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19.07.2003, 14:54 #476
Saria
Beiträge: 484
[GM] Drachenfeuer -
Eine Windböe strich über die morastige Sumpflandschaft, wiegte sanft die faserig wirkenden Äste der Weide, ließ Saria frösteln und die nebligen Schwaden auseinandertreiben. Da war es wieder, das grässliche Ungeheuer, dass sie kurz zuvor erspäht hatte.
Ein eisiger Schauer tastete sich einem kalten, feuchten Finger gleich ihr Rückgrat hinunter. Blindlings griff die Diebin in den warmen Schlamm, in der Hoffnung, ihren Bogen zu finden. Ihre suchenden Finger ertasteten etwas hartes, abgeschliffenes. Mühsam stemmte sich die Amazone in die Höhe, glitt auf dem tückischen Morast aus und wäre beinahe wieder gestürzt, fing sich jedoch auf einem Knie ab.
Doch das Wesen blickte nicht in ihre Richtung. Es kniete über einer menschlichen Gestalt mit langem Haar und drückte ihren Kopf immer wieder in eine Schlammpfütze. Erst auf den zweiten Blick erkannte Saria, dass es sich bei der Person um Lehna handelte. Zwar wehrte sie sich mit heftigen Schlägen und Tritten gegen den tödlichen Griff, doch wurde ihre Gegenwehr zunehmend schwächer.
Die Arme der Erzamazone zitterten wie Espenlaub, als sie den Bogen hob und die Sehne spannte. Zähflüssiger Morast tropfte von der Waffe und ließ sie schwer werden, Schlingpflanzen hatten ihre dünnen Leiber wie Schlangen um Griff und Spannbogen geschlungen. Das lange Haar hing wirr und nass in Sarias Gesicht, einzelne Strähnen klebten feucht vor ihrem Auge. Während sie die Sehne bis an ihr Kinn zog, versuchte sie das Zittern ihrer Arme weit genug zu unterdrücken, um den Kopf des Wesens ins Visier nehmen zu können.
Dieses Biest das Lehna festhielt... Es ähnelte stark einem Menschen und gleichzeitig auf groteske Art und Weise einem Tier. Der Körper war blass, beinahe schon aschfahl, das Haar wucherte wild über Buckel und Schultern, lange, an Klauen erinnernde Fingernägel krallten sich in Lehnas Fleisch. War das... wirklich ein... Mensch?
Warum fiel es Saria so schwer, den Pfeil loszulassen? Binnen weniger Augenblicke würde er sich in einen verschwommenen Schemen verwandeln, sich in den Hinterkopf des Wesens bohren und Lehnas Leben retten. Weshalb tat sie es nicht, warum ließ sie nicht los?!
Irgendwo in einer der hintersten Ecken ihres Bewusstseins loderte eine Erinnerung in frischer Intensität. Zu weit entfernt, zu sehr verdrängt um bis in Sarias Denken vorstoßen zu können, aber intensiv genug, um ihre Handlungen unbewusst zu beeinflussen. Der Bogen, der Pfeil, es war...
"Lehna!"
Im selben Moment, in dem Saria den Namen schrie, entfloh der gefiederte Schaft ihren durch Kälte und Nässe klammgefrorenen Fingern. Einem hungrigen Raubvogel gleich schoss der Pfeil über die gluckernde Sumpflandschaft hinweg, vorbei am traurigen Anblick der Weide, vorbei an dichtem Schilf, direkt auf die bösartige Kreatur zu.
Diese fuhr geschmeidig wie eine Katze herum. Und zuckte zurück, als sich das Geschoss mit einem dumpfen Aufprall in ihre Schulter bohrte. Das Wesen brüllte wütend auf, die feurigen Augen brannten sich direkt in Sarias Blick, ließen die Diebin in stillem Horror erstarren.
Saria wollte zurückweichen, wegrennen, hauptsache fort vor diesem grauenvollen Anblick der hungrigen, von Wahnsinn gekennzeichneten Augen. Doch in ihrer Panik glitt sie erneut auf dem Matsch aus, strauchelte rückwärts und prallte mit einem erschrockenen Keuchen gegen einen Baumstumpf.
Ihre freie Hand tastete in ihrer Tasche herum, fühlte unregelmäßig geformten, wohlig warmen Stein und schloss sich um ihn. Lichtreflexionen tanzten durch die Augen der Diebin, schmale Lichtbahnen schlängelten sich ihren Arm hinab, verdichteten sich zu einem gleißenden Netz zwischen ihren Fingern. Der Bogen klatschte abermals in den Morast, als sie die Hand hob und abwehrend vor sich hielt.
Auf einmal wurde der Nebel wenige Schritt neben der mörderischen Kreatur von einem gleißenden Glühen erhellt. Kurz darauf schälten sich die Umrisse einer schlanken Kriegerin aus den wogenden Schwaden. Der komplette Körper wurde von golden glänzenden Panzerplatten geschützt, unter dem Helmvisier blitzten strahlend blaue Augen. In ihren Händen ruhte ein langer Speer mit gezackter Spitze, welche drohend auf die Bestie gerichtet war. Langsam und seltsam lautlos näherte sich die Kriegerin der Kreatur...
20.07.2003, 13:27 #477
Saria
Beiträge: 484
[GM] Drachenfeuer -
Mit geschlossenen Augen lag Saria in der prallen Sonne, genoss die wärmende Berührung der goldenen Sonnenstrahlen und die fast vollkommene Stille in dem kleinen Felsental, die nur vom leisen Rauschen des Windes durchbrochen wurde, der sich in den langen Halmen der Wiese verfing.
Ebenso genoss ihre Hand die Berührung des Lederbeutels, der vom Licht verborgen in ihrer Manteltasche ruhte. Zärtlich strichen ihre Fingerkuppen über das weiche Material, fuhren die Körper der Kupfermünzen nach, die sich in dem kleinen Beutel dicht aneinanderdrängten.
Was Saria anbelangte, hatte sie ihren Teil der heutigen Arbeit schon erledigt. Und zwar gleich in den frühen Morgenstunden, während der Rest der Gruppe noch seelig schlummerte und sich von den Schrecken der vergangenen Nacht zu erholen versuchte. Denn wenn sich Saria richtig erinnerte, war heute Zahltag. Zumindest für die Stadtwache und Esteron.
Natürlich hatte Saria nicht ihren gesamten Besitz an sich genommen. Das wäre viel zu auffällig. Unauffälliger und gleichzeitig um einiges interessanter war es, einige Münzen zu entwenden, dem schlafenden Reisegefährten ein paar von ihnen in den Beutel zu stecken und den Rest für sich selbst zu beanspruchen. Aus eigener, schmerzvoller Erfahrung wusste die Diebin, dass manche Leute die nervige Angewohnheit hatten, ihre Münzen durch winzige Einkerbungen oder ähnliche, unauffällige Verzierungen zu kennzeichnen. Falls Jori ebenfalls einer dieser Kerle sein sollte, würde er sich sicherlich über die Tatsache freuen, dass Esterons Münzvorrat nicht nur etwas angeschwollen war, sondern auch noch seine Kennung trug.
Um der Gefahr einer möglichen Leibesinvitation zuvorzukommen, hatte Saria ihren Mantel dabei. Wie es sich für eine ordentliche Diebin gehörte, verfügte das Kleidungsstück über die eine oder andere, versteckte Tasche. Offiziell war sie völlig unschuldig.
Natürlich hatte sie die Gunst der Stunde gereizt, die Karte zu entwenden. Allerdings hatte sie ihr nicht sonderlich weitergeholfen. Den seltsamen Schriftzeichen hatte sie keinen Sinn entlocken können und so hatte sie beschlossen, ihren Plan zu einem späteren Zeitpunkt der Reise in die Tat umzusetzen. Zu einem Zeitpunkt, an dem der Weg zum Grab schon relativ frei von möglichen Sackgassen war.
Lächelnd öffnete Saria die Augen, um in das freundliche Gesicht der Sonne zu blinzeln. Und verzog abwertend die Mundwinkel, als ihr Blick direkt auf Leon fiel, der zusammen mit Satura auf die Hütte zuhielt. Was machte der eigentlich die ganze Zeit über mit der Amazone?
Satura war zwar vielleicht etwas naiv, aber sich mit so einem Typen abzugeben... nein, das konnte nicht sein. Leon war nervig, nervig und ein ziemlicher Störfaktor. Warum musste der überhaupt mitkommen?
"Guten Morgen", grummelte Saria mit gemischten Gefühlen und wandte sich sofort an Satura, ohne Anstalten zu machen, ihre Abneigung dem Dieb gegenüber zu verbergen.
"Habt ihr schon etwas entdeckt? Das war vielleicht ein Schrecken heute Nacht. Seid ihr diesem Monster noch einmal begegnet? Ist es endlich tot? Und wie geht es jetzt weiter?"
Die Diebin blinzelte, als sich ein Jucken in ihrer Nase bemerkbar machte. Kurz darauf musste sie kräftig niesen. Verdammt, würde sie sich jetzt wirklich eine Erkältung eingefangen haben?
20.07.2003, 21:11 #478
Saria
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[GM] Drachenfeuer -
Die Miene der Diebin verfinsterte sich vor unterdrückter Wut, mehr und mehr Blut stieg in ihren Kopf als sie trotzig die Arme vor der Brust verschränkte.
"Und warum sollte ich das bitte tun?", fragte sie herausfordernd, "Weil du es mir befiehlst?"
Saria lachte spöttisch.
"Da kannst du aber lange warten. Den Tag, an dem ich mir von dir etwas sagen lassen werde, wirst du bestimmt nicht mehr erleben! Mach's doch selber, du Besserwisser!"
Erst als sie einen warnenden Blick von Satura einfing, zuckte Saria seufzend die Schultern und trat auf den Altar zu.
"Aber nur für die Gruppe und nicht für diesen dahergelaufenen Streuner", meinte sie mit einem vor Gift triefenden Blick zu Leon.
Ihre Finger strichen über den Runenstein auf ihrem Armreif, zogen eine Spur funkelnden Lichts hinter sich her, formten kurz darauf zusammen mit der zweiten Hand eine kugelähnliche Form und erstrahlten in einem grellen, goldenen Licht. Dieses schien an Sarias Handflächen Wasser gleich hinabzulaufen, sich gleichzeitig aufeinander zu zubewegen und sich zu einer hell strahlenden Miniatursonne zu verdichten - Und zerplatzte in leuchtende Funken, als ein Nieser Sarias Konzentration sprengte.
Leise fluchend atmete die Diebin tief durch und schloss die Augen, um es abermals zu versuchen. Sie spürte die astralen Ströme kribbelnd ihre Arme herabfließen, sich in ihren Händen zu einem Ball intensiver, durch Magie veränderter und zum Leuchten gebrachter Luft verdichten. Schließlich endließ Saria die Lichtkugel aus ihren Händen, steuerte sie mit sanften Handbewegungen direkt vor den als Linse fungierenden Kristall des Amuletts.
22.07.2003, 23:11 #479
Saria
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[GM] Drachenfeuer -
Den Rücken fest an den rauhen Fels der Höhlenwand gelehnt, hockte Saria in ihrer Ecke und beobachtete mit müden Augen die restlichen Reisenden. Seitdem sich die beiden Parteien nach mehr oder weniger kurzer Diskussion auf einen Kompromiss, von dem beide profitierten, geeinigt hatten, lagen bis auf Satura alle ihrer Gefährten in ihre Decken eingewickelt auf dem kalten Steinboden.
Die hohe Amazone hatte sich bereiterklärt, die erste Wache zu übernehmen. Jetzt saß sie am Rande der Gruppe und achtete mit wachem Blick darauf, dass sich weder ein wildes Tier, noch eine der Räuberinnen zu nah an die Schwertjäger heranwagte. Ihre Klinge ruhte in ihrer Scheide quer über Saturas Schoß, ihre Hand lag auf dem Griff der Waffe. Vor allem auf die Bande sollte sie aufpassen, denen konnte man doch nie im Leben trauen. Das war Konkurrenz. Saria konnte Konkurrenz auf den Tode nicht ausstehen. Schlimm genug, dass Leon mit von der Partie war.
Heulend pfiff der Wind durch die Höhle, ließ Funken von der noch immer rot leuchtenden Glut aufstieben und trieb einen Hauch der kühlen Nachtluft herein. Fröstelnd rutschte die Diebin ein Stück an der Wand hinunter und zog die Decke enger um die Schultern. Im Amazonenlager wartete in diesem Moment ihr warmes Bett auf sie. Doch statt in der warmen Stube einen erholsamen Schlaf im kuscheligen Bett einzuholen, saß sie in einer tristen und vor allem kalten Höhle irgendwo im Nirgendwo von Khorinis. Und bisher war die Ausbeute mehr als arm gewesen. Bei diesem Gedanken begann Saria sich zu fragen, wo diese Bande die ganzen Reichtümer her hatte. Auf der Straße lagen bestimmt keine goldenen Kelche herum und auf Bäumen wuchsen sie erst recht nicht. Ob es auffallen würde, wenn dort die eine oder andere Kostbarkeit fehlte?
Doch leider gab es da immer noch Satura und die Banditin, die über die Schätze wachte. Seufzend rollte sich die Diebin in ihrer Ecke zusammen und unterdrückte ein müdes Gähnen. Sie würde schon noch auf ihre Kosten kommen. Ganz sicher. Und selbst, wenn sie nur Leon eine Klippe runterschubsen durfte...
Der Gedanke ließ Saria schmunzeln. Dieser dumme, eingebildete, grobe Klotz der sich selbst Dieb schimpfte. Der konnte ja nicht einmal auf sich selbst aufpassen. Wenn sie selbst damals nicht gewesen wäre, würde der längst im Kerker der Hafenstadt verschimmeln...
Lautlos schlug Saria ihre Decke ein Stück zurück, um zu dem Dieb schielen zu können. Ob er es überhaupt merken würde, wenn ihm sein Münzbeutel fehlte? Doch von dem Dieb war keine Spur zu sehen.
Leon glänzte durch völlige Abwesenheit. Verstört setzte sich Saria vollends auf und blickte sich verwirrt blinzelnd um. Auch vom Rest der Gruppe war nichts zu sehen. Bei Donnra, was ging hier vor sich?
War sie versehentlich eingeschlafen und die Gruppe war ohne sie weitergezogen? Irgendetwas stimmte hier nicht. Mit der Hand am Dolchgriff stand die Diebin auf und näherte sich dem Höhleneingang. Weißes Mondlicht fiel durch das Loch in der Felswand und hinterließ einen unförmigen, hellen Fleck auf dem sonst grauen Gestein. Auf Zehenspitzen schlich sich die Amazone an den Ausgang heran, drückte sich flach an die Felswand und lugte nach draußen.
Und war umso erstaunter, als sie anstatt der steil abfallenden Klippe einen schmalen Pfad entdeckte, der mitten durch einen dichten Wald führte. Beunruhigt blickte Saria in die Höhle zurück. Immer noch niemand zu sehen. Langsam wurde ihr das Ganze unheimlich. Irgendjemand spielte ihr einen ganz üblen Streich...
"Satura?!", rief sie in die Dunkelheit hinaus, als sie sich vorsichtig nach allen Seiten Ausschau haltend aus der Höhle schob und auf den Pfad hinaustrat. Keine Antwort.
"Blutfeuer?!"
Stille. Selbst das Geäst der Bäume schien den Atem anzuhalten, außer ihrem hämmernden Herzen und leisen Atmen war nichts zu hören.
"Wo seid ihr denn alle?!"
Zuerst langsam, dann immer schneller lief Saria den kleinen Weg entlang. Die anderen mussten hier doch irgendwo sein, so lange konnte sie gar nicht geschlafen haben. Plötzlich, ohne den Übergang wirklich zu registrieren, stolperte die Diebin auf eine vom Mondlicht schwach erhellte Lichtung hinaus. Augenblicklich wich sie zurück, spürte jedoch nach einem Schritt hartes Holz in ihrem Rücken. Wo war der Pfad hin?
"Setz dich doch, Saria", drang eine tiefe Stimme an ihr Ohr.
Sarias Finger zuckten zusammen, wollten den Dolch aus der Scheide reißen, griffen jedoch nur in dünne Luft. Die Diebin schluckte schwer, dann drehte sie sich zögernd um. In der Mitte der Lichtung zeichnete sich der schwarze Umriss eines Mannes ab. Der Schatten einer weiten Kapuze verschlang sein Gesicht, eine dunkle Kutte verschleierte die restliche Gestalt. Sein rechter Arm deutete einladend auf einen von mehreren Baumstümpfen, die einen Kreis um die Mitte der Lichtung formten.
"Wer... bist du?", fragte Saria unsicher, "Und woher kennst du meinen Namen?"
Sofort war das Misstrauen da. Es war nie gut, weniger zu wissen als sein Gegenüber. Und das Gefühl der Unwissenheit gefiel der Diebin ganz und gar nicht.
"Ich bin dein Freund", antwortete der Fremde mit seiner tiefen, aber dennoch sanften Stimme und ließ den Arm sinken, als Saria keinerlei Anstalten machte, sich zu rühren.
"Von mir aus, dann bleib halt stehen". Nach einem Schulterzucken ließ er sich selbst auf einen der Baumstümpfe sinken und machte es sich auf selbigem bequem.
"Woher will ich wissen, dass ich dir vertrauen kann? Ich habe keine Freunde."
Der Kerl wollte doch irgendetwas von ihr. Anderenfalls hätte er sie längst angegriffen oder erst gar nicht angesprochen. Nur was? Sie kannte ihn ja nicht einmal...
"Nun", der Mann legte die weiten Ärmel seiner Kutte aneinander, "Es steht dir natürlich frei, mir zu vertrauen. Aber dir könnte einiges entgehen, wenn du es nicht tust. Neben einem hübschen Schwert auch eine ganze Menge Gold..."
Also doch geschäftlich. Hatte sie ja gleich gewusst. Sarias Haltung entspannte sich unmerklich.
"Du meinst, du kennst einen Weg zu dem Schwert?"
Obwohl sie versuchte, möglichst neutral zu klingen, konnte sie nicht ganz verhindern, dass die Neugier leicht in ihrer Stimme mitschwang.
"Saria, Saria, Saria...", lachte der Fremde trocken, "Glaubst du, ich würde dich aufsuchen, wenn es nicht der Fall wäre? Natürlich kenne ich einen Weg."
"Und was verlangst du für deine Hilfe?", hakte die Diebin nach.
Ein Weg zu dem Schwert... Wenn er die Wahrheit sprach, war das die Gelegenheit, den anderen zuvor zu kommen. Und wer zuerst kam, malte zuerst.
"Nicht viel", antwortete der Kuttenträger gelassen, "Ich bin lediglich an einem Stück interessiert. Natürlich kein wertloses. Zumindest für mich nicht. Den Rest kannst du für dich behalten, ich benötige ihn nicht. Und ich verlange als Gegenleistung lediglich, dass du diesem Leon etwas Ärger bereitest. Was für dich ja kein sonderlich großes Problem darstellen sollte. Dieser Kerl entwickelt sich langsam zu einer richtigen Plage, findest du nicht?"
Da konnte Saria nur zustimmen. Leon eins auswischen und dafür die Kohle abstauben, das war mehr als fair.
"Einverstanden."
Die Diebin nickte.
"Sag mir nur, wo die anderen hin sind."
Der Fremde lachte leise.
"Schau dich doch um. Sie sind immer noch dort, wo du sie zuletzt gesehen hast."

Als Saria sich verwirrt umblickte, stellte sie verwundert fest, dass sie sich wieder zurück in der Höhle befand. Nichts hatte sich verändert, selbst Satura saß noch ebenso regungslos wie zuvor auf ihrem Platz. Hatte sie nur geträumt?
Nein, unmöglich. Dafür war der Traum viel zu real gewesen. Also hatte sie eine Aufgabe zu erfüllen. Leise schlug Saria die Decke zurück und zog mit spitzen Fingern ihr Blasrohr hervor. Behutsam ließ sie einen der winzigen Pfeilchen in das Röhrchen gleiten, bevor sie es an den Mund setzte und Saturas Hals anvisierte. Bis diese Schlafmützen aufwachten, war sie schon längst über alle Berge. Ein leises Keuchen, dann zeichnete sich der gefiederte Schaft des kleinen Geschosses am Hals der hohen Amazone ab. Ihre Hand hob sich noch, um nach dem Ursprung des plötzlichen Juckreizes zu tasten, dann verließ ihn die Kraft und sie sackte geräuschlos in sich zusammen.
Eilig legte Saria einen neuen Pfeil ein und schlich an die Kante zum Nebenraum, in dem die Bande der Räuberinnen schlief. Abermals war ein leises Husten zu vernehmen, die Wächterin sank wenige Augenblicke darauf in einen tiefen Schlummer. Die Diebin beeilte sich, die beiden Geschosse einzusammeln und in ihrer Tasche zu verstauen, bevor sie zu Satura schlichm, ihre Reisetasche öffnete und die Karte herauszog. Ein kurzes, heftiges Schnarchen ließ sie zusammenzucken. Esteron wälzte sich träge auf die Seite, schlief jedoch seelenruhig weiter.
Ein Glitzern in ihrem Augenwinkel erregte die Aufmerksamkeit der Amazone. Die Beute...
Leon brauchte Ärger. Nun gut, den konnte er haben. Saria konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen, als sie zu dem Haufen an Wertsachen schlich, sich einige besonders schöne Stücke herausgriff und sich zu dem schlummernden Dieb zurückpirschte. Mal sehen, was die Räuberinnen sagen würden, wenn sie morgen ihre Beute in Leons Taschen entdeckten. Natürlich ließ es sich die Diebin nicht nehmen, ein, zwei Kostbarkeiten für sich selbst zu beanspruchen. Doch mehr konnte sie sich nicht leisten, der Hauptverdacht sollte schließlich auf Leon fallen. Sie würde zu gerne Leons Gesicht sehen, wenn er von der Sache Wind bekam. Doch bis dahin würde sie schon Meilen entfernt sein. Als sie den Ausgang erreichte, hauchte Saria dem Dieb noch einen spöttischen Kuss zu, dann stahl sie sich in die Nacht davon.
23.07.2003, 16:29 #480
Saria
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[GM] Drachenfeuer -
Mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen stapfte Saria durch die Nachmittagshitze. Zwar erbarmten sich ab und an kleinere Wolkenfetzen und schoben sich schattenspendend vor die grelle Sonne, doch dafür hatten sich die Felsen dermaßen aufgehitzt, dass die Verlockung, zum Wasserschlauch zu greifen, mit jeder Minute weiter wuchs.
Zum Glück war die Diebin zwei Mal auf leise vor sich hin plätschernde Bäche gestoßen, an denen sie sich nicht nur am kühlen Wasser laben, sondern auch noch ihren angeschlagenen Wasservorrat wieder aufstocken konnte. Vielleicht war ihr Donnra doch noch wohlgesinnt. Bisher standen ihre Chancen zumindest nicht schlecht.
Und sogar noch besser, als in der Gruppe. Wer teilte schon gerne, wenn er genausogut alleine zurechtkam. Für Sarias Geschmack war es ohnehin viel zu langsam vorangegangen. Ständig hatten sie auf irgendwen awrten müssen. In letzter Zeit meist auf Esteron, dem seine Verletzungen doch mehr zuzusetzen schienen, als er selbst zugeben wollte.
Tja, dann sollten sie sich aber auch nicht beschweren, wenn sie am Grab ankamen, nur um es leer vorzufinden. Das war nun einmal das Vorrecht des Schnelleren. Oder besser gesagt, der Schnelleren. Geschah ihnen nur recht. Brauchten ja nicht so rumtrödeln...
Ja, es war doch schön, von niemanden abhängig zu sein. Allzu gefährlich schien die Gegend auch nicht zu sein. Von ein paar Steilhängen und Geröllfeldern mal abgesehen, gab es nicht allzu viele Gelegenheiten, sich ernsthaft zu verletzen. Wilde Tiere gab es hier kaum, und vor allem keine, mit denen Sarias Bogen nicht fertig geworden wäre. Ab und zu hatten sich die Schatten großer Vögel am Himmel abgezeichnet, kreisten dort einige Minuten lange und verschwanden dann wieder hinter einem der zahlreichen Bergrücken. Vielleicht wieder Harpyien. Doch selbst, wenn es sich wirklich um einige der Vogelfrauen gehandelt haben sollte, sie hatten die Diebin nicht bemerkt. Eine einzelne Person erregte nun einmal um einiges weniger Aufmerksamkeit...
23.07.2003, 21:55 #481
Saria
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[GM] Drachenfeuer -
Einsam und kalt funkelten winzige Sterne am dunklen Nachthimmel, erinnerten an kleine, schimmernde Perlen die jemand auf ihrem schwarzen Samttuch vergessen hatte. Verträumt starrte Saria in das Meer aus erstarrten Lichtpunkten, den Kopf schwer auf ihre Hände gestützt lag sie auf einem leicht abgerundeten Felsen nahe der steil abfallenden Klippe.
Das Sternenlich war eines der wenigen Dinge auf der Welt, das sich nicht ohne weiteres klauen ließ. Obwohl es wunderschön anzusehen war, konnte man es nicht erreichen. Einerseits ärgerte Saria dieser Umstand, andererseits übte er auch einen gewissen Reiz auf sie aus. Ob es einen Weg gab, dieses Licht einzufangen? Oder es völlig auszulöschen?
Wie so ein Stern wohl aus der Nähe aussah? Glühte er noch heller? War er wirklich fest am Himmelszelt verankert?
Alles Fragen, auf die Saria keine Antwort finden konnte. Seufzend zog sie eine Hand unter ihrem Kinn hervor und ließ sie in der Tasche verschwinden. Dann ließ sie die frische Nachtluft tief in ihre Lungen strömen, streckte den Zeigefinger aus und deutete direkt in den Himmel. Einer der Sterne begann intensiver zu leuchten, dann dehnte sich von ihm ausgehend ein Streifen hellen Lichtes aus, wanderte schnurstracks über den Himmel und näherte sich einem weiteren Stern. Dort verharrte er kurzzeitig, bevor er einen Knick machte und geradewegs auf eine weitere, stumme Perle zuhielt. Stück für Stück zeichnete Saria auf diese Weise die einzelnen Sternenkonstellationen nach.
Dort ist ein Wagen, da ein Bär, dort... eine Schlange... vielleicht hier ein Bogen...
Es boten sich zwar unzählige Möglichkeiten, die einzelnen Sterne miteinander zu verbinden, doch wurde dieses Spielchen mit der Dauer langweilig. Seufzend richtete sich die Diebin auf und entließ die Magieströme in die Freiheit. Lautlos löste sich die Illusion am Himmel auf und verging in feinem Staub. Lustlos breitete Saria ihre Decke aus und rollte sich hinein. So ganz alleine war es manchmal doch etwas langweilig...
25.07.2003, 11:39 #482
Saria
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[GM] Drachenfeuer -
Eine warme, klebrige Flüssigkeit rann über Sarias Schläfe, verklebte ihr blondes Haar und riss sie aus der Umarmung der Bewusstlosigkeit. Tränen stiegen in ihre Augen, als sie benommen den Kopf hob und wie unter einem Hammerschlag zusammenzuckte. Stechender Kopfschmerz malträtierte ihr Gehirn, stöhnend presste sie die Hände an den Kopf und fiel nach hinten auf das schroffe Gestein. Ein starkes Schwindelgefühl ließ die in milchigem Nebel verborgen liegende Umgebung schwammig umherwabern und verdrehte Sarias Magen in einen schmerzhaften Knoten.
Ihre ziellos umhertastenden Finger spürten glattes Holz, schlossen sich krampfhaft um den Bogen, während sich die Diebin mühsam und schwankend mit der anderen Hand vom Boden hochstemmte. Einzelne Blutstropfen stürzten von ihrer Wange herab und hinterließen rote Farbsprenkel auf dem kalten Stein.
Was war passiert?
Sie erinnerte sich nur vage daran, wie der Nebel ein seltsames Ungeheuer aus seinem weißen Mantel entlassen hatte, welches mit seinen sensengleichen Klauen nach ihr geschnappt hatte. Sie wollte ausweichen, ihr Fuß war ins Leere getreten und dann folgte nur noch Schwärze...
Dann, ein Schrei.
Gellend, langgezogen, plötzlich abbrechend als ein dumpfer Aufschlag zu hören war.
Ein eisiger Schauer ließ Saria frösteln. Eine der Banditinnen. Tot. Panische Angst streckte ihre lähmenden Krallen nach dem Geist der Diebin aus. Auf der einen Seite die Verfolger, auf der anderen das unheimliche Monster. Sie musste hier weg, sofort.
Ohne nachzudenken stolperte Saria los, wäre beinahe erneut gestürzt, als ihr für einen Moment schwarz vor Augen wurde, fing sich aber an einem Felsbrocken ab. Fort von hier. Schnell. Hastig lief sie weiter. Zuerst eher ein mühseliges Stolpern und Tasten, dann ein schneller Lauf.
Plötzlich zerris abermals ein Schrei die unnatürliche Stille, die sich über die Szenerie gelegt hatte. Leon.
Hatte es den Dieb erwischt? War auch er in die Tiefe und damit in sein Verderben gestürzt? Nein, das durfte nicht sein. Leon war zwar vielleicht nervig und ein ziemliches Ärgernis, aber dumm war er nicht. Der würde doch nicht einfach so ins Nichts treten. Aber was, wenn doch?
Er war hinter ihr her. Das wusste Saria. Jetzt lag er vielleicht mit zerschmetterten Knochen irgendwo am Fuß einer Klippe. Weil er ihr nachgelaufen war. Nein, es war sicherlich nur eine Einbildung gewesen...
Saria wusste nur, dass sie hier weg musste. Ihre Beine brannten, ihre Füße spürte sie schon lange nicht mehr. Das Blut an ihrer Schläfe bildete mittlerweile eine feste Kruste. Sie musste schneller rennen, schneller, damit sie endlich aus diesem verfluchten Nebel herauskam.
Dann, auf einmal stolperte sie aus der milchigen Masse heraus ins grelle Sonnenlicht. Vor ihr erstreckten sich die grünen Auen eines Hochplateaus. Völlig erschöpft torkelte Saria noch einige Schritt weiter, bevor sie mit einem Seufzer der Erleichterung nach vorne ins Gras kippte. Sollte sie es tatsächlich geschafft haben...?
25.07.2003, 12:49 #483
Saria
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[GM] Drachenfeuer -
Haltlos taumelte die Diebin zurück, trat in eine Kuhle im Erdreich und fiel auf den Rücken. Rückwärts kroch sie ein Stück von Leon fort, bevor sie sich aufrappelte und den Langdolch aus der Scheide an ihrem Bein riss. Schützend hielt sie die schmale Klinge vor sich, wich vorsichtig weiter zurück, als der Dieb näher kam.
"Was... Bist du verrückt geworden?", keuchte Saria fassungslos.
Der gehetzte, an ein wildes Tier erinnernde Ausdruck in Leons Augen machte ihr Angst. Noch einmal glaubte sie in die schrecklichen, feurig roten Augen des Sumpfmonsters zu blicken, erkannte die selbe, heiß glühende Mordlust, den selben unbändigen Wahn. Leon sah schrecklich aus. In wirren Strähnen hingen die Haare in sein Gesicht, klebten feucht an seiner Wange, sein rechter Arm hing leblos herab, wahrscheinlich war er gebrochen. Doch er schien ihn gar nicht zu spüren, seine linke Hand umklammerte in unbändigem Hass den Griff seines Dolches, weiß traten die Knöchel unter seiner Haut hervor. Und er kam immer noch näher.
"Leon... Bleib sofort stehen! Bist du verrückt geworden?!"
Die Diebin wich schneller zurück, der Langdolch hob sich, die Spitze war drohend auf Leons Gesicht gerichtet.
"Keinen Schritt weiter! Ich... ich stech zu, ich tu's wirklich!"
25.07.2003, 13:32 #484
Saria
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[GM] Drachenfeuer -
"Leon...", Sarias Stimme brach ab, als sie heftig den Kopf schüttelte. Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln.
"Was erzählst du da...? Ich... Satura hat... ich..."
Einzelne Tränen fielen ins Gras, als sie erneut den Kopf schüttelte. Was... ging hier vor sich?
Leon und Satura... Angelogen? Alles wegen ihr... Verräter... Sie, eine Verräterin...? Aber warum?
Der Dolch in Sarias Hand flatterte, als sie abermals aufblickte und Leon in die Augen sah.
"Nein Leon... Du... du bist verrückt... Du weißt nicht was du sagst! La-lass mich in Ruhe!"
Blitzartig fuhr Saria herum und lief los. Der Sturz... Sie musste noch immer irgendwo auf den Felsen liegen. Und träumen. Alles wirkte so unecht. Das Gras, die friedlich daliegenden Auen... Es musste ein Traum sein, ein Alptraum...
So schnell sie ihre schmerzenden Beine trugen, rannte Saria über die sanften Hügel. Weg... sie musste diesem Verrückten entkommen. Dem Wahnsinnigen, der einmal Leon gewesen war.
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