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03.12.2003, 21:01 #51
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Der Tag hatte sich zum Ende geneigt, es war einerseits schön, denn so konnte sie nun wieder schlafen und eine große Anzahl von Stunden wegstreichen, davon träumen, dass er wieder wach würde, wenn sie aufwachte, aber andererseits war es auch wieder die Angst, dass nach dem aufwachen alles so war wie bisher. Wenigstens hatte sie sich inzwischen damit abgefunden, schlafen zu müssen, denn es wäre ganz übel gekommen, wenn sie krampfhaft versuchen würde hier doch zu wachen, es half nichts, es passierte doch sowieso nichts, er blieb am Tage und in der Nacht regungslos da, war er auch regungslos in der Welt, in der Fantasiewelt? In der Traumwelt? In der schwarzen Welt? Gab es noch eine andere Welt? War er da vielleicht auf einer großen Wanderschaft und sehnte er sich nach ihr? Würde er sie vielleicht genau so vermissen, wie sie ihn jetzt? Wahrscheinlich schon, sie spürte das, wenn er es konnte dann tat er das auch.
Eigentlich war es das einzige, was sie noch hoffen ließ, das er selber noch hoffte, dieser böse Zauber, was anderes konnte es ja nicht sein, hatte ihn zwar seelisch unter Kontrolle, doch seine Gefühle konnte er nicht brechen, er konnte sie nur nicht mehr durch Worte, durch Mimik und Gestik, oder durch Bewegung zeigen, doch verloren waren sie trotzdem nicht.
Manchmal, wenn sie ganz nah an seinem Herzen war, da meinte sie es zu spüren, aber die Rüstung war doch sehr hinderlich dabei, sie fragte sich, was diese häßliche Skelettfratze da überhaupt zu suchen hatte, es war das einzige, was sie immer fürchtete und was ihr auch nicht geheuer war, sie hatte Angst vor diesem starrenden Ding, war das vielleicht auch der Sinn? Angst erzeugen? Sie hatte sich nicht getraut ihm die Rüstung auszuziehen, als ob sie ihn schützen würde, als ob sie ihm Kraft auf dem Weg gab, auf dem er nun war. Wer weiß, das alles waren nur Gefühle, Dinge, die man nicht wirklich ernst nehmen konnte, die man nicht erklären, nachlesen oder verstehen konnte, aber man wollte das auch gar nicht verstehen, man wollte nur fühlen, nur ein gutes Gefühl haben.

Und irgendwann, wenn du wieder wach bist, dann wirst du mir alles erzählen, was du erlebt hast, wo du warst und was du gefühlt hast, dann wirst du mich fragen, was denn passiert sei und ich werde dir alles erzählen, danach wird niemand mehr einen von uns seines Geistes rauben können, das wäre nicht gerecht, das wird nicht passieren, dann wird es aber auch Zeit, endlich Gewißheit zu schaffen und es wird Zeit sich zu überlegen, wie es weitergehen soll, das alles wird sehr bald passieren, da bin ich mir sicher.

Alles war erledigt, zumindest für heute, wieder ein Tag voller Warten, ein Tag voller Wunden, doch heilte es vielleicht schon, wer weiß, sie konnte viel in dieser Zeit lernen, eine Zeit der Selbsteinsicht? Hauptsache die Hoffnung, dass er erwacht, war nicht vergebens, hoffentlich war sie das nicht.
04.12.2003, 13:41 #52
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Auch heute war nichts passiert, bis jetzt zumindest, denn jede Sekunde konnte es schon anders sein, aber noch immer war keine Verbesserung eingetreten. Immer noch war alles beim alten, diese Ewigkeit die hier zu sehen war, keinen Zentimeter hatte sich sein Kopf bewegt, keine Mundstrukturveränderung, er war körperlich wirklich tot, nur noch die wichtigsten Dinge arbeiteten, immer und immer wieder, Herz, Aoarta, Atem, das war's. Wie in einem Schlaf, es sah nicht schlimm aus, nur ruhig und regungslos da liegend, nur nichts tun, kein Etwas, das alles nur in einer Art Ohnmacht...

Der Tag fing spät an, doch war es doch zu früh, es war wie immer zu lange, denn mit jedem Erwachen fing doch nur wieder das warten an, immer und immer warten, es war wirklich verdammt, dieses Gefühl, es dauerte jetzt etwa vier Tage und immer noch hatte sie sich nicht daran gewöhnt, wie sollte sowas auch schon Alltag werden, wie konnte es nur, sie schaffte es nicht eine Distanz herzustellen, sie war emotional einfach viel zu sehr davon betroffen, da konnte man keinen Abstand gewinnen, in keinster Weise, zu keiner Zeit, niemals. Jeden Tag an dem es länger dauerte wurde etwas schlimmer, denn so länger sich das in die Länge zog, desto weniger Hoffnung hatte sie, dass es schnell zuende sein würde.

Auch die Alte hatte sich jetzt schon ne ganze Zeit nicht mehr blicken lassen, war sie vielleicht schon wieder weg? Sie wollte es nicht hoffen, aber es würde schon mal gut tun, endlich zu erfahren, was er denn eigentlich hatte, denn eigentlich gab es diese Krankheit doch gar nicht, oder etwa doch? Wieso wusste sie nur so wenig darüber, sie hatte doch keine Ahnung, alles war so schwer in den letzten Tagen, sie fühlte sich auch zunehmend selber schlecht, nicht körperlich, sondern psychisch, es zerrte, es zerrte an ihren Nerven, aber sie würde stark sein, nur wenn sie stark war konnte sie das schaffen.
04.12.2003, 14:03 #53
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Stille. Ein kurzer Zug durch die Luft, dann wieder Stille.

*Tack*
*Tack*
*Tack*

Ihre Fingernägel fielen im passenden Takt auf den Tisch, das einzige Geräusch, dass jetzt durch den Raum ging, der Takt beruhigte sie irgendwie, immer regelmäßig auf den Tisch schlagend, immer gleichbleibend, ihr Blick hatte sich an die Decke gerichtet, Holzbalken ragten heraus, waren jedoch so stabil, dass sie keinen Regen hindurchließen, ansonsten hätte man mit Pech das alles wieder abdecken müssen, doch das hätte sie jetzt lieber getan, als nur dazu hocken.

Langsam stand sie von dem Schemel auf und nahm das Goldsäckchen, eine Menge Goldmünzen waren darin, er hatte es auf den Tisch gestellt und dann nichts mehr damit gemacht, sie wollte ihn immer fragen, was es denn darstellen sollte, oder für was man es benutzen sollte, doch es kam keine Antwort, es war nicht mehr möglich, es war nur eine von unzähligen Sachen, von unzähligen Dingen, die sie erfahren musste, eine Frage, so unwichtig wie alles andere auch, doch das musste geklärt werden.

Sie stand im Raum, ohne wirklich einen Sinn in dem allen zu erkennen, das restliche Abendessen hatte sie heute morgen gegessen, es kam ganz gut so hin, das Abendessen hatte sie sowieso fast nie aufessen können, es war immer zuviel und sie aß auch zu wenig, doch so hatte sie wenigstens noch ein Frühstück, die wenigen Gänge, die sie erledigen musste, es waren meistens Grundbedürfnisse wie Wasser holen oder frische Luft schnappen, kaum Abwechslung, kaum eine Art von Aufregung, doch die hätte sie eh nicht vertragen, wenn schon dieser Schmerz, dann brauchte sie auch die Ruhe, dass alles war schon so schwer genug...
04.12.2003, 15:45 #54
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Dieser Schmerz, immer wieder kam er hoch, jeden Tag war es irgendwie im Großen und Ganzen das Gleiche, doch im Detail war jeder Schmerz anders, jeder Schmerz sagte etwas anderes aus, immer wieder gequält von den Zweifeln, mit Selbstvorwürfen gepeinigt und mit der Last der Schuld belastet, das alles machte die Situation nicht besser, eher noch schlimmer, doch waren diese ganzen Qualen noch so schlimm, so hatte sie immer noch nicht verzweifelt, noch war alles im Guten, die schöne Zeit und die Erinnerung daran, die funktionierenden Organe und die Worte der Alten, dass alles ließ sie hoffen, sie würde niemals aufgeben, nicht jetzt, nicht hier, nicht bei ihm, es durfte einfach nicht sein, wenn es so wäre, dann hätte man es auch gleich tun können, wieso sollte es noch Hoffnung geben, wenn es eh schon zu spät war, dieser Schlaf, diese Ohnmacht, sie würden enden, man wachte immer wieder auf, man war nie für immer weg, wie ein Schlag auf den Kopf mit einem schweren Gegenstand, man ist für eine lange Zeit nicht mehr imstande irgendwas zu tun, doch dann wacht man wieder mit Kopfschmerzen auf und alles ist wie immer. Ja, so oder so ähnlich muss es sein, so kann es nur sein, wieso auch nicht, ein Schlag oder ein Blitz, das ist doch eigentlich das gleiche und außerdem hat bestimmt noch nie jemand einen Blitzschlag in einen menschlichen Körper untersucht, von daher konnte es durchaus sein, dass diese Ohnmacht die Form davon ist, nur eben mit einer längeren Phase der Abwesenheit.

Was sie auch tat, zu erklären war es alles sowieso nicht, nur warten konnte man, warten und hoffen. Isabell ging hinunter und kramte den erst kürzlich benutzten Badezuber heraus und fühlte ihn mit Wasser, danach ging sie wieder hoch und holte alle ihre schmutzigen Kleider und Klamotten, auf dem Weg nach unten gab sie dem Daliegenden noch einen Kuss auf die rechte Wange und ging dann leicht abwesend hinunter, sie wusste auch nicht, wieso sie jetzt runter ging und Wäsche wusch, doch es warauch gut, irgendetwas zu machen lenkte sie ab, es war nur gut für sie, irgendwie glaubte sie nicht mehr daran, dass er sobald wieder aufwachen würde, aber dass es irgendwann mal passieren würde, davon war sie fest überzeugt.
04.12.2003, 17:27 #55
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Gedankenverloren ging die Wäsche in das Wasser, glitt vorsichtig hinein und wurde sofort aufgesaugt, schwer wurden die leichten Stofffetzen, sie waren vollgesaugt mit dem kostbaren Nass, doch das war im Überfluss hier, der Brunnen versorgte sie alle mit kostbaren Wasser, da brauchte sie keine Scheu haben es zu verschwenden, aber mit Regenwasser wollte sie ihre schönen Kleider dann doch nicht waschen.
Eine kleine Melodie sang sie während der Prozedur, sie konnte sich gar nicht so richtig auf das Lied konzentrieren, zu sehr war ihr Herz voll Trauer und Hass, Hass auf all diejenigen, die immer das schöne Leben eines Menschen zerstörten, es waren nicht mal die Räuber und die Banditen, nicht mal die Orks oder die Soldaten, einfach allgemein die Feinde, die einem immer wieder das nahmen, an dem man hing und sei es nun der Tod persönlich. Das alles wollte sie schon lange nicht mehr, es war mittlerweile so normal geworden, während andere daran zugrunde gegangen wären, hatte sie es bis hierher geschafft, aber nun, nun sollte sich die Vergangenheit wiederholen, diese kurzen Momente wurden von längeren durchzogen und selbst wenn in diesem Fall nicht der Tod das letzte Mittel war, nicht das letzte Wort sprach, selbst dann würde wieder alles so sein wie vorher, daran konnte auch ihre Willensstärke nichts ändern, denn in diesem Punkt wurde sie vor langer Zeit einmal gebrochen, wieder alles wie immer und wer weiß, ob es endlich das Letzte war, es konnte jederzeit wieder passieren.
Das Lied wurde immer trauriger, den Text hatte sie so oft gesungen, dass sie ihn nicht vergessen konnte, doch ihre Stimme schien die Worte zu verschlingen, immer leiser, immer leiser, nur noch ein Flüstern war zu hören und der Kampf um die Tränen begann erneut, doch heute mit einem anderen Sieger, denn sie weinte nicht, sie arbeitete einfach weiter, unaufhörlich, ohne Pause, ohne nachzudenken, immer nur leise singend, immer nur die Wäsche waschend, sie wollte und konnte nicht mehr, aber mehr wollen als können, es war alles schon viel zu schlimm geworden, so weit hätte es niemals kommen können, alles geriet hier aus den gewohnten Bahnen und sie mitten drin, wieso nur, was war der Grund dafür, es musste doch eine Erklärung geben, es konnte doch nicht sein, dass es immer so weiter ging, dass diese Bahn nie aufhörte...

Bald schon, bald schon, ein Ende in Sicht, die letzte Prüfung, bald schon, bald....
04.12.2003, 18:13 #56
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Die Wäsche, sie war jetzt sauber, sie war jetzt wieder so, wie sie sein musste, die ganze Arbeit erledigt, alles so egal, wen interessierte das schon, es war nur ein Mittel zum Zweck, irgendwie abzulenken, abzulenken von den eigentlichen Sorgen, den Problemen, den Ängsten, den Zweifeln...wie viele Wörter beschrieben denn bloß ihre Gefühle, so viele und jedes Wort schlimmer als das andere, alle hatten sie Recht. Die Ablenkung war nur zwiespältig gelungen, zwar hatte sie es geschafft, sie war tatsächlich von ihm weggekommen, hatte ihn da oben ganz alleine sich selbst überlassen, doch selbst hier unten war sie bei ihm, ihr Geist, ihr transparentes Abbild saß da oben an dem Bett, den ganzen Tag, egal wo sie war, es war doch immer jemand da, um für ihn da zu sein, doch solange er nicht aufwachte und da oben ein Teil von ihr war, solange könnte sie auch nicht ohne diese ganzen Gefühle leben, es war viel zu viel passiert, ein normaler Umgang war deswegen nicht möglich, man musste es irgendwie schaffen, auch wenn man selber dabei viel opferte, sie opferte wirklich viel, ihre ganze Kraft, die sie wiedergewonnen hatte, alles nur in der Psyche, nicht in der Physis, aber trotzdem würde diese im Zweifelsfall nichts tun können, hier gab es nichts, was menschliches Fleisch gefordert hätte, nein, nur auf die Seele legte man hier wert und diese schrie, sie schrie so erbärmlich um Hilfe und keiner konnte sie hören, so quälte sie sich weiter, egal was auch geschah, aber nicht aus Schuldbewusstsein, Ehrgeiz oder einem Anreiz nach etwas, es war nur ihre tiefe Verbundenheit, egal was sie sich zu erklären versuchte immer noch fühlte sie es und auch war es klar, dass sie bei jedem anderen auch so gehandelt hätte, wenn sie je in eine ähnliche Situation kommen würde, wollte sie nicht alleine sein, auch wenn alleine sein oft besser war, weil man so eine Klarheit hatte und niemanden weh tun konnte, so wollte sie das nicht mehr, es war schrecklich, wenn man alles alleine machen musste, genau wie sie es musste, weg von allen, weg von ihrer Mutter, weg von ihrem Vater, weg von ihrem Bruder, weder über ihren Vater, noch über ihren Bruder wusste sie mehr Bescheid, die Mutter von ihr gegangen und durch ihr Leben hier auch ohne Freunde, nur abgetrennte Kenner, aber keine tiefseeligen Menschen, wie konnte sie es nur verhindern, wie...sie war so schwach, so unendlich schwach, wäre sie doch nur etwas stärker, könnte sie das alles ändern, doch so...blieb nichts als die Schwäche, blieb nichts als die Ungewißheit...

Die Wäsche, natürlich, die war ja auch noch da, sie wrang sie ordentlich aus und hing sie dann im Zimmer auf, den Kamin hatte sie entzündet, er brannte so schön und Pergamo war so gerne hier gewesen, nur ein letztes Mal wollte sie in seine Augen sehen, nur einmal. Dieser Wunsch, war er denn zuviel verlangt, wann war denn endlich genug? Selbstzweifel...ein Scheitel fiel ihr aus der Hand...was war das? Stille. Ein Herz? Ein Klopfen.

*Poch*
*Poch*

Der Bote...nur der Bote...
04.12.2003, 20:16 #57
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Nun hatte sie den Tag wieder rumgebracht, nur wieder ein weiterer Tag, es war wieder einmal nichts passiert, welcher war es heute denn? Das Essen war genauso lustlos in ihrem Rachen gelandet, wie auch der Rest, wie immer, ein verschenkter Tag, wieder nichts passiert, etwas nützlich im Haushalt gemacht, doch war das nicht das, was sie sich wünschte, total daneben, wie immer...

Die klare Luft draußen, sie war angenehm, doch fühlte sie sich damit nur noch gedankenverlorener, hier am Fenster lehnend konnte man so gut nachdenken, nur war das momentan nicht gerade gut für sie, denn egal wie sehr sie doch versuchte an etwas anderer zu denken, es klappte einfach nicht, es war immer wieder dasselbe Thema.

Es zerfraß sie, jetzt schon mehrere Tage, immer wieder hörte sie das gleiche, sei stark, gib nicht auf, kämpfe dagegen an...wogegen denn, wo man keine Ahnung hatte, konnte man auch nicht gegen ankämpfen. Ihr war ja selber klar, dass es so nicht weitergehen konnte, dass sie aber gleichzeitig nie aufgeben durfte, niemals ihre Hoffnung verlieren und den Glauben an ein Erwachen verschenken. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie diesen Blitz abbekommen hätte und nicht Pergamo, er wäre sicher nicht so drauf, er hätte schon gewusst, was zu tun war, ganz bestimmt sogar.

Diese Ruhe, niemand war mehr draußen, es wurde in den letzten Tagen immer kälter, kein Wunder, der Winter kam herbei und das mit großen Schritten. Ob es wieder schneien würde? Vielleicht, doch das war alles nicht so wichtig, wichtig war nur, dass diese Kälte nicht auf Personen überging, sie mussten warm bleiben.

Wahrscheinlich waren sie alle in der Taverne, da war sie auch schon lange nicht mehr, mal abgesehen von ihrem Kurzbesuch neulich. Sie vermisste diese Stimung ein bisschen, doch wollte sie da jetzt nicht sein, die Heiterkeit war nichts für sie, doch der Wirt, er war sicher weniger froh darüber, dass immer weniger Wild kam, doch da konnte sie nichts ändern, jetzt rausgehen und jagen, nein, das konnte sie nicht, das war unmöglich.
04.12.2003, 20:58 #58
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Noch immer stand sie da, sah in den Mond und überlegte, es war eine schöne Nacht, wirklich schön, die Sterne lagen total klar da und sie sah auch diesen großen, glänzenden Stern, wie nannte der Junge sie immer? Polarstern. Ja, so hieß dieser Stern wohl und sie trug seinen Namen, wieso hatte er sie so genannt, was hatte sie mit diesem Stern gemeinsam? Vielleicht die Größe und den Glanz? Nein, bestimmt nicht, aber wahrscheinlich dachte er an etwas ganz anderes, etwas tieferes. Sie erinnerte sich an das Gedicht, dass er ihr geschrieben hatte, sie wollte es so gerne noch mal lesen....

Sie wusste nicht genau, wo er es hatte, doch dieses Buch, vielleicht war es ja darin, er hatte es als einziges Überbleibsel von seinem Tavernenzimmer mitgebracht. Sie öffnete es und bemerkte, dass dieses Buch gar kein richtiges Buch war und auch keine richtigen Seiten hatte, aber darin waren mehrere Pergamentblätter, sie trugen seltsame Titel wie "Orkballade" oder "Mondfinsternis", sie erkannte sogar ein paar Szenen selber darin, die Texte waren alle in Versform geschrieben, keine großen Geschichten, sie bewunderte diese Gabe der Schreibkunst, sie selber tat sich da seit langem schwer, hatte aber früher selber oft solche Texte geschrieben. Dann endlich fand sie das Blatt, das den schlichten Namen "Isabell" trug, er hatte also ihren Namen dafür verwendet.

Ein bisschen schämte sie sich ja, dass sie hier in seinen Gedichten herumwühlte, vielleicht würde es auch lieber für sich behalten, aber zumindest dieses Stück hatte er ihr ja geschenkt. Sie überwand ihre Scheu und las, es waren so schöne Worte und manchmal fast so übertrieben, dass sie es fast nicht glauben konnte, dass er das wirklich ernst meinen konnte, aber sie ließ sich gerne in den Bann dieser Worte ziehen, er hatte ihr damals versichert, dass er sie ernst meinte und genau so behandelte er den Text wohl auch. Diese Worte, sie waren so süß wie Honig und so rein wie klares Wasser, sie bauten sie richtig wieder auf, sie halfen fast alle Sorgen zu vergessen, fragte sich nur, wie lange das anhalten würde, doch sie liebte dieses Stück, hoffentlich liebte er sie auch so sehr, wie hier geschrieben, aber konnte man anders soetwas schreiben?

Verträumt und sorgenlos schloss sie das Fenster wieder und versuchte mal wieder krampfhaft ein Feuer zu entzünden, als es so schön knisterte, da hätte sie sich so gewünscht, dass er es doch sehen könnte, doch das war nicht der Fall, es ging nicht.
Sie legte sich wieder hin, lehnte sich an seine Schulter und nahm seine Hand, wenigstens das ging noch, er war nicht in dieser Form zu Stein erstarrt. Durch das andauernde Liegen und der warmen Decke war sein ganzer Körper sehr warm gewesen, auch seine Hand, das war normalerweise nicht so oft der Fall, aber jetzt war es egal, ob kalt oder warm. Sie durchfuhr die Handoberfläche mit ihrem Zeigefinger, spürte die tiefen Furchen darin, aber auch die Klarheit. Sie gab ihm noch einen Kuss und hoffte, dass er sie hören konnte, irgendwie jedenfalls.

Komm zurück, bitte, komm zurück, ich brauch dich doch hier.
05.12.2003, 14:08 #59
Isabell
Beiträge: 307
Die Siedlung Drakia #5 -
Wieder war nichts passiert, die ganze Nacht umsonst, nur gut um den Schlaf, gut für die Energie am Tag, doch sonst, sonst war alles ganz normal, ganz alltäglich, nur wachte sie auf, aber er nicht, ein schreckliches Gefühl zu wissen, man selber wacht in ein paar Stunden auf, aber wann der Mensch neben einem aufwacht, wusste man nicht, wie immer, so schrecklich...
Den ganzen Tag nichts als warten, nur gewartet, mal durch den Raum laufend, mal nichts tuend, einfach immer nur wartend, das einzige was aktiv war, war ihr Kleinhirn, dauernd dachte sie nach, sie schien so sinnlos zu leben, ihr Körper, alles, keine sinnvollen Tätigkeiten, nicht mal das, einfach nur den ganzen Tag dasein, ohne zu sprechen, ohne wirklich etwas zu tun.
Das Frühstück, das eigentlich ihr Abendmahl dastellen sollte, es war längst verzerrt, sogar morgends mit Appetit, doch brauchte sie soviel eigentlich nicht, war schon froh, wenn sie es schlucken konnte, denn da war alles total ausgetrocknet, trotz des Wassers, weil sie so wenig sprach, weil sie so wenig aß, totale Trockenheit.
Was sollte man schon machen, man konnte ja nichts machen, man konnte nur viel nachdenken, diese Ruhe, diese Einsamkeit, manche Menschen sehnten sich danach, eine Flucht aus dem Streß des Alltags, doch wem gelang das schon?
Sie wollte nicht mehr fliehen, nur noch zusammen gehen, nicht mehr alleine, doch nun war es eben wieder so, wieder alleine, ohne die Kraft und das Gewissen unter Menschen zu gehen, es war nicht möglich so etwas zu tun, es ging einfach nicht, wie an etwas gefesselt, dass es gar nicht geben durfte und doch existierte.

Mittlerweile hatte sie die Wäsche von der Leine genommen, es war alles schön getrocknet, die Hitze des Feuers war da sehr gut gewesen, alles ordentlich zusammenlegend, dann war auch das erledigt, wieder alles sauber, doch war es weder Ablenkung noch Vergessens, sie hatte in ihrer absoluten Phase einfach etwas getan, aber ohne die Präzision wie sonst, einfach nur als Beschäftigung für das Fleisch, für die aut und die Knochen, ein bisschen was für diese, eine gar mechanische Reaktion, eingebrannt in tiefe Teile des Gehirns, schon hundert Mal gemacht und deswegen in einer solchen Situation auch ausführbar, ansonsten wäre das wohl kaum möglich gewesen, Erfahrung hatte sie geleitet, aber was brachte das schon, gut Wäsche waschen, was für eine Ehre, so sinnlos, alles kaputt, angeknackst, unvollkommen.
05.12.2003, 15:04 #60
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Immer wieder las sie die Worte, die auf diesem Pergamentstück standen, sie waren immer wieder anders, hatten nie das gleiche und das war es auch, was sie hauptsächlich neben dem untätig rumsitzen tat, es war anders als die letzten Tage, gab ihr immer wieder neue Kraft, es war nur die Frage, wie lange sie daran noch zehren konnte, wie lange würde dieses Stück Pergament noch helfen den seelischen Unmut zu unterdrücken.
Sie wollte es ihm aber nicht wegnehmen, auch wenn es ein Geschenk war, sie wollte es ihm lassen, damit er es auch immer bei sich tragen konnte, egal wo er auch war, doch eine Kopie von dem wäre sicher nicht schlecht gewesen. Endlich hatte sie wieder eine Aufgabe, auch wenn sie nicht groß war und auch nicht gerade verantwortungsbewusst, so konnte sie sich doch irgendwie nützlich machen. Schnell war sie die Treppe hinunter gegangen, mit dem kostbaren Stück in der Hand, sie wusste, dass es hier noch irgendwo Pergament gab und etwas zu schreiben auch, schreiben konnten nicht viele, nur Menschen die auch eine solche Bildung genossen, meistens wurden die kleinen Kinder von reichen oder einflussreichen Familien in Klöster oder an die Höfe von Adligen geschickt, damit sie das schreiben und lesen lernten, es war kein Wunder, dass ein Fürst dieses konnte, doch das sie, eine einfache Frau, dies konnte, dass war schon selten, ihre Familie hätte sich das nie leisten können, zumindest nicht ihre Mutter, mit der sie zusammen bis zu ihrem Tode lebte, aber ihr Vater schien es zu können, er hatte ihr immer wenn er mal dagewesen war Unterricht gegeben, so konnte sie auch lesen und schreiben, diese seltene Gabe, sie war genauso geheimnisvoll wie toll, immer wieder etwas für die Ewigkeit festzuhalten.
Besitzen tat sie kein Pergament, keine Schreibutensilien, nicht so wie Pergamo, der scheinbar immer etwas dabei hatte, doch in einem kleinen Schränkchen unten, da hatte sie früher immer ihre Schreibsachen aufbewahrt und tatsächlich, da lagen sie noch und das nach so vielen Jahren der Vergessenheit. Sie nahm ein Stück Pergament hinaus und pustete und wischte den Staub hinfort, eine dicke Schicht war auch auf dem Kohlestift, doch diese war leicht zu entfernen. Dann setzte sie sich an den Tisch und fing an, jedes Wort genau so zu übertragen, wenigstens für ein paar Minuten gelang es ihr, eine Menge zu vergessen und alleine das war es schon wert.
05.12.2003, 16:36 #61
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Es mussten Monate sein, seit dem sie mal wieder etwas schrieb, ihre Hand war leicht zitternd, da sie es nicht gewohnt war und auch die ersten Anfänge waren alle mehr schlecht als recht, doch dann ging es langsam und ihre schöne Schrift kam wieder hervor, ihr Vater hatte immer gemeint, dass sie ein Talent dafür hätte und dann meinte er noch scherzhaft, dass weibliche Wesen eh immer eine schönere Schrift hätten, doch das wollte sie nie so recht glauben, wenn sie so ihre ersten Anfänge betrachtete, doch es war ja auch nur ein kleiner Witz.

Sie gab sich dennoch Mühe, wollte, dass es ja schön aussieht, denn jedes Wort musste gut lesbar sein und so schrieb sie jedes Wort, was dort auf dem Pergamentblatt stand, ab.
Nachdem sie dann endlich das letzte Blatt fein säuberlich in die letzte Zeile eingetragen hatte, legte sie den Stift aus der Hand und dann nahm sie ihn doch wieder auf, um noch etwas drauf zu skizzieren, doch sie wusste nicht, ob das so angebracht war, ließ es dann doch ganz weg, das wollte sie sich für etwas anderes aufheben.
Vorsichtig pustete sie den Kohlestaub weg, bis es fertig war, nun konnte man es wirklich als fertig betrachten und sie war zufrieden, dafür dass sie ziemlich lange nichts mehr geschrieben hatte, dafür sah das gar nicht mal so schlecht aus. Sie hatte jedenfalls keine Probleme es zu lesen, einfaches myrthanisch, doch der Text war ja auch nicht von ihr.

Sie wollte ihm irgendwann auch mal sowas schreiben, auch so ein schönes Gedicht auf seine Person, verdient hatte er es auf jeden Fall und unteranderem dafür musste er auf jeden Fall wieder aufwachen, doch daran zweifelte sie nicht mehr, sie wusste nur, dass sie sich quälen musste, wenn sie es schaffen wollte, dass alles war eben nicht mit Freude verbunden, es war alles eine riesige Folter, sie wusste nichts, nicht wann, nicht wie, nicht warum, nur wo, in ihrem Zimmer. Wenn sie sich Fragen stellte, dann würde es nur wieder Probleme geben, doch diesen Fragen konnte sie nicht entkommen, sie musste es tun, es ließ sie alles nicht so kalt, wie es vielleicht gemusst hätte. Sie waren miteinander nicht mehr fremd, sie waren bekannt, mehr als das, verbunden, das alles konnte man nicht einfach so wegdenken.

Langsam ging sie wieder hoch zu ihm, steckte ihr abgeschriebenes Pergamentblatt in den Folianten und nahm das Orginal zu sich, sie wollte es immer bei sich haben, wenn sie auf Reisen gehen würden, würde sie es mitnehmen, deswegen verstaute sie es in ihrer einzigen Tasche, so, dass es immer da war. Dann widmete sie sich wieder dem eigentlichen Problem, hockte sich an die Bettkante von Pergamo und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, was sie schon so oft gemacht hatte, durch seine Starre waren sie nur zurückgefallen, weil es ab und zu mal Zug gab, ansonsten wäre selbst dieses Detail so geblieben, wie es immer war. Wann würde das alles aufhören...
05.12.2003, 23:00 #62
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Wie immer kam auch heute das essen pünktlich und sie konnte sogar was essen, etwas mehr als sonst, doch so richtig war das auch nichts, wie schon die ganze Zeit, doch sie war froh, auch heute etwas getan zu haben, nicht ununterbrochen nur dagesessen zu sein. Aber eigentlich war es egal, es würde wohl noch Tage so weitergehen, immer wieder dasselbe.
Immer nur zu jammern, das brachte auch nichts, schließlich wurde es dadurch nicht besser, man konnte jetzt nur abwarten und versuchen alles zu tun, was man tun konnte und das tat sie, jeden Tag genau die Menge an Wasser und von dieser komischen Sirupart, wie die Alte gesagt hatte, irgendwie musste das ja wohl klappen, doch ansonsten war sie zum warten verdammt, egal was sie auch anstellte, es würde nicht besser werden, es half nichts, er hörte nichts, er sah nichts, er roch nichts und er schien auch nichts zu fühlen, also konnte man nur hoffen und hoffen und hoffen.
Sie würde sowieso nie aufgeben zu hoffen, auch wenn es schon längst keine Hoffnung mehr gab, doch war dieses ganze Gefühlschaos schon fast sicher gewesen, was sollte schon passieren, es war doch alles so gut wie sicher.
Das einzige was hätte passieren können war so gut wie unmöglich, also sollte man auch nicht daran denken, es würde auch keinen Segen bringen, Erleichterung bringt nur der Tod und der war viel zu fern, sie dachte nicht im Traum an den Tod, nicht der Tod, er war es nicht wert, nicht wert.

Seit Stunden schon lag sie in dem Bett, Seite an Seite mit Pergamo, aber sie traute sich nicht mehr zu ihm zu schauen, denn sein Gesicht, es hatte sich verändert, es war nun nicht mehr glücklich und lächelnd, nicht mehr so, dass man es anschauen wollte, es wurde jeden Tag schlimmer, es veränderte sich in drastischer Weise, wurde immer enger, immer knochiger, die Bleiche war schon immer da gewesen, doch war diese Veränderung nicht schön, manchmal mochte man meinen, man schaute einer echten Leiche in die Augen.
Da spürte sie lieber seine Hand, sie war wie immer, genau so wie immer, die Wärme aus den vergangenen Tagen war noch immer zu fühlten und deshalb hatte sie sich auch auf die andere Seite gedreht, sie brauchte ihn nicht zu sehen, um ihm nah zu sein, sie wollte nur nicht einschlafen, nur nicht wachen, alles sollte ein Ende haben, nach so langer Zeit, aber es sollte nicht der Tod sein, nicht er....
06.12.2003, 10:32 #63
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
So lange schon hatte sie keine Träume mehr gehabt, doch seit der Ohnmacht von Pergamo war sie nie mehr ohne ausgekommen, meistens waren es abstrakte Träume, nicht mal unbedingt mit etwas lebendigem, doch war es schon erstaunlich, was man manchmal sehen konnte, oft sah man ja das Gute in einem Traum, doch manchmal auch nicht, dann war es ein böser, schrecklicher Traum, auch genannt Alptraum. Diese verspürte sie jetzt immer, ganz nah waren sie und sie konnte nichts dagegen tun, selbst die Gewißheit über Leben und Tod brachte ihr nichts mehr. Sie hatte schon vorher gewusst, dass es nicht leicht sein würde, doch langsam konnte sie nicht mehr. Es war immer das gleiche, wenn sie sich kurz abgelenkt fühlte, dann war fast jede Sekunde später wieder das Gegenteil der Fall und sie wusste noch immer nicht, wann das endlich aufhören sollte.
Wie lange konnte man sich denn in einer solchen Ohnmacht aufhalten? Vielleicht für immer? Wäre es vielleicht möglich, dass man für immer in dieser Daseinsform gefangen ist? Eigentlich war das doch so gut wie unmöglich oder? Sie wusste es nicht, dass einzige was sie wusste war, dass es heute der sechste Tag war, in dem sie alleine war. Sechs Tage, was für eine lange Zeit. Wenn sechs Tage schon so lange waren, wie würde es denn erst mit sechzig aussehen. Es waren ja nicht alle Tage gleich, nein, am Anfang sah es noch nach einer kleinen Krankheit aus, einer Art Ohnmacht und die große Hoffnung, dass bald wieder alles so war wie zuvor, sie war wirklich groß, vorallem weil sie ja anfangs dachte, dass es gar kein Entkommen mehr gab, dass er tot war.

Aber inzwischen sank alles, ihre Hoffnung war noch das, was am meisten aushielt, doch auch Hoffnung war nicht unerschöpflich, irgendwann würde auch sie zuende gehen. Sie konnte machen was sie wollte, bevor er nicht aufwachte war alles sinnlos, wirklich alles, egal was sie nun machte, es half nichts, vorallem dieses Angekette, dass sie immer hier war, was nutzte das schon, wieso ging sie nicht einfach, da sie hier nutzlos war und sich auch kaum an einer Genesung beteiligen konnte, war warten auch nicht besser. Wenn er sowieso nichts fühlen konnte, dann brachte es auch nichts hier zu sein.

Die Verzweiflung nahm langsam Überhand, denn so langsam fingen auch ihre gesunden Nerven an zu bröckeln, die Grenze zum Wahnsinn war nicht mehr so fern wie seit eh und je. Aber was sollte es schon bringen jetzt auszuticken, niemanden würde es helfen und schaden würde es nur ihr. Aber irgendwas musste doch endlich geschehen, wenn wenigstens die alte Frau mal wieder auftauchen würde, dass sie sie fragen konnte, was denn diese Krankheit war, doch nichts, einfach nur nichts kam. Andere Menschen hätten vielleicht helfen können, doch diese Menschen waren nicht hier, vielleicht existierten sie auch gar nicht.

Gefrühstückt und angezogen hatte sie sich dennoch, diese alltäglichen, gewohnten Dinge gingen immer noch wie von selbst und doch war es kein Wunder, dass ihr alles keinen Spaß mehr machte. Die Kleider sahen alle grau und eintönig aus, dass Essen schmeckte nach bitterem Gallenextrakt und auch sonst konnte sie keinen Gefallen an etwas finden, es war einfach nur ein monotones Grauen.
06.12.2003, 15:12 #64
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Inzwischen hatte sie sich wieder eine unnötige Beschäftigung gesucht, da sie eh nichts tun konnte außer zu warten, manchmal machte sie dann einfach nichts und manchmal machte sie dann eben etwas unnötiges. Heute war Stiefelputzen angesagt, erst die Kleider, dann die Stiefel, was kam denn als nächstes? Wahrscheinlich würde bald das ganze Haus dran glauben müssen, doch wenn man so viel Zeit hatte und nichts, aber auch wirklich nichts machen musste oder konnte, dann fielen einem schon mal solche Sachen ein. Normalerweise putzte sie die Stiefel nie, da sie ja doch jederzeit wieder dreckig werden konnten, doch heute war ihr einfach danach, irgendwie ihre Arme zu bewegen, irgendwie etwas zu tun.
Zum Glück gab es die nötigen Utensilien in diesem Hause, ein bisschen Schuhpaste und ein Lappen reichten schon aus, um die eigentlich gar nicht so dreckigen Stiefel zum glänzen zu bringen. Doch auch nachdem sie schon längst wieder auf Hochglanz poliert waren, machte sie weiter, immer weiter. Nach einer Weile stellte sie die Stiefel dann aber doch zur Seite und packte die Paste wieder weg. Zum Fenster wollte sie wieder gehen, ein bisschen frische Luft schnappen.
Als sie es geöffnet hatte, wehte ein frischer Wind hinein, es tat gut mal wieder etwas Leben in der Nase zu fühlen, so empfand sie diesen Wind als äußerst angenehm und blieb lange am Fenster stehen.
In der Ferne konnte sie das Meer erkennen, die Wellen peitschten gegen die Küste und sie fragte sich, was das Meer wohl geraten hätte in einem solchen Moment zu tun, zwar wartete sie jetzt auf keinen Menschen mehr, aber sie wartete auf eine Seele und irgendwie wartete sie immer noch auf jemanden.
Ihr Erinnerungen schwelgten zu ihrem kleinen Bruder, der irgendwo da draußen sein musste und den sie unbedingt wiederfinden wollte. So lange schon waren sie nun nicht mehr zusammen, es mussten mittlerweile sechzehn Jahre gewesen sein und genau so lange schien es mit ihrem Vater zu sein, er war auch schon seit zwei Jahren nicht mehr da gewesen. Vielleicht waren sie ja beide schon tot, doch ohne die Gewißheit konnte sie das nicht glauben, zumindest ihr Bruder musste noch leben, irgendwo da draußen weit entfernt des Meeres Wegen.
Plötzlich flog ein kleiner Vogel an das Fensterbrett und sie sah ihn ungläubig an, dieser kleine Piepmatz schien gar keine Angst vor ihr zu haben, das sollte belohnt werden und deswegen holte sie noch etwas Brot das übrig war und zerkleinerte es in kleine Krümmel, die vom Vogel begierig aufgegessen wurden. Die ganze Zeit blieb er da und dann fasste er sogar Vertrauen und hüpfte auf ihrer Handfläche herum. Der Kleine war so niedlich, dass sie sogar lächelte, nach so langer Zeit mal wieder. Es tat gut so etwas mal wieder zu spüren, dass ihr Gesicht noch nicht ganz eingefroren war, wie schön.

Glaubst du, dass irgendwann mal wieder alles so sein wird wie früher Vogel?

*Tschiepp Tschiepp*

Ob ich meinen Bruder jemals wiedersehen werde und ob das alles vielleicht mal ein Ende hat?

*Tschiepp Tschiepp*

Oh entschuldige das Brot, du hast sicher noch Hunger, hier nimm noch was, verstehen kannst du mich ja sowieso nicht.
06.12.2003, 20:17 #65
Isabell
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Der Vogel war schon lange wieder weggeflogen, doch war es trotzdem schön, vielleicht war es in so einem Moment auch viel einfacher mit Tieren zu reden, als mit Menschen. Menschen konnten einen verstehen und eventuell auch antworten, das konnten Tiere nicht, zumindest nicht letzteres, wobei sie auch an ersterem große Zweifel hatte. Manchmal war es wichtig eine Antwort oder eine Reaktion auf all das zu bekommen, aber bei sowas wollte sie gar keine Antwort bekommen, sie wollte einfach nur mal wieder reden, aber nicht an die Wand, es sollte schon jemand da sein und ein Vogel war da der ideale Partner dafür, klein, süß, witzig und eben ein Tier.
Inzwischen hatte sie auch ihre abendliche Lieferung bekommen, der Junge war noch immer der gleiche, es schien ihm sichtlich Spaß zu machen, den Boten zu spielen. Wahrscheinlich bekam er dafür immer ein Goldstück oder so, der Wirt war da sicher spendabel. Oder er bildete gerade seinen Nachfolger aus, mit was konnte man da besser anfangen als mit Botendiensten. Schade, dass der Junge immer sehr schnell verschwand, er hatte wohl noch ein bisschen Angst vor Fremden, obwohl sie ihn gar nicht mehr als Fremden sah, aber das war nicht so wichtig.
Das Essen schmeckte auch heute grässlich, eigentlich war es überaus lecker, war es doch frisch und auch sehr gut zubereitet, andere Menschen wären sicher froh gewesen, wenn sie sowas hätten essen können, doch ihr war das alles zuwieder, trotz der kleinen Aufmunterung des Vogels und dem Alles-von-der-Seele reden konnte sie nicht einfach so weitermachen, es ging einfach nicht. Das Brot schmeckte staubtrocken und blieb ihr nicht oft im Halse stecken, wo sie es nur mit einem Schluck Wasser herunterspülen konnte, im Käse schmeckte sie saure Milch und in der Wurst waren lauter Bakterien, dabei war das alles nur Einbildung und vielleicht auch Ursache von den Gallensäften, die ihr die ganze Zeit übel aufsetzten.
Wieder ließ sie die Hälfte stehen, Hunger hatte sie schon seit dem ersten Tage nicht mehr verspürt, eines der wenigen Dinge, die positiv waren, doch so toll war es dann auch nicht, denn wenn sie einfach nichts mehr gegessen hätte, dann würde das niemanden weiterhelfen.

Je eher er endlich aufwachen würde, je eher würde es ihr wieder besser gehen, war es denn noch nicht schlimm genug, dass sie schon keine Ahnung hatte, wer ihr Bruder war, war es denn nicht schlimm genug, dass sie ihn vielleicht niemals finden würde? Musste man jetzt auch noch nachlegen und einen zweiten Menschen schaffen, einen zweiten, der ihr etwas bedeutete und noch mehr. Manchmal wusste sie, war die Einsamkeit doch am besten, denn wenn es niemanden gab, dann hatte man nur seine eigenen Probleme, wenn es niemanden gab, musste man keine Angst vor dem Tod haben, so aber war das alles da, es war ganz nah.
06.12.2003, 20:54 #66
Isabell
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Sie hatte sich sehr müde gezeigt, entweder war es das penetrante nichts tun, oder sie war heute einfach mal so müde, aber eigentlich war das fast unmöglich, denn sie hatte wirklich nichts gemacht, den ganzen Tag verschenkt, wieder einmal, heute war er schon sechs Tage unansprechbar, hatte sich sechs Tage nicht mehr bewegt und auch nichts mehr gesagt. Es war schon verdammt bescheuert, wahrscheinlich fühlte er sich auch selber nicht wohl, es war ihm sicher auch nicht so angenehm, da wo er jetzt war, aber das alles hatte sie ja schon so oft durchgekaut, wo er wohl war, was er machte, ob es ihm gut ging.

Selbst wenn sie gewusst hätte, wie es ihr hätte besser gehen können, dann hätte sie es wohl kaum gemacht, denn da hätte man bestimmt irgendwo hin gehen müssen, oder vielleicht irgendwas radikales, was sie nicht wollte. Aber was sollte das schon sein, es gab nichts, was sie hätte aufmuntern können, selbst die Vögel konnten das ja nicht wirklich.

Inzwischen war es dunkel geworden, was sonst, die Nacht senkte sich über Drakia und ganz Khorinis und auch in Gorthar waren schon längst die Lichter ausgegangen, obwohl sie dieses Land noch gar nicht kannte, nur schonmal davon gehört hatte. Die Luft hatte etwas klares, etwas noch besseres, doch das roch sie schon die ganze Zeit. Der Mond war langsam wieder am wachsen, während er vor noch gar nicht allzu langer Zeit seine volle Blüte erreicht und danach wieder abgenommen hatte, so wurde er jetzt wieder größer, wer weiß, vielleicht war es ja auch der Mond, der den Weg vorgab, vielleicht erwachte der Fürst ja wieder bei Vollmond, wenn dem so wäre, dann wäre sie froh, denn da wüsste sie wenigstens einen genauen Termin, aber so, ohne genaues Wissen war das ne hoffnungsvolle Idee, mehr aber auch nicht.

Ansonsten war es sehr ruhig, in und um Drakia, aber auch hier, in ihrem Haus, sonst war es immer laut gewesen, was sie doch nicht alles für Blödsinn und für romantische Sachen gemacht hatten, aber jetzt, jetzt war alles anders, es hatte sich etwas verändert, sie waren jetzt leiser geworden, die Geräusche. Kein Krach mehr, kein Lärm, keine Späße mehr, kein Kerzenlicht und auch kein knisterndes Feuer, keine Ideen mehr, keine Zukunftspläne, keine Worte mehr, kein Gedankenaustausch, keine Wärme mehr, kein prickelndes Gefühl, keine Erwartungen, keine...Hoffnung? Es fehlte ein erheblicher Teil, hier in diesem Raum, in diesem Haus, in diesem Dorf, es hatte sich etwas verändert, verändern tat sich aber nur, wenn jemand von ihnen ging, wenn jemand gestorben war. Sie wollte nicht daran denken, doch trotz der funktionierenden Organe und des Atems wurde sie die Gedanken nicht los, aber sie kämpfte dagegen an, hoffentlich, hoffen auf ein Erwachen, hoffen auf ein Ende.
07.12.2003, 11:10 #67
Isabell
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Ruhig waren die Träume, sanft wogen die Wellen am Horizont und der Wind war ihr heute sehr gewogen und spitzelte sich um ihre Nase. Am Firmament war es ein schönes helles Blau und die Sonne hatte sich nicht mehr blicken lassen, aber auch war es heute nicht mehr so kalt wie sonst zuvor, draußen war es so schön, ein wundervoller Wintertag, es war doch schon Winter, jetzt so kurz vor Jahreswechsel oder? Isabell saß wiedermal am Fenster, in der Hand hatte sie eine Tasse Tee, selbst gebrüht und sehr wärmend. Wie das Getränk in ihre Kehle glitt und dann die Speiseröhre und somit auch den Rachen erwärmte und dann irgendwann im Magen verschwand. Sie saß jetzt immer häufiger hier, hier wo sie das Meer beobachten konnte, hier war sie sehr nah bei ihm, so nah wie sonst kaum und trotzdem konnte sie sich in etwas flüchten, vielleicht die Flucht vor der Realität. Es war schön, wirklich schön hier, wenn man so auf das Meer schaute, da war es immer anders und die leisen Klänge im Ohr lauschend, sie ließen einen auch gerne mal einnicken.
Wenn sie so hier saß, ab und zu an ihrem Tee nippte und hinausschaute, ab und zu auch mal andere Drakianer sah und die Häuser studierte, dann ging es eigentlich, es war so, als ob die frische Luft, der Sauerstoff, sie hinderte an irgendetwas schlimmes zu denken. Hier ließ es sich echt aushalten, doch innerlich spürte sie noch immer die Belastung. Es war der siebte Tag, hunderte Stunden waren vergangen und nichts war passiert, er lag jetzt schon seit einer Ewigkeit in diesem Ohnmachtszustand, die Alte war schon seit Tagen nicht mehr aufgetaucht und sie war ganz alleine hier.
Das einzige was sie machen konnte war ihn zu füttern, doch auch das war keine wirkliche Verantwortung, war es doch inzwischen längst zur Routine geworden, immer und immer wieder. Sie hätte sich durchaus gewünscht mehr zu tun, egal wie schlimm seine Verletzung war, nichts war schlimmer als ein Schweigen. Wenn sie von ihm erfahren könnte, was ihn plagte, was sie tun konnte, aber so, so war es die Versorgung eines Toten ähnlich und manchmal zweifelte sie an ihrem Verstand, ob sein Herz in diesem Zustand wirklich noch schlug.
Jederzeit hätte es aufhören können zu schlagen, sie hätte es wohl nicht mal rechtzeitig gemerkt. Aber sich selber die Schuld geben, das war einfach zu einfach und auch nicht unbedingt sinnvoll, sie akzeptierte langsam, dass nicht sie für all das verantwortlich war, sondern irgendetwas anderes. Dennoch, es war kein unbekannter Attentäter, kein Mörder oder ein Anschlag, es war etwas nicht menschliches gewesen, fast etwas göttliches, dieser Blitz, wie sollte sie sich an einem Blitz rächen? Vielleicht, weil keine Rache erforderlich war, weil alles wieder gut werden würde...schwer fiel es ihr daran zu glauben, aber sie tat es dennoch.
07.12.2003, 13:17 #68
Isabell
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Sanft war der Wind noch immer um ihr Haar geschlungen, ließ die nun schwarzen Strähnen sehr schön in die Weite wehen, doch das alles geräuschelos und nur spürend. Einzelne Nervenbahnen leiteten das Gefühl weiter. Ihr Gesicht war durch den Wind leicht spröde geworden, ihr Lippen ausgetrocknet, doch das machte nichts, war es doch alles kein Zustand für die Ewigkeit, war es doch alles nur für eine kurze Zeit der Ablenkung. Es war etwas anders geworden, das saftige, schöne, kräftige Blau des Himmels wurde nun immer mehr von weißen Quellwolken abgedrängt und somit wurde es auch etwas dunkler, obwohl die Wolken wirklich weiß und nicht etwa grau waren.
Isabell hatte die Tasse Tee längst ausgetrunken, doch sie wollte sich nichts nachschenken, hatte vielmehr vorgezogen an einem Apfel zu knabbern. Doch selbst das ging nur sehr behäbig, hatte sie doch keine Lust zu schlucken und so kaute sie das Fruchtfleisch des Obstgewächses immer solange, bis es nur noch eine zuckrige Flüssigkeit war, die sie dann leichter herunterwürgen konnte. Wenigstens hatten ihre Kauleisten dann etwas zu tun, doch das einzige was ihr wichtig war, war längst nicht mehr da. Dieser Blick hinaus in die endlose Weite der Welt, er regte wenigstens etwas ihre Phantasie an, wie Pergamo soviel davon gesprochen hatte, als ob er schon oft rumgekommen war, doch das war jetzt nicht mehr wichtig. Von ihr aus konnten sie auch für immer hier in Drakia bleiben, auch wenn das sicher nicht das richtige war, so wäre es zumindest eine Alternative, hier waren sie wenigstens willkommen. Wer weiß, wie dieses Gotharr, oder Gorthar war, er hatte ja schon oft davon gesprochen und immer sah sie dann das Leuchten in seinen Augen, es musste schön sein, so hatte sie zumindest das Gefühl. Irgendwo da draußen, irgendwo am Horizont, da würde es liegen und sie bräuchten ein Schiff, um da hin zu kommen. Ja, sie wollte so gern mal dahin, aber jetzt...
Immer wieder schaute sie zu ihm, hoffte auf Zeichen der Besserung, auf eine kleine Bewegung, auf irgendetwas, doch da war nichts, da kam nichts, wahrscheinlich war es vergebliche Hoffnung.
Diese Alte, was wollte sie wohl? Warum half sie am Anfang so bereitwillig? Wie konnte sie überhaupt so früh da sein? Es half nichts, sie wusste das, Antworten waren das wenigste, was sie jetzt bekommen würde.
Mit einem tiefen Seufzer lehnte sie sich wieder zurück und sah weiter hinaus, hinaus zum Meer, zum Himmel und zum Dorf, immer die milde Luft im Ohr, in der Nase und auf den Hautporen spürend, immer wartend, in ewiger Hoffnung und keimender Verzweiflung, immer nur wartend...
07.12.2003, 16:45 #69
Isabell
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Die ganze Zeit war sie heute am Fenster gestanden, wie schön es doch draußen war, so schön war es hier drinne lange nicht. Es war schon erstaunlich, da redete man immer von der Schönheit der Natur, doch wirklich kennen tat man sie doch nicht. Jetzt hatte sie den ganzen Tag nicht mehr gemacht, als aus dem Fenster zu schauen, sie hatte dabei eine Menge gelernt, schon komisch, einen Tag aus dem Fenster schauen, das hätte sie unter normalen Umständen nie gemacht. Aber was war heute schon normal, eigentlich gar nichts. Wenigstens hatte sie so ihre Ruhe vor all den Gedanken, die sie sonst immer plagten.
Manchmal, da wollte sie einfach laut schreien und manchmal einfach nur leise weinen, aber doch blieb ihr Gesicht relativ emotionslos, sie sah nicht unbedingt so tot wie Pergamo aus, hatte manchmal auch ein verschmitztes Lächeln angedeutet, wenn sie mal wieder an was Schönes denken konnte, aber so wirklich einen Grund zum lachen hätte es eh nicht gegeben. Es wäre so schön gewesen, wenn er heute einfach aufgewacht wäre und sie ihn dann umarmen könnte, so aber blieb es wie immer, doch dafür hörte sie ein Klopfen an der Türe. Sie hatte den Jungen schon vom weitem gesehen, wie immer, jeden Tag zur selben Uhrzeit.
Sie stand wieder auf und löste sich aus der fast erstarrten Haltung, zumindest der Unterkörper tat ihr etwas weh, ein paar kleine Krämpfe und ein Muskelkrampf, aber nichts weltbewegendes, nichts wo sie sagen konnte, dass es ihr schlecht ging. Mit einem versuchten Lächeln öffnete sie die Türe und nahm den Korb in Empfang und reichte dem Kleinen den leeren von gestern, dieser schaute wie immer etwas ängstlich, war wohl froh als er wieder weg konnte, aber so würde das wohl nie was mit dem Wirtberuf werden, lächeln musste man da schon können, aber der Junge war noch klein, er würde es sicher sehr rasch lernen, wenn er denn wirklich Wirt werden wollte.
Isabell ging mit dem mittelschweren Korb wieder nach oben, wo sie ihn auf dem Tisch abstellte und sich setzte, das Fenster ließ sie offen, den ganzen Tag schon, die Luft war heute sehr angenehm und sie wollte es auch nicht verschließen.
07.12.2003, 22:37 #70
Isabell
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Es war ein wirklich schöner Tag gewesen, sie hatte direkt nach dem Essen noch einmal zum Fenster geschaut, den Sonnenuntergang genossen, zwar gab es kaum ein kräftiges Rot zu sehen, da die Wolken doch sehr viel verdeckten, doch immerhin konnte man einen wunderschönen Sonnenuntergang erahnen. Dann hatte sie noch das gemacht, was sie jeden Abend machte, ihn gefüttert, auch wenn das jedes Mal so banal war, so war es doch fast Gewohnheit geworden und sie hatte sich auch selber dran gewöhnt diese absurde Tätigkeit zu durchführen. Auch hatte sie sich wieder in ihr Nachtkleid umgezogen, auch wenn das ebenfalls total unnötig war, denn sie verließ ja nie das Haus, aber am Tage wollte man eben doch nicht ganz so freizügig rumlaufen wie man das unter der warmen Decke nunmal tat. Es war wieder etwas kälter geworden, doch sie hatte das Fenster dennoch aufgelassen, stand sie doch jetzt wieder da, wie schon den ganzen Tag zuvor. Heute war es ein wirklich merkwürdiger Tag, zwar hatte sie nicht ganz so viele Zweifel und Sorgen wie gestern oder vorgestern, doch das was sie gemacht hatte war wirklich nur die Zeit rüberretten, in einen weiteren Tag. Wenn er morgen auch nicht aufwachen würde, wäre es dann der achte. Es war so traurig und die schwarze Nacht war das einzige, was sie noch hatte, einfach nur die Natur, zu sehen, wie sich das Licht und auch die Temperatur, aber auch die Sterne abwechselten. Immer wieder in einem ewigen Gezeitenzyklus umhergingen.

Dann aber legte sie sich doch hin, es war Zeit genug vergangen, sie war aber gar nicht müde, lag wohl daran, dass soviel Sauerstoff in ihren Lungen war, doch das konnte es nicht alleine sein. Langsam begannen die Sorgen tiefgründiger zu werden, inzwischen war es nicht mehr so klar, nicht mehr so einfach. Jetzt fingen die wahren Sorgen an aufzukeimen, jetzt begann die Verzweiflung und jetzt kamen die wahren Ängste ans Tageslicht, jeden Tag wurde es schlimmer, immer schlimmer, immer schlimmer...
08.12.2003, 14:36 #71
Isabell
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Dunkle Schatten legten sich in dieser Nacht auf ihre Träume, auf ihren Schlaf und auf ihren Körper. Sie fühlte sich extrem schlecht als sie aufwachte, denn wieder plagte sie ein Alptraum und sie hatte Kopfschmerzen. Der gestrige Tag, so schön er auch war, wurde gleich wieder von einem schlechten Beginn heimgesucht, aber so war es ja ständig, immer wieder wurde mal wieder auf einen guten Tag ein schlechter geschickt. So sehr sie sich auch versuchte zu entspannen und diese Kopfschmerzen loszuwerden, es klappt einfach nicht, wohl weil eine Entspannung einfach nicht möglich war, es ging einfach nicht. Ihre Gedanken waren immer woanders, doch meistens bei ihm. Keine Besserung, natürlich nicht. Acht Tage nun schon, acht lange Tage. Wer sollte das alles aushalten? Wer nur? Sie hatte nichts weiter tun können als ihm wieder etwas zu trinken zu geben, ein paar Schluck Wasser, wiederwillig hinuntergeschluckt. Wenigstens hatte sich, was das anging wirklich nichts verschlechtert, von einer drohenden Unterernährung war nichts zu sehen, obwohl er ja nichts Festes aß, dieses Mittel der Alten funktionierte, wenigstens eine gute Nachricht. Doch sie wurde sofort zunichte gemacht, denn wieder kam der Gedanke daran, dass das vielleicht alles umsonst war, diese künstliche Lebensverlängerung, denn noch immer gab es keine Zeichen dafür, dass er bald wieder aufwachen würde. Die Alte hatte zwar gemeint, dass er durchkommen würde und alles so wäre wie zuvor, doch von dieser Zuversicht konnte sie nur träumen, davon war nämlich weit und breit nichts zu sehen, sie hatte keine Ahnung, wie das sein sollte, sie konnte davon nichts sehen. Aber es würde schon stimmen, es musste einfach stimmen.

Es gab oft Momente, da setzte das normale Wissen, die menschliche Logik einfach aus, denn obwohl es wirklich keine objektive Hoffnung mehr gab, oder eine, die man nur irgendwie beweisen oder begründen könnte, so klammerte sie sich doch an ein Stückchen, dass nur aus ihrem Herzen ausging. Es war so, als ob ihr Herz seines spüren konnte, wie es nachwievor schlug und solange schien sie dieses winzige Stückchen Hoffnung noch zu haben, es nicht herzugeben, einfach weitermachen, wie zuvor, zwar war es alles schwer, es war wahrlich keine schöne Zeit, doch musste sie da durch, es war alles Schicksal, nichts davon hätte sie wirklich beeinflussen können, es war nicht schön, aber die Hoffnung an das Gute, den kleinen Keim den jeder in sich trug, der ließ sie auch die Kopfschmerzen und die psychischen Schmerzen der vergangenen Tage vergessen.
08.12.2003, 16:31 #72
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Schleichend, schleichend wie der Tod und schleichend wie bitteres Gift, so war das Gefühl des Tages. Es war heute nicht schön, nicht so wie sonst, es war bitter und düster, der Himmel hatte sich grau gefärbt und gab auch keinen äußerst freundlichen Anblick ab. Sie hatte sich gefragt, was es so gab, das war eine ganze Menge. Doch viel mehr fiel sie nun in ein tiefes Loch von Selbstzweifeln und auch diesen Fragen an sich selbst aber auch an Dinge, die nicht antworten konnten. Innerlich sprach sie mit sich selbst, doch äußerlich konnte sie das nicht, auch wenn es vielleicht geholfen hätte mit dem Spiegel beispielsweise zu sprechen. Es war alles schwieriger als je zuvor, sie schaffte das einfach nicht mehr, sie hielt das einfach nicht mehr aus, der Druck war zu groß, sie war dieser Belastung nicht gewachsen, aber dennoch, sie hielt durch, sie gab nicht auf, niemals. Sie war schon längst daran kaputt gegangen, doch war dies kein Grund daran zu zerbrechen, sie hatte noch ein Stückchen Hoffnung, doch aus dem anfänglichen Quell war ein tröpfelndes Etwas geworden, doch solange noch irgendwie etwas bestand, egal was, hauptsache ein Fünkchen da war, solange wollte sie nicht aufgeben und dieses Fünkchen war da, es war zwar sehr sehr klein, aber dafür war es nun schon seit nun mehr acht Tagen regelmäßig da, sie wollte einfach nicht glauben, dass ein Mensch mit funktionierendem Herz und auch einer regelmäßigen Atmung tot war, das konnte einfach nicht sein.

Dieser Blitz, er war sicher nicht zufällig eingeschlagen, es gab schließlich kein Gewitter und langsam zweifelte sie auch an dem zufälligen Auftauchen der Alten. Das lief alles fiel zu glatt, Hand in Hand wollte sie fast meinen. Und genau das war es, was sie wieder etwas anstachelte, zwar war es kein direkter Mut oder Hoffnungsspender, aber es war dennoch sehr gut zu wissen, dass es wieder einen Ansatz gab. Zwar hoffte sie, dass diese alte Frau bald wieder auftauchen würde, da sie einfach das Gefühl hatte, sie war der Schlüssel in der ganzen Geschichte, doch so richtig sicher war sie sich nicht, aber vorallem würde sie sie zur Rede stellen, einfach so gehen lassen war nicht, wenn sie hoffentlich noch mal wieder kam.
Sie klammerte sich an dieser einen Vermutung, denn es war wirklich offensichtlich, dass da was nicht stimmte. Hoffentlich war es alles kein Spiel zwischen irgendwelchen Seiten und Parteien, die sie nicht kannte, aber das hoffen fiel in diesen Stunden sowieso sehr schwer.
08.12.2003, 21:29 #73
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Wirklich dunkel war es heute gewesen, gar kein schöner Tag, aber auch sonst war es ziemlich dunkel in ihrem Herzen gewesen, es war so, als ob der gestrige, eigentlich ganz schöne Tag nur eine Ausnahme war, es war wirklich jeden Tag ein neuer Kampf mit ihren Gefühlen, mal war es jenes, mal war es dieses. Immer hin und her, doch im Ergebniss trat sie seit Wochen auf der Stelle. Sie hatte wirklich keine Ahnung mehr, war absolut ratlos. Wie sollte das nur alles weitergehen, seit Tagen trat sie auf der Stelle, inzwischen fing sie schon an die Tage zu zählen, alles genau zu sammeln, es war doch schon gar nicht mehr normal. Diese Krankheit, sie machte nicht nur ihn fertig, soetwas hatte sie noch nie gesehen, wenn nicht bald etwas passieren würde, dann würde es wohl noch schwächer werden. Selbst seine Hand war jetz kalt geworden, obwohl er die ganze Zeit unter der Decke lag, als ob langsam jede Wärme aus seinem Körper gezogen würde, einfach ein langsamer Sterbeprozess vorrann ging. Sie wollte daran nicht glauben, konnte es auch nicht wirklich, doch was sollte sie schon tun, sie hatte keine andere Wahl, entfliehen konnte sie diesem Schicksal eh nicht und was sollte sie schon machen?

Traurig war sie, manchmal musste sie auch weinen, doch selbst das fiel ihr schwer, nicht nur das Schlucken, die körperliche Arbeit oder aber auch das bewegen, auch das nachdenken und eben jetzt auch das weinen fiel schwer, es war alles voller Last und Beschwerde. Als ob sich irgendetwas um ihr Herz schlung, irgendein Band aus Eisen, das verschlossen wurde mit einem Schloss und dieses Schloss, das konnte man nur mit dem passenden Schlüssel öffnen und diesen hatte sie nicht, den hatte nur er. Jeden Tag schlung sich das Band ein Stück enger darum, immer enger, bis sie nicht mehr konnte. Wie lange noch, wie lange....
09.12.2003, 06:09 #74
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Ihr Kopf schmerzte, mitten in der Nacht schien sie aufzuwachen und es war ein Gräul jetzt noch an da oben zu denken, überall stechender Schmerz, wie die Pein, die sie damals bei Kryliyx erlitten hatte. Die ganze Nichtstuerei aber vorallem die nervliche Anspannung machten ihr schwer zu schaffen, wie Spiegelscherben oder scharfkantiges Glas hatte sich etwas in ihre Schläfen gebohrt und versuchte nun mit aller Macht hervorzubrechen, ein Pochen war zu hören, immer wieder kam es an, donnerte dagegen, wie eine Trommel und eine Pauke. Nur leider war sie in der äußerst ungünstigeren Position als sie es sich eigentlich gewünscht hätte. Immer wieder, ohne Erbarmen, wie ein immer wiederkehrender Kreis, er schloss sich und wie er das tat, im Sekundentakt und wenn es nicht so schlimm gewesen wäre, dann hätte sie am liebsten mitgetanzt, zum Tanz von Pauken und Trommeln.
Sie war aufgestanden, hatte sich einen Krug Wasser aus der Küche geholt, doch das hatte auch nicht geholfen, immer weiter ging das Pochen und jetzt warf sie sich wieder zurück auf ihr Bett, mit schmerzerfülltem Gesicht, es war verzerrt, entstellt, hatte sich zu einer komischen Grimasse geformt. Sie schlug mit ihren zarten Händen auf die Bereiche am Kopf weh, die ihr weh taten, doch da passierte nichts, absolut nichts, erst als sie sich unter ihr Kopfkissen gekauert und die Ohren damit zugehalten hatte, die Augen und den Mund verschloss und nur sehr wenig durch die Nase atmete, konnte sie wieder klar denken. Der Schmerz verschwand, er war wie weggeblasen. Einige Zeit verblieb sie noch in dieser Haltung, dann aber stand sie noch einmal auf und ging zum Fenster, etwas frische Luft würde ihr gut tun, aber die Luft war wirklich frisch, etwas zu frisch für ihren Geschmack und schnell war das Fenster wieder geschlossen, erst da erkannte sie, wie sich dicke Eisplitter auf der Unterseite gebildet hatten, wie die Kristalle nun glitzerten. Hoffentlich würde da nichts zerspringen, das war nun das letzte, was sie gebraucht hätte.

Mühevoll legte sie sich dann wieder zurück ins Bett, es war noch viel zu früh um aufzustehen, aber diese Kopfschmerzen hatten ihr gezeigt, wie kaputt sie doch eigentlich war, an einen Alptraum konnte sie sich direkt nicht erinnern, das wäre ihr sicher noch im Kopf geblieben, so kurz nach dem erwachen. Aber eines war auch sicher, so langsam ging es nicht mehr, so langsam wurde sie echt labil, sie hatte das noch nie in einer solchen Extreme miterlebt, bei ihrem Bruder war zwar eine ähnliche Situation da, da sie auch nicht wusste, ob er noch lebt oder schon tot war, aber hier bei Pergamo war das vollkommen anders, denn da hatte sie seinen Körper die ganze Zeit um sich, lag zwar massiv in Ungewißheit, doch hatte sie immer etwas sicheres, aber auch etwas schreckliches um sich. Wenn es irgendwie ein Wunder geben sollte dann sollte das doch endlich mal kommen, bitte...
09.12.2003, 14:20 #75
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Es war wie jeden Tag, bisher, wirklich jetzt kam das was sie immer vermeiden wollte, eine Wiederholung des Tages. Immer wieder dasselbe, das Frühstück vom Abendessen abgezweigt, dann das ewige nichts tun und nachdenken über eigene Fehler, über Schicksal und Tod, über Selbstvorwürfe und über Verzweiflung. Alles wie immer, dieser Tag war ein schlechter Tag, er war total schlecht angefangen und ging jetzt noch viel schlimmer weiter, war es doch kein körperlicher Schmerz, der sie jetzt peinigte, doch etwas sollte anders werden.
Es war ungefähr später Mittag, sie hatte sich einen Krug Wasser geholt und an den Tisch gesetzt, sie wollte schreiben, irgendetwas schreiben, ihre Gefühle, ihre Gedanken, irgendetwas aufschreiben, danach konnte man immer noch rätseln, was man tat, doch genau da passierte es.

Ein leises Stöhnen ging durch den Raum, zuerst dachte sie, sie hätte irgendwas im Ohr, dann beim zweiten Mal, lief sie etwas erregt ans Fenster und schaute auf die Straße, erst beim dritten Mal drehte sie sich vorsichtig um und sah auf das Bett. Tatsächlich. Es war Pergamo. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, sie strahlte über das ganze Gesicht, dabei litt der Mann wohl Höllenquallen, ansonsten würde er wohl kaum so keuchen und stöhnen, aber Isabell hatte das verdrängt, sie war so froh, das erste richtige Lebenszeichen seit nun mehr neun Tagen, verflixt und zugenäht, endlich, endlich, endlich.

Als sich ihre Freude ein bisschen gelegt hatte, wurde sie schon wieder etwas nervöser, denn sie hoffte, dass er nun bald seine Augen öffnen würde und zu sich kommen, dass es endgültig vorbei sei, doch da konnte sie lange drauf warten, allerdings war sie sofort zu ihm ans Bett geeilt und hatte sein Gesicht beobachtet, es war nun nicht mehr tot und kalt, es hatte Furchen, Falten und Bewegungen in sich, auch wenn diese alle ein schmerzgepeinigtes Gesicht zeigten, noch waren die glänzenden Perlen auf seiner Stirn nicht zu sehen, doch schon bald würden sie heraustreten und langsam seine Haare nass machen. Das Hoffen auf eine sofortige Besserung war vergebens, denn außer den paar Geräuschen, die schon wieder versiegt waren, war nichts mehr zu hören und seine Augen blieben verschlossen, trotzdem, er lebte und wie. Das war es was zählte, diese kleine, so unnötige Reaktion war es, die ihr mit einem Schlag wieder ein Lachen ins Gesicht zauberte und ihr wieder neue Lebenskraft schenkte, es war so unglaublich, eigentlich war das ganze überhaupt nicht schön, doch da musste man das alles miterlebt haben, anders konnte man es nicht nachvollziehen, es war wichtig, dass es passiert war.

Sie hatte seine Hand genommen, gespürt, wie langsam die Kälte daraus gejagt wurde, wie Wärme sie erfüllte, doch sie hatte auch gespürt, wie er zitterte, nur ganz sanft, fast schon innerlich, als ob sein Blut zittern würde. Aber irgendwas musste ja passiert sein, dass er so reagierte. War es ein Traum? Wenn ja, was sah er da gerade, es musste wohl etwas schlimmes sein...sie wusste es nicht, aber trotzdem, alles war anders, eine unglaubliche Veränderung, etwas, über das gesunde Menschen lachen, doch sie wusste, es war ein ganz wichtiger Schritt in Richtung Leben, es gab soviel in ihrem Kopf nachzudenken.
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