien erhob sich Seraphin langsam aus dem Staub und bemerkte erschrocken ein paar Blutspritzer auf seinem Hemd. Sein Blick ruckte zu Rheyans Klinge und betrachtete nachdenklich die rotglitzernde Flüssigkeit welche jetzt in dicken Tropfen auf die trockene Erde fiel. „Es tut mir Leid…“ stotterte er schuldbewusst. Dem Knecht war der Blick auf sein Schwert nicht entgangen und plötzlich lag etwas Forschendes in seinen Zügen. Dann bildete sich ein verzeihendes Lächeln. Allerdings nur kurz und es verschwand endgültig als er zu Senar schaute. „Geh schon. Lass ihn nicht warten…“ dann wandte er sich zu den toten Scavengern um.

Seraphin konnte sich denken was er tat, trotzdem hätte er lieber in allen Einzelheiten Rheyans Arbeit betrachtet als jetzt seinem Vater gegenüber zu treten. Er schluckte, dann ging er mit hängenden Schultern der weißhaarigen Gestalt entgegen welche am Haupthaus auf ihn wartete. Der Weg über das Feld erschien ihm plötzlich sehr viel kürzer als sonst und die regungslose Gestalt seines Vaters kam schnell näher. Zu schnell für seinen Geschmack. Auf halbem Wege begegnete er Nor. Einen kurzen Moment blieb der Knecht stehen und schaute ihn an. Wie immer sagte er kein Wort aber sein Blick sprach Bände. Dann wandte sich der hochgewachsene Knecht um und ging mit seinen langen Beinen zu seinem Freund um ihm beim Ausnehmen der Scavenger zu helfen. Seraphin blickte ihm kurz hinterher, allerdings nicht aus Interesse an dem was er tat sondern viel mehr um Zeit zu gewinnen. Zeit für eine ausreichende Erklärung. Eine Ausrede. Irgendetwas. Stattdessen nutzte sein Geist den kurzen Augenblick um sich das folgende Schreckensszenario auszumalen. Seufzend gab er es auf. Es existierte, wie schon so oft, keine Entschuldigung. Nichts was er hätte vorbringen können. Mit gesenktem Kopf überbrückte er die restlichen Schritte bis er beim Hof ankam. Senar’s Gestalt wurde durch die untergehende Sonne in rötliches Licht getaucht und in diesem Moment kam er ihm wie ein Richter vor. Neben ihm sein treuer Gehilfe Beltrom der die Rolle des Henkers übernehmen würde. Das Stapfen seiner Schritte auf dem trockenen Boden schallte plötzlich unendlich lange in seinem Kopf und es schien ihm als würde er alles viel genauer erkennen. Beltrom, wie sein gutmütiges Gesicht sich jetzt in strenge Züge zwang und er die Arme anklagend vor der Brust verschränkt hatte. Die dunklen Bartstoppeln in seinem Gesicht die jetzt schweißglänzend im Licht der untergehenden Sonne leuchteten. Und der Blick, welcher abwechselnd zwischen ihm und seinem Vater hin und her wanderte.

Seraphin stand jetzt direkt zwischen den Beiden. Er hielt den Kopf gesenkt um die Tränen der Wut und des Trotzes nicht sichtbar werden zu lassen. Und weil er sich nicht traute seinem Vater in die Augen zu sehen. Diese Härte, welche in letzter Zeit immer öfter in seine Züge trat zu erblicken. Und zu erkennen, das sie sich noch eine Spur tiefer eingegraben hatte. Die Grillen zirpten ihr unablässiges Lied das die warme Luft durchbrach und in Seraphins Ohren wie ein Totengesang aus tausend Kehlen wiederhallte. Schließlich raffte er all seinen Mut zusammen und hob den Blick. Doch was er sah war ganz anders als er erwartet hatte. Nur wusste er nicht ob er es besser fand. Senar schaute ihn nicht an. Sein Blick wanderte stur geradeaus und verlor sich in der untergehenden Sonne. Er verzog keine Miene sondern hielt nur den gewaltigen Langbogen umklammert, als wolle er ihn zerbrechen.

Plötzlich wurde die unangenehme Stille von lockeren Schritten unterbrochen welche mit einem Satz um die Ecke bogen. Beltrom wandte seinen Kopf und auch Seraphin ließ seinen Blick für einen kurzen Moment von seinem Vater weichen. „Was ist den hier los…?“ schallte die Stimme durch die trockene Luft. Auf dem Rücken ihres Besitzers waren zwei frisch erlegte Molerats zu erkennen. Die rosige Haut strahlte im warmen Licht der Abenddämmerung als wäre sie lebendig und spottete damit den Pfeilen, welche in ihr steckten und dem geronnenen Blut welches auf ihr getrocknet war. „Nicht jetzt, Herger…“ murmelte Beltrom leise und erst in diesem Moment verstand der Angesprochene. Sein Blick fuhr wissend zu Seraphin und seinem Vater, dann straffte er sich. „Äh… ok, also ich werde dann mal die Molerats klarmachen.“ Ein kurzer, mutmachender Blick zu dem, mit hängenden Schultern dastehenden Jungen, dann ging er mit leisen Schritten hinter den Stall. Seraphin wusste nicht ob er dankbar über diese kleine Galgenfrist sein sollte oder sie das Unvermeidbare nur qualvoll in die Länge zog.

Doch irgendwas stimmte nicht. Sein Vater reagierte anders als sonst. Oder musste er sich so sehr beherrschen? Seraphin schluckte unwillkürlich. „Ist dir etwas passiert?“ fragte Senar plötzlich, ohne ihn dabei anzusehen. „Nein…“ gab Seraphin kleinlaut zurück. „Dann geh ins Haus und hilf deiner Mutter beim Essen.“ kam es knapp zurück. Seraphin wusste nicht was er davon halten sollte. Er hätte alles erwartet, Wut, Zorn, Geschreie, eine riesige Standpauke, alles. Aber diese Resignation und Teilnahmslosigkeit… war auf grausame Art viel schlimmer. Eine bittere Enttäuschung lag in der Stimme seines Vaters und war härter als alles Andere was er jemals von ihm gehört hatte. Sie tat weh. Und sie traf ihn mehr als jede andere Strafe die er ihm hätte geben können. Einen Moment zögerte er und warf einen fragenden Blick zu Beltrom. Dieser blickte zwar zurück aber Seraphin konnte aus seinen Augen nichts deuten. Er fühlte sich irgendwie einfach nur noch miserabel. Mit hängenden Schultern und gesenktem Haupt begab er sich ins Haupthaus und ließ seinen Vater und die Knechte in der Abenddämmerung zurück. Ein bitterer Geschmack lag auf seiner Zunge und er fühlte sich so mies wie noch nie zuvor…




Die Sonne versank endgültig am Horizont und gab den Weg für ihren Bruder, den Mond und seine vielen blinkenden Freunde frei. Der Hof versank in Dunkelheit und Schweigen. Ein Junge lag auf seinem Lager und konnte keinen Schlaf finden. Dachte nach. Und versuchte zu lernen, zu begreifen. Und ein Mann lag wach. Und versuchte zu verstehen, zu fühlen und zu vergeben. Sorgen lasteten auf ihm. Viele Sorgen, die Zeiten waren schlecht. Und er hatte Angst. Nicht um sich sondern um die, die in seinem Herzen einen Platz gefunden hatten…
26.04.2004, 18:35 #4
Joni Odin von Hassenstein
Beiträge: 3.925

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