World of Gothic Archiv
Alle Beiträge von Saria
Seite 17 von 20 « Erste 13  14  15  16  17  18  19  20 
20.05.2003, 18:09 #401
Saria
Beiträge: 484
Auf dem Fjord #1 -
"Ich habe keinen Stein!", rief Saria schon fast flehend.
Verzweifelt versuchte sie sich loszureißen, doch gegen den schraubstockartigen Griff des Kultisten hatte sie nichts entgegenzusetzen.
Ein Gefühl der Hilflosigkeit machte sich in ihrer Brust breit. Angstvoll blickte sie über die Schulter zu der Blutfliege, die noch immer unheimlich summend hinter ihr schwebte.
"Lass mich los! Ich habe euch doch nichts getan! Und warum bringt nicht endlich jemand dieses Viech um?!"
Sarias Stimme überschlug sich fast. In einem Anfall von Panik sprang sie nach vorne, stieß dabei mit dem Kultisten zusammen und riss ihn ebenfalls mit zu Boden.
20.05.2003, 18:25 #402
Saria
Beiträge: 484
Auf dem Fjord #1 -
Mit schwer pochendem Herzen sank Saria auf die Knie. Der Griff des Kultisten schmerzte fast so sehr wie die Anwesenheit der untoten Fliege. Dennoch umklammerte sie noch immer den Dolchgriff als ob er eine Rettung spendende Hand wäre.
"Ich habe nichts geklaut...", wimmerte die Diebin.
Ihre Augen schimmerten wässrig, Tränen sammelten sich in ihnen.
"Ich weiß ja nicht einmal, was ihr von mir wollt... Warum überfallt ihr mich einfach? Ich habe euch nichts getan... Ich kenne keinen Stein und klauen tu ich ohnehin nicht... Ich... ich bin doch nichts als eine Jägerin des Lagers..."
20.05.2003, 18:44 #403
Saria
Beiträge: 484
Auf dem Fjord #1 -
Ungläubig starrte Saria den Kultisten an.
"A-aber ich hab keinen Stein!"
Mittlerweile konnte die Diebin die Tränen nicht mehr zurückhalten. Warum konnte ihr denn niemand helfen?
Den Kristall würde sie diesen Kerlen bestimmt nicht geben. Verzweifelt sah sie zum anderen Boot hinüber. Doch auch von dort schlug ihr nur pure Feindseligkeit entgegen. Und dieser Bogenschütze sah auch nicht wirklich vertrauenserweckend aus...
Ihr Dolch lag neben ihr in dem Boot, doch da ihre Unterarme fest an die Bank gefesselt waren, konnte sie nicht viel ausrichten. An ihre Runen konnte sie so auch nicht kommen...
"Ich habe euch nichts getan", schluchzte sie mit schwacher Stimme.
"Glaubt mir doch, ich bin eine Jägerin des Lagers... Ich war ja noch nie in Gorthar! Und erst recht nicht in einer Festung..."
20.05.2003, 18:58 #404
Saria
Beiträge: 484
Auf dem Fjord #1 -
Einen Moment lang saß Saria wie zur Salzsäule erstarrt da.
Für die Dauer weniger Augenblicke blieb ihr Blick starr an dem wie aus dem Boden gewachsen dastehenden Untoten hängen. Wanderte die von Maden zerfressene Haut hinauf bis zu den gebrochenen Augen des Toten.
Dann klappte die Diebin zusammen.
21.05.2003, 16:14 #405
Saria
Beiträge: 484
Auf dem Fjord #1 -
Schluchzend versuchte Saria ihr Gesicht in den Armbeugen zu vergraben. Krämpfe schüttelten ihren Körper, die Angst vor dem Ungeheuer in ihrem Rücken machte sie unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Sie hörte das qualvolle, schwere Rasseln seines Atems, spürte das Boot unter dem Gewicht seines Körpers sich leicht zur Seite neigen und roch den widerlichen, süßlichen Gestank von verwesenden Fleisch. Einen Moment lang kämpfte sie würgend mit ihrem Magen, konnte gerade noch verhindern sich zu übergeben.
Sturzbächen gleich rannen Tränen über das Gesicht der Amazone, vermischten sich mit dem ins Boot geschwappten Salzwasser und sammelten sich in einer der Ecken.
"Ich hab ihn in der Tasche!", wimmerte Saria schließlich und versuchte vergeblich ihre Hand zu heben, um an die Tasche zu gelangen.
"Und jetzt bringt endlich dieses Ding weg! Ich halte es nicht mehr aus!"
22.05.2003, 14:35 #406
Saria
Beiträge: 484
Auf dem Fjord #1 -
Endlich hatte sich Saria weit genug beruhigt, um sich die vergossenen Tränen aus dem Gesicht zu wischen und schließlich nach dem Dolch zu tasten, um ihre zweite Hand zu befreien.
Als die Klinge schließlich den Strick durchtrennte, zitterte sie so stark, dass sie einen haarfeinen Schnitt am Unterarm der Diebin hinterließ. Ein einzelner Blutstropfen arbeitete sich unter der Haut hervor und lief eine schmale rote Spur hinterlassend auf ihren Handrücken zu.
Noch immer etwas benommen rieb sich Saria ihre Unterarme. Die Stricke hatten mehrere rote Striemen hinterlassen. Diese Kultisten kannten wirklich keine Gnade. Schaudernd musste die Amazone an die Begegnung zurückdenken. Einen Moment lang hatte sie fest damit gerechnet, sie müsste sterben. Entweder durch den Anblick der lebenden Leiche oder weil ihr einer der Kerle die Kehle durchschnitt.
Letzten Endes hatte sie wohl doch noch Glück gehabt. Wenn die Kultis wüssten, dass der Stein nicht der einzige, entwendete Gegenstand war...
Der Lederbeutel lag schwer in ihrer Hand. Sie konnte deutlich die vielen Kanten der Münzen durch das Leder hindurch spüren. Schwach lächelnd schüttelte sich Saria die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Manchmal wunderte sie sich selbst, wie sie selbst in einer derartigen Situation noch etwas stehlen konnte.
Es war nicht das erste Mal, dass sie sich dabei ertappte, sich selbst nicht mehr an den eigentlichen Diebstahl zurückerinnern zu können. Als ob ihre Finger ein gieriges Eigenleben besitzen würden...
Sie wusste noch genau, wie sie gegen den Kerl auf ihrem Boot gestoßen war. Doch dass sie ihm dabei den Geldbeutel entwendet hatte...
Egal, das hatte das Schwein davon, sie derartig zu quälen. Sarias Knie zitterten immer noch, als sie sich auf die Ruderbank setzte um die Paddel erneut zu packen und erneut auf das Lager zuzusteuern. Sie hatte wirklich Glück gehabt. Gar nicht auszudenken was passiert wäre, wenn eines der Paddel bei all der Aufregung über Bord gegangen wäre.
Vielleicht meinten es die Götter ausnahmsweise doch mal gut mit ihr.
22.05.2003, 15:00 #407
Saria
Beiträge: 484
Das Amazonenlager # 9 -
Etwas außer Atem erreichte Saria den Bootssteg. Verwundert stellte sie fest, dass die anderen Boote vollständig verschwunden waren.
Wird sicherlich einen Grund haben, sagte sie sich selbst, sprang auf den Steg und zog ihr Gefährt zu dem Bootssteg, um es dort bei seinen Geschwistern sicher zu verstauen.
Wenigstens war sie jetzt wieder im Lager, das war was momentan zählte. Endlich wieder etwas Ruhe. Und ab jetzt würde sie nicht mehr ohne ihren Bogen herumziehen. In dieser lebensfeindlichen Welt war das ja glatter Selbstmord.
Doch als Saria durch das Lagertor schritt, zerplatzten ihre Hoffnungen auf etwas Ruhe wie eine Seifenblase, als sie eine Amazone erkannte, die direkt auf sie zuhielt...
22.05.2003, 16:49 #408
Saria
Beiträge: 484
Das Amazonenlager # 9 -
"Aber... ähm...ich...", wollte Saria beginnen, doch die Köchin kannte keine Widerrede.
Toll. Kaum wieder im Lager, schon wieder Stress. Von wegen faul auf der Haut liegen...
Die letzte Zeit hatte die Diebin keine ruhige Minute gehabt. Entweder war sie unterwegs gewesen oder diese Kultisten waren ihr zu sehr auf die Pelle gerückt.
Bevor sie sich verteidigen und somit erfolgreich vor der drohenden Arbeit drücken konnte, wurde Saria von Hummelchen direkt auf ihre Schmiede zugeschoben. Allein der Anblick des ganzen funkelnden Geschmeides ließ Saria das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Um das Zittern ihrer Hände zu verbergen, verschränkte sie die Arme kurzerhand hinter dem Rücken und fragte unschuldig :
"Bist du dir sicher, dass du das Zeugs loswerden willst? Das ist doch ziemlich wertvoll..."
Ob Hummelchen merken würde, wenn der Schmuck zufällig unterwegs verloren ging? Allerdings wäre es nicht sonderlich förderlich für Sarias eigenes Wohlergehen, wenn sie es sich mit dem eigenem Lager verscherzte...
"Ach, wo ich dich gerade sehe - könntest du mir Fassungen für meine Runen fertigen? Ich dachte an Armreifen oder vielleicht auch Ringe..."
Hastig kramte Saria in ihrer Tasche herum, um der Köchin ihre von Thaleiia überreichten Runen zu zeigen.
22.05.2003, 17:13 #409
Saria
Beiträge: 484
Das Amazonenlager # 9 -
"J-ja, natürlich werde ich drauf aufpassen!", versicherte Saria hastig.
Vielleicht eine Spur zu schnell. Egal, hauptsache sie sagte irgendwas.
"Aber... ich glaub ich nehm lieber einen Karren. Ich werd doch so schnell seekrank."
Eine glatte Lüge. Aber es musste ja nicht jeder wissen, was bei ihrem letzten Bootsausflug passiert war.
"Außerdem müsste ich sonst die Fässer die gesamte Strecke bis zur Taverne schleppen. Das schaff ich doch nie! Nein, ich fahr lieber durch's Tal. Keine Angst, ich schaff ich locker."
Und wenn dabei zufällig etwas "verschwinden" sollte, konnte sie leicht die Schuld auf die Orks schieben. Diese Biester waren heutzutage ja wirklich überall...
"Ähm...soll ich wirklich den Karren alleine beladen? Eigentlich muss ich noch ganz dringend mit Thaleiia reden, ich glaube es wäre besser wenn du das jemand anderes erledigen lässt... Schon gut, ich geh ja schon!", meinte die Diebin eilig als Hummelchens Mundwinkel um eine Winzigkeit nach unten rückten.
"Sklaventreiberin...", murmelte die Amazone, als sie aus der Schmiede schlenderte, um sich an die Arbeit zu machen.
Und bekam einen halben Herzinfarkt, als sie versuchte, das erste Fass in die Höhe zu stemmen. Bei Donnra, das war kein Fass, das war ein Fels! Leise vor sich hin fluchend versuchte die Diebin, den schweren Behälter irgendwie zu bewegen.
Toller Tag, wirklich toll. Bis sie hier fertig war, hatten die Amazonen wahrscheinlich schon drei neue Königinnen...
22.05.2003, 19:03 #410
Saria
Beiträge: 484
Das Amazonenlager # 9 -
Keuchend lehnte sich Saria gegen den Karren und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Langsam begann sie sich richtiggehend daran zu gewöhnen, dass sich ihre Arme wie leere Wasserschläuche anfühlten.
Trotzdem hasste sie dieses Gefühl.
Einerseits erinnerte sie es an die Ausbildung bei Blutfeuer, andererseits überhaupt an die ganze Plackerei. Warum wurde sie eigentlich von jedem zu irgendeiner Arbeit verdonnert? Nur weil so noch so jung war? Immerhin hatte sie sich mittlerweile ganz schön hochgearbeitet. Irgendwann würde sie ihren Schwestern schon noch beweisen, dass sie zu mehr zu gebrauchen war.
Mit Sicherheit gab es im gesamten Lager keine größere Diebin. Vielleicht nicht einmal auf ganz Khorinis. Die hatten doch alle Angst vor der Garde. Feiglinge, allesamt.
Selbst dieser Leon schien Muffensausen bekommen zu haben. Sonst hätte er sich doch sicherlich noch einmal blicken lassen. War ja klar gewesen, dass sie sich nicht auf den verlassen konnte. Der war viel zu... weich.
Ja, das war er. Ein Weichei, genau wie alle anderen.
Derartige Gedanken sprangen in Sarias Kopf umher, als sie missmutig in ihr Zimmer stapfte, um dort ihren Bogen samt Köcher aufzulesen. Einige Minuten lang suchte sie vergeblich nach ihrem Mantel, bis sie sich an die Begegnung mit dem verrückten Sumpfler erinnerte.
Wegen diesem Idioten durfte sie sich nun einen neuen Mantel zulegen. Dafür würde er auch irgendwann kassieren...
Zu guter Letzt machte sich die Diebin noch an ihrer Truhe zu schaffen, um etwas Geld herauszufischen. Nicht allzu viel, aber man konnte ja nie wissen ob man etwas gebrauchen konnte. Und ein Schnäppschen in Ehren kann niemand verwehren...
Seufzend sperrte die Amazone ihr Zimmer sorgfältig ab, bevor sie sich erneut auf den Hof begab und zu dem Karren schlenderte. Sowohl die Fässer wie auch Hummelchens Geschmeide war sorgfältig verstaut. Einige kleinere Truhen schützten mit dicken Schlössern die wertvolle Fracht vor unerwünschten Blicken. Nur gut, dass Saria selbst den Schlüssel verwahrte.
Neben den beiden großen Fässern für Sador war auch noch ein kleineres festgezurrt worden. Das würde sicherlich seinen Wert beweisen, wenn einer der anderen Wirte eine Kostprobe des feurigen Likörs verlangte.
Leicht müde ließ sich die Diebin auf der Kutschbank nieder, um auf ihre Fahrerin zu warten. Diese Riesenvögel zu lenken traute sie sich dann doch nicht zu...
"Da bist du ja."
Eine ruhige Stimme ließ Saria zusammenfahren. Ohne es zu merken war sie leicht eingedöst und hatte so gar nicht bemerkt, wie eine der anderen Amazonen nähergekommen war.
Erschrocken drehte sie sich herum und konnte im Schein der Fackeln eine etwas gebrechlich wirkende Frau mit angegrautem Haar erkennen.
"Thaleiia!", entfuhr es ihr, "Wa-was machst du denn hier?"
Saria schluckte. Wenn das mal keinen Ärger gab.
"Ich wollte mich nur mit dir unterhalten, bevor du uns abermals verlässt", antwortete die Hohepriesterin ruhig und blieb neben dem Karren stehen.
Die Diebin fuhr sich nervös durch die Haare. Wie schon bei ihren vorigen Gesprächen mit der alten Priesterin stieg ein Gefühl der Unsicherheit in ihr auf, ließ sie unruhig auf ihrem Platz herumrutschen und machte es ihr unmöglich, die Finger still zu halten.
"Ähm...gut, worüber willst du denn mit mir reden?"
Thaleiia blickte die Amazone ernst an. Saria konnte nicht verhindern, ein Stückchen zur Seite zu rücken.
"Ich bin mir nicht sicher, ob du bereit bist...", murmelte die Priesterin schließlich.
"Bereit? Wofür?", platzte Saria heraus.
"Für die höhere Magie unserer Bewahrerin. Ich fürchte, dir fehlt die notwendige Disziplin. Diese Magie ist durchaus mächtig und unachtsamer Gebrauch kann völliges Chaos verursachen."
Magie? Diese Gelegenheit konnte sich die Diebin natürlich nicht entgehen lassen.
"Warum denn? Ich kann mich inzwischen schon viel besser beherrschen!", log Saria.
"Frag doch Blutfeuer, die hat mich schließlich ausgebildet! Und hat sie sich beschwert? Bestimmt nicht, immerhin habe ich sie nicht enttäuscht."
Erneut bedachte Thaleiia die junge Amazone mit einem durchdringenden Blick. Diese dunklen aber doch so klaren Augen weckten in Saria stets das Gefühl, klein und durchschaubar zu sein...
"Ich gebe dir eine der Runen. Mit ihr kannst du noch nicht viel anstellen. Aber vielleicht kann sie dir bei deinem Auftrag behilflich sein. Mit ihr kannst du Gegenstände oder sogar ganze Räume mit einem magischen Verschluss versehen. Ohne immensen Magieaufwand oder deinen eigenen Willen wird es unmöglich sein, diesen Verschluss aufzuheben. Doch bedenke, dass es dich viel Kraft kosten wird, einen kompletten Raum zu verschließen. Überschätze deine eigene Kraft nicht."
Mit großen Augen betrachtete Saria die Rune. Ihre Hände zitterten leicht, als sie den Stein entgegennahm.
"Danke. Wart nur ab, ich werd dich nicht enttäuschen. Und Hummelchen auch nicht. Immerhin trage ich die Verantwortung für das Zeug."
Damit sprach sie genau das aus, was sie eigentlich störte. Wenn irgendetwas dazwischen kommen sollte, würde sie die Folgen tragen müssen...
"Das will ich auch hoffen. Viel Glück auf deiner Reise", meinte Thaleiia nach kurzem Schweigen und verschwand dann in Richtung Tempel.
Seltsam, schon wieder hatte Saria das Gefühl, dass die Priesterin ihr nicht alles gesagt hatte. Vielleicht war es auch nur Einbildung...
Selbst als sie zusammen mit ihrer Begleiterin auf dem holpernden Kutschbock saß und aus dem Lager rumpelte, ließ sie dieser Gedanke nicht los.
22.05.2003, 19:26 #411
Saria
Beiträge: 484
Rund um Khorinis # 7 -
Rumpelnd und polternd holperte der Karren durch die Nacht.
Das Minental war schnell durchquert gewesen. Saria war doch etwas verwundert, mit welchen Elan und welcher Geschwindigkeit diese Scavenger durch die Nacht wetzten.
Die ganze Fahrt über hatte sie ihren Bogen auf den Knien liegen, um im Falle eines unerwarteten Angriffs sofort reagieren zu können. Doch ihre Befürchtungen hatten sich als unnötig erwiesen. Kein einziger Ork hatte sich gezeigt. Die Diebin vermutete, dass die Grünpelze sich mal wieder hinter ihrem Wall zusammengerottet hatten, um irgendwelche düsteren Pläne auszuhecken.
So war die Amazone durchaus erleichtert, als der Wagen endlich ruhigere Gefilde erreichte. In diesem Teil von Khorinis hatte sie kaum etwas zu befürchten. Die Milizen würden sie bestimmt nicht als Diebin verdächtigen, wenn sie in Begleitung ihrer Schwester sowie des gesamten Karrens reiste.
Mittlerweile hatte sie sogar herausgefunden, dass ihre Fahrerin auf den Namen Isira hörte. Und sie ziemlich wortkarg war. Doch dass konnte die Diebin nicht aufhalten, ihre unschuldigen Fragen zu stellen.
"Sag mal, was sollen wir eigentlich machen, wenn aus irgendeinem Grund etwas von der Ware verschwinden sollte?"
"Besser aufpassen", kam die knappe Antwort.
"Aber dann ist es doch schon zu spät! Glaubst du wirklich, dass überhaupt jemand was merken würde? Wenn da so ein paar kleine Dinger fehlen..."
"Werden sie aber nicht."
"Und wenn einer der Truhendeckel nicht richtig schließt? Bei dem Geholper kann es doch leicht passieren, dass da was raushüpft."
"Deshalb sind sie verschlossen."
Verdammt, die gab nicht so schnell nach. Ob Hummelchen Saria absichtlich Isira mitgegeben hatte? Der traute die Diebin mittlerweile auch fast alles zu...
Seufzend gab Saria nach und lehnte sich auf der Fahrerbank zurück. Zwischen dem dichten Blätterdach des Waldes schimmerte das blasse Gesicht des Mondes hindurch und beleuchtete den Weg des Karrens nur spärlich. Dennoch erfüllte der Anblick des fahlen Gestirns die Amazone mit einem Gefühl der Ruhe und Gelassenheit.
Wenn es nach ihr ginge, durfte die Fahrt ruhig noch etwas dauern. Hier auf dem Kutschbock war es eigentlich ganz gemütlich. Allerdings wäre ein weiches Bett auch nicht zu verachten...
23.05.2003, 11:28 #412
Saria
Beiträge: 484
Taverne "Zur toten Harpyie" #2 -
Steine spritzten zur Seite, als die Räder des Karrens knirschend vor der Taverne zum Stillstand kamen. Einer der beiden Zugscavenger bildete sich ein, die Ankunft der beiden Amazonen mit einem schrillen Schrei nochmal extra ankündigen zu müssen.
Dann begann er, zusammen mit seinem Artgenossen im Kies herumzupicken. Treudoofe Viecher, dachte sich Saria, als sie vom Wagen stieg.
Nach der langen Fahrt war es etwas ungewohnt, wieder auf den eigenen Beinen zu stehen. Kein Wunder, bei all dem Geholper hatten sich mit Sicherheit sämtliche Knocheni in eine matschige Brühe verwandelt. Und irgendwer schien Saria einen dicken Holzkanten zwischen die Wirbel geklemmt zu haben. Vielleicht hätte sie doch nicht auf dem Kutschbock einschlafen sollen...
Die Taverne erweckte mittlerweile sogar wieder den Eindruck eines Gebäudes. Offensichtlich war das Erdgeschoss fertiggestellt. Etwas träge trat die Diebin durch die imaginäre Tür (Zumindest hielt sie das Loch in der Wand für eine) und in den zukünftigen Schankraum.
Dort konnte sie einen hellwachen Sador erkennen, der mit Habichtsaugen die Arbeit der Handwerkerschaft überwachte.
"Morgen Sador", nuschelte die Amazone zur Begrüßung.
"Ich soll dir von Hummelchen zwei Fässer Amazonenbräu bringen. Sind draußen auf'm Wagen. Hoff doch schwer, du hast wen zum Abladen?"
26.05.2003, 16:28 #413
Saria
Beiträge: 484
Rund um Khorinis # 7 -
Polternd holperte der Karren den breiten Feldweg von der Taverne zu Onars Hof hinab. Gelangweilt sah Saria dabei zu, wie ein nahestehender Lurker erschrocken in den See sprang, als der Zweispänner vorbeirumpelte.
Ein Bein locker über das andere geschlagen und den Bogen in ihren Schoß gebettet, blinzelte die Amazone in die grelle Sonne. Als orangeroter Fleck zeichnete sich der Himmelskörper am Horizont ab, sank beständig tiefer und machte Platz für die näher rückende Nacht. Doch bis zum Einbruch der Dunkelheit sollten die beiden Amazonen längst den Hof erreicht haben. Hoffentlich fand sich dort ein wamres, weiches Bett. Dieser Sador war ein ganz schön harter Hund. Sonderlich schlecht waren die Amazonen zwar nicht weggekommen, aber allein mit dem Erlös der beiden Fässer traute sich Saria nicht, zum Lager zurückzukehren. Die beiden Kisten mit Hummelchens Geschmeide warteten auch noch auf einen zahlungsfreudigen Abnehmer. Vielleicht hatte die Diebin ja Glück und niemand bemerkte, wie das eine oder andere Stück zufällig verschwand...
Sarias Blick wanderte zu der neben ihr sitzenden Isira. Die Amazone starrte stur geradeaus, die Zügel lagen fest in ihrer Hand. Wie eine Statue...
Seufzend ließ sich die Diebin auf der Fahrerbank zurücksinken und zupfte an der Bogensehne herum. Allzu lang sollte es nicht mehr dauern...
26.05.2003, 22:07 #414
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
Unsanft wurde Saria aus ihrem leichten Schlummer gerissen, als der Scavengerkarren über eine Bodenerhebung hüpfte und polternd wieder aufsetzte. War sie doch glatt wieder eingedöst...
Und bemerkte zu ihrem Erstaunen, dass sie den Hof schon erreicht hatten. Nur machte Isira keinerlei Anstalten, den Karren anzuhalten. Schlief die etwa mit offenen Augen?
"Ähm, spinnst du?", fragte Saria erschrocken, als sich einer der Bauern mit einem beherzten Hechtsprung in Sicherheit brachte.
Ihre Schwester grinste nur, ließ die Scavenger jedoch ungebremst weiterlaufen. Die Diebin warf einen beunruhigten Blick in Fahrtrichtung, dann wieder zu der Wagenlenkerin.
"Bist du verrückt? Wir sollen hier Hummelchens Zeug loswerden, nicht die Leute überfahren! Halt sofort an!"
Isira zuckte mit den Schultern, dann zog sie kräftig an den Zügeln und ließ einen schrillen Pfiff ertönen. Ruckartig kam der Karren zum Stillstand, als die Zugtiere plötzlich stoppten.
Durch den unerwarteten Ruck wurde Saria nach vorne geschleudert, knallte schmerzhaft gegen einen der Scavenger und dann auf die harte Erde. Stöhnend rappelte sich die Diebin auf und warf einen vor Gift sprühenden Blick zu ihrer Amazonenschwester.
"Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen?! Zuerst willst du die Bauern und dann mich umbringen! Bei Donnra, was hat sich Hummelchen nur dabei gedacht, mir eine Verrückte mitzugeben..."
Mit schmerzenden Schädel klopfte sich Saria den Staub von der Rüstung. Sie hatte Glück gehabt, dass der Scavenger im Weg gewesen war, sonst wäre sie wahrscheinlich ungespitzt in den Boden gekracht.
Diese Wahnsinnige Wagenlenkerin würde schon noch ihre Abreigung bekommen. Doch erstmal musste sie diesen Händler sowie den Wirt finden, um ihren Auftrag zu erfüllen...
27.05.2003, 14:26 #415
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
"Ähm, naja, so in etwa", entgegnete Saria leicht perplex.
Die gesamte Situation entwickelte sich etwas zu schnell für ihren Geschmack. Doch es dauerte nur wenige Sekunden, bis sie sich wieder gefasst hatte.
"Eigentlich dachte ich eher, dass du etwas von mir kaufen willst", fuhr sie mit einem verschmitzten Grinsen fort.
"Naja, nicht direkt von mir, ich bin nur die Vermittlerin. Aaaber, du hast doch schon sicher von Hummelchen gehört?"
Die Diebin wedelte mit dem Zeigefinger vor Linkys Gesicht herum, um die Wichtigkeit der genannten Person zu unterstreichen.
"In ganz Khorinis ist sie weltberühmt", dass Khorinis keineswegs die gesamte Welt darstellte, interessierte Saria in diesem Moment herzlich wenig, jedenfalls sprudelte sie fröhlich weiter, "natürlich für ihre wundervollen, einzigartigen Geschmeide! Sag bloß, du führst keine von Hummelchens Kunstwerken in deinem Laden? Das kann doch nicht sein, du wirst nirgends bessere und kunstvollere Schwertscheiden, Gürtelschnallen, Waffenverzierungen und sonstiges Geschmeide finden! Ein Laden ohne Hummelchens Kostbarkeiten ist ein Laden ohne Seele! Komm schon mein Hübscher, sag mir dass du nicht erst jetzt daran gedacht hast, dir etwas von dieser unglaublichen Schmiedin zu kaufen? Wirklich nicht? Dann wird es aber allerhöchste Zeit! Benutz diese Meisterwerke amazonischer Schmiedekunst um deinen Laden zu verschönern, sie über dein Bett zu hängen oder einfach nur weiterzuverkaufen und damit viele Menschen glücklich zu machen! Du hast wirklich kein einziges Stück aus Hummelchens Schmiede in deinem Sortiment? Das ist natürlich wirklich bedauerlich. Doch du hast Glück!"
Der Finger der Amazone beschrieb eine urplötzliche Kehrtwende, schnellte zur Seite und spießte mit einer imaginären Verlängerung der Fingerkuppe die Truhen auf der Ladefläche des Karrens auf. Den entgeisterten Blick ihrer Amazonenschwester ignorierte Saria.
"Denn ich bringe die Ware direkt zu dir!", ihr Finger drohte die Brust des Händlers zu durchstechen. Doch einen Moment später deutete er zurück auf die Truhen.
"Dort liegt die Quelle zu unglaublichen Reichtum verborgen! Kauf noch heute die gesamte Lieferung und sei für immer glücklich! Denn Hummelchens Werke sind für die Ewigkeit!"
Saria nutzte die Gunst der Stunde, um nach Luft zu schnappen. Schwer atmend fügte sie kleinlaut hinzu :
"Hast du vielleicht ein Glas Wasser da?"
27.05.2003, 14:57 #416
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
Das kühle Wasser floss einem Sturzbach gleich Sarias Kehle herunter und vernichtete auf seinem Weg gnadenlos die staubtrockene Wüste ihrer Kehle. Nicht einmal der Saft der Götter selbst konnte erfrischender sein.
Nur was meinte Linky mit "Fabrikware"? Billiganfertigungen?
Bei den Amazonen? Das konnte die Diebin natürlich nicht so einfach auf sich sitzen lassen. Doch Isira kam ihr zuvor und begann augenblicklich eine unbarmherzige Feilscherei mit dem Händler heraufzubeschwören.
"Dreihundert", war ihr erstes Angebot.
Erschrocken sprang Saria auf und stieß dabei ihren Stuhl um.
"Spinnst du? Die Truhen sind voll mit dem Zeug! Ich sage Drei-ssigtausend!"
Isira winkte nur ab und lachte spöttisch.
"Hört nicht auf meine Schwester, sie versteht nichts vom Feilschen", meinte sie zu Linky.
Doch einen Herzschlag später ging Saria schon wieder dazwischen.
"Hast du eine Ahnung! Weißt du wie lange Hummelchen allein schon gebraucht hat, um die Dinger anzufertigen? Für eine einzige Schwertscheide braucht sie mindestens zwei Tage! Weil sie sich die Zeit nimmt, ihre Arbeit zu perfektionieren! Immerhin handelt es sich hierbei um echte Handarbeit! Ich weiß ja nicht, aus welchem Loch du kommst, aber hier handelt es sich um echte Qualitätsware! Unter zwanzigtausend geht hier gar nichts."
Ihre Schwester war nun ebenfalls aufgesprungen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
"Du bist wohl ein echter Kunstkenner, hm?", fragte sie schnippisch, "Kein Wunder, dass du es zu nichts gebracht hast, wenn du für deinen Krempel immer so viel verlangst. Fünftausend sage ich und kein Stück mehr."
Saria spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.
"Das ist ja wohl die Höhe!", fuhr sie die Wagenlenkerin an.
"Du willst mir sagen, dass ich keine Ahnung von echter Kunst habe? Dann schau dich doch mal selbst an! Allein schon daran wie du rumläufst, kann jeder Blinde erkennen dass du von Kunst so viel verstehst wie ein Paladin vom Marathonlauf! Fünfzehntausend, und weiter runter gehe ich mit Sicherheit nicht!"
"Ach, und das entscheidest du? Ich bin die Ältere, überlass die Geschäfte besser den Erwachsenen! Sechstausend."
"Vierzehntausend!"
"Siebentausend!"
"Dreizehntausend!"
"Zehntausend, und das ist mein letztes Wort!"
"Zwölftausend, und das ist mein letztes Wort!"
Kochend vor Wut versuchte Saria, ihre Schwester allein mit der Kraft ihres Blickes zu durchbohren.
27.05.2003, 15:24 #417
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
"Zehntausend", meinte Saria schließlich.
"Das ist mehr als fair und eigentlich kommst du damit viel zu gut weg. Ich handle mir damit sicherlich wieder Ärger mit Hummelchen ein. Hat sie mir doch extra vor der Abreise gesagt, dass meine armen Schwestern hungern müssen wenn ich meine Aufgabe nicht gut genug mache..."
Die Diebin verzog enttäuscht das Gesicht.
"Komm schon, gib dir einen Ruck. Von dem Geld muss das gesamte Lager ernährt werden! Hummelchen hat Tag und Nacht gearbeitet, um das Überleben des Lagers sichern zu können. Zehntausend sind doch wirklich nicht zu viel verlangt. Die Truhen sind voll! Bessere Ware findest du nirgends. Du nimmst damit ohnehin mehr ein als wir. Aber von irgendetwas müssen wir halt auch leben."
27.05.2003, 16:34 #418
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
"Eine der Truhen brauchen wir noch für das Gold", meinte Saria als die schweren Kisten endlich abgeladen waren.
Wenigstens beim Schleppen bewies Isira, dass sie doch zu etwas nütze war. Gemeinsam räumten die Amazonen eine der Truhen aus und stapelten den Inhalt in einer der Ecken des Ladens. Bei Donnra, allein schon der Anblick von all dem Gold ließ Saria das Wasser im Mund zusammenlaufen und die Hände zittrig werden. Allerdings passte ihre Schwester mit Adleraugen auf, dass keiner der Gegenstände versehentlich den Besitzer wechselte...
Nach getaner Arbeit lehnte sich Saria an den Türrahmen, während Isira das Gold abzählte und die leergeräumte Truhe mit klimpernden Münzen füllte. Irgendwann, ja, irgendwann musste ihre Schwester sicherlich auch einmal schlafen...
"Vergiss nicht, deine Kunden zu Hummelchen zu schicken, falls sie bei dir eine Waffe kaufen!", rief Saria Linky noch im Gehen zu, dann schleppte sie die schwere Kiste zusammen mit Isira zurück zum Karren, um sie dort mit Hilfe einiger Seile festzuzurren.
"Jetzt müssen wir nur noch den Wirt finden, bevor wir zum Sumpflager aufbrechen können", seufzte Saria als die Truhe sicher auf der Ladefläche verstaut war.
"Dann mach dich doch schonmal auf die Suche", kam kurz darauf die Antwort ihrer Schwester.
"Damit du dich hier an dem Gold bedienst? Nein, so nicht. Du vergisst, dass ich den Schlüssel für die Truhe besitze. Geh du schonmal vor."
"Ich lass dich doch nicht hier allein. Dann warte ich halt, bis zu abgeschlossen hast."
In Gedanken wünschte die Diebin der Wagenlenkerin sämtliche Seuchen der Welt auf den Hals. Grummelnd kletterte sie auf den Karren, um sich neben der Truhe auf die Knie sinken zu lassen. Doch als der Schlüssel sich klackend im Schloss drehte, kam ihr eine Idee.
So leicht würde sie sich nicht rumkriegen lassen. Diese dumme Kuh wartete doch sicher nur darauf, dass sich eine günstige Gelegenheit ergab, damit sie sich selbst am Gold bedienen konnte. Zu ihrem Pech hatte sie da wohl die Rechnung ohne Saria gemacht.
Flugs verschwand die Hand der Diebin in ihrer Tasche und schloss sich um die dort verborgen liegende Rune. Jetzt würde sie Thaleiia endlich einmal beweisen, dass sie doch nicht in ihr getäuscht hatte.
Ein tiefes Durchatmen, dann wichen sämtliche Anzeichen des Ärgers aus Sarias Miene. Mit einem Ausdruck der Entspannung auf ihren Zügen schloss sie die Augen und berührte mit der freien Hand das Truhenschloss. Anders als bei den bisherigen Zaubern kostete es Saria um einiges mehr Mühe, die Macht der Rune zu entfesseln. Es reichte nicht mehr, sich allein auf das Ziel des Zaubers zu konzentrieren. Etwas blockierte die freie Entfaltung der in feste Bahnen gezwungenen Magieströme.
Sarias Finger schlossen sich fester um die Rune. Kleine Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn, ihre Lippen formten lautlose Worte. Die empfindlichen, astralen Stränge ließen sich nicht mehr freiwillig in die erwünschte Form zwängen. Hier musste Saria selbst Hand anlegen.
Ihre Augenlider zuckten, dann verhärteten sich ihre Züge. Die zuvor sanft auf dem kühlen Metall des Schlosses liegenden Finger versteiften sich. Dann schlug die Diebin plötzlich die Augen auf.
Winzige, leuchtend helle Lichtpünktchen zogen unregelmäßige Bahnen durch das sanfte Grün ihrer Augen, erinnerten an unerwartet zum Leben erwachte Glühwürmchen. Bläuliche Lichtreflexionen tanzten über das spiegelnde Metall des Truhenschlosses, dann erstrahlte Sarias Hand in einem pulsierenden Licht. Einige Sekunden lang wurde die gesamte Ladefläche in ein tiefes Blau getaucht.
Langsam verblasste der Lichtschein um Sarias Hand. Stattdessen lösten sich dünne Lichtbahnen von ihrer Haut, tasteten sich zögernd wie Fühler über das metallverstärkte Holz der Kiste und bildeten ein dichtes, schimmerndes Gespinst.
Ein lauter werdende Surren war zu hören, dann verschwand das Netz. Auch die Lichtpunkte in Sarias Augen verglühten und machten einem trüben, erschöpft wirkenden Blick Platz.
"Warte einen Moment", sprach die Diebin abwesend zu ihrer Schwester.
Müde ließ sie sich auf die Seite kippen und blieb einige Minuten reglos liegen. Der Zauber schien geklappt zu haben. Doch kam sich Saria seltsam ausgebrannt vor. Die Erschöpfung war nicht körperlicher Natur, und doch konnte sie kaum die Kraft finden, einen Finger zu heben. Es war wie damals, in der Taverne in Drakia. Aber das schon nach einem einzigen Zauber?
Thaleiia hatte sie gewarnt, dass diese Magie durchaus mächtig war. Offensichtlich hatte sie noch einige Übung nötig, bevor sie derartige Kräfte entfesseln konnte, ohne sich gleich selbst völlig zu verausgaben.
Schließlich, es waren sicherlich zehn Minuten vergangen, stemmte sich die Diebin hoch und ließ sich vom Karren gleiten. Je früher sie den Wirt fanden, desto früher konnten sie auch wieder von hier verschwinden. Und wo sollte sich ein Wirt schon groß herumtreiben wenn nicht in seiner Taverne?
So betraten Saria mitsamt der mürrischen Wagenlenkerin kurze Zeit später den nach Kraut und Bier stinkenden Schankraum...
27.05.2003, 21:39 #419
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
Schreie, das dumpfe Aufschlagen harter Knochen auf ebenso harten Panzerungen oder Körpern von Kontrahenten sowie das trockene Bersten von Holz kündigten von einer der berühmt-berüchtigten Hofschlägereien.
Glücklicherweise hatte sich Saria rechtzeitig aus der Gefahrenzone gebracht, sodass sie nicht Gefahr laufen konnte, in das Handgemenge mit hineingezogen zu werden.
So ließ sie sich dicht gefolgt von ihrer Amazonenschwester mit einem Seufzer auf einem der Schemel an der Theke nieder. Von einem Wirt war nichts zu sehen, nur eine junge Frau saß gelangweilt auf dem Tresen. Kein Wunder, viel los war momentan nicht. Offensichtlich arbeitete sie hier, sonst würde sie sich wohl eher an einen der freien Plätze setzen.
"'tschuldigung, hast du zufällig was scharfes da? Vielleicht einen kleinen Schnaps?", wandte sich die Diebin an die Frau.
"Und wenn wir schon dabei sind, deine Taverne hegt nicht zufällig Interesse an Lieferungen von Amazonenbräu?"
Die Amazone unterdrückte ein lautstarkes Gähnen. Bei Donnra, sie brauchte dringend etwas Schlaf...
"Hab da noch ne Kostprobe dabei. Musst du unbedingt probieren. Einfach unterzeichnen, Fässer bezahlen und fertig..."
Mittlerweile hatte Saria ernsthafte Probleme, ihre Augen offenzuhalten. Allerdings schien Isira diesen Umstand ebenfalls zu bemerken und stellte sich direkt neben die Diebin. Die würde schon aufpassen, dass nichts passierte...
28.05.2003, 15:51 #420
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
Nachdem die Diebin nach einer Aufwachphase von exakt neunkommaachtdrei Sekunden das bohrende Gefühl in ihrer Wange registriert hatte, griff sie nach dem Löffel, welcher sich mit einem deutlichen Plopp verabschiedete und dann mit lautem Klimpern in einer der Raumecken verschwand.
Saria blinzelte. Hatte sie da eben wirklich einen Löffel weggeschmissen? Und noch alle Tassen im Schrank?
Das war ein Löffel. Ein Löffel. L-Ö-F-F-E-L.
Erneut musste die Amazone blinzeln.
Sie befand sich hier in einer Taverne. Der Taverne der Söldner, um genau zu sein. Kurz : Einer Absteige, wie sie es in ganz Khorinis wahrscheinlich kein zweites Mal gab. Und hier gab es Löffel?
Verwirrt schüttelte die Diebin den Kopf. Unmöglich. Sie musste sich das Ding eingebildet haben. Nur war er ihr so unglaublich real vorgekommen...
Genau wie das Scheppern und wütende Gestampfe aus dem Nebenraum. Kurz darauf kam ein dank übermäßiger Beanspruchung der eigenen Lunge an einen khorinischen Doppelschnabelrenner erinnernden (Kurz : Ein wie wild hechelnder Schmok) aus der Kammer und teilte der Diebin zu ihrer Freude mit, dass er durchaus das besagte Amazonenbräu gebrauchen konnte.
"Kein Problem, wir können dir jederzeit neues verkaufen. Fünfhundert pro Fass, wenn wir liefern sollen sechshundert. Immerhin müssen wir ja auch von was leben."
29.05.2003, 10:28 #421
Saria
Beiträge: 484
Onars Hof # 7 -
Dieser Hof war verhext. Ganz sicher. An keinem anderem Ort auf dieser stinkenden Insel erhoben sich Stühle oder Bierkrüge dermaßen oft von ihren Plätzen um sich todesmutig in die Menge zu stürzen.
Saria war sich sicher - Wenn es einen Brunnen der Aggressionen gab, dann musste dieser Hof direkt auf ihm errichtet worden sein. Anders ließ sich das Phänomen der nahezu permanenten Schlägereien kaum erklären. Zumindest schaffte die Diebin es nicht.
Sie hatte gar nicht mehr mitbekommen, wer gestern die Schlägerei ausgelöst hatte. Auf einmal waren Fäuste und Krüge sowie Söldner und Bauern geflogen. Das hatte Saria gereicht, um sich schnellstmöglich in Sicherheit zu bringen. Diese Taverne war ja gemeingefährlich. Allein schon umstürzende Söldner bargen die Gefahr, unter ihnen begraben zu werden. Nein, das war eindeutig kein Platz für eine Diebin. Obwohl die meisten Leute zu beschäftigt gewesen waren, um ihre durch Abwesenheit glänzenden Geldbeutel zu bemerken.
Am nächsten Morgen bot der Schankraum schon wieder ein freundlicheres Bild. Offensichtlich hatte der Wirt die Zeit genutzt, um seine Taverne wieder etwas auf Vordermann zu bringen. Nur die zersplitterten Holzbalken vor der Tür zeugten von dem gestrigen Geschehen. Und Schmok konnte schon wieder grinsen wie eh und je.
"Zahlung bei Lieferung also, alles klar", meinte Saria leicht verschlafen.
"Aber versuch gar nicht erst, dann mit dem Feilschen anzufangen. Wir fahren nicht sonderlich gerne den ganzen Weg durchs Minental bis hierher. Aber jetzt müssen wir weiter. Der Sumpf will auch noch bedient werden. Schönen Tag noch!"
Mit diesen Worten verabschiedete sich Saria von dem Wirt und folgte ihrer Schwester ins Freie.
Die Sonne war schon ein gutes Stück gen Zenit geklettert, als die beiden Amazonen ein weiteres Mal auf den Kutschbock ihres Karrens stiegen. Heute würde es zum neuen Sumpflager gehen - der letzten Station ihrer Reise.
In lockerem Gallop trabten die Zugtieren los, als Isira die Zügel knallen ließ. Saria legte erneut ihren Bogen samt Pfeil in ihren Schoß, bevor sie es sich so gut es ging auf der Fahrerbank gemütlich machte. Durch das Geschäft mit Sador und Linky war der Goldvorrat in ihrem Gepäck beträchtlich angewachsen. Würde der Münzberg ausreichen, um Hummelchen zufrieden zu stellen?
Die Schmiedin war schwer einzuschätzen, wenn es um Geschäfte ging. Nun, schlecht waren sie bisher nicht weggekommen. Und wenn sie schon selbst nicht an das Gold kam, dann niemand. Ausgleichende Gerechtigkeit...
29.05.2003, 13:43 #422
Saria
Beiträge: 484
Regeldiskussion #10 -
Gar keins.
Aber ich hab mal ne Frage : Ist das Mobbing? ;)
29.05.2003, 16:34 #423
Saria
Beiträge: 484
Rund um Khorinis # 7 -
Auf der Stelle war Saria aufgesprungen und hatten den Bogen erhoben. Gehetzt wanderte ihr Blick über die Flammenwand, dann zu dem Punkt, von dem die Stimme gekommen war.
Auch Isira hatte augenblicklich ihr Langschwert gezogen und sich dicht neben ihrer Schwester postierte. Mit wachem Blick suchte sie die Umgebung nach möglichen Gefahren ab.
Die Scavanger waren tot - sie saßen in der Falle.
Ein Ausweg, sie brauchten dringend einen Plan. Mit Sicherheit zielte jemand aus dem Schutz des Unterholzes mit dem Bogen auf sie. Sobald sie schoss, hatte sie einen Pfeil in den Rücken. Bei Donnra, was sollten sie tun? Sie war doch keine Kriegerin! Donnra... das war einen Versuch wert...
Die Diebin schluckte und raffte ihren gesamten Mut zusammen, bevor sie mit fester Stimme rief.
"Ihr wollt das Gold der Amazonen?! Dann macht euch bereit, Donnras Zorn zu spüren! Die Göttin selbst wird meine Pfeile leiten, um euer stinkendes Herz zu durchbohren!"
Die Runen zu benutzen war zu riskant, da sie nicht wusste, wo sich die restlichen Angreifer versteckten. Doch es musste auch möglich sein, die Magie frei wirken zu lassen.
Während sich Isira auf einen Angriff vorbereitete, schloss Saria die Augen. Als sie sie erneut öffnete, wurden sie von einem hellen, unnatürlichen Licht erfüllt. Lichtpünktchen tanzten durch ihre grünen Augen, feine Lichtbahnen wanden sich um ihre Hände.
Die Diebin wusste nur zu genau, dass sie ohne ihre Runen nicht viel ausrichten konnte. Es ging einzig und allein um den Effekt, um ihre Worte glaubhafter erscheinen zu lassen. Und dieses abergläubische Pack hatte sicher keine Ahnung, was Magie anging.
"Lasst eure Waffen fallen, oder spürt den Zorn Donnras! Ihre Macht selbst schützt das Gold und kein Schlüssel der Welt wird euch die Truhe öffnen! Ich, ihre ehrgebene Priesterin selbst, habe sie versiegelt! Eine falsche Bewegung und euer unheiliges Blut wird die Erde tränken!"
29.05.2003, 17:14 #424
Saria
Beiträge: 484
Rund um Khorinis # 7 -
"Ihr verdammten Bastarde!", keuchte Saria als Isira getroffen zu Boden sank.
Blut rann über ihre Finger, als sie ihre Hände auf die Pfeilwunde presste. Dafür würden diese Schweine bezahlen...
Der Mann in ihrem Rücken hatte einen seiner Arme um Sarias Hals geschlungen, während er mit dem anderem den Dolch an ihre Kehle hielt. Hilflos ließ Saria ihre Waffe fallen. Zum Sterben war es eindeutig noch zu früh.
"Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass euch die Miliz eine derartige Lüge abnimmt! Nicht schlimm genug, dass ihr feige Banditen seid, ihr bezichtigt auch noch eine Donnrapriesterin des Diebstahls!"
Die Diebin lachte selbstsicher.
"Ihr werdet schneller am Galgen baumeln, als euch lieb ist! Gebt auf, ihr habt ohnehin schon verloren! Selbst wenn ihr mich oder meine Schwester töten solltet, an das Gold kommt ihr niemals! Nur eine Geweihte der Donnra ist in der Lage, den magischen Verschluss zu öffnen! Und das werde ich niemals!"
29.05.2003, 18:14 #425
Saria
Beiträge: 484
Rund um Khorinis # 7 -
Die Diebin wand sich im Griff des Angreifers und warf den Kopf zur Seite, um erkennen zu können, was dort hinten vor sich ging.
"Milena!", keuchte sie, "Mach dass du wegkommst! Benachrichtige das Lager und hol Hil-rk!"
Der Kerl in ihrem Rücken drückte fester zu und ihr das Wort ab. Japsend schnappte Saria nach Luft. Selbst nach Milenas Eingreifen sah die Situation nicht sonderlich rosig aus. Zwar hatte sie einen der Wegelagerer erwischt, doch hatten diese sowohl Saria selbst wie auch Isira in der Hand.
Die Wagenlenkerin umklammerte zwar noch immer unnachgiebig den Schwertgriff, doch die Diebin konnte unschwer erkennen, wie sehr sie zitterte. Falls es zum Kampf kommen sollte, würde sie keine echte Gefahr darstellen.
Sarias einzige Hoffnung lag darin, dass Milena das Beste aus der Situation machte und so schnell sie konnte verschwand...
Seite 17 von 20 « Erste 13  14  15  16  17  18  19  20