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09.12.2003, 17:24 #76
Isabell
Beiträge: 307
Die Siedlung Drakia #5 -
Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass er noch lebte, bald schon würde er auch ganz aufwachen, irgendwie halt, sie wollte gar nicht wissen, wie er das alles aushielt, aber bald wäre es vorbei, sie spürte das. Dieses Lebenszeichen war ja auch eindeutig und auch jetzt noch war es nicht vorbei. Es war die ganze Zeit über geblieben, kleine Krampfungen im Gesicht, das sich nun minütlich verzogen hatte, er lebte wieder äußerlich, nicht nur innerlich, wie die Alte gesagt hatte. Sie hatte sich die ganze Zeit nicht vom Fleck gerührt, nur einmal, da hatte sie Wasser geholt und als er es trinken sollte, hatte er zum ersten Mal wieder richtig geschluckt, war heute etwa der Tag der guten Dinge? Ja, es ging aufwärts, bald schon würden sie wieder zusammen lachen und dann wollte sie sowas nie wieder erleben, sicher einen Schutz gab es nicht gegen solche Dinge, wie denn auch, aber trotzdem, einmal und nie wieder.
Mittlerweile waren die Schweißperlen aber tatsächlich auf der Stirn zu sehen, Krämpfe durchzuckten den Körper, wie aus heiterem Himmel verfinsterte sich das Bild in seinem Gesicht, ein leichtes Schütteln des Kopfes war eine weitere Folge und die Fingernägel versuchten sich krampfhaft irgendwo festzuhalten, wobei die der rechten Hand noch immer in ihrer waren und so sich in der Haut versuchten festzuklammern. Sie war etwas erschrocken von diesem plötzlichen Umschwung, von dieser Verschlecherung seines Zustandes, zwar bewegte er sich jetzt so, wie selten zuvor und war wohl seit neun Tagen am lebendigsten, doch dieses Leben spiegelte sich in äußerst schmerzvollen Lauten nieder, die gar nicht so menschlich wirkten, was wohl daran lag, dass sein Geist noch immer nicht hierher zurückgekehrt war, wie sonst konnte man es erklären, dass seine Augen geschlossen blieben und er noch immer nichts von seiner Umgebung wahrnahm. Er war wie in einer Art Trace, irgendwie erinnerte sie das ganze an eine Fieberform, die heiße Stirn, der nun rasende Puls, die zittrigen Hände, das alles hatte sie auch schon mal erlebt, doch das war ihr auf jeden Fall lieber, denn dagegen gab es Heilungsmethoden, zwar war sie in denen nicht so bewandert wie die Heiler, doch jetzt konnte sie wenigstens etwas für ihn tun, viel besser als diese leblose, totenähnliche Form, bei der sie so richtig verzweifelt war. Es hatte sich nicht wirklich viel geändert, gerade seine Wahrnehmung war nach wie vor gleich, doch seine Menschlichkeit war irgendwie zurückgekehrt und wenn er auch im bewusstlosen Fieber lag und nichts wahrnahm, so war dies immer noch besser als alles davor dagewesene.
09.12.2003, 20:37 #77
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Was wer denn nur mit ihm los? Isabell war so glücklich, dass er wieder da war, als er geschrien hatte, das war so ein schönes Gefühl, genau wie das alles davor, es war paradox, aber sie genoss das Grauen geradezu und als er dann die Augen öffnete, dachte sie schon, alles wäre jetzt gut, doch dann verhielt er sich so merkwürdig, krachte gegen die Wand, fiel die Treppe runter, verschwand durch die Tür. Das ganze war verrückt, er war verrückt, aber wer weiß schon, was da los war, sie hatte ja keine Ahnung, es war vielleicht alles viel schlimmer, als sie im ersten Moment gedacht hatte, doch hauptsache er war jetzt wach, man konnte sich wieder unterhalten, auch wenn das sicher noch etwas dauern würde. Es wäre sicher schwer, jetzt wieder alles so zu schaffen, wie es davor gewesen war, doch das war jetzt egal, sie wollte auch gar nicht darüber nachdenken. Er war wieder da, das Leiden hatte ein Ende, von einem Tag auf den anderen. Doch sie musste ihm folgen, er schien nicht er selbst zu sein, vielleicht ging da noch etwas in ihm nach, gut vorzustellen war es auf jeden Fall, sie konnte jetzt nicht einfach dableiben, wer weiß, was sonst noch passieren würde. Zum Glück musste sie sich nicht noch lange umziehen, hatte noch immer ihr Gehkleid an, sofort eilte sie aus dem Haus und versuchte dem Fürsten zu folgen, er war so verdammt schnell, rannte ja geradezu. Aber wohin?

Richtung Hafen? Was wollte er denn dort beim Hafen? Es war mittlerweile stockdunkel, man konnte kaum mehr die Hand vor Augen sehen, nur noch wenige Sterne funkelten am Himmel, der Mond war verdeckt, das Rauschen kam näher. Er musste es schon sehen, sie war ihm dicht auf den Fersen. Was hatte er nur vor? Wenn sie das nur wüsste. Auf jeden Fall war sie dabei, sie musste es einfach sehen. Hach ja, egal was, so etwas würde nie mehr passieren. Nie mehr, oder auch nicht. Nie mehr. Ihr Gesicht strahlte noch immer, zwar war sie etwas verwirrt, doch die Freude konnte das nicht schmälern, morgen würde ein neuer Tag beginnen, vielleicht ein neues Leben.
09.12.2003, 21:28 #78
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Sie hatte es nicht glauben können, vielleicht nicht glauben wollen, sie wollte ihn noch aufhalten, schrie noch, das das half nichts, er hatte es tatsächlich gewagt. In dieses eiskalte Wasser war er gesprungen, unglaublich aber wahr. Das waren doch keine fünf Grad da drin, so ein verrückter Kerl. Zeitweise hatte sie richtig Angst um sein Leben gehabt, doch das war dann verflogen, denn es schien ihm richtig Spaß zu machen in diesem eiskalten Wasser zu baden. Man sah seinem nackten Körper aber auch an, wie er jede Sekunde litt, wie er blau anlief und wie sich tiefrote Flecken bildeten, als er dann endlich raus wollte, war sie froh, dass er sie wieder erkannte, er schien wieder total in Ordnung zu sein, hoffentlich war dem auch so, aber man musste nachsichtig sein. Natürlich hatte sie gelitten, was sie durchgemacht hatte, das war sicher nicht zu begreifen, wenn man es nicht selber mal gemacht hatte, doch was hatte er schon erlebt? Konnte sie sich wirklich ein Urteil bilden, durfte sie überhaupt darüber rätseln, was ihm geschehen war? Sie glaubte nicht, doch das alles war ja nicht so wichtig, hauptsache es ging ihm gut.

Schnell hatte sie ihm seine Sachen geholt, packte ihn in alles ein, was er so hatte, was leider gar nicht viel war, doch als die Rüstung dann wieder an war, da schien die größte Kälte die noch neu hinzukam erst mal weg zu sein, doch zittern musste er trotzdem noch unwahrscheinlich, wenn es jetzt nicht diese komische Situation gewesen wäre, hätte sie gesagt, dass er doch selber Schuld war und sich nicht beklagen sollte, doch andererseits hatte sie keine Ahnung, was diese Wahnsinnstat für einen Hintergrund hatte, sie wusste es wirklich nicht, konnte sich keinen Reim auf all das machen.

Eingepackt war es zwar besser, doch er würde trotzdem nicht lange überleben, denn auch die Luft war eiskalt und er war triefend nass, so würde er sich doch noch umbringen, wenn er nicht bald ins Warme kommen würde. Schnell nahm sie in an der Hand und zog in zurück zum Haus, seine Beine waren auch gefroren und es fiel schwer zu gehen, doch sie schafften es noch bis zum Haus, bis seine Beine dann ganz schlapp machten, doch jetzt waren sie ja da. Schnell drehte sie den Schlüssel um, öffnete die Tür und dann, ja dann waren sie wieder zurück.
10.12.2003, 13:30 #79
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Tiefe Augen blickten in sich, die Iris des anderen umfassend, blau und rot, vielleicht zerschmolz das ja zu grün, wer weiß. Jedenfalls waren sie heute nicht mehr rausgegangen. Sie wollten auch gar nicht rausgehen, hatten sich darauf verständigt heute noch ein letztes Mal hier zu bleiben, hier im Hause, wo es schön warm war. Das Feuer prasselte und knisterte sehr romantisch und entschädigte für all das, was in den vergangen Tagen passiert war. Zusammen saßen sie nun davor, jeder in einem der Sessel, die eine Hand über die Armlehnen und er hatte sich tief in die Kopflehne gemummelt, während Isabell auch noch mit dem Arm auf der Armlehne war und gespannt zu ihm schaute. Alles wollte sie wissen, was passiert war, ob er sich überhaupt an was erinnern konnte und was eigentlich geschehen war, sie hatte hundert Fragen, wollte soviel sagen, doch irgendwie beschränkte sich das ganze doch auf wenige Worte, dafür aber gezielte Schlagwörter. Sie wollte einfach nur wissen, warum. Warum sie so leiden musste und ob er auch dasselbe durchmachen musste. Auch war sie ein bisschen neugierig, ob er an sie gedacht hatte und was er noch sagen wollte, kurz nachdem ihm der Blitz getroffen hatte.

Doch eigentlich war sie schon so froh, er hätte auch gar nichts erzählen müssen, einfach nur da sein, einfach nur sich bewegen, innerlich und vorallem äußerlich Gefühle zeigen, für sie da sein. Sie verlangte eine Menge, doch war es gar nicht so schlimm, es war ja schon fast alles da, wenn er nur wach war. Oder auch nur in ihrer Nähe, aber lebend, mit dem Gefühl, dass sie ihn jederzeit wecken konnte. Verdammte Zeit, dachte sie innerlich und verfluchte diese Tage, doch war sie sich gar nicht mal so sicher, jetzt wo er wieder da war, ob diese Zeit so schlecht denn gewesen war. Vielleicht war es das entscheidende, vielleicht auch nicht, aber es war sehr wichtig. Vielleicht nur für ihre ewige Freundschaft, aber vielleicht auch für eine temporäre Liebe.

Es ging alles sehr langsam, sie hatte einen Tee gebrüht und der war sehr heiß gewesen, an diesem hatte er noch genippt, bevor er wieder weitersprach, überhaupt hatte er nicht viel gesagt, aber deswegen waren sie ja hier, um über alles zu sprechen. Damit sie es auch beide verstehen und verdrängen konnten, vergessen konnte man das niemals.
10.12.2003, 14:33 #80
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Gespannt hörte sie die Worte von Pergamo, fast jedes Wort schien Angst inne zu haben, es war richtig unheimlich was er da erzählte, jetzt bekam sogar das Flackern des Kamins einen unheimlichen Hauch von tanzenden Schatten und unheimlichen Bildern, doch das war ja Blödsinn, trotzdem, sie konnte sehr viel und sehr gut verstehen, wahrscheinlich musste er da jeden Tag wie in einem wirklichen Leben erlebt haben und diese unheimliche Gegend sorgte wohl für sowas wie Unbehagen, vielleicht sogar Angst bei ihm? Nun, das würde auch erklären, warum er am Ende dann so ein ganz klares Anzeichen von Fieber bekam, so eine Art Reaktion auf das Gesehene, dass dann unfaßbar war. Sie sah ihm kurz in die Augen, die sich beim letzten Hauch seiner Erzählung wieder geöffnet hatten, danach lehnte sie sich zurück und begann ihrerseits zu erzählen, doch dabei fiel ihr kaum was ein, was sie am Anfang sagen konnte. Ein schweres Schlucken verband sie zur Überbrückung und überlegte, aber am besten, sie erzählte ihm die Wahrheit, natürlich würde sie das tun.

"Es ist zuviel passiert...hier. Kannst du dich noch an den Tag deines "Verschwindens" erinnern? Wir waren erst in der Taverne, dort warst du schon so komisch, du warst seltsam ruhig und deine Körpersprache war anders. Ich habe mir da noch nichts gedacht, doch als du dann einfach gegangen bist, bin ich hinterher. Du wolltest spazieren gehen glaube ich. Wie ein Irrer bist du durch das Dorf gelaufen, bis wir dann am Marktplatz waren, dort wurdest du langsamer. Wir hatten uns etwas aus den Augen verloren, du warst ein paar Meter hinter mir, da hörte ich einen Schrei von dir, wie du dabei warst in die Knie zu gehen. Ich......"

Sie stockte, sie wusste auf einmal wieder genau, was da war. Ganz genau. Ihre Erinnerung war nicht schlecht, doch hätte sie das mal sein sollen. Nichts als die Wahrheit, auch wenn es bitter war, sie musste es ihm einfach erzählen, bis ins kleinste Detail, das war doch jetzt alles egal, nach alldem war das doch so unbedeutend und doch kostete es enorm viel Überwindung. Ein fragender Blick sah zu der Frau, irgendwie anders als fragend, eher so überrascht oder auch verständnisvoll, aber sie setzte ja schon wieder an um weiterzureden.

"Also ich...ich habe es gewusst. Nicht wie du jetzt sicher denkst, ich weiß es ja selber nicht. Ich hatte in der Nacht davor, an genau diesem Morgen einen Traum. Dort war alles genau so, wie es passiert war. Alles, wirklich alles. Bis ins kleinste Detail wusste ich, was passieren würde, das mit dem Dorfplatz, alles. Ich dachte, es wäre nur ein Traum, ich konnte ja nicht ahnen, dass es eine Zukunftsvision war, doch als ich verstand, was wir da taten, da war es schon zu spät. Du warst nach diesem Schrei so gut wie weg, hast noch diese Wortsilben gestammelt, bist aber nicht ganz fertig geworden und dann in meinen Armen weggesackt. Du wurdest nicht mehr wach, egal was ich auch tat.
Ich habe dich dann ins Haus geschleppt, aber ich war nicht allein, da war noch eine alte Frau, sie ist wie aus dem Nichts aufgetaucht und hat mir geholfen...."

"Eine alte Frau. Und was hat sie gemacht"

"Ich weiß nicht, es war alles so komisch, sie sagte komische Sachen, ich sollte auf jeden Fall im Haus bleiben, damit ich da wäre, wenn sie wieder an die Tür klopft. Das habe ich dann auch gemacht, weil sie versprach zu helfen. Nun, da hatte sie auch Recht. Aber neun Tage, es dauerte neun Tage. Ich weiß nicht, wie ich diese Zeit durchgehalten habe, ich weiß es nicht. Manchmal hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, dass du jemals wieder erwachst."

"Was war denn mit mir?"

"Du hast nicht geschlafen, nein, du warst wirklich scheinbar tot. Dein Herz schlug regelmäßig und auch der Puls war in Ordnung, genau wie der Atem, doch ansonsten, nichts. Dein Gesicht war tagelang das gleiche und du hast dich keinen Zentimeter bewegt, als ob deine Muskeln und Knochen weg wären. Zudem konntest du ja nichts essen, aber diese Alte, sie kam noch mal und hinterließ einen Trank, mit dem konnte ich dich am Leben halten und etwas Wasser pro Tag. Ich weiß nicht, ob du nach neun Tagen ohne Essen gestorben wärst, aber so war es sicher einfacher."

"Ich verstehe. Mein Körper war hier und doch war ich nie wirklich ein Mensch. Wie hast du dich gefühlt, verzeihe mir die unsensible Frage, aber ich muss das wissen. Ich muss alles wissen."

"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich verstehe das schon. Aber trotzdem. Diese neun Tage, ich glaube zumindest das es neun waren, waren die absolute Grausamkeit. Weißt du, nach all dem Erlebten in der Vergangenheit hatte ich gehofft nie wieder so leiden zu müssen. Und es war vielleicht das schlimmste von allen. Ich fühlte mich, als ob das eine Probe war, schließlich war es so sinnlos. So absolut sinnlos......"


Stille. Knisterndes Feuer. Stille.

"Und du, was hast du gefühlt?"

"Ich wollte nur zurück, ich habe oft an dich gedacht. Aber irgendwann habe ich nicht mehr daran geglaubt, dass ich diese Welt je verlassen kann, ich muss wohl Bilder gesehen haben, die Vorstellungskraft von Menschen sprengen, weswegen sie nur ein paar Schatten in meinem Gedächtnis sind. Auf jeden Fall möchte ich nie wieder dergleichen erleben."


Stille. Knisterndes Feuer. Stille.

Dann berührten sich ihre Lippen zueinander und trafen sich in der Mitte der Sessel, es war alles gesagt, sie wollten es beide irgendwie nur hinter sich lassen. Der Kuss beendete das alles, dieses Gespräch, diese Tage und es verband sie noch mehr.
10.12.2003, 17:31 #81
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Isabell war nicht entgangen, wie er sich noch immer quälte und Mühe hatte bei jeder permanenten Körperbewegung, doch das konnte selbst sie nicht ändern, er hatte eben neun Tage nichts gemacht, beim ständigen Liegen wohl einen Krampf bekommen oder seine Muskeln hatten bewusst abgebaut, doch das würde er schon wieder schaffen, da war sie sich sicher, ganz sicher würde er das alles durchstehen. Aber er war auch sehr ruhig, kein überflüssiges Wort, keine unüberlegten Handlungen, er schien unsicher und deswegen übervorsichtig, aber was war denn schon los, sie selber hatte es ja auch kaum faßen können, aber bei ihr dauerte es nicht ganz so lang das alles zu verarbeiten. Sie begann schon wieder damit, ein einigermaßen normales Leben zu führen, was ihr vielleicht leichter fiel, obwohl sie direkt von all dem betroffen war, aber es war auch besser so. Dauernd Trübsal blasen war sicher nicht richtig, sie durften sich jetzt nicht hängen lassen, eine neue Aufgabe wäre genau das richtige für sie, etwas, bei dem sie vergessen konnten, wo sie einfach an etwas anderes denken mussten. Ob es sowas gab? Sie fragte sich wirklich, ob es sowas gab, doch sie würden es schon finden.

Sie hatte dann auch die Augen verschlossen und einfach nur versucht Ruhe zu finden, auch wenn sie sich sicher war, dass er da etwas ganz anderes darunter verstand als sie. Aber was sollte sie tun, ihr war es unangenehm zu sehr darüber nachzudenken, für sie war es erledigt, genau wie mit Kryliyx, da hatte Pergamo ja auch gesagt, dass sie es verdrängen und bekämpfen musste, also war es hier wohl kaum andersrum. Er würde es auch irgendwann akzeptieren, irgendwann. Zeit hatten sie genug, Zeit war unendlich und Zeit war nichts. Zeit bedeutete ihr so gar nichts. Das einzige auf was die weltliche Zeit eine Bedeutung hatte, war das Ende auf der weltlichen Erde, doch danach waren nur ihre Körper, ihr menschliches Fleisch, vernichtet, würden langsam verrotten und zu dem werden, was sie auch waren. Staub und Asche. Doch danach waren sie noch lange nicht getrennt, nein, ganz sicher nicht. Ob er das genauso sah?
Mißtrauisch und etwas ungläubig schaute sie zu dem Jungen, von dem sie annahm, dass er noch immer meditierte, aber er hatte seine Augen geöffnet, sie blickten ja so anders, so konzentriert, fast böse. Die Augenbrauen an den Seiten wirkten wie königgleiche Flügel seiner Majestät und die Mundwinkel hatten sich zu einem Raubvogelblick verzogen. Es war anzunehmen, dass er gerade an diese Welt dachte, jedenfalls war ihr dieser Blick nicht geheuer, normalerweise hatte sein Blick zwar nichts übernatürlich fröhliches, aber es waren immer einzelne Falten zu sehen, die sein jugendliches Aussehen unterstrichen. Jetzt aber wirkte er wie jemand, der augenblicklich zum tödlichen Schlag ausholen sollte.

Zum Glück konnte man fast sagen, klopfte es dann an der Tür, sie konnte gut sehen, wie er erschrak bzw. überrascht wurde, es riss ihn heraus und augenblicklich kamen diese besonderen Falten zurück, als er sich dann umdrehte und dabei ihr hervorlukendes Gesicht sah, lächelte er schon wieder. Also doch kein Grund zur Sorge, dass er vielleicht verbittert war. Aus dem Lächeln wurde aber schnell ein Tunnelblick mit Fragezeichen und so wunderte sie sich auch nicht über seine Frage.

"Wer ist das?"

"Unser Abendessen, warts ab, gleich gibts ne kleine Stärkung."

"Abendessen? Ich versteh gar nichts mehr..."


Isabell stand auf und ging zur Türe, wo sie dem Jungen öffnete. Ungläubig schaute Pergamo auf die Türe und sagte aber kein Wort, der Junge nahm nur schnell den bereitgestellten Korb und ging dann wieder, eigentlich wollte sie jetzt ihren Freund noch kurz vorstellen, aber da war er schon weg.

"Hab ich dir nicht erzählt hm? Also da ich während der Zeit deiner Ohnmacht, oder wie man das nennen will, nicht außer Haus zum Essen gehen wollte, habe ich mit dem Wirt ausgemacht, dass er mir das Essen schickt, per Boten."

"Hm, du wolltest nicht aus dem Haus gehen? Wegen mir? Aber ich konnte doch eh nichts für dich tun. Ich verstehe das nicht."

"Ich wollte dich einfach nicht hier alleine lassen. Bei dir sein, wenn du Schmerzen hast oder doch ein Zeichen von dir gibst. Außerdem musste ich doch da sein, wenn die Alte klopfte."

"So ist das? Hm...ich verstehe nun. Und der Junge, ist der nicht der Kleine, den ich bei dem Fest neulich traf?"

"Ich schätze schon. Es gibt nicht viele in seinem Alter. Aber jetzt lass uns essen, ab morgen essen wir wieder richtig."

"Wie du meinst."
10.12.2003, 22:24 #82
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Sie hatte erst nicht glauben wollen, was er da sagte. Während seine Stimme eben noch so schwächlich wirkte, so bekam sie nun einen scharfen Unterton, hatte etwas herrscherisches und sein Blick wurde wieder so komisch. Sie konnte sich dem nicht entziehen, sie musste einfach in diese Welt der Worte eintauchen und fand sich fasziniert in einer Welt wieder, die sie kannte, die sie sogar sehr gut kannte. Hatte er gerade wirklich gesagt, dass er sie verstanden hatte? Natürlich, das musste er auch, es war wirklich so, er hatte sie wirklich verstanden. Sie hatte nichts anderes erwartet, doch war es trotzdem sehr komisch. Er hatte total anders reagiert, als sie gedacht hatte. Diese Worte klangen wieder so ähnlich wie an Tagen, wo er poetisch redete, doch im Gegensatz zu den Worten, die etwas bildhaft beschrieben, waren diese Worte nun sehr ernst. In seinen Augen bebte es, man konnte in seinen Worten die Bilder sehen, doch waren es ernste Bilder, die absolut überzeugend wirken sollten, aber trotzdem wollten sie schützen, sie schützen. Am Anfang hatte sie nichts verstanden, zwar die einzelnen Worte, aber nicht den Sinn, doch als er dann fertig war und sie verstand, dass da nichts mehr nachkam, da wurde ihr der Sinn klar und sie lächelte schelmisch zurück, denn sie meinte zumindest zu wissen, was er sagen wollte.

"Ja ich denke, dass ich diese Geschichte geschrieben habe. Aber es gibt ein Wort, dass das offene Ende zu einem geschlossenen Ende macht."

Und dann sahen sie sich kurz in die Augen und kannten das Wort, es war nun nicht mehr verborgen, sondern da. Wenn sie die Geschichte geschrieben hatte, dann musste sie auch das Ende kennen.

Ewigkeit

Sie mussten beide lachen und fast hätte sie bewusst einen alten Kinderspruch aufgesagt, ließ es aber dann doch. Nach einem kurzen Gähnen schien Pergamo dann deutlich zu machen, dass er schon wieder müde, eigentlich war das verwunderlich, denn sein Körper hatte nach neun Tagen Schlaf ja eigentlich genug Kraft haben müssen, aber sie verstand das, schließlich war es kein wirklicher Schlaf, wahrscheinlich waren es neun Tage Anstrengung und dann noch diese Nährstoffversorgung. Sie wollte gar nicht wissen, was in dem Trank drin gewesen war, doch es war ihr auch egal. Trotzdem. Sie hatte schon verstanden, doch da sie ja nun einen Neuanfang ihres Lebens wagen konnten, wollte sie alte Fehler vermeiden und bewusst einen Schritt auf ihn zu gehen. Sie ging nach oben und zog sich kurz um, seit Tagen konnte sie es wieder einmal genießen sich umzuziehen und jetzt machte sich auch ihre Tätigkeit des Waschens bezahlt.
Nachdem sie noch mal kurz runter gegangen war, um die Türe abzuschließen, woran er sicher nicht gedacht hätte, gingen sie wieder hoch. Während er sich wieder einmal nützlich machte und sich an dem Kaminfeuer versuchte, öffnete sie noch mal das Fenster um kurz frische Luft in den Raum zu lassen, dabei bemerkte sie aber, dass es ganz schön frisch war und sie augenblicklich anfing zu frieren, auch eine leichte Gänsehaut bildete sich, doch sie blieb trotzdem.

Sie musste an die Alte denken, wo sie jetzt wohl war? Sie war so einfach aufgetaucht, hatte geholfen und war dann für immer verschwunden. Zweimal hatte sie sie gesehen. Sie wusste weder ihren Namen, noch etwas anderes über sie, auch den Grund für ihr scheinbar zufälliges Erscheinen hatte sie nicht erfahren. Irgendwie war das ganze unheimlich, doch sie war ihr trotzdem dankbar. Scheinbar sinnlos und trotzdem gut gemeint hauchte sie dann ein Danke in die Nacht, wobei ihr Atem gut sichtbar wurde und der Luftstrahl wirbelte. Danach sah sie, wie er sich schon umgezogen hatte und sich ins Bett legte, hinten im Zimmer fing eine Flamme an zu brennen, die wohl bald zu einem großen Kaminfeuer entfachen würde. Sie schloss jetzt auch das Fenster, es war nun schön kalt hier, aber unter der Decke würde es schon wärmer werden.

Komischerweise lagen sie wieder so da, wie auch schon davor, es war so, als ob sich das schon so eingeprägt hatte, Auge in Auge. Hand in Hand. Aber sie sahen nicht so aus, als ob sie noch viel Feuer versprühen würden. Sie sahen eher so aus, als ob sie bald einschlafen würden. Er schien so müde, so kraftlos. Doch egal, sie merkte noch ein kurzes Lächeln, dann schloss er die Augen. Aber ihr fiel dann noch was ein, etwas, was sie ihn schon die ganze Zeit fragen wollte und sie wagte es einfach noch mal ihn anzusprechen, wenn er es nicht hören würde, wäre es auch egal.

"Sag mal Mondschein, was soll dieser Beutel auf dem Tisch. Da ist doch ne Menge Gold drin."

".....Ja Gold. Ich hab den damals extra hier gelassen. Ich wollte, dass du ihn irgendwo im Haus versteckst. Zwar haben wir noch genug Gold, doch wer weiß, sparen kann man immer."

"Ich verstehe. Ich werd ihn morgen irgendwo hin tun."

"Schlaf jetzt Sternchen, schlaf jetzt."
11.12.2003, 19:21 #83
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Alles war wie immer, so eintönig, so egal. Sie hasste das, wenn es so war, doch es zeigte ihr auch, dass es genauso weiterging, wie zuvor. Alles war wie davor. Vor seinem Zusammenbruch. Es war wie eine böse, dunkle Saat, die jetzt langsam aufging, hier waren sie nicht mehr sicher. Wenn sie jetzt zwanghaft hierbleiben würden, dann begaben sie sich wohl nur in eine Gefahr, vielleicht nicht so, wie sie sonst Gefahr auslegten, doch ansonsten war es so. Sie liebte Drakia, Drakia war ihr ein und alles, ihr einziges Kind, dass ihr noch geblieben war und sie war Mutter und Tochter zugleich, sie war eine echte Drakianerin, doch wenn es denn so sein sollte, dann würde sie diesen Ort auch verlassen, wenn es das war, nach dem sie sich sehnte und nach dem er sich sehnte, dann mussten sie weggehen. Außerdem war sie schon mal für eine lange Zeit weg und nichts hatte sich hier verändert, nichts drastisches jedenfalls. Ein paar neue Gesichter, aber das meiste waren noch alte Hasen, das Fischerdorf würde immer so bleiben, klein und beschaulich und zurückkehren konnte man immer noch. Aber in letzter Zeit...nein, es ging einfach nicht mehr. Der Wirt mit seinem ewigen Lächeln, das zwar immer gut gemeint war aber doch so verdammt aufgesetzt wirkte, genau wie die anderen, die immer freundlich schienen und doch kannte man sie kaum, zwar hatte man ihre Gesichter im Kopf und auch ihre Namen, doch ansonsten kannte man doch nichts von ihnen, sie waren Phantome. Außerdem sollten sie unbedingt mal wieder etwas tun, es gab noch viele Geheimnisse auf dieser Welt zu entdecken und Dinge zu finden, die längst als verschollen galten, Schätze warteten und der größte Schatz ebenfalls. Irgendwann würde sie auch diesen finden, aber ganz sicher nicht, wenn sie in Drakia wartete, bis an ihr Lebensende, also musste sie zwangsläufig sogar weg von hier.

Sie war sich auch ziemlich sicher, dass Pergamo auch weg wollte, zwar kannte sie ihn nicht gut genug, um sowas schon im voraus zu wissen, doch er verhielt sich so, sie konnte es sich zumindest denken. Er hatte immer diese Einsamkeit von sich gegeben, eine Ausstrahlung gehabt, die darauf deuten ließ und außerdem hatte er sicher auch Pläne, gerade nach diesem ganzen Mist der letzten Tage. Sie würde ihn einfach mal in den nächsten Tagen darauf ansprechen, hier wegzugehen, danach würde sie ja sehen, ob sie mit der Vermutung Recht hatte, oder nicht.

Das Essen war bitter, der Geschmack der guten Gaben war nicht zu genießen, unter all den bitteren Gedanken, doch ihrem Begleiter schien es offensichtlich geschmeckt zu haben, jedenfalls strahlte er über das ganze Gesicht, aber vielleicht hatte das auch einen anderen Anlass. Jedenfalls befanden sie sich wieder auf dem Heimweg, den Weg, den sie schon so oft gegangen waren, doch für sie war das alles sinnlos, manchmal war das auch anders, manchmal fühlte sie sich richtig befreit, wenn sie diesen Weg gehen durfte, doch jetzt, jetzt war es eher eine Qual als eine wirkliche Freude.
Sie spürte langsam die Kälte, die sich selbst durch ihr dickes Kleid bohrte, wie die Frische auf ihrer Haut prickelte. Spätestens bei ihrem Weggang würde sie die Blusen anziehen, die Lederweste und die dick genähten Beinkleider aus Schafsleder. Das war nicht unbedingt so schön, wie die nachtschwarzen Kleider, die ihr einen Hauch von Eleganz gaben, doch für ein Dorf wie Drakia mochte es ja gehen, für die gelegentliche Jagd die Rüstung, aber für einen Fortgang für längere Zeit? Nein, da konnte sie nicht die störenden Kleider tragen, außerdem war sie sowieso niemand, der unbedingt etwas auf Eleganz gab, wenn sie es einsetzen konnte, dann tat sie es, doch hatte sie es auch noch nie wirklich nötig. In Städten zu leben, wie Khorinis, das war für sie eh undenkbar, da musste es ja schlimmer zugehen als jemals in Drakia.

Langsam begriff sie, wie sie Zukunftspläne schmiedete, wie sie sich schon richtige Gedanken machte, Pläne im Kopf ausarbeitete. Seltsam, das ging alles so schnell, sie wusste ja noch nicht mal wohin. Vielleicht einfach nur blind weg? Vielleicht auch einfach zurück nach Khorinis? Vielleicht, ein paar Tage hatte man sicher noch Zeit. So eilig war das sicher nicht.
12.12.2003, 19:52 #84
Isabell
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Die Siedlung Drakia #5 -
Er war wirklich seltsam, doch das würde sicher auch an den ganzen Umständen liegen, er war sicher noch immer nicht ganz erholt von dem allen hier. Er wirkte anders, nicht mehr so naiv wie sonst, aber auch nicht mehr so kühl. Er ging viel mehr aus sich heraus, dabei sprach er immer weniger, vergrub sich geradezu in einer Hülle aus Schweigen. Wie passte das zusammen, wie konnte man da einen Zusammenhang ziehen. Nun, sie hatte das im Gefühl, hatte irgendwie eine Verbindung dazu, zu all dem hier. Vielleicht dachte er ja auch über dasselbe nach wie sie, über die Zukunft und ob diese hier in Drakia liegen würde, doch war das alles sehr zerfahren, noch immer traute sie sich nicht ihn zu fragen. Manchmal wünschte sie sich doch in die Gedanken des Anderen schauen zu können, damit sie sich sicher sein konnte, aber so. Innerlich musste sie sogar lachen und auch auf ihren Lippen bildete sich ein hämisches Grinsen, so waren sie nun mal die Menschen, immer nach Perfektion strebend und doch so hilflos, so allein mit sich selbst, auch in diesen Stunden hier. Man wollte immer alles richtig machen, niemals den anderen enttäuschen, immer der Beste sein, immer das Verlangen erfüllen, wie Pflichten sah man es an.

Vielleicht waren sie ja anders, vielleicht hatten sie davon nichts, doch es war schwer daran zu glauben. Sie war ihm so nah und doch so fern, sie hätte alles tun können und doch wollte sie das nicht, es waren innere Zerreißproben, die sich da stellten.
Sie hätten reden sollen, hätten auch reden können, doch sie taten es nicht, sie zogen sich zurück in ihre eigene Welt. Vielleicht vergötterten sie dort den Anderen, doch bekam der davon natürlich nichts mit, sie machten sich eigene Phantasien, eigene Bilder, ließen den anderen nicht daran teilhaben und doch wollte sie immer für ihn da sein, so wie sie hoffte, dass auch er das wollte.
Es war die unendliche Geschichte der Liebe und ihren Verwirrungen, die sie über die menschlichen Gehirne brachte, seit Jahrtausenden schrieb man sie und doch fand man weder einen Schluss, noch einen Sinn, geschweige denn von einer Logik. Jedes verliebte Paar wollte diese Geschichte vollenden und doch waren sie alle nicht dazu fähig, kein Mensch war dazu fähig, da sie alle ihre Fehler hatten, auch wenn einige ganz nahe heran kamen, so bildeten sie eine essentielle Minderheit. Aber sie waren keine Menschen, sie nicht. Und wieder keimte Hoffnung auf, wieder zerschlug man sie und ließ das Rad von vorne drehen. Sie wollten keine Hoffnung, sie wollten gar nichts, dieser ganzen Welt der Menschen entfliehen, ihr Glück alleine finden, ohne die Geschichten des Universums, doch waren sie zwei verlorene Kinder, wussten ja nicht mal, wer sie sind, wer sie waren und wer sie sein werden, liebten sich innerlich und wussten nichts von der Gegenseite, verhielten sich wie Menschen, wie unperfektionierbare Menschen.
Aber vielleicht wollten sie auch keine Perfektion, vielleicht wollten sie den Weg der Schmerzen und der Leiden, den Weg der unendlichen Gefahren gehen, wenn das ihr Wunsch war, dann mussten sie ihn gehen. Nur eines war gut, sie waren gezeichnet, nur wenige Menschen waren dies und diese waren eben Menschen, doch sie hatten eine besonders grausame Zeichnung hinter sich und so schließt sich der Kreis jetzt. Die Zeichnung hätte man auch durchaus noch ausweiten können, doch sie waren vorherbestimmt für etwas großes, für etwas gewaltiges, deswegen würde man ihnen die Wunden nun abnehmen. Man hätte ihnen alles verwehren können, wirklich alles, doch hätte man damit auch sofort die Möglichkeit verspielt die Bestimmten zu formen. Die letzte Probe vor dem großen Ritual war bestanden, die Zeit war reif und die Menschen blickten unbewusst herab. Bald würde es geschehen, bald...
Egal ob es nun der Liebe dienlich war, oder einfach nur dieses undefinierbare Gefühl eines menschlichen Herzes gleich kam, es würde eines mit Sicherheit, es würde die Wunden heilen, die tiefen Peitschenhiebe in das innere Fleisch, die Ketten des inneren Fleisches würden sprengen und die faulenden, stinkenden und vorallem schreienden Münder des inneren Fleisches, sie alle würden geheilt, sie alle würden regeneriert.
Was danach kam, das wusste niemand, das stand nirgends, in keinem Buch, in keinem Kopf, in keiner Bestimmung, was danach kam war der Wille eines Menschen, der Wille von einem, der schon lange kein Mensch mehr war und dennoch für die Menschen kämpfte.
13.12.2003, 05:55 #85
Isabell
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[GM] Bruder und Schwester - [GM] Bruder und Schwester


Wenn eine Seele zerbricht, dann ist sie normalerweise für immer gestorben, kann nie wieder zurückkehren. Doch manchmal passiert es, das aus bestimmten Gründen diese Seele wiedergeboren wird, allerdings mit einem Duplikat. Diese Seelen ähneln sich sehr und doch müssen sie sich niemals treffen. Es sind besondere Seelen, die auch besondere Kräfte in sich haben, diese Seelen sind das vollkommenste, was es gibt. Die Götter selbst haben sie geschaffen und je nachdem von welchem Gott entscheidet sich auch ihre Gesinnung. Die einen sind abgrundtief böse, die anderen strahlend gut. Aber auch wenn diese Seelen etwas Besonderes sind, sind sie erst mal nicht anders als andere. Man muss ihre ureigenen Kräfte wecken, sie verführen. Wenn erst mal ihre ganze Macht geweckt ist, sind sie nur schwer aufzuhalten. Sie kämpfen für den anderen, sie stehen ihm in guten und gerade in schlechten Zeiten bei, sie bauen einander auf und lernen von sich. Sie sind fast so wie kleine Kinder, kennen jedoch auch Schmerz und Leid. Warum diese Seelen erschaffen wurden, das weiß man nicht, nur können nur Menschen sie besitzen, keinem Tier ist das erlaubt. Die Seelen haben von Anfang an nur ein Ziel, sie wollen ihre Gebrochenheit wieder rückgängig machen und eine vollwertige Seele werden. Sie haben diese Zuneigung an sich, dass sie sich suchen, wenn sie sich nicht finden, doch auch Seelen dieser Art sind nicht übermächtig, manchmal ist auch schon alles zu spät. Aber trotzdem wissen sie, dass sie ihr Gegenstück finden müssen, sie sind wie:

Bruder und Schwester

Prolog
13.12.2003, 06:02 #86
Isabell
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...................

Ein helles Licht führte sie durch einen schwarzen Tunnel, es war total dunkel und man konnte nichts erkennen, so total dunkel eine Finsternis war, doch das kleine, schwebende Licht, das führte sie, fast konnte man meinen es nahm sie bei der Hand, doch ihr Weg dauerte nun schon so lange, sie hatte das Gefühl, dass sie niemals ankommen würde. Doch als ob es nicht schon schlimm genug war, wusste sie nicht, ob sie wachen oder träumen sollte, ob das alles genau so unwirklich war, wie auch sonst alles. Wann hatte man schon das Gefühl, dass etwas war sein könnte. Vollkommen abgelenkt bemerkte sie nicht mehr, wo sie eigentlich hinlief und auf einmal wurde der ganze Raum durch ein unglaubliches Licht gefüllt. Sie befand sich in einem Raum, dieser Raum war niemand anderes als das Zimmer ihres Hauses, natürlich, sie lag in ihrem Bett, der arme Mann neben ihr, total fertig und mit den Nerven am Ende, sah es so aus, als ob er doch noch etwas Schlaf gefunden hätte, gestern hatte er doch sehr unruhig geschlafen, wenigstens war er wach, wach nach so langer Zeit, eine unendlich lange Zeit für sie, es war so unglaublich, sie wollte das alles nicht mehr mitmachen, hoffte bei allem auf der Welt, dass sich ihre Wege nun nie wieder trennen sollten, sie würde ihn nie wieder loslassen, nie wieder gehen lassen...

Dass sie jetzt wach war, davon war sie überzeugt, war doch alles total echt hier, doch in ihrer zweiten Ablenkung zu den vergangenen Tagen beim Anblick des schlafenden Mannes, bemerkte sie das Licht nicht, dass sich hier in ihrem Zimmer bildete, aus dem kleinen Lichtchen wurde ein Ball, der auf einmal explodierte, in einer gewaltigen Lichtexplosion geblendet, schien es, als ob ihre Augen blind würden, es war unglaublich, doch sie konnte nichts mehr sehen, sie war tatsächlich blind, doch das stimmte nicht ganz, denn sie sah zwar nur noch eine Sache, aber das war nicht die ewige Schwärze der Finsternis, sie sah nur das beißende Hell des Lichts.
Vor ihr schwebte etwas, sie spürte Flügelschläge, verdammt was war das? Eine Stimme, sie vernahm eine Stimme, eine unglaubliche Stimme, sie sprach mit einem hellen Klang, so hell, dass es kein Mensch sein konnte, doch ihre Stimme klang weich, sie war keinesfalls kalt oder tot, auch klang sie nicht nach Unheil, sie war so warm, dass Isabell sich am liebsten hineingelegt hätte, doch nun ließ sie davon ab, kauerte sich eng an sich selber, in dem sie die Knie anhob und den Kopf hinein legte und lauschte, was die Stimme zu sagen hatte.
13.12.2003, 06:05 #87
Isabell
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Isabell....fürchte dich nicht vor mir. Du brauchst keine Angst haben, niemand wird dir etwas tun. Du hast deine Aufgabe bestanden, egal was du zu denken magst, es lief alles nach unserer vollsten Zufriedenheit, die Erwartungen sind erfüllt, du hast gezeigt, dass deine Wahl die Richtige war. Dein Schicksal hat mir nichts anderes gesagt und deine Bestimmung wird genau so verlaufen, wie du es dir sicher schon gedacht hast.
Doch nun höre mir zu. Du hast dich dein ganzes Leben lang nach deinem Bruder gesehnt, nichts hat dich so sehr gebannt, als diese eine Frage. Deine Suche würde niemals von Erfolg gekrönt sein, denn einen Menschen zu finden, der noch so klein war, als du ihn das letzte Mal gesehen hast, das ist unmöglich. Du würdest weder sein Aussehen, noch seine Merkmale erkennen. Die Suche wäre vergeblich, aber es ist deine Bestimmung, dass du deinen Bruder nun findest wirst, ja, freue dich, es ist wirklich an der Zeit, endlich das zusammenzufügen, was zusammen gehört, ihr beide wart lange genug getrennt, zulange, doch hat das nun ein Ende. Dein Bruder weiß nichts von dir, gar nichts, du wirst ihn also erst überzeugen müssen, aber ob das gelingt, das liegt nur an dir, es sei dir gleich gesagt, es liegt geschrieben, dass du ihn finden wirst, aber ob er dich akzeptiert, dass kann niemand sagen, denn dein Bruder ist ein besonderer Mensch, er ist anders als die Menschen, die du kennst, er ist nämlich kein wirklicher Mensch, aber dir das zu erklären, dass ginge zu weit.
Diese Geschichte ist von einer großen Anzahl von Lug und Trug und von Verrat und Mißgunst gezeichnet, eigentlich darf ich gar nicht hier sein, ich riskiere alles, nur weil ich weiß, dass es das einzige ist, was die Zukunft verhindern kann, du musst ihn einfach finden, sonst ist alles aus. Diese ganzen Worte verwirren dich Mädchen nicht wahr? Ich weiß, es ist nicht leicht diese Worte zu verstehen, du wachst hier auf und erfährst von deinem Bruder, für den du alles geben würdest, sogar dein eigenes Leben. Ich habe es gespürt.
Gehe nach Khorinis, dort gibt es ein Viertel, das nennt sich, Oberes Viertel, in ihm leben die reichen Menschen der Stadt und noch dazu ein paar hohe Beamte und Paladine, dein Weg wird dich in ein Haus führen, es ist ein ganz bestimmtes Haus, dort im Keller wirst du die Informationen finden, die du brauchst, danach liegt alles in deiner Hand, ob du deinen Bruder wiedersehen wirst, dass entscheidest du, ich habe dir das Schloss gezeigt, jetzt musst du nur noch den Schlüssel finden, kleine Isabell, ich wünsche dir viel Glück und pass auf dich auf, ich werde für dich und ihn beten. Sein Schicksal liegt nun in deinen Händen.
13.12.2003, 06:10 #88
Isabell
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Sofort wollte sie etwas sagen, doch nichts, gar nichts, es war nichts mehr da, aber sie hörte noch etwas, einen Flügelschlag? Ja einen Flügelschlag, wie von einem Vogel, aber doch irgendwie anders, irgendwie ganz anders, außerdem konnten Vögel doch nicht sprechen...

Sie wachte augenblicklich auf, ihre Augen weiteten sich zu einer gewissen Form, etwas großem, weitem, dann aber sah sie, dass sie nicht mehr an ihren Knien lehnte, dass sie nicht mehr wach war, das hieß, jetzt war sie ja wach, oder doch nicht? Sie erhob sich wieder, Oberkörper nach oben, Pergamo, er lag noch immer da, wie vorhin, total am Ende, schlafend...diese Situation, eine totale Kopie von eben, doch jetzt war kein Licht mehr da, nur die Finsternis der Nacht. Was war denn los? War sie jetzt wach, oder schlief sie immer noch? Eben glaubte sie schon wach zu sein, doch jetzt war sie sich wieder sicher....
Sie zwickte sich ganz doll in den linken Oberarm, doch neben einem kurzen Zusammenzucken und einem kleinen Au passierte nichts, also war sie wach. Ein kleiner rötlicher Fleck bildete sich an der Stelle, doch Schmerzen waren nicht mehr da, wenn sie jetzt wach war, was war denn dann eben mit ihr los? Das hieß, dieses sprechende Licht war nur in einem Traum, also konnte sie es eigentlich nur geträumt haben, was heißen würde, das eigentlich nichts davon war sein konnte...

Ihr Bruder, hatte sie da wirklich von ihrem Bruder geredet? Wer war er nur und was trieb ihn an, wo konnte er nur sein? Die Gestalt hatte Khorinis gesagt, da würde er zu finden sein, oder zumindest Informationen, aber wenn das alles nur ein Traum war, dann konnte das auch totaler Schwachsinn sein, sie wusste es nicht. Total verwirrt stand sie auf, sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte, wenn das alles nur ein Traum war, dann begab sie sich in eine sehr sehr große Gefahr, denn einfach nach Khorinis aufbrechen, sie war unsicher...zweifelte. Dann aber wurden alle Zweifel durchbrochen und das nur wegen einer Feder...sie fand eine Feder auf dem Boden liegen, sie war sehr sehr lang, kein Tier, dass sie kannte, hatte so lange Federn, auch war sie rein weiß, absolut weiß, welche weißen Vögel konnten das sein? Egal, diese Feder war Beweis genug, dass es doch kein Traum war, auch wenn sie geträumt hatte, so musste es doch irgendwie die Wahrheit sein, der Entschluss war gefasst, es gab kein zurück mehr.

Nur Pergamo war da ein Stolperstein. Sie wusste nicht, ob sie ihn jetzt wecken sollte und fragen, ob er sie bei der Suche begleitet, oder doch nicht und alleine ziehen. Nun war sie so lange an seinem Bette geblieben, hatte gehofft, gefleht, geweint, jetzt endlich war er wach und sie wollte ihn ernsthaft verlassen? Das konnte nicht ihr Ernst sein, doch es war ihr Ernst, sie hatte einen wichtigen Menschen in ihrem Leben zurückgewonnen, vielleicht sogar der zweitwichtigste Mensch, denn es je gab und geben wird, doch ihr Bruder, sie wusste nicht warum, doch er war noch viel wichtiger, vielleicht lag es an der großen langen Geschichte, die sie verband, sie musste ihn finden, erst dann konnte sie sagen, dass ihr Leben einen Sinn hatte, dass sie etwas erreicht hatte, auf das sie stolz sein konnte. Die Entscheidung war gefallen, sie würde gehen und zwar alleine, sie spürte, wie es ihr Herz zerriss, doch war es der einzig mögliche Weg, Pergamo war ein guter Mensch, doch die Sache mit ihrem Bruder würde er nicht verstehen, es war zu emotional für sie, als das sie ihn an ihrer Seite wollte und so entschloss sie sich sogar den Pakt zu brechen, sein Versprechen selbst zu brechen, als er sagte, dass er sie niemals verlassen würde. Es musste geschehen, keinen Ausweg mehr...

Die Feder packte sie gut weg, eine Erinnerung an das alles und eine Sicherheit, dass sie das alles nicht nur geträumt hatte oder spann. Doch ganz ohne Abschied wollte sie nicht abhauen, es sollte keine Flucht sein und auch kein heimliches Gehen, sie wollte ihn wiedersehen, wenn das alles vorbei war, sie wollte ihm nicht für immer Lebewohl sagen, auch wenn sie nicht wusste, wie er auf ihr Fortgehen reagieren würde, sie könnte es gut verstehen, wenn er sauer wäre und nichts mehr von ihr wissen wollte, doch dieses Risiko war sie bereit einzugehen, ihr Bruder, er war ihre Erfüllung. Einen kleinen Brief würde sie schreiben, noch schnell schnappte sie sich ihre Sachen, die alte Rüstung als Torolothan, die sie nur wiederwillig anzog, die aber bei einer solchen Reise unabdingbar war, ihre Stiefel, ihre Lederbluse und die aus Stoff gleich mit, ihre Schafsfellhose und ihre Schwerter, den kleinen Goldbeutel, der inzwischen zu einer großen Summe angewachsen war, dank des vielen Jagens und dann hatte sie alles was sie brauchte.

Sie wollte schon gehen, da drehte sie sich noch mal um und gab Pergamo einen kurzen Kuss, er schmeckte bitter, bitter nach Abschied, einen Abschied, den sie verursachte. Es war nicht schön, aber es musste sein, da hatte sie ihn endlich wieder und brach jetzt nicht nur sich selber das Herz, aber es musste sein, es war wohl wirklich Schicksal...
13.12.2003, 06:12 #89
Isabell
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Unten war noch etwas Pergament, ihr Stift, mit dem sie das Gedicht kopiert hatte, sie würde es immer bei sich tragen und vielleicht würde es ihr ja noch einmal Kraft geben, doch nun war die Entscheidung gefallen und mit einer Träne im Auge fing sie dann an ihren Abschied aufzuschreiben, nur wenig fiel ihr in dem Moment ein, wie auch sonst, sollte sie etwa einen Roman schreiben, bei einer Sache, die ihr so schon das Herz brach, es half ja alles nichts, sie schrieb, immer weiter...

Mein kleiner Mondschein,
ich weiß, dass Du es nie verstehen wirst und auch nicht verstehen kannst, ich weiß, dass ich dir das Herz brechen werde, doch verfluche ich mich dafür selbst. Ich muss es dennoch tun, alleine, ganz alleine muss ich es tun. Ich muss jemanden finden, du weißt wen ich meine, diesen Weg muss ich alleine bestehen, bitte verzeihe mir, ich hoffe nur, dass wir uns jemals wiedersehen werden.

Isabell


Der Brief war bitter, ein bitterer Brief, er klang viel zu sehr nach einem ewigen Abschied, als ob sie die Hoffnung auf ein Wiedersehen schon aufgegeben hatte, doch wusste sie genau, wie gefährlich Khorinis war, letztes Mal war sie auch auf der Suche nach ihrem Bruder, als Kryliyx sie gefangen genommen hatte, wer weiß, wem sie diesmal in die Hände laufen würde. Das alles war so gemein, so unglaublich gemein von allen, nicht mal sie selber war nun mehr schuldfrei, hoffentlich würde er sie wenigstens etwas verstehen, sie nicht hassen, doch war selbst das in Kauf zu nehmen, ihr Bruder ging vor und nachdem Pergamo jetzt endlich wieder aufgewacht war und scheinbar kerngesund, zumindest nicht krank, gab es keinen Grund mehr hier noch zu bleiben, keinen für ihr Gewißen, für ihr Herz gab es hunderte.

Es war noch dunkel, noch stockfinster, doch das machte nichts, sie würde schon jemanden finden, sie hatte ja noch ein paar Freunde hier, sie kannte da einen Fischer, er hatte sie schon letztes Mal nach Khorinis gebracht, er würde sie sicher auch heute nicht enttäuschen und so war auch das Problem gelöst.

Alles saß, ihre Rüstung war eng am Körper, die beiden Schwerter lagen griffbereit in ihren Scheiden und auch sonst war alles wie vor einer bevorstehenden Jagd, doch diesmal war das Ziel kein Wild, sondern ein Mensch, eine Suche.
Die Träne fiel herunter, landete auf dem Stück Pergament, dass sie auf dem Tisch im Untergeschoss liegen ließ, es gab nichts mehr, Pergamo konnte mit dem Haus machen, was er wollte, den Schlüssel hatte er ja jetzt, mit dem zweiten schloss sie nun die Tür hinter sich ab, stand im Freien, sie wusste, jetzt war es zu spät, es gab kein zurück mehr. Die ganze Zeit flehte ihr Herz, dass sie sich doch umdrehen sollte, nicht jetzt gehen durfte, doch sie blieb eiskalt und verschwand, als das Haus mit dem Fürsten außer Sichtweite lag, war der Bann gebrochen, jetzt ging es nur noch um ihren Bruder, es gab kein Zurück mehr, nicht mehr jetzt, nie mehr...
13.12.2003, 06:14 #90
Isabell
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Schnell waren die Schritte gewesen, ihre Stiefel brachen den Boden und ließen die entscheidenden Stellen erzittern, sie rannte nun nur noch, so schnell es ging wollte sie hier weg. Die Hütte, in der der besagte Fischer leben sollte war schnell erreicht, sie klopfte eiligst und nach ein paar Minuten des unruhigen Wartens öffnete ihr die Frau des Fischers die Türe. Schnell hatte Isabell erklärt, worum es ging und bald schon kam der Mann an die Türe, angelockt von dem ganzen Lärm, den sie sicher machte.
Es brauchte nicht lange, da konnte sie auch den müden Mann überzeugen, der sicher lieber noch etwas geschlafen hätte, doch das konnte er noch oft genug, jetzt musste er ihr einen Gefallen tun, das war einfach so. Er zog sich noch schnell um, wollte schließlich nicht im Unterhemd zur See fahren, dann aber stand er voll angezogen bereit, noch kurz verabschiedete er sich von seiner Frau, die die Situation verstand und auch nichts dagegen hatte, würde ihr Mann doch sowieso bald wieder da sein, es würde nicht lange dauern, dann wäre er zurück, doch für sie war die Rückkehr sicher nicht ganz so bald, vielleicht würde sie auch nie mehr nach Drakia kommen, vielleicht würden sie die Informationen auch ganz woanders hinführen. In eine fremde Welt, oder eine Region, die sie noch gar nicht kannte.

Sie wusste es nicht, doch sie wollte es auch gar nicht unbedingt wissen, das wichtigste war es erst mal in Khorinis heil anzukommen, wenn das alles stimmte, was dieses Licht gesagt hatte, dann würde es alles andere als leicht werden an die Informationen ran zu kommen, denn schließlich war sie keine Diebin oder Einbrecherin, sie hatte mit diesem kriminellen Gewerbe noch nie etwas zu tun gehabt, doch sie konnte sich vorstellen, dass die Wachen sie nicht freiwillig die Häuser durchsuchen ließen, also würde wohl gar kein anderer Weg darein führen.

Endlich waren sie am Hafen, das Boot des Fischers war nicht sehr groß, es bot gerade mal Platz für maximal vier Personen, wobei dieser Platz wohl eher von Fischen als von Menschen genutzt würde, doch der strenge Geruch störte sie nicht, sie war nur froh, als es endlich hieß, Leinen los und sie ablegten, der Fischer legte sich gleich ordentlich in die Ruder, obwohl er gar nicht so kräftig aussah, doch hauptsache sie kamen bald in Khorinis an.

Mitten in den Sonnenaufgang fuhren sie nun, es war wirklich unglaublich schön so etwas mal wieder mitzuerleben, doch sie wusste, dass sie nicht lächeln konnte, sie blickte lange Zeit auf Drakia, versuchte ihr Haus zu finden, dort würde Pergamo sicher noch schlafen, was hatte sie ihm nur angetan, es gab für all das keine Entschuldigung, was sie getan hatte war egoistisch und bescheuert, doch wenn es doch keinen anderen Weg gab...
13.12.2003, 08:13 #91
Isabell
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Das Wasser war total unruhig gewesen, gerade die ersten Minuten wollte das Boot kaum einen Meter vorrann kommen, als ob man sie hindern wollte zu gehen, doch selbst die Natur war nicht fähig sie aufzuhalten. Es war ihr immer wieder bewusst geworden, was sie da getan hatte und auch wenn sie es nicht als Flucht bezeichnen wollte, so war es das doch. Sie war feige gewesen, hätte ihn genauso gut fragen können, schlimmer als jetzt konnte es eh nicht kommen, doch jetzt war es zu spät, jetzt gab es kein zurück mehr. Sie hoffte nur, dass sich diese Entscheidung bezahlt machen würde, nicht auszudenken, wenn sie das Haus nicht finden oder das alles überhaupt nicht wahr war. Vor dieser Enttäuschung hatte sie Angst, große Angst. Aber wenn sie immer so denken würde, dann wäre es unmöglich ihn je zu finden. Es war ja auch keine Entscheidung gewesen, die sie mal eben so getroffen hätte, gestern Abend noch hätte sie geschworen endlich glücklich zu sein, nach der ganzen schwierigen Zeit und jetzt, jetzt waren nur wenige Stunden vergangen, wo das schon wieder das Gegenteil war. Aber die Entscheidung hatte sie diesmal selbst getätigt, diesmal war niemand anderes Schuld außer sie selbst.

Sie hatte versucht ihre Tränen zu unterdrücken, wollte nicht weinen und schon gar nicht vor diesem Fischer. Es gelang sogar, aber da wo einst Wärme war, war jetzt nur noch Kälte. Sie konnte sich nicht erinnern in der letzten Zeit so eine Kälte gespürt zu haben, vielleicht war sie ja grundsätzlich neu für sie. Aber mit dieser Kälte musste sie leben. Das Risiko das sie eingegangen war, das war wohl das größte was es einzusetzen gab, doch für ihren kleinen Bruder würde sie alles tun. Das letzte Mal hatte sie ihn gesehen, als er zweieinhalb Jahre alt war, er war noch ein kleiner Knirps und sie hielt sich immer vor Augen, wie sie doch gelacht hatte, als er mit seinen kleinen Beinen versuchte zu gehen. Sie war ja selber erst fünf, doch das hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt und nicht mal Kryliyx vermochte es zu löschen. Wenn sie ihn nie gesehen hätte, sondern vielleicht nur von seinem Dasein gewusst hätte, dann wäre die Entscheidung sicher anders ausgefallen. Aber so, so wusste sie für welchen Menschen sie das alles tat, für wen sie die ganzen Qualen auf sich nahm und sich selbst dafür peinigte.

Sie war sehr schweigsam, der Fischer gähnte ab und zu, er war noch immer müde, verständlich. Isabell war nicht müde, sie hatte soviel zu verarbeiten, hatte soviel Adrenalin im Blut, sie war hellwach und doch wollte sie lieber schweigen. Ein Gespräch hätte eh nichts gebracht, über was hätte sie sich schon unterhalten sollen? Im Gegenteil, das Meer sorgte noch zusätzlich für Geräusche. Die Wellen waren jetzt ruhiger geworden, doch trotzdem war es noch ganz schön gefährlich und immer wieder spürte sie kleine Prisen Meereswasser auf ihrer Haut, dass gegen die Außenwand schlug und dann perlte und sich versprühte und verspritzte. Es war ein komisches und auch angenehm kühlendes Gefühl. Genau wie die Luft, die wie immer sehr salzlastig war und deswegen ihre Nase reinigte.
13.12.2003, 10:54 #92
Isabell
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Sie hatte den Aufgang der Sonne die ganze Zeit mitbekommen, doch jetzt war sie schon wieder unter einem Wolkenband verschwunden, trotzdem blieb es sehr hell. Ihr war das nur Recht, wollte sie doch noch vor dem Einbruch der Nacht in Khorinis sein. Sie wusste genau, dass es nicht weit bis dahin war, gerade von Drakia aus musste das nicht sehr weit sein, doch sie würden schon noch rechtzeitig ankommen, sie verließ sich da ganz auf die kräftigen Arme des Fischers. Während ihre Augen noch in den Weiten des Meeres hingen, so war ihr Geist doch die ganze Zeit in der Vergangenheit. Sie tauchte regelrecht in sie ein, versuchte sich an alles zu erinnern, was sie noch wusste. Wenn sie erst mal in Khorinis war, musste sie genau wissen, was sie tun sollte. Das Lichtwesen hatte ja gesagt, dass er nichts von der Existenz ihrer wusste, also würde er sie auch nicht erkennen, wenn er denn überhaupt da war, in Khorinis. Aber hauptsache sie fand diese Informationen, das war wichtiger als alles andere. Sie war gut vorbereitet, Bilder aus der Vergangenheit, auch von ihrer ersten Suche die ja so grauenhaft geendet war, spukten in ihrem Kopf, sie hatte sich ganz auf ihren Bruder konzentriert. Viele Hoffnungen wurden oft schon erstickt, bevor sie überhaupt keimten, da sie wusste, dass diese Suche so gut wie unmöglich war, aber warum hätte man ihr soetwas sagen sollen, wenn es nicht stimmte. Vielleicht war es ja wirklich Schicksal, dass sie solange getrennt waren. Sie wusste ja nicht mal, wie er so was. In knapp sechzehn Jahren konnte eine Menge passieren. Doch bevor sie sich Gedanken über Details machte, sollte sie erst mal überhaupt was finden, die Gedanken an ein Scheitern, an eine Lüge, waren immer noch nicht verblaßt.

Mit kräftigen Zügen glitt die Nussschale durch das Wasser, immer in Küstennähe, damit sie zur Not nicht auf offenem Meer in Gefahr gerieten, doch das war ja alles normal, das wusste der Fischer auch. Ihr Blick ging trotz der schon irgendwie euphorischen Freude oft zurück, zurück nach Drakia. Sie wusste es...Vielleicht wussten es auch die Möwen, die über ihrem Haupte flogen, diese komischen, weiß gefiederten Viecher, die die Küste unsicher machten. Ja vielleicht wussten sie es ja auch. So frei wie sie waren, so frei wollte sie auch gerne sein. Immer nur von den Strömen der Luft treiben lassen, einfach nur schweben und sich in Sicherheit wiegen. Einfach nur weit hinausfliegen, mitten in die Sonne hinein, mitten in den Horizont. Von niemanden mehr abhängig sein und nicht dieses schwere Gefühl an die Erde gefesselt zu sein, sondern wirklich fliegen. Oder aber wie die Fische im Wasser aalen. Das wäre auch schön. Das ganze Wasser an der Haut spüren, jedes Stück, jede Pore. Einfach sich nur winden und in klare Gewässer schwimmen. Das Meer war so groß, so frei...
Aber sie war nun mal ein Mensch, ein Mensch der an die Erde gefesselt war. Niemand würde das jemals ändern können, niemals...

Und als Mensch musste sie rationaler denken, sie musste sich in Gefängnisse des menschlichen Hirnes begeben, um wie ein Mensch zu handeln. Aber sie wollte das gar nicht, ihr gefielen diese abstrakten Vorstellungen, auch als Mensch wollte sie so sein, so verrückt.

Mit gesenktem Kopf blickte sie auf den Boden des Bootes und hoffte, dass sie ja bald ankamen, sie wollte wieder festen Boden unter den Füßen haben, nur um zu spüren, wie sich das anfühlte, so gehindert zu sein.
Langsam holte sie eines ihrer beiden Schwerter heraus, der Fischer erschrak kurz und legte die Ruder nieder, doch Isabell wollte ihn nicht angreifen, sie wollte nur ihr Schwert bewundern, es nur noch einmal genauestens inspizieren. Sie spürte, dass es gefährlich werden würde. Noch einmal würde sie sich nicht in Khorinis gefangen nehmen lassen. Egal ob in der Stadt oder außerhalb, egal ob von Menschen oder Dämonen. Sie würde entweder den Feind, oder sich selber töten, aber Gefangenschaft kam nicht in Frage, noch einmal hätte sie bestimmt kein Glück, dass sie jemand befreite. Sie wusste das und ihre Schwerter wussten das auch.
13.12.2003, 13:38 #93
Isabell
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Lange waren sie nun schon auf offener See, schon seit den ersten Stunden im Morgen, vielleicht acht Stunden oder noch länger, bei dem Tempo mit dem sie fuhren müsste langsam mal Landmasse vor ihnen auftauchen, mal ganz abgesehen von dem Land, dass sowieso an ihrer Seite mitschwamm. Dann endlich war es soweit, sie bogen eine langgezogene Kurve um, direkt an einem Klippenausläufer vorbei, da sah sie die ersten Teile der Stadt. Sie war nicht euphorisch aufgesprungen oder hatte etwas gesagt, nein sie freute sich innerlich, packte die Griffe ihrer Schwerter noch mehr und grinste sich eins. Da vorne, da war also ihr Schicksal. Meine Güte, wie lange war sie schon nicht hier gewesen? So lange konnte es gar nicht sein, vielleicht ein paar Wochen? Nun ja, etwas mehr war es sicherlich, doch diese Stadt war ihr immer noch so fremd. Sie hatte sich auch neulich nicht lange in ihr aufgehalten. Obwohl dort so viele Menschen lebten, in der Stadt, die der Insel ihren Namen gab, war es doch nie eine wirkliche Stadt für sie gewesen, sondern nur ein guter Ort um sich mal kurz auszuruhen. Das dort ihr Bruder leben würde, das konnte sie sich aber ganz gut vorstellen, es war die größte Stadt, die sie so kannte, allerdings kannte sie nicht wirklich viele, um genau zu sein nur zwei, aber natürlich war sie auch ein bisschen informiert. Auch wenn kaum mehr Schiffe in die einst so florierende Stadt am Meer kommen, so war sie immer noch ein guter Platz um Arbeit zu bekommen, hier hatte man eigentlich für alles und jeden Verwendung, aber so wirklich wollte sie die Stadt nicht beurteilen, da sie ja wirklich kaum da war und nichts von dem Stadtleben mitbekam, vielleicht war es ja auch ganz anders als sie sich das so dachte. Drakia konnte man einfach nicht mit Khorinis vergleichen.

Wenige Minuten noch wartend, spürte sie den Wind, wie er ihre Haare nach hinten zog und wie die Mähne sich heute braun gefärbt hatte. Ein kräftiges Braun war es, schön, glänzend, aber ohne Schuppen. Morgen wäre es vielleicht schon wieder schwarz. Zum Glück merkte er nichts davon, vielleicht würden es auch die anderen nicht merken. Dieser Trank war wirklich etwas sehr nützliches, leider war es das einzig positive in der letzten Zeit. Doch sie motivierte sich selber, denn positiv war auch die Nachricht, dass sie jetzt überhaupt hier war, auch die Langweile war verflogen und sie hatte Drakia verlassen, doch der Preis für all das Gute war zu hoch...viel zu hoch.

Endlich kam das Boot an, krachend schlug es bedrohlich an die Steinmauer an und sie hatte erst Angst, dass das Boot Beschädigungen nahm, doch alles blieb ganz, solide drakianische Arbeit eben. Die Frau stieg auf die unteren Steinstufen, die dort in das Hafenbecken gehauen waren. Danach gab sie dem Fischer fünfzig Goldstücke, ein wahrhaft stolzer Preis, doch sie hatte ja das Gold. Um Gold ging es hier ganz sicher nicht. Mit einem stolzen Gang ging sie dann hinauf, bis sie das Hafenviertel im Blick hatte, sie war wieder hier, zurück in Khorinis, zurück im Hafen. Sie hatte den ersten Teil erfüllt, jetzt mussten die nächsten nur noch folgen. Das Lichtwesen hatte gemeint, dass sie ins Obere Viertel dieser Stadt musste, doch sie hatte keine Ahnung, was damit gemeint war. Aber die Menschen hier konnten ihr sicher weiterhelfen.
13.12.2003, 16:11 #94
Isabell
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Sie sah in eine dunkle Pfütze, in der sich ihr Gesicht wiederspiegelte, nur schwer waren die Konturen durch den Dreck zu erkennen, doch egal, es hatte hier wohl geregnet. Nun, die Menschen hier schien das nicht zu stören, sie gingen alle ihrer normalen Arbeit nach, sie sah die verschiedensten Typen. Ein paar saßen oder standen faul herum, ein alter Mann saß auf einer Bank und rauchte Pfeife, ein anderer, jüngerer einen Stengel. Sie sah auch kleine Gruppen, die sich wohl über alles mögliche unterhalten mussten, aber es gab auch Leute, die zu arbeiten schienen. An ihr vorbei kam ein junger Bursche, in der Hand einen Korb voller frischer Fische, es duftete nach Meer und nach Fisch und sie hatte richtig Appetit bekommen. Eine Gruppe aus drei Leuten arbeitete eifrig an einem Schrank, der wenig Prunk besaß, aber solide wirkte und an dem Ufer saßen zwei Männer mit Angelruten in der Hand. Dann war da noch dieser grimmige Typ, er hatte ein unrasiertes Gesicht und eine Raubvogelnase, dazu kamen die Raubvogelaugen. Mit einem grimmigen Blick stand er vor einer Kneipe und schien jeden Moment in die Luft zu gehen. Ein paar Mal blickte er zu ihr und schien sie geradezu auffressen zu wollen, oder zumindest wieder zurück ins Wasser werfen, aber daraus wurde erst mal nichts, denn er bewegte sich nicht von der Stelle. Zwischendurch kam auch mal ein Schmied mit einem kaputten Amboss vorbei und noch einmal kamen zwei junge Burschen mit zwei Brettern in der Hand. Isabell erkannte, wie ein paar vermummte Typen herumschlichen und in einem Hinterhaus verschwanden und wie zwei sehr junge Knaben irgendetwas austauschten.

Es war wirklich viel los in Khorinis, gerade hier im Hafenviertel, wo sich allerlei Gesindel herum trieb. Aber sie hatte nichts anderes von dieser Stadt erwartet, doch das Hafenviertel war nicht ihr Ziel, das war ein anderes. Sie entschied sich nach einiger Zeit der leblosen Starre für den alten, pfeiferauchenden Mann, der auf der Bank saß und Richtung Meer schaute. Als Isabell sich zu ihm setzte und auch eine Weile rausschaute, sah sie den Fischer wieder abreisen, nichts anderes hatte sie erwartet. Das hieß, sie musste jetzt einen anderen finden, für eine mögliche Rückkehr, aber daran wollte sie jetzt noch nicht denken. Der Fischer wirkte müde, seine Augen lagen tief in Augenhöhlen und sein Bart hatte eine weiße Farbe angenommen, dazu die noch immer stämmige Figur, so stellte sie sich einen echten Seebären vor, der aber nicht mehr zur See fuhr.

"Guten Tag. Könntet ihr mir eine Auskunft geben?"

"Wat soll es denn sein Kindchen?"

"Nun, ihr kennt euch doch hier aus oder? Ihr wohnt hier in Khorinis? Ich suche das Obere Viertel, könnt ihr mir sagen, wie ich dorthin gelangen kann?"

"Ins Obere Viertel? Oh oh, ney ney, da kommt man net so enfach rein. Da muss man schon einiges an Bestechungsgeld zahlen, oder man ist im Dienste des Königs, oder aber man hat einen besonderen Grund, warum sie euch durchlasse sollte. Wenn ihr mehr darüber wissen wollt, dann sprecht mit den Händlern in der Unterstadt, es ist gleich neben dem zweiten Stadttor, wenn ihr hier die Straße hochgeht, oder aber über die Kaserne."

"Gut, danke und schönen Tag noch."


Hm, dass passte ihr gar nicht, sie ließen also wirklich niemanden rein. Sie hatte es sich fast schon gedacht. Nun, Bestechungsgeld hatte sie ja, tausend Goldstücke hatte sie gesammelt, die Hälfte hätte wohl auch gereicht, doch sie wusste, dass man Gold nicht so verschenken durfte, auch wenn es wichtigere Sachen gab, der Einbruch in das Haus wäre sicher nicht bezahlbar, also warum dann den Eintritt in das Viertel zahlen. Sie musste sich was einfallen lassen, doch zuerst einmal überhaupt das besagte finden.

Mit erhobenem Schritte ging sie den vom alten Mann beschriebenen Weg entlang und wählte dabei den direkten Wege durch diese enge Straße. Ein paar Betrunkene kamen ihr dabei entgegen, die eine Bierfahne hatten, die man schon einen Meter davor roch.

"Hal-lo hüb-sche Frau, hehehe, willst du nich mit mir kom-men? Das würde den Ab-end noch mehr ver-süßen, hehehe."

"Hey wieso su-dir, isch will auch..."


Isabell ignorierte diese "Angebote" und ging weiter, doch die Kerle ließen nicht locker. Es wäre ein leichtes gewesen sie hier zur Strecke zu bringen, doch sie durfte sich nicht die kleinste Auffälligkeit leisten, also konnte sie auch nicht um Hilfe schreien und so tun, als ob sie ein armes, wehrloses Mädchen wäre. Wahrscheinlich wäre es den meisten hier eh egal gewesen. Also musste ein kleiner aber feiner Trick her, sie lief einfach weg. Gut, der Trick war nicht sehr neu, doch dadurch das diese wandelnden Bierkrüge schon dicht waren, hatten sie eh keine Kraft mehr sie zu verfolgen.
Als sie dann endlich außer Sichtweite war, schnaufte sie kurz durch und ging dann weiter.

Sie kam recht bald zu einem Schmied, der eifrig war und dann sah sie auch eine Menge anderer Häuser, in denen wohl Händler waren. Das musste diese Unterstadt sein. Nun, dann musste sie ja jetzt nur noch das Obere Viertel finden und dann, tja, dann brauchte sie eine Idee. Eine gute Idee sollte es sein. Am besten eine sehr gute...
13.12.2003, 20:43 #95
Isabell
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Die Nacht hatte sich nun über Khorinis gesenkt, die meisten Einwohner waren in den Kneipen der Stadt, aus denen nun der Lärm der Trunkenen und der Nüchternen ins Freie drang. Sie war ganz alleine an der Mauer, niemand sah zu, es konnte losgehen.

In den letzten Stunden hatte sie sich alles genau angeschaut, das Obere Viertel war verdammt klein, wenn man es mal im Vergleich zur ganzen Stadt nahm. Allerdings war es, wie es der Name schon sagte, oberen, sprich höher gelegen. Vielleicht sollte das so eine Wirkung haben, dass die Reichen auf das gemeine Volk runterschauen konnten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es dort oben etwas besonderes gab. Es gab nur einen einzigen Zugang und dieser wurde rund um die Uhr von zwei sehr ordnungsbewussten Paladinen bewacht, an denen war kein Durchkommen. Wenn sie hier die richtigen Leute gekannt hätte, dann, ja dann hätte sie durchaus die Chance haben können, mal für ein paar Stunden rein zu können, doch dafür hatte sie jetzt keine Zeit, das ganze musste schnell gehen.

Wer weiß, wie lange diese Informationen noch da waren, sie hatte ja keine Ahnung, wie diese Informationen aussahen, vielleicht war es ja auch ein Mensch, der dort auf sie wartete, vielleicht sogar ihr Bruder selbst. Sie hätte das ganze lieber noch etwas länger geplant, doch es ging nicht, das ganze musste heute stattfinden. Sie hatte sich bei einem der Händler in der Unterstadt, sein Name war wohl Matteo, ein Seil gekauft, ein Seil ohne Enterhaken. Leider, es würde schwer werden, doch ein metallener Haken würde wohl auch zu sehr Krach verursachen, aber sie würde das schon hinkriegen. Danach hatte sie sich unauffällig verhalten. War auf dem Marktplatz geschlendert und hatte sich auf ein Gespräch mit einem jungen Händler eingelassen, der sich vielleicht Hoffnungen machte, allerdings sehr zuvorkommend war. So hatte sie sich noch ein bisschen die Stadt angeschaut, schließlich wollte man ja ein bisschen neues Wissen sammeln und altes Wissen aufpolieren.

Jetzt aber war es dunkel, stockdunkel, ein dickes Wolkenband hatte den Mond verdunkelt, die Sterne sowieso. Perfekt. Normalerweise brauchte sie das Mondlicht, aber ohne konnte sie in der absoluten Dunkelheit operieren. Sie war an der Mauer, die direkt zum Oberen Viertel führte, wenn man nicht durch das Tor kam, so musste man über die Mauer fliehen, das war der einfachste Weg. Das Licht der Fackeln auf dem Weg war noch perfekter, zwar konnte sie so die Konturen sehen, die sie sehen musste, um zielen zu können, aber sie selber blieb im Schatten der Mauer. Noch ein letztes Mal sah sie sich um, niemand zu sehen, als los...

Sie hatte das Seil zusammengeknotet, an einem Ende war nun eine Schlinge drin, mit dieser wollte sie den Balkenausläufer des Daches erwischen. Beim ersten Mal rutschte es nur knapp ab, beim zweiten Mal ging es gar ganz daneben. Gerade wollte sie zum dritten Mal ansetzen, da hörte sie Geräusche näher kommen, gerade noch rechtzeitig hatte sie das Seil am Gürtel verstaut, als ein Schatten um die Ecke bog, es war ein Mensch, von der Statur her ein Mann. Hatte er was gesehen? Isabell's Augen weiteten sich, Angstschweiß rann ihr über die Stirn, in ihrer Hand war der Dolch, den sie fast nie einsetzte, da sie mit Dolchen nicht so gut konnte wie mit Schwertern, aber das konnte sie nicht ziehen. Als der Mann näher kam, bemerkte sie einen strengen Geruch von Schnaps, war er betrunken? Isabell presste sich gegen die Mauer, gegen das schwärzeste Stück, dass es gab. Immer näher kamen die langsamen Schritte, klackend hallte es auf dem steinernen Boden. Auf einmal war er ganz nah, sie roch ihn deutlich, konnte sein Gesicht in dem Fackelschein erkennen. Häßlich, abgrundtief häßlich. Überall Pickel, überall Narben. Der absolut dichte Säufer war ein achtes Weltwunder, wie konnte er sich mit zwei Promillen noch auf den Beinen halten? Egal, er blieb stehen. Einen Meter vorihr blieb er stehen, schien abzuwarten. Eine Sekunde wurde länger...wurde zu einer Minute. Dann auf einmal kamen vergebene Pfeifgeräusche aus dem Mund, verbunden mit ekelhaften Rülpsern. Dann ging er weiter, irgendwohin in die nächste Taverne.

Puhhh, das war knapp........Ahhhhhh

Sie schrie kurz auf, nicht laut, eher leise und doch schrie sie, ein weiterer Schatten war um die Ecke getaucht, doch es war nur eine schwarze Katze.

Mensch Isabell, reiß dich verdammt noch mal zusammen, wir sind nicht zum Spaß hier.

Sie machte sich selber Mut, nahm nun wieder das Seil und visierte lange an, ließ sich von nichts ablenken, es musste jetzt einfach einharken. *Zack*. Das Seil flog durch die Luft und blieb an dem hervorstehenden Balken hängen, sie zog ein paar Mal, um sich zu vergewissern, doch es war fest. Perfekt. Kurz blickte sie sich um, doch es war alles ruhig, nur der Lärm der Tavernen war zu hören. Dann zog sie sich hoch, mit den Füßen an der Mauer und den Händen am Seil. Die Mauer war nur circa sechs Meter hoch, nicht wirklich anstrengend. Ein paar Kisten hätten vielleicht schon gereicht, doch niemand war so dumm und stellte hier Kisten ab.

Nach nur zwei Minuten hatte die gut trainierte Frau die Spitze der Mauer erreicht. Dort ließ sie das Seil los und hielt sich nur noch mit den Händen fest. Vorsichtig lugte ein Augenpaar hervor, zuckte sofort wieder zurück. Doch es war niemand zu sehen. Schnell ergriff sie ihre Chance und zog sich an der Mauer hoch, auf jender stehend zog sie das Seil ab, was sehr leicht ging und sah sich um. Einfach springen ging nicht. Kisten standen hier nirgends. So ein Mist. Aber dann, sie sah eine Art Verzierung aus Ranken an einem Haus. Sie musste verdammt vorsichtig sein, aber....
Sie sprang, direkt an die Hauswand, krallte sich an die Ranken und fand festen Halt. Schnell zog sie sich Meter um Meter nach unten, dann huschte sie hinter das Haus. Hier war es einfach nur perfekt. Der eine Durchgang war durch die Mauer versperrt, es war absolut finster und ein paar Kisten standen da.
Sie kauerte sich hinter eine und schnaufte durch. Das schwierigste stand ja noch an, aber alleine das hatte sie schon alle Nerven gekostet.
13.12.2003, 22:06 #96
Isabell
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Sie hatte nur eine kurze Pause gemacht, dort hinter den Kisten war es zwar bequem, doch so würde sie leider nie das herausfinden, was sie eigentlich wollte. Außerdem blieben ihr nur noch wenige Stunden, wenn sie erst mal am Tageslicht hier war, dann hatte sie ein sehr großes Problem. Sie stand wieder auf und sah hinter der Hauswand vorbei. Niemand zu sehen, die Luft war rein. Sie hatte sich in ihren Kopf gebrannt, dass sie wie eine Diebin denken musste, wenn sie wie eine Diebin erfolgreich sein wollte. Eigentlich verstand sie ja selbst nicht, was sie da machte, aber es würde schon richtig sein. Es konnte nichts wichtigeres geben. Außerdem fragte sie niemanden um Erlaubnis, sie wollte ja nichts stehlen, nur etwas finden, etwas, was zu ihr gehörte.

Vorsichtig glitt sie an der Hauswand entlang, sie suchte den Schatten, immer wenn er da war, war sie schon in ihm. Der Mond war weiterhin unter dem Wolkenband verborgen und spendete kein zusätzliches Licht. Sie nur ein Problem, hier in diesem Viertel gab es vielleicht vierzig, fünfzig Häuser und eines davon musste ihres sein. Wie sollte sie das nur finden, das Lichtwesen hatte gesagt, sie würde zu dem Haus geführt werden. Sie blickte sich ratlos um, immer noch hatte sie nicht alles im Blick, musste weiter im Schatten der Hauswand ausharren. Dann aber vernahm sie ein Leuchten. Erst dachte sie, es wäre jemand mit einer Fackel, doch das Leuchten kam zu ihr, verdammt, es verriet sie und machte sie sichtbar, doch zum Glück war gerade keine Wache in Sichtweite. Das Licht war ein runder Ball, so ähnlich wie in dem Traum. Jetzt hätte nur noch gefehlt, dass die Kugel explodiert wäre, in einem Meer aus Licht, doch dies geschah nicht, die Kugel kehrte nur zurück zu dem Haus und leuchtete noch drei mal auf, danach verschwand es wieder.

Isabell rieb sich die Augen, hatte sie das nur geträumt, oder war es wirklich da? Sie wusste es nicht so genau. Doch da sie eh nichts zu verlieren hatte...
Das Problem war nur, dass sie dazu den besser beleuchteten Platz überqueren musste, direkt an dem Brunnen vorbei. Am einen Ende standen zwei Wachen am Tor und am anderen standen zwei Wachen vor einem Haus. Auf einmal hörte sie etwas kommen. Schnell huschte sie zurück hinter das Haus, da wo die Kisten standen. Gerade noch rechtzeitig um der Wache auf Wachgang zu entkommen. Sie sah den Ritter, wie er mit einer schweren Rüstung ankam. Das Metall schepperte laut, doch war das egal. Sie ging wieder nach vorne, blickte um die Ecke. Der Ritter war geradewegs zu den drei Wachen gegangen und hatte mit ihnen ein Gespräch angefangen. Das war ihre Chance. Sie legte sich auf den Boden und zog sich langsam aber sicher von einer Straßenseite, zur anderen, es war so dunkel, dass man sie nur hätte erkennen können, wenn man sich ihr genähert hätte.

Bleib da vorne stehen, bleib da vorne stehen...

Sie versuchte sich zu beeilen, doch es war schwer auf dem Bauch zu robben. Dann auf einmal drehte sich der Ritter wieder um und kam verdammt schnell auf sie zu, doch gerade als sie dachte entdeckt zu werden, drehte er sich noch mal um, wahrscheinlich hatte er was vergessen. Das war ihre letzte Gelegenheit, sie rappelte sich auf und rannte nun auf beiden Beinen in die Gasse zwischen dem Haus und dem Nachbargrundstück. Wieder bot sich ihr ein perfektes Versteck und sie schnaufte wieder kurz auf.

Als sie den hinteren Teil des Hauses ergründete, stellte sie fest, dass es kein Ende gab, sondern eine steinerne Treppe zu einer Tür führte. Natürlich, das musste der Keller sein. Gebannt ging sie leise die Stufen hinab und hoffte um alles in der Welt, dass die Türe offen war, doch sie war es nicht. Aber das Schloss war alt, sehr alt. Uralt. Fast konnte man meinen, es wäre seit seiner letzten Verschließung nicht mehr geöffnet worden. Höchst mysteriös. Hatte der Hausbesitzer keine Verwendung dafür? Auch wenn es womöglich ihre Entdeckung zur Folge hatte, sie musste diesen Schritt riskieren. Sie musste das Schloss aufbrechen. Sie nahm ihren Dolch und fingerte etwas daran rum, doch jetzt zeigte sich, dass sie keine Diebin war, sie hatte keine Ahnung vom Schlösser knacken...es blieb nur rohe Gewalt, doch das würde einen ewig lauten Rums geben. Doch sie musste es riskieren. Sie nahm ein Tuch und legte es um das Schloss, fein eingewickelt zog sie eines ihrer Schwerter hinaus und ging einen Schritt nach hinten, was schon das Maximum war, denn hier gab es kaum Freiraum. Kurzentschlossen und ohne zu zögern schlug sie dann die Klinge auf das Schloss und hörte ein dumpfes Wummern, aber keinen hörbaren Klang, sie hatte den Schall gedämpft, perfekt, so würde ihre Anwesenheit noch etwas geheim bleiben. Doch was war mit dem Schloss? Sie nahm das Tuch vorsichtig ab und bemerkte, dass es voller kleiner Rostpartikel war. Die Kraft und der Wille ihres Schwerthiebs hatten es in die Einzelteile bersten lassen.

Sie steckte alles wieder weg und schob den Riegel hervor, mit einem Knarren öffnete sich die dicke, grob behauene Eichenholztür und gab Einblick auf ein dunkles Zimmer, in dem aber einige Öllampen waren. Auch eine Ersatzfackel war am Anfang der Tür, genau wie ein Feuerstein, es schien alles perfekt angerichtet zu sein. Sollte es vielleicht das falsche sein, oder war dies der Ort, an dem sie Informationen über ihren Bruder bekommen sollte? Sie entzündete das Feuer und schloss die Tür hinter sich, jetzt war sie hier, die Öllampen waren zwar alle voll, doch sie entzündete nur drei, die Fackel ließ sie aus und den Rest an Lampen ebenfalls. Sie musste sich hier erst mal zurechtfinden.
14.12.2003, 01:19 #97
Isabell
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Sie hatte den Raum nun gut genug kennengelernt, es war ein kleiner Raum, es gab einen kleinen Schreibtisch und einen Stuhl. Sie pustete den Staub von dem Stuhl um sich zu setzen, erstaunlicherweise hielten die vier Beine das Gewicht noch aus, nach all der Zeit. Sie stand wieder auf, sah sich weiter um, alte Kommoden standen hier herum, Staub lag auf ihnen, wie auf allem hier. Es war schon seit Monaten keiner mehr hier gewesen, vielleicht seit Jahren, so dick verstaubt war hier alles. Wollten die Besitzer nicht hier runter, oder gab es vielleicht gar keine Besitzer mehr? Und was hatte das alles mit ihrem Bruder zu tun? Isabell konnte keinen wirklichen Zusammenhang erkennen. Sie suchte dennoch weiter, fand das ein oder andere interessante Stück, doch alles nur auf privater Basis, so wirklich half es nichts. Dann jedoch kehrte sie noch einmal zu dem Schreibtisch zurück, setzte sich an ihn und öffnete die verschiedenen Schubladen. Hervor kamen dutzende Bücher und Manuskripte, alles voller Buchstaben und Zahlen, Bildern und Zeichnungen. Soviel geschrieben. So viel Pergament. Sie holte alles hervor was sie finden konnte und las, es mussten die Informationen sein, von denen die Rede war, was sonst konnte hier wichtig sein.

Vorsichtig nahm sie eines der Pergamentstücke und glättete es. Es war noch gut zu lesen und besaß eine einwandfreie myrthanische Schrift, wahrscheinlich in khorinischer Abwandlung. Dies war auch ihre Sprache und so fing sie eben an zu lesen, mal sehen, was man so fand.

Rezepte für Nahrungsverwertung der khorinischen Tiere

Scavenger und Moleratfleisch sind am beliebtesten und häufigsten. Man sollte sie aber generell braten, um in den vollen Genuss der knusprigen Haut zu kommen. Man kann sie mit allen Kräutern verfeinern und auch roh verspeisen. Echte Kenner machen daraus Ragout oder Suppen. Auch für Eintöpfe gut.
Warane sind schon seltener, doch ihr Fleisch ist eine Delikatesse, es ähnelt den Lurkern, ist aber roh ungenießbar, gebraten schmeckt es aber geradezu deliziös.
Vom Verzehr von Blutfliegen wird generell abgeraten, genau wie von Orks, Feuerbestien (damit sind Warane gemeint) und Goblins. Ein giftiger oder grob ungenießbarer Geschmack ist nicht auszuschließen.

Weitere Behandlungen auf den folgenden Seiten.


Isabell legte das Manuskript aus den Händen und suchte die Teile, die dazu gehörten, das alles war nichts als ein Kochbuch, sowas konnte sie wahrlich nicht gebrauchen. Normalerweise las sie ja gerne mal was, aber sowas war echt nicht verwertbar, sie durfte nicht vergessen, dass sie noch immer im Oberen Viertel war und hier etwas wichiges suchte, also musste sie das richtige finden, wenn unter diesen ganzen Schreiben kein Hinweis war, dann war sie doch im falschen Haus. Also schnaptte sie sich noch eine lose Seite und las wieder.

Das Schwert - Lerne und lehre seinen Umgang

Wenn du ein Schwert in Händen hältst, dann wirst du seine Macht spüren. Dann wirst du wissen, dass es die Macht in sich trägt. Jedes Schwert ist anders, auch wenn manche gleich aussehen mögen, sind sie in ihrem Wesen noch lange nicht gleich. Ich habe viele Schwerter gesehen, doch das hat meine These nur unterstützt. Ein Schwert zu führen ist nicht leicht, doch wenn man es einmal gelernt hat, vergisst man es das ganze Leben nicht. Das wichtigste ist, dass man herausfindet, welche Gattung zu einem passt. Das ist sehr wichtig, deswegen sollte man auf jeden Fall seine Schwerter studieren. Wenn du einmal etwas beherrscht, dann ist es deine Pflicht etwas weiterzugeben. Also lerne und lehre, doch vergiß nicht, das Schwert ist immer der Meister und du bist nur der Schüler.


Na toll, dieser Text war ja ganz schön, doch er half ihr auch nicht weiter. Sie brauchte etwas über ihren Bruder und nicht über Essen oder Waffen. Doch sie gab nicht auf, wieder griff sie ihn ein Blatt und zog es hervor, mal sehen was da so drin stand.

Hoch Geehrter Johann.
Ich bitte dich meinen Sohn zu dir zu nehmen und ihn in der Kunst des Schwertes zu unterrichten, am liebsten würde ich es selber tun, aber du weißt ja, als Händler hat man es nicht leicht. Außerdem bist du eine Koryphäe auf dem Gebiet. Er ist zwar noch ziemlich jung, doch wird er sich sicher ganz prächtig machen. Du wirst sehen, er hat Talent. Ich würde mich freuen, wenn du mir bald eine Antwort schickst.

gez. Sargkreg


Isabell hatte den Brief erst aus der Hand legen wollen, doch dann sah sie ihn noch einmal genau an. Sie hätte schwören können...das es die Handschrift ihres Vaters war, aber dieser hieß nicht Sargkreg. Ihr Vater hieß Darran. Auch wenn sie nicht so viel über ihn wusste, so war sie sich doch sicher, dass er das nicht war, aber wer war dieser Sohn, von dem da die Rede war? Vielleicht ihr Bruder? Sie wusste es nicht, doch langsam bekam sie Hoffnung, sie musste weitermachen. Weiterlesen. Ein Weiteres Schriftstück. "Nützliches Händler Einmaleins", das landete gleich auf der Ablage, auch wenn sie langsam verstand, dass hier ein angesehener Händler wohnt oder gewohnt hatte. Wohl eher letzteres, denn sonst wäre es hier nicht so verstaubt gewesen, doch sie musste weiterhin auf der Hut sein. Ein weiteres Schriftzeug klang dann schon vielversprechender, entpuppte sich aber als Stammbaumvorlage, ohne Eintragung.
Jetzt reichte es ihr mit den blöden Manuskripten, sie nahm ein richtiges Buch zur Hand, vielleicht stand in diesen ja konkreteres drin. Und tatsächlich, gleich beim ersten Mal hatte sie Glück. Das Buch trug den Titel. Reisetagebuch von Großhändler Sargkreg
Das Buch war viel zu groß und zu dick, als das sie alles hätte lesen können, doch eigentlich reichte schon der Einband, um sie zum schlucken zu bringen.

...zur Sicherheit vor möglichen Feinden benutze ich den Namen "Darran" als Decknamen, wenn ich auf Reisen außerhalb Khorinis bin....

Darran. So hieß ihr Vater. Ein Zufall? Genauso zufällig, wie sie von einer Lichtgestalt hierher gelockt wurde? Nein, ganz sicher nicht, aber das würde ja bedeuten, dass ihr Vater nur einen Decknamen benutzte und eigentlich Sargkreg hieß. Das alleine reichte schon, um ihre Neugierde zu wecken, noch war es Neugierde, bald würde es etwas anderes sein. Sie schlug die ersten Seiten auf und erkannte Wörter, die sie nicht kannte, doch darunter waren zwei bekannte, Gorthar und...Drakia...sofort schlug sie die Seite auf, in der von Drakia die Rede war, etwas Ungeheuerliches musste sie dort lesen.

Kap.1/ 23. Tag des Wolfes.

Ich bin in Drakia angekommen, einem kleinen, verschlafenen Fischerdorf. Eigentlich gibt es hier nichts zu holen, aber ich versuche ein paar Fischer für mich zu gewinnen. Ich hörte auch, dass durch die nahe Angrenzung an das Minental seltene Tiertrophäen hier sein, wer weiß.

Kap. 2/ 26. Tag des Wolfes

Ich habe einige interessante Kontakte gemacht. Die Männer hier sind arbeitswillig und freundlich. Von den seltenen Tiertrophäen habe ich leider noch nichts mitbekommen, aber wer weiß, das kann sich ja noch ändern.

Kap. 3/ 30. Tag des Wolfes

Heute war ein seltsamer Tag, mein Drakiaaufenthalt neigt sich zum Ende, doch ich lernte heute eine Frau kennen. Sie war unglaublich, als ich sie in der Taverne erblickte hat es mich fast umgehauen, ich glaube sogar, man hat es mir angemerkt. Ich muss sie unbedingt kennen lernen.

Kap. 4/ 31. Tag des Wolfes

Sie heißt Lariel, ich habe sie heute kennengelernt. Dieses Gefühl ist nicht in die paar Worte zu faßen, die ich hier gerne niederschreiben würde, aber ich glaube fast, ich habe mich in sie verliebt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich werde meinen Aufenthalt noch ein wenig verlängern.

Ka. 5/ 20. Tag der Sonne

Dieser Aufenthalt hier dauert nun schon viel zu lange, doch ich bin nun schon so lange da. Meine Geschäfte sind mir nicht mehr wichtig. Wir beide genießen jeden Tag und haben alles andere hinter uns gelassen. Ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen....


Danach folgten noch viele solcher Eintragungen. Unteranderem auch die, dass Lariel schwanger wurde, doch den Text überflog Isabell, denn sie hatte schon eine düstere Vorahnung was da jetzt kommen würde. Sie konnte das alles nicht fassen, all das was sie las klang so unglaubwürdig, doch schien es war zu sein, stand es doch schwarz auf weiß.

Kap. 23/ 17. Tag der Sterne

Endlich, unser Kind ist auf der Welt, geboren in einer stürmischen Nacht mit Regen, Blitz und Donner. Es ist ein Mädchen, wir haben beschlossen sie
Isabell Atem stockte bei dem Anblick der Zeilen, denn sie konnte das nicht glauben Isabell zu nennen. Lariel geht es gut, das ist das wichtigste. Jetzt haben wir das, was wir uns immer gewünscht haben.

Isabell blieb stehen. Sie brauchte Luft, irgendwie. Sie musste das alles verarbeiten. Dieser Sargkreg war also Darran, ihr Vater und ihre Mutter, Lariel, so hieß sie tatsächlich, sie spielte also diese Rolle. Doch was war mit ihrem Bruder? War er das zweite Kind von ihnen? Sie konnte das gar nicht alles sofort verarbeiten, doch sie las weiter, allerdings stand da kaum mehr was, das Buch endete mit zerfetzten Seiten, ein paar Stücke konnte sie noch entziffern.

Kap....10.........

Lariel.........verlassen.......Streit......zurück..nach Khorinis.....Besuchen.......wegen Isabell......Trauer.......schrecklich.......verzeih mir......


Das was sie entziffern konnte, das ließ darauf schließen, dass ihr Vater ihre Mutter verlassen hatte, doch besuchte er sie immer noch wegen ihr. Sie war ganz verwirrt, diese Kammer hatte verdammt viel Staub und ihr Gehirn brauchte Sauerstoff, sie ging nach draußen und öffnete kurz die Tür um Luft zu schnappen, danach ging sie wieder rein. Sie hatte schon viel zu viel erfahren, vorallem ihr Vater wurde in ein schiefes Bild gerückt, dabei hatte sie doch so eine gute Meinung von ihm. Aber vielleicht irrte sie ja auch, er war wirklich kein schlechter Mensch, so wie sie ihn kennen gelernt hatte. Aber was ihren Bruder anging, da wusste sie noch immer nicht Bescheid. Aber aufgrund des Tagebuchs konnte man darauf schließen, dass Lariel ihre Mutter und Sargkreg ihr Vater kein Kind mehr zusammen zeugten, dann wäre ihr Bruder also nur ihr Halbbruder. Aber sie hatte noch eine weitere Vermutung und diese wurde grauenhaft in dem zweiten dicken Buch bestätigt, es trug den Titel: Tagebuch von Großhändler Sargkreg und es hatte dieselben Aufbauten. Es war nicht schwer zu erahnen, was darin stehen musste und doch sollten sie Worte ihr Leben verändern. Da das meiste nur Erinnerungen an die ersten Schritte als Händler und an sein Leben waren, ließ sie vieles aus, bis sie die richtige Stelle fand.

Kap. 126/ 18. Tag der Schlange

Nun ist es schon so lange her, seit ich Lariel und die Kleine das letzte Mal gesehen habe. Ich wünschte mir nur, ich könnte öfter bei ihr sein. Das alles war nicht gewollt, wir wollten es beide nicht, doch trotzdem war unsere jugendhafte Liebe zu schwach. Ich muss mich mehr ablenken, mehr meinen Geschäften nachgehen.

Kap. 156/ 18. Tag des Wolfes

Lange habe ich nichts mehr geschrieben. Aus einem einfachen Grund. Mein Herz hatte sich wieder verfangen. Ich hatte mir gewünscht nie wieder zu lieben, da ich gedacht hatte, nie jemanden so wie Lariel lieben zu können, doch das alles war ein Irrglauben. Unser Zusammentreffen war eher zufällig auf einem Dorffest, mitten auf einer der Bauernhöfe. Sie heißt Leiana und nur eine einfache Frau aus dem Volk. Sie hat nichts, besitzt nichts und doch liebe ich sie. Ich habe es ihr gesagt und die letzten Tage waren einfach unvergesslich schön. Viele möchten mich für einen Bastard halten, der ich sicher auch bin, ich schäme mich selber für all das, doch ich lasse die beiden anderen nicht im Stich. Ich schicke ihnen regelmäßig Goldstücke und komme so oft es geht, es fehlt ihnen an nichts, auch wenn ich mich damit nicht von meiner Schuld befreien kann. Aber trotzdem liebe ich Leiana und daran wird sich auch nichts ändern.

Kap. 160/ 20. Tag des Wolfes

Leiana und ich haben beschlossen zusammen zu ziehen, in das Haus hier im Oberen Viertel von Khorinis, dort werden wir sicher glücklich, es ist besser als sich immer in der Stadt zu treffen, da ich wegen der Arbeit auch manchmal tagelang nicht rauskomme.


Und dann überflog sie schnell den Rest, der kein bisschen weniger faszinierend war, doch sie wollte es jetzt wissen, sie wollte jetzt wissen, was mit ihrem Bruder war und es stand alles da, alles haargenau hier drin, in diesem gottverdammten Buch.

Kap. 242/ 1. Tag des Mondes

Unser Kind, unser Kind ist da. Schon wieder in einer Nacht voller Regen, Blitz und Donner, doch hauptsache es ist da, Leiana hat mir einen Erbfolger geschenkt, beide sind wohlauf. Ein Junge, es ist ein prachtvoller Junge, er wird sicher mal ein großer Mann, doch bis dahin werde ich beten, beten das diesmal nichts schief läuft.

Kap. 245/ 3. Tag des Mondes

Leiana und ich haben uns darauf geeinigt, den Jungen Rociel zu nennen, so soll er von nun an heißen, für immer und ewig.

Kap. 301/ 27. Tag der Sonne

Der Junge entwickelt sich prachtvoll, es ist nichts ungewöhnliches an ihm. Meine Geschäfte gehen gut, obwohl der Einbruch im Exportbereich sehr spürbar ist. Trotzdem uns geht es gut und meine Liebe zu Leiana ist ungebrochen, wir lieben uns noch immer so sehr, fast zu sehr. Auch wenn sie nur eine einfache Frau ist, kann sie doch alles, was auch eine adlige oder reiche Frau könnte, aber wahrscheinlich ist es gerade die Bescheidenheit, ihre Begabung und ihr Talent, die sie zu etwas besonderen machen.

Kap. 321/ 22. Tag der Winde

Böse Selbstzweifel plagen mich, ich habe irgendwie das Gefühl, dass sich die Geschwister langsam mal sehen sollten. Er ist jetzt zweieinhalb Jahre alt, Isabell ist fünf. Außerdem habe ich sie schon lange nicht mehr gesehen.

Kap. 334/ 30. Tag der Winde

Ich habe es gewagt, bin tatsächlich heimlich aus Khorinis gefahren, mit dem Kleinen, nach Drakia. Es war gefährlich, doch es ist alles gut gegangen. Die strahlenden Augen von Isabell waren die Mühe wert, aber ich glaube, sie hatte nicht verstanden, wer ihr neuer Spielpartner war, doch entweder Lariel oder ich würden es ihr erzählen. Irgendwann, wenn sie mal alt genug war. Lariel hat es akzeptiert, auch wenn ich weiß, dass ich ihr etwas genommen habe, so liebe ich sie selbst jetzt noch, obwohl es da Leiana gibt, die ich noch mehr liebe, aber ich habe sicher niemanden ausgenutzt, das ist eine Lüge.

Kap. 555/ 22. Tag des Wolfes

Rociel ist mittlerweile zehn Jahre alt. Er hat sich so hervorragend entwickelt, er nimmt Unterricht bei den größten Meistern seiner Zeit und lehrt sehr eifrig. Ich bin stolz auf ihn. Isabell hat sich auch prächtig entwickelt und steht ihrem jüngeren Bruder in nichts nach. Sie ist genau so geschickt wie er. Das Schreiben und Lesen bringe ich ihr bei meinen Ausflügen nach Drakia bei. Langsam weiß sie auch zu verstehen, erkennt mich als ihren Vater und selbst Lariel hat sich damit abgefunden, manchmal können wir jetzt sogar miteinander lachen und uns alles erzählen, ich bin froh über diese Wendungen.

Kap. 765/ 5. Tag der Nachtigall

Mein Sohn hat mittlerweile ein größeres Wissen als ich, auch an Kampfkraft ist er mir schon weit überlegen, ich denke das er den richtigen Weg geht. Er hat sich treu Innos verschworen, nichts anderes hatte ich von ihm erwartet. Heute ist er noch bei seinem Lehrer, aber morgen werde ich ihn zur Miliz schicken, dort wollte er schon immer hin, doch sie hatten ihn nicht genommen, da er noch zu jung war, aber jetzt. Isabell habe ich leider längere Zeit nicht gesehen, erst die Krankheit, dann der Sturm...aber bald werde ich das nachholen.


Hier endete das Buch, es ging nicht mehr weiter, obwohl noch Platz nach hinten war. Komisch, wirklich komisch, doch die Frau war sowieso bedient. Das alles war...war unglaublich, unfassbar. Sie hätte vor ein paar Tagen niemals mit soetwas gerechnet, es war einfach phänomenal. Ein weiteres Mal ging sie zur Türe und öffnete sie, ging diesmal aber leise raus und schloss sie wieder, dann lehnte sie sich gegen eine Wand und atmete die klare Luft ein, sie sollte ihr Gehirn mal etwas in Form bringen. Ihr Bruder hieß also Rociel....

Rociel, Rociel Rociel...Rociel Rociel Rociel. Hallo? Hallo? Hallo? Wo bist du? Wo bist du? Wo bist du? Den Namen, Namen Namen...hab ich schon mal gehört, gehört, gehört...ich bin mir ganz sicher, sicher sicher. Gehört, gehört, gehört. Wenn ich nur wüsste wo, wo, wo, wo, wo....

Es war wie ein Eche in ihrem Kopf, dieser Name, er kam ihr so vertraut vor. Hatte sie den Namen wirklich erst heute einmal gehört? Sie musste herausfinden, wie Sargkreg weiter hieß, erst dann brachte ihr das was. Wenn sie erst mal den Namen wusste, dann hätten sich ihre Chancen sehr viel weiter erhöht, denn dann könnte sie nach Rociel effektiv suchen. Unter diesem Buch war noch ein zweites. Es trug den Titel. Geschäftsurkunden Sie musste nicht mal groß blättern, schon das erste Blatt war der Familienstammbaum und dort stand ein Name, der sie nicht nur ins Wanken brachte, sondern der sie geradezu wahnsinnig machte. Der erste war schon schlimm, denn er lautete Fürst Sargkreg Pergamo Doch bevor sie zusammen brach, sah sie herab. Darunter waren zwei Pfeile. Einer führte zu ihr, zu ihrem Namen, das war ihr jetzt klar, doch der andere führte zu niemand geringerem als zu.

Fürst Rociel Pergamo

Jetzt brach sie auch wirklich zusammen, der Stuhl war keine Stütze mehr, sie fiel auf die Knie, auf allen Vieren versuchte sie sich vergeblich festzuhalten, doch es gab keinen Halt. Pergamo, dieser verdammte Idiot. Er war ihr Bruder? Das konnte doch alles nur ein böser Traum sein? Den Mann den sie liebte und den sie so schändlich verlassen hatte, er war ihr Bruder? Der Bruder, den sie seit Jahren suchte, für den sie ihr Leben aufs Spiel setzte, er war nun die ganze Zeit neben ihr gewesen, sie hatte ihren kleinen Bruder geküsst? Das war nicht wahr, nein das konnte nicht wahr sein.

Das ist nicht wahr! sprach sie mit energischer Stimme, doch sofort wechselte es.
Das ist nicht wahr... in einem leisen, weinenden Ton. Sie war total fertig, sie konnte das alles nicht glauben. Doch trotzdem musste sie das tun und sie wusste es auch, doch wieso und wer hatte sie hierher geführt? In das Heimathaus ihres Vaters, in das Haus von Rociels Mutter und das Haus ihres Bruders höchst persönlich? Sie wollte es immer wissen, sie hatte sich mehr als zweiundzwanzig Jahre gequält und jetzt das.
Sie wollte über all das nachdenken, doch bevor sie ihren Gefühlen freien Lauf geleisten konnte, musste sie hier weg. Auch wenn es schwer war sich jetzt noch zu konzentrieren und überhaupt an etwas anderes zu denken, so tat sie es, sie musste hier weg, hier war sie nicht sicher. Sie musste aber alles an Geschreibsel mitnehmen, es war Familienbesitz. Es gehörte ihr und Rociel, außerdem brauchte sie es, denn sie hatte die Worte der Lichtgestalt noch genau im Kopf:

Dein Bruder weiß nichts von dir, gar nichts, du wirst ihn also erst überzeugen müssen, aber ob das gelingt, das liegt nur an dir, es sei dir gleich gesagt, es liegt geschrieben, dass du ihn finden wirst, aber ob er dich akzeptiert, dass kann niemand sagen

Sie packte alles in einen Lederbeutel, in dem ursprünglich Holzstücke waren, obwohl es hier keinen Kamin gab. Wenigstens passten da alle Manuskripte rein und auch die Bücher fanden ihren Platz. Sie schnürte den Beutel zu und machte sich auf alle Lampen zu löschen, dann schloss sie die Türe hinter sich und schlich sich aus dem Oberen Viertel. Sie machte es wie beim ersten Male, einfach einstudiert, ohne wirklichen Sinn dahinter stieg sie über die Mauer, direkt herüber. Danach verschwand sie zum Hafen, dort, auf ein paar Klippen abseits der Menschen blieb sie stehen, hier legte sie sich sanft auf ein paar Steine und sah in das tosende Meer, sie hatte mit allem gerechnet, doch nicht mir dem, das war einfach nicht normal. Sie wusste nicht, wie sie das einschätzen sollte, ob das wieder zu den berühmten Schicksalschlägen gehörte, doch irgendwie war sie auch froh. Die Last von zweiundzwanzig Jahren fiel von ihr ab.

Sie wollte noch viel mehr nachdenken, noch viel mehr lesen, doch in einem Meer aus salzigen Tränen schlief sie ein, sie hatte nicht mal mehr Kraft für das, nach all dem passierten war sie einfach nur fertig. Nur so verdammt am Ende, Schlaf würde ihr gut tun.
14.12.2003, 08:46 #98
Isabell
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[GM] Bruder und Schwester -
Es war noch nicht sehr spät, als Isabell wieder geweckt wurde, eine riesige Welle musste gegen die Klippen gekracht sein, so dass sie nun einige Spritzer Wasser auf ihrer Wange verspürte, die sie instinktiv aufwachen ließen. Müde wand sie sich dort und öffnete langsam die Augen. Sie war für mehrere Momente wieder wie immer nur am gähnen, wusste nicht mehr, wo sie war oder was sie hier tat, doch es dauerte nicht lange, bis ihr Hirn wieder da war, wo es gestern Abend eingeschlafen war. Nachdem sie sich noch zusaätzlich geweckt hatte, kauerte sie sich gegen die Wand und sah auf den Lederbeutel, in dem noch immer alles war. Die Bücher, die Manuskripte, die Urkunden, all das. Sie musste schon wieder weinen, am frühen Morgen schon. War das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Sie konnte das alles einfach nicht glauben, es kam ihr wie ein böser Traum vor. Wieso, wieso er? War das wirklich war? War dieser Mann der Junge, den sie noch in ihrer frühen Kindheit in Erinnerung hatte? Ein einziges Mal hatten sie sich gesehen, seitdem nie wieder. Genau wie es in dem Buch ihres Vaters stand. Sie wusste jetzt eine Menge mehr, man konnte fast sagen, in diesen paar Stunden hatte sich ihr gesamtes Wissen verdreifacht, das was ihr am wichtigsten war lag nun klar vor ihr. Sie versuchte das alles noch einmal zu verstehen, in einem logischen Zusammenhang zu bringen.

Also mein Vater hieß nicht Darran, sondern Sargkreg, er war ein reicher Händler aus Khorinis und wohnte hier im Oberen Viertel. Auf einer seiner Geschäftsreisen kam er nach Drakia. Dort hat er meine Mutter kennengelernt, Lariel. Aus der Beziehung der Beiden ging ich hervor, doch bald darauf zerstritten sich die beiden und trennten sich. Lariel zog mich in Drakia auf, während Sargkreg in Khorinis eine neue Liebe fand, die Leiana hieß. Mit dieser zeugte er meinen Bruder, Rociel. Nur einmal haben wir uns gesehen, doch er war zu klein, um sich das einzuprägen. Niemand hat ihm je gesagt, dass er eine Schwester hat, nur meine Mutter erzählte mir vor ihrem Tode noch von der Existenz eines Bruders....
Niemals sprachen sie von Halbbruder, obwohl sie das ja eigentlich waren. Nur das Blut ihres Vaters verband sie. Aber auch ich hatte nie einen Halbbruder, auch ich hatte nur einen Bruder.
Und jetzt...jetzt erfahre ich, das mein Bruder Wochen lang mit mir reiste. Er konnte es nicht wissen, aber ich...wieso habe ich das nie gespürt? Da war dieses Gefühl, ich hatte mir gedacht ihn schon mal gesehen zu haben, doch war ich mir nie sicher und tat das als Irrsinn ab. So eine verrückte Welt. Ich weiß nicht so recht, aber irgendwie freut mich das. Zwar ist es ein Schock, denn das konnte ja schon fast kein Zufall mehr sein, aber trotzdem, Pergamo, wie er sich immer nannte, er war mir das Liebste, was ich mir vorstellen konnte. Wer weiß, was es sonst noch so Typen gab, aber er ist sicher der beste Bruder der Welt. Aber das Lichtwesen hat Recht, es wird nicht einfach sein, ihn zu überzeugen, meine Flucht...wer weiß, was er nun von mir hält, vielleicht hasst er mich sogar. Jetzt verstehe ich auch erst, was da alles zwischen uns passiert ist. Aber es ist mir egal, hauptsache ich kann ihn wieder als meinen Bruder in die Arme nehmen. Jetzt wo ich ihn endlich wieder habe, jetzt will ich ihn nie wieder alleine lassen. Genau wie ich es einem gewißen Fürst Pergamo versprochen hatte und er mir. Jetzt würde ich mein Versprechen halten und da es nun niemanden mehr gibt, den ich vermisse werde ich auch nie wieder fliehen müssen.
Aber eines frage ich mich wirklich. Wieso benutzt er immer nur seinen Titel und seinen Familiennamen? Ich habe noch nie gehört, dass er den Namen Rociel nur erwähnte, noch nie. Der Sache werde ich auf den Grund gehen, aber jetzt muss ich so schnell wie möglich nach Drakia zurück, es gibt so viel zu erzählen und jede ungewiße Minute ist schlecht.


Das Mädchen erhob sich von ihrem steineren Untergrund und ging über einige Umwege zurück zum Hafenviertel. Dort war in den frühen Morgenstunden schon eine Menge los, aber da sie wirklich keine Zeit hatte hier groß zu diskutieren sah sie sich nur kurz um, bis sie fünf Fischer sah, die mit frischen Fisch wieder zurückkehrten, sie sah sich den kräftigsten aus, der auch etwas vertrauenswürdig wirkte und sprach ihn dann an.

"Hey ihr da! Bringt mich nach Drakia, schnell."

"Hrmmpppfff"

"Was ist, worauf wartet ihr noch, die Fische können doch sicher warten."

"Hrmmmpppff, verschwindet, ich hab jetzt keine Zeit, mit den Fischen verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt."

"Na daran soll es nicht scheitern, ich gebe euch einhundert Goldstücke, wenn ihr mich nach Drakia jetzt auf der Stelle bringt."

"Ein...Einhundert Goldstücke? Soviel habt ihr doch nicht mal Mädchen, hört auf mich zu....ahhhhh, au, verdammt, was war das?"

"Eure Anzahlung, fünfzig Goldstücke, den Rest gibts in Drakia und jetzt schwingt euch ins Boot Fischer!"

"Schon gut, schon gut, eure Argumente sind überzeugend, wir fahren sofort los...einhundert Goldstücke, Wahnsinn..."


Der Fischer machte das Boot wieder los und dann legten sie ab, Isabell vertraute dem Kerl nicht so richtig, war deshalb wachsam, doch der Kerl sollte es sich zweimal überlegen sie in irgendeiner Weise nur schlecht anzusehen. Schließlich war das ein sehr nobles, fast schon verschwenderisches Angebot. Doch das Gold war ihr so egal, sie wollte endlich ihren Bruder wiedersehen, hoffentlich konnte sie bis dahin alles verarbeiten, was sie so erfahren hatte.
14.12.2003, 13:50 #99
Isabell
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[GM] Bruder und Schwester -


Seit Stunden schon schipperten sie auf dem tosenden Meer, Isabell hatte etwas Sorge, denn der Wellengang war heute noch brutaler, fast konnte man meinen, dass es einen Sturm geben würde. Man konnte genau sehen, wie die Wellen an den Klippen zerschellten und wie sich immer wieder neue Wasserfontänen daraus bildeten, die Wellen die es bis zum Strand schafften, schwemmten den ohnehin schon kargen Sand geradezu weg. Zu allem Übel war da noch dieser Fischer, zwar leistete er gute Arbeit, sie kamen recht schnell vorrann, zumindest wenn man den Wellengang berücksichtigte, doch die schleimigen Augen gefielen ihr nicht. Sie konnte sich gar nicht so richtig auf die Umgebung konzentrieren, gar nicht das Meer und den Himmel genießen, denn sie musste die ganze Zeit auf den Typen achten. Scheinbar hatte er Gold gerochen und wollte jetzt noch mehr haben, aber daraus wurde nichts, sie würde schon aufpassen, dass da nichts passierte. Ihren Dolch jedenfalls hatte sie griffbereit und ihre Rüstung saß auch bestens, um jeden Angriff abzuwehren. Ach ja...ihre Rüstung...sie, sie hasste sie wirklich. Es gab nichts aus ihrem Besitz, den sie so sehr hasste wie diese Rüstung....

Plötzlich passierte etwas vollkommen unerwartetes und auch der schleimige Fischer schien davon große Augen zu kriegen. Isabell hatte ihren Gürtel abgelegt und dann einfach die Rüstung ausgezogen und sie ins Meer geworfen, einfach über Bord ins Meer geworfen.

*Platsch*

Mit einem Gurgeln wurde der Eisenpanzer in die Tiefe gezogen, sollte er doch da glücklich werden. Sie hatte ein für alle mal mit Torolothan abgerechnet. Nie wieder wollte sie durch dieses Schreckensgebilde daran erinnert werden, dass sie einst eine Gefangene war. Sie hatte jetzt keine Angst mehr, vor nichts und niemanden. Der Lernprozess in ihrem Hirn, die schrittweise Verarbeitung der Tatsachen, sie zeigten Wirkung. Isabell war so glücklich, wie schon lange nicht mehr, sie brauchte nichts und niemanden mehr, auch keine Rüstung aus Dämonenstahl. Sie hatte diese Rüstung einfach dem Meer geschenkt, auf dem Markt hätte sie für dieses edle Stück fünfhundert Goldstücke aufwärts bekommen, doch diese Rüstung sollte niemals mehr von einem Menschen getragen werden. Sie war zu grausam, als das sie das hätte riskieren können. Der Fischer hatte die ganze Zeit einen Schock erlitten, wieso sie einfach ihre Rüstung wegwarf, die doch eigentlich so gut aussah, er hätte sie bestimmt gerne genommen, aber das war nicht der Sinn der Sache. Sie konnte jetzt schon wieder richtig lächeln, atmete tief ein und aus und freute sich über diesen Schritt. Sicher brauchte sie eine Rüstung, ohne war die Welt einfach zu gefährlich, doch nicht diese, nicht diese verfluchte.

Und weiter ging die Fahrt, schon bald waren die letzten Bläßchen verschwunden und der Fischer legte sich wieder in die Ruder, Isabell behielt den Dolch trotzdem unter ihrem Blusenärmel, aber der Typ schien doch harmloser, als sie anfangs dachte, vielleicht war es einfach sein schleimiger Blick, der ihn so unsympathisch machte. Bald schon würde sie Drakia sehen, ja bald und dann wäre hoffentlich wieder alles gut. Doch sie musste sich erst mal ne gute Entschuldigung überlegen, bevor sie ihm sagte, was Sache war, aber sie würde damit nicht warten, auf irgendeinen richtigen Augenblick oder so einen Quatsch, denn wann war schon der richtige Augenblick um jemanden soetwas zu sagen. Diesen Augenblick gab es nicht, also half es auch nicht zu warten, sie musste es ihm sofort sagen.
14.12.2003, 16:02 #100
Isabell
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Das Wetter hatte sich kein bisschen geändert, immer noch war die See stürmisch und in den letzten Minuten schwankte das Boot so sehr, dass man Angst haben musste zu kentern, doch diesmal blieb der Bootsführer gelassen und schien alles unter Kontrolle zu haben, na um so besser. Sie spürte, wie ihr Magen gegen dieses Auf und Ab rebellierte, doch sie konnte es nicht ändern, so ein bisschen schwerer Wellengang würde sie schon überleben. Sie hatte es inzwischen aufgegeben den Mann ständig zu beobachten, bei einer solchen Gefahr musste er seine ganze Konzentration auf das Boot lenken und würde es wohl kaum wagen irgendetwas zu tun, sie schaute lieber nach vorne, irgendwo hinter den Felsen musste bald Drakia auftauchen, lange genug unterwegs waren sie ja mittlerweile. Die Sicht hatte sich jedoch verschlechtert und man konnte nicht mehr weit sehen in dieser Suppe aus Wasserkondensation und Nebelschwärmen. Sie konnte nur warten und sich schon mal was überlegen. Sie hatte wirklich keine Ahnung wie sie reagieren würde, aber sie hatte eigentlich das Beste von ihrer Khorinisreise rausgeholt. Dafür, dass sie mit einer hohen Erwartung aber einem ebenso hohen Unbehagen anreiste, war das wirklich phänomenal. Sie war etwas mehr wie einen eineinhalb Tage weg gewesen, sie hatte da mit weit aus mehr gerechnet. Es hätten theoretisch auch mehrere Wochen sein können. Außerdem hatte sie alles erfahren, wirklich alles was sie wissen musste. Das alles ohne größere Probleme. Tja, es war alles glatt gelaufen...Zu glatt für ihren Geschmack, fast hätte man darauf ausrutschen können, da musste doch noch irgendwas nachkommen, so einfach konnte das doch bestimmt nicht sein. Sie hoffte das doch sehr, aber das natürliche Mißtrauen musste ja bei sowas geweckt werden, das war auch richtig so, denn sonst wäre man ja total gutgläubig.

Sie war auch ein wenig nervös über das Wiedersehen, hoffentlich ging es ihm nicht zu schlecht. Eigentlich hatte sie ja nichts anderes verdient, als ein paar deutliche Worte, doch sie wollte daran noch nicht denken, erst mal alles abwarten und schauen, was dabei rauskam. Vielleicht lief es ja auch wider ihrer Vorstellungen, wer wusste das schon. Sie wusste nur, dass da kommen konnte was wolle, sie jetzt nicht mehr auf der Suche war, das sie jetzt gefunden hatte. Diese Last war eine enorme Belastung und soviele Jahre schon trug sie sie ganz alleine. Seit ihrer Mutter etwas davon erzählte konnte sie nicht mehr loslassen. Damals war sie noch ein Kind, als sie starb, ihre geliebte Mutter. Auch ihren Vater hatte sie seit dem Tod nicht mehr gesehen, ob er überhaupt wusste, dass sie tot war? Hatte er sie vielleicht vergessen? Das musste sie unbedingt ihren Bruder fragen, er wusste bestimmt, wo seine Eltern jetzt waren, denn in dem Haus im Oberen Viertel wohnten sie bestimmt nicht mehr, zumindest glaubte sie das, denn es machte keinen Sinn, dass man jahrelang in dieser Kammer schreibt und dann auf einmal nicht mehr, obwohl man noch da war. Vielleicht mussten sie ja fliehen und er nicht. Naja, er würde es sicher wissen.

Auf einmal hörte sie ein paar Vögel. Waren das etwa Möwen? Ja sie waren es tatsächlich, sie drehte sich um, Drakia lag vor ihnen, sie waren da. Ihr Gesicht strahlte und am liebsten wäre sie aufgesprungen, doch sie ließ es bleiben, wollte keinen falschen Eindruck vor dem Fremden erwecken, doch bald schon würde sie bei ihm sein.

Das Boot legte ruhig am Pier an und Isabell sprang sofort aus dem Boot auf den Holzsteg hinauf, der Fischer wollte schon Beschwerde einlegen, doch sie hatte die Abmachung nicht vergessen. Sie gab ihm die fünfzig Goldstücke und damit waren sie quitt. Ein für alle mal, sie wollte diesen Typen nicht wiedersehen, doch das musste sie ja auch nicht. Jetzt lief sie den Steg herunter, direkt nach Drakia, direkt in ihr geliebtes Drakia, verdammt, jetzt wo sie so befreit war konnte sie mit Recht sagen, dass sie das Dorf vermisst hatte.
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