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29.12.2003, 18:31 #176
Isabell
Beiträge: 307
[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Schweigend stand sie vor der Brücke, sie hatte die große Statue hinter sich gelassen und auch vor den Skeletten hatte sie keine Angst mehr, aber das alles gab ihr doch sehr zu denken, in einem Punkt hatte der Priester Recht gehabt, sie wollte ein normales Leben haben, ohne Dämonenblut, seltsame Schwerter, Menschen die sie töten wollten, Menschen die dauernd von Schicksal redeten, ohne Amulette und ohne Probleme, nicht solche. Natürlich sagten alle immer, dass es eines Tages so sein würde, eines Tages würden sie glücklich sein, aber das war doch nur ein Standartspruch, mit dem man schwache Geister bändigen konnte. Sie wollte diesen Tag haben und zwar sofort, auf der Stelle und doch wusste sie, dass es Dinge gab, die man nicht verlangen konnte. Die einfach unmöglich waren. Die Frage war nur, ob man wirklich nichts dagegen tun konnte. Ob man wirklich schon so gefesselt war, dass man sich nicht mal dagegen wehren konnte. Bliebe da nur der Gedanke, oder war es doch mehr? Isabell's Sinne waren verwirrt, ihre Seele war verwirrt. Eigentlich dachte sie, dass sie nach dem Wiedersehen mit ihrem Bruder wirklich glücklich war, aber das war sie nicht. Woran lag es? An der Welt? An ihr? An ihm? Nein, glücklich war sie so nicht, auf der Suche nach irgendwelchen Sachen ohne auch nur im Geringsten zu wissen warum. Sicher war es das einzige was sie tun konnten, als Ausgestoßene von denen man nichts wusste. Aber vielleicht war es doch alles nur eine Lüge? Vielleicht war es wirklich nur eine riesige Lüge, der sie da aufgesessen waren. Dämonenblut? Sowas konnte es doch gar nicht geben, sie hätte es irgendwann gemerkt. Und auch die Geschichte mit dem Schwert war doch nur eine Lüge. Engel gab es nicht und auch keine Halbgötter. Alles nur eine riesige Lüge? Sollte der alte Mann sie wirklich belügen?
Zweifel, oh ja sie besaß Zweifel. Das einzige was in solchen Momenten half waren Tränen, aber sie war nicht fähig zu weinen, so blieb es bei diesem weit schweifenden Blick in die Ferne. In die dunkle Ferne.

Das Leben bestand aus Momenten, jede Sekunde entschieden sie ihr Leben auf ein neues. Entscheidungen wurden gefällt, oder auch nicht. Vielleicht war es ja das, was sie menschlich wirken ließ. Ihre Entscheidungen. Wenn sie perfekt wären, dann wüssten sie alles, alles zu tun. Sie waren nicht perfekt, denn sie wussten gar nichts. Nichts über den Moment. Und doch waren sie Meister darin. Denn wie sonst konnte man erklären, dass sie bestimmte Momente bewusst oder unbewusst so unglaublich intensiv wahrnahmen? War es vielleicht das, was die Dämonenkinder menschlich machte?

Irgendwann kam ihr Bruder. Es wunderte sie gar nicht mehr, dass sie es spürte ohne zu sehen. Sein Blut floss in ihren Adern, durch das Ritual hatten sie sich vereint. Hatten Sinne und tiefste Geheimnisse des Anderen ausgetauscht. Doch in diesem Falle waren es auch seine Stiefel, die ihn auf Marmorboden verrieten. Vielleicht war das wieder die Menschlichkeit, die Spontanität der Menschen in ihnen, warum sonst nahm sie das alles so wahr.

Als ihr Bruder seinen Umhang um sie legte, womit ihr schon deutlich wärmer wurde, wie er sie zärtlich im Nacken küsste, trotz der Distanz und der Fremdheit, mit der sie sich heute begegnet waren. Es war wieder das Glück, obwohl sie genau wusste, dass ihr Leben immer noch nicht glücklich war, spürte sie es in dem Moment. Sie war glücklich und konnte sich wie ein echter Mensch fühlen, da war nichts dämonisches in ihr. Außer vielleicht die Lust ihn auch zu küssen und die schmalen Lippen auf den ihren zu spüren. Das war wieder die Hingabe und die Lust, die sie nicht verstand. Weder im Aspekt der Dämonenanteile in ihnen, noch im Aspekt des Unglücks in ihnen. Sie waren einfach nur zusammen, obwohl das jeder Logik wiedersprach, sowohl der menschlichen, als auch der dämonischen. Was sie waren durfte nicht sein, konnte nicht sein, aber es musste sein. Weil sie es wollten und nur darum.

Dieser Ort hier, er sollte nicht mehr länger ihr Dasein erleben und so gingen sie wieder den Weg entlang, mit dem Trank zur Hand und in der Kehle. Ohne Flüche, ohne Sorgen. Einfach nur so, ohne Grund. Einfach nur weg von hier. Das war vielleicht so geplant, aber sicher nicht so wie es war. Verrücktes Leben sagte sie nur und ihr Bruder entgegnete lächelnd, Verrückte Liebe. Irgendwie hatten sie ja beide Recht, irgendwie schon...
29.12.2003, 23:10 #177
Isabell
Beiträge: 307
[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Isabell war froh hier zu sein, jetzt war sie wieder froh, aber während sie sich noch von ihrem Glück ernährte und immer noch die Nähe zu ihrem Bruder suchte, spürte sie deutlich auch, wie sich das alles wiedersprach. Wie konnte man jetzt schon wieder froh sein, ohne die Gewißheit es auch zu bleiben. Jede Sekunde konnte etwas neues passieren, dass sie auseinander brachte. Vielleicht nicht körperlich, aber doch im Geiste, wo sie sich jetzt wieder so nahe zu ihrem Bruder fühlte. Es war seltsam, bestand das Leben wirklich nur aus Momenten? Waren Momentaufnahmen vielleicht Schuld daran, dass sie immer noch keine Entscheidung getroffen hatte? Still war es geworden, soviel stand fest, still war es um sie geworden, der Mond war jetzt ganz klein zusehen und leuchtete nur sehr schwach, dafür war der Himmel sehr klar und man konnte wieder die Sterne sehen. Ihr war ein wenig kalt, trotz des Umhangs von ihrem Bruder, aber ein Feuer hatten sie heute nicht gemacht, sie waren irgendwie noch nicht dazu gekommen. Sie zitterte ein wenig, aber so unangenehm war die Kälte trotzdem nicht. Im Gegenteil, in ihren Gedanken war sie manchmal so weit fern, dass sie gar keine Gefühle mehr spürte, also auch keine Kälte. Es war eigentlich gar nicht mal schlimm in der Kälte zu sein, aber viel mehr war es schlimm daran zu denken, dass bald wieder alles so anders sein konnte, vielleicht nur kurz und dann würde es wieder so wie jetzt, aber dieses Wechseln war auch nicht schön. Sie fragte sich, ob man es denn nicht irgendwie so machen konnte, dass es immer so bliebe. An welchen Ort mussten sie fliehen, damit sie in Ruhe gelassen wurden...

Sag mal Bruder, kannst du dich noch an die Nacht erinnern, an denen uns so kalt war und wir an der Türe lagen? Wir hätten reingehen können, ins Warme, und doch sind wir einfach nur da gelegen und wären fast erfroren, nur weil wir diesen Moment nicht aufgeben wollten. Erinnerst du dich noch daran?

Sie wusste nicht, wieso sie ausgerechnet daran dachte, aber irgendwie war die Situation sehr ähnlich, sogar ziemlich ähnlich. Vielleicht nicht unbedingt die Umgebung und so kalt war es nicht wie in dieser Nacht, aber ihre Gefühle schienen ähnlich, so unglaublich anziehend und unnachahmbar. So einzigartig, ein Unikat, nur für sie gemacht.
30.12.2003, 01:21 #178
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Sie fühlte jetzt überhaupt keine Kälte mehr, Rociel hatte sich an sie gelegt und seine Hände über ihre Arme gelegt, außerdem streichelten sie sich oft und intensiv und es war schön warm. Das ganze in dem nun brennenden Feuer verschaffte dem ganzen noch einen sehr warmen Hauch aber auch einen Tick Romantik. Jetzt fehlte eigentlich nur noch das Essen und dann wäre es perfekt gewesen, aber darauf konnte sie verzichten, dafür spürte sie immer wieder seine Lippen, was auch sowas wie Nahrung war. Sie küssten sich an den unmöglichsten Körperstellen und nur selten auf den Mund, es war viel mehr ein Verwöhnen als ein Mittel zum Zweck, überall auf ihrer Haut prickelte es und ein inneres Feuer brannte in ihr ab. Es war fast so, als ob sie durch das andere Blut noch mehr wahrnahm, genau wie ihr Bruder. Sie waren voller Lust und Liebe zueinander, dass man einfach keine Kälte mehr spüren konnte. Vorallem waren sie noch nie so sinnlich und nah beisammen, das alles konnte man nicht mit den Erlebnissen in Drakia vergleichen, sie waren alle einzigartig und jedes baute auf einem anderen Kern auf, aber trotzdem war das vielleicht das Schönste, was sie je gespürt hatten. Es war nicht schwer sich dem hinzugeben, denn es bereitete einem soviel Glück, dass ihr Körper fast nicht mehr soviel aufnehmen konnte. Das alles ohne nacktes Fleisch und nackte Haut, genau das wollten sie ja nicht, denn dann hätten sie höchstwahrscheinlich wieder gefroren, sie wollten nur für sich sein und es genießen, ohne Gedanken an mehr zu verschwenden, vielleicht hätte sie früher mehr gewollt, aber jetzt sah sie es selbst, dass es so schon vollkommen ausreichte. Sie waren glücklich und selbst Isabell verlor irgendwann die Gedanken an das Warum, es war ihr irgendwann einfach nur noch egal, ob sie morgen wieder in dieser komischen, veränderten Welt aufwachen würden oder nicht, alleine die heutigen Stunden zählten und die waren einfach nur unbeschreiblich. Und dabei hatte der Tag doch so schlecht angefangen.

Irgendwann jedoch war selbst das schönste Spiel zuende, irgendwann endete jeder Moment, irgendwann verging selbst die Schönheit, aber sie durften nicht vergessen, dass es nachts war. Trotzdem waren sie überhaupt nicht müde, doch sie hatten sich müde gemacht. Erschöpft und glücklich lagen sie denn da, schauten sich noch immer verträumt an und wussten nicht so Recht, was sie jetzt tun sollten, aber es war ihnen gelungen für ein paar Stunden alles um sie herum zu vergessen. Sie legten sich dann wieder müde hin, auf das Gras, das hier noch immer wuchs, sie konnten es jetzt richtig nah sehen, doch hatten sie nur Augen für sich, immer wieder küssten sie sich noch einmal und konnten es einfach nicht lachen, immer wieder drang ein Lachen, meist von ihr, durch den Wald, doch irgendwann in tiefster Nacht schlugen ihre Augen einfach zu. Sie glaubte Rociel noch wach zu sehen, aber sie wusste es nicht, sie fühlte nur die zarten, aber auch kalten Finger ihres Bruders bei den ihrigen und noch immer all seine Küsse auf ihrer Haut, aber irgendwann verspürte sie auch die nicht mehr und glitt in das Reich der Träume, obwohl sicher kein Traum so schön sein konnte wie das, was sich in der Realität in dieser Nacht geboten hatte.
30.12.2003, 11:44 #179
Isabell
Beiträge: 307
[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Was für ein schöner Morgen es doch war, sie war richtig froh so geweckt zu werden und dann wieder in seine Arme zu gleiten, es ließ einen wirklich alles vergessen. Vielleicht war sie ein bisschen sauer, dass sie von zwei Wölfen gestört wurden, aber solange er bei ihr blieb, konnten sie ruhig ein paar Schritte weitergehen, sonst würden sie noch ewig an diesem Ort bleiben. Leider hatten sie jetzt nur noch eine Hand frei, da sie mit der anderen ihre Beutel über die Schulter trugen, sie hätten sie zwar auch an den mehr oder weniger tollen Rüstungen festhalten können, aber das hätte das Gewicht nur unnötig verlagert, außerdem hatten sie keine Zeit bei einer drohenden Gefahr erst noch ihre Lederbeutel von der Rüstung zu lösen, dabei musste man sagen, hatte sie ja gar keine Rüstung, sondern nur einen dünnen Lederwamst. Aber eine Hand reichte ja immer noch, um den Anderen nah bei sich zu fühlen, obwohl sie keinen Meter auseinander gingen. Sie fragte sich jetzt, jetzt wo sie wieder mal an was anderes als an ihren Bruder denken konnte, wo sie eigentlich hinwollten, das interessierte sie nämlich schon, damit sie sich darauf einstellen konnte.

I: Sag mal Rociel, wohin gehen wir jetzt?
R: Weit weg von jeglicher Zivilisation. Sagt dir der Name Teljarsfeld etwas?
I: Nein...
R: Ja wie auch, es ist eine kleine Bergarbeitersiedlung, oben in den Bergen. Frag mich nicht, was die Burschen da abbauen, jedenfalls ist es der letzte menschliche Vorposten vor dem riesigen Gebirge. Ich will ehrlich sein, der Weg dorthin ist anstregend und führt an einigen Gefahrenfeldern vorbei, weißt du da oben sind einige ganz nette Würmer angesiedelt, aber irgendwie werden wir das schon schaffen.
I: Und was wollen wir da oben?
R: Das verrate ich dir noch nicht, aber ein Teilaspekt ist es neue Kleidung zu kaufen, dort oben gibt es einen Markt, auf dem sich die seltsamsten Händler tummeln, aber es ist, verständlicherweise, auch sehr kalt, ich hoffe Winterkleidung zu finden und noch etwas anderes.
I: Hm, das ist eine gute Idee Bruder. Hoffen wir mal, das wir es heil nach da oben schaffen.
R: Zweifelst du etwa daran Isabell?
I: Nein, in deiner Nähe halte ich alles für möglich.
R: Gemeinsam können wir alles schaffen.
I: Ja, weiß ich doch.


Isabell gab ihrem Bruder einen Kuss und danach war das Thema auch erledigt, Teljarsfeld also. Sie hatte wirklich noch nie etwas davon gehört, aber für sie war das hier alles neu und deswegen auch kaum verwunderlich. Das war ein gutes Ziel, eine kleine Bergarbeitersiedlung in den Bergen, da war es sicher schön und einsam. Wenigstens gingen sie nicht zurück in die Bibliothek oder zogen in die Stadt, sie wollte hier draußen bleiben, das war auf jeden Fall das Beste.
30.12.2003, 15:16 #180
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Von hier unten konnte man die Berge sehr gut sehen und eigentlich erinnerte sie das alles sehr an das Minental, genauso hatte es dort auch angefangen, riesige Berge und unglaubliche hohe Gipfel. Nur mit dem Unterschied, dass es hier nicht Khorinis war, sondern Gorthar und auch war hier ein Wald und nicht nur ewige Tundra. Das ganze war aber dennoch irgendwie gut zu vergleichen. Wenigstens hatte sie in den Bergen des Minentals ihr Glück gefunden, vielleicht würden diese Berge ja wieder Glück bringen. Wer weiß...eine Siedlung war aber tatsächlich etwas Besonderes, für solch eine Region. Wenn er von Bergbau redete, dann war es sicher Eisen, was da oben abgebaut wurde, aber wissen konnte sie es natürlich nicht. Noch waren die Berge nicht sehr nah, aber trotzdem konnte man schon ihre Konturen und Umriße sehen, wahrscheinlich war es auch neblig und sehr kalt, eine Kälte die sie nicht mochte, aber sie würde sicher nicht erfrieren, solange Rociel und seine wundersame Fackel bei ihr waren. Sie waren heute gut vorrann gekommen und noch war kein Ende in Sicht, ab und zu machten sie eine kleine Pause und blickten zurück, da wo sie hergekommen waren war schon lange nicht mehr zu sehen. Es ging immer ein kleines bisschen höher, der Anstieg war nicht spürbar und man konnte ihn auch nicht auf direktem Wege sehen, aber während den Meilen zog ein kleiner dünner Streifen die beiden immer weiter nach oben. Aber sie wollten ja auch hoch hinaus, die Berge waren schließlich riesig. Wenigstens war es heute nicht so kalt wie gestern, auch wenn es ziemlich frisch war. Seitdem sie keine Bäume mehr um sich hatten, sondern den Wald nur noch neben sich verlaufen sahen, spürten sie den Wind erst richtig und der war schon kälter. Aber dadurch, dass sie fast ausschließlich in Bewegung waren, hatte die Kälte keine Chance, ihr Blut blieb in Bewegung und hielt so die ganzen Muskeln warm. Wenn sie mal eine Pause machten, dann hauptsächlich um die Sohlen zu schonen oder um sich selber zu wärmen, aber nicht selten neckten und streichelten sie sich dabei zärtlich wie schon gestern. Allerdings ließen sie es nicht ausufern, denn auch wenn ihnen so auch nicht kalt wurde, mussten sie doch an die Zeit denken.

Aber diese ganze Reise war anders, als zum Beispiel die Suche nach diesem Shinoke. Vielleicht lag es daran, dass es nicht so dringend war und das sie nicht wussten, was sie eigentlich erwartete, vielleicht weil ihre Entscheidung zu dieser Siedlung zu gehen vollkommen freiwillig war und sie das so für sich entschieden. Auf jeden Fall hatte sich etwas in ihren Köpfen geändert, komischerweise erst, seitdem Rociel dieses Schwert am Leib trug, seitdem war das alles geschehen, aber an das Schwert dachten sie nicht, nur ab und zu sah sie ihren Bruder, wie er fast übervorsichtig über die Klinge streichelte und ab und zu zu ihr sah. Aber sonst hatte das Schwert keinerlei Einfluss auf ihr Leben, noch nicht...

Jedenfalls war sie jetzt froh diese Reise zu machen und trotz der halbwegs wiedrigen Umstände konnte sie das alles genießen und musste ihrem Bruder wieder einmal einräumen, Recht gehabt zu haben. Die Natur in Gorthar war wirklich sehr schön, vielleicht war es der schönste Ort, an dem sie jemals gewesen war, auf jeden Fall war es schöner als in Khorinis und Drakia. Sie hatte das Gefühl, das kein Mensch hier auf sie schaute, dass niemand wusste, dass sie hier waren und damit hatte sie wohl auch Recht. Hier kannte sie niemand und hier störte sich niemand daran, wer oder was sie waren, aber auch wenn sie nach Gorthar gingen wäre das so. Aber da war es auch anders, da waren mehr Banditen. Dort sah man ausschließlich auf ihr Aussehen und ihr Gold, aber nicht wer oder was sie waren, es interessierte dort niemanden.
30.12.2003, 17:20 #181
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
I: Was ist los mit dir Bruder? Stimmt irgendetwas nicht, du wirkst so nachdenklich.
R: Ich habe nur kurz an Khorinis gedacht, meine alte Heimat, du weißt schon...
I: Aha.
R: ...Ja es ist einiges passiert dort. Ich war da mehrere Jahre glücklich, hätte ich gewusst, dass ich eine Schwester habe, hätte ich gewusst, dass es dich gibt, dann wäre das vielleicht nicht so gewesen, aber ich wusste es nicht. Alles war eigentlich wunderbar, bis zu diesem verflixten Tag. Wenn nicht mal Priester Tolban wusste, dass es geschehen würde, dann frage ich mich was das Schicksal dazu bewogen hat meine Eltern...unsere Eltern, Innos hab sie selig, zu töten aber mich nicht. Ich meine warum sollte ich leben?
Seitdem geht in Khorinis alles den Bach runter, erst die Verbannung aus der Stadt in die Barriere und als ich zurückkam konnte ich nicht mal ins Obere Viertel. Viele Menschen habe ich getroffen, den meisten habe ich Kummer und Sorge bereitet. Jeder der mit mir längere Zeit zusammen war musste irgendwann mal meine verdammten Charackterzüge spüren. Und auch sonst war das Leben nicht mehr leicht. Weißt du, ich habe Khorinis geliebt, diese wunderschöne Natur, diese eigentlich netten Menschen, die Möglichkeiten die man dort hatte...aber inzwischen ist Khorinis tot, nicht nur weil keine Schiffe mehr kommen, Khorinis ist auch in meinem Herzen gestorben. Es ist ja nicht nur so, dass ich die Leute traurig gemacht habe, ich wurde oft genug hereingelegt, betrogen und verkauft, man hat mich oft genug wie einen Sklaven behandelt, mich verachtet und mich nicht respektiert. Khorinis wäre noch heute ein schöner Platz zum wohnen und alt werden, einfach ein schönes Haus kaufen und das tun, wozu man Lust hat, das alles ist immer noch kein Problem. Aber nicht für mich, nicht wenn diese Stadt einen dunklen Schleier auf meinem Herzen hinterlässt. Er frisst sich durch und irgendwann würde er mich vernichten.
Ich musste gerade einmal wieder daran denken, denn es war auf dem Weg nach Teljarsfeld, ich war hier einst mit einer kleinen Abenteurergruppe unterwegs musst du wissen, nun es war auf dem Weg zu dieser Siedlung, als ich beschlossen hatte mich von einer, naja nennen wir es Gemeinschaft in Khorinis zu lösen und selbstständig zu werden. Seit diesem Moment ging der Zerfall immer schneller.
Ich dachte, mich würde das ganze immer noch berühren und ich hätte sowas wie Heimweh nach Khorinis, aber da ist nichts mehr, gar nichts. Kein einziger warmer Tropfen mehr. Ich bin absolut kalt zu Khorinis geworden und Heimweh war nie da gewesen...
Entschuldige wenn ich dich mit ollen Kamellen langweile, aber das ist eigentlich schon alles gewesen.
I: Schon in Ordnung Bruder. Ich frage mich nur, ob dasselbe mit mir und Drakia passieren wird. Ich fühle auch kein Heimweh nach Drakia. Gut, ich vermisse mein Bett und meinen Kamin, mein Haus eben, aber das kann man sich überall auf der Welt aufbauen.
R: Wollen wir weitergehen?
I: Wird wohl das Beste sein, bald geht die Sonne unter, schau, sie steht schon sehr tief.


Und dann gingen sie wieder weiter. Für sie war das überhaupt nicht langweilig, sie hörte gerne Geschichten, besonders wenn sie von ihrem Bruder waren. Aber sie konnte das alles irgendwie verstehen, aber so richtig würde sie es nie können, dafür hatte sie einfach nicht genug miterlebt von all dem. Vielleicht würde er ihr ja mal was von der Barriere erzählen, das interessierte sie auch, sie war schließlich selbst in Drakia zu sehen.
30.12.2003, 19:41 #182
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Sie waren direkt in die Nacht gelaufen, aber als die Sonne unterging blieben sie stehen und warteten. Sie waren wirklich auf einer Anhöhe und das komischste war, der Wald ebenfalls. Man konnte die Krümmung genau erkennen, es war eine seltsame geologische Anordnung, aber so befanden sie sich direkt auf einem übergroßen Hügel. Wenn sie jetzt zurückblickten konnten sie zwar nicht mehr sehen, wo sie ungefähr losgelaufen waren, oder zumindest aus dem dichten Wald getaucht, denn das war viel zu weit weg, aber sie konnten sehen, dass sie mindestens hundert Meter höher waren als noch vor sechs Stunden.
Dafür wurden sie aber auch mit einem wunderbaren Sonnenuntergang belohnt und Isabell fragte sich zweierlei. Warum war dieser wunderschöne Sonnenuntergang so intensiv, obwohl die Sonne den ganzen Tag verborgen blieb und warum krönte es ausgerechnet ihren wunderschönen Tag und nicht irgendeinen alltäglichen? Auf beides hatte sie einfach keine Antwort, aber trotzdem war es ihr auch vollkommen egal. Auf ihrem kleinen Hügel standen sie dann da, blickten zum Horizont und in das kräftige Gelb, das langsam zu einem geschwungenen Rot wurde. Rociel stand hinter ihr und hatte sie zärtlich umarmt, wodurch ihr unbewusst auch wieder wärmer wurde, hatte seinen Kopf auf ihre Schulter gelegt und schien fast zu träumen und sie, sie stand einfach nur da, nur so und blickte in das Farbenspiel. Man konnte so viel in einem Sonnenuntergang erkennen und auch lernen, zum Beispiel Schönheit und Ideenreichtum oder einfach nur wie schön das Unbeständige doch sein konnte. Leider war das Spiel schon bald zuende, aber in ihren Erinnerungen spielten die Farben weiter. Sie waren dann noch weiter gegangen, ein paar Meter, es gab da eine schöne Stelle, sie war etwas umklüftet, aber hier hatten sie ohnehin keine Angst vor irgendjemanden, aber diese kleinen Furchen im Stein boten auch einen sehr guten Windschutz und den brauchten sie für die Nacht.

Als sie ankamen war es vollends dunkel, doch sie waren ja angekommen. Eigentlich reichte ihre Kraft noch, aber sie wollte es auf keinen Fall übertreiben, wohin das führen konnte hatte sie gut gesehen, bei der Hast zum Schicksalsberg. Auch Füße konnten nicht ewig laufen und man sollte lieber zu früh als zu spät aufhören zu gehen, zwar wäre auch die Dunkelheit der Fackel kein Problem gewesen, doch sie hatten keine Lust mehr weiterzugehen. Trotz ihrer Pausen hatten sie heute mehr erreicht als erwartet, durch den kleinen Aufstieg wurden die Berge auch immer größer und die Chancen bald in Teljarsfeld anzukommen hatten sich um Stunden verbessert. Für heute war es einfach genug. Allerdings hatten sie schon seit gestern nichts mehr gegessen, sicher konnte Liebe ernähren, aber irgendwann war auch das nicht mehr genug, sie brauchten unbedingt etwas zu essen und das wenn möglich jetzt noch, denn das sie vor der Siedlung noch mal auf Menschen stießen, das schließ ihr Bruder aus. Doch zunächst einmal machten sie es sich in den Berghängen bequem, was durch das Moos, das hier überall wuchs, auch recht gut gelang.
30.12.2003, 22:31 #183
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Das Essen war köstlich und man brauchte auch gar nicht untertreiben, sicher war es nicht gerade so schön ein Tier auszunehmen und das Blut noch an den Fingern zu haben, aber trotzdem, wenn man Hunger hatte war einem das egal und sie hatten Hunger, großen Hunger. Sie aßen ein Stück nach dem anderen, bis sie so satt waren, dass sie Bauchschmerzen von den ganzen Essen hatten. Aber wenigstens waren sie satt und das meiste war noch da. Also hatten sie auch noch ein gutes Frühstück. Das Freuer brannte auch sehr schön, das viele Holz sammeln hatte sich gelohnt, so dass es jetzt so schnell nicht mehr ausgehen würde, dieser Feuerstein war allerdings extrem praktisch, damit konnten sie sich lästiges anzünden sparen.
Nachdem sie satt und voll waren, lagen sie nur noch auf ihren Rücken und starrten nach oben, sie hatten sich die Hände mit Wasser abgewaschen und noch den ein oder anderen Schluck aus ihrem Feldkrügen genommen, demnächst sollten diese mal wieder aufgefüllt werden. Eigentlich konnte man sagen, war der Tag heute wieder richtig gut gewesen, irgendwie musste sie einfach solche Resümees am Ende eines Tages ziehen, wenn sie die Möglichkeit hatte so lange in die Sterne zu blicken. In ihren Wegen waren sie weit gegangen und jetzt endlich hatten sie auch das lang ersehnte Essen bekommen. Eigentlich war der Tag sogar perfekt gewesen, aber trotzdem war sie nicht voll und ganz zufrieden. Es gab diese schönen Momente viel zu selten in ihrem Leben, vielleicht wollte sie auch einfach nur zweiundzwanzig Jahre aufholen, aber das alleine konnte es nicht sein. An der Perfektion noch etwas zu verbessern war sicher schwer, theoretisch unmöglich, aber sie hatte es trotzdem vor. Ein Menschenleben zu leben war wohl genauso schwer, wie ein Dämonenleben zu leben und sie konnte sich auch wirklich nicht vorstellen, dass es Menschen gab, die heute glücklicher gewesen wären, aber es war die Frage, ob man diese Strecken gehen musste, ob man unbedingt menschlich leben musste, ob die Natur nicht auch extreme Formen erlauben würde, auf ewig.
Das ganze interessierte sie so sehr, dass sie doch glatt ihren Bruder fragen wollte, doch im letzten Moment zuckte sie zurück, denn vielleicht würde sich das wieder total bescheuert anhören.

Als sie ihr Gesicht zu ihm drehte raschelte die Bluse auf den dünnen Grashalmen, sie blickte seine linke Gesichtshälfte an, die mittellangen Haarsträhnen, die ihm über sein Ohr hingen, die kleinen Augen mit den schwarzen Wimpern und seine stupsige Nase, die so ziemlich untypisch für einen Jungen war. Und natürlich auch seine zärtlichen Lippen, die meistens blaß waren und fast nie Farbe trugen, weder rot, noch blau, noch weiß. Langsam bewegte sie sich zu ihm, er sah auch in die Sterne und sie fühlte, dass er gerade an sie dachte, es war wieder einmal ihr Blut, das sie das vermuten ließ. Sie wollte dieses schöne Gefühl einfach noch einmal spüren, es war wie eine Sucht geworden, aber eine schöne und eine gesunde Sucht. Ihre langen Finger berührten vorsichtig seine Haut und ließen seine Augen leuchten, als ob er erwacht wäre aus einem tiefen Schlaf. Die Finger waren kalt und waren wie ein Beißen auf der Haut, kleine Eissplitter die in das Blut eindrangen. Doch es blieb nicht lange kalt, warm wurde es schon recht schnell und sie beugte vorsichtig ihren Kopf über seinen und küsste ihn. Ihre langen Haare waren heute tiefschwarz gefärbt und fielen ihm ins Gesicht und auch über sie, es war so als wollten sie ihre Köpfe einschließen. Kurze Zeit später stürte sie zwei Hände um ihre Hüften und ein Gefühl von Enge und Geborgenheit machte sich breit.

Das Feuer brannte noch immer, was sollte es auch anderes tun, aber in den Flammen spiegelten sich nun die Schatten der beiden Geschwister wieder, wie sie sehr sinnlich und fast schon ängstlich miteinander spielten. In der Ferne hörte man ein Heulen, wahrscheinlich ein Rudel Wölfe, doch sie waren weit entfernt, hier waren sie ganz alleine und nur für sich, niemand konnte sie stören, das war die Belohnung der Wildnis, der Lohn nicht in der Stadt zu leben, man hatte riesige Flächen nur für sich, man befand sich zwar in der Einsamkeit, aber sie waren nicht alleine.
31.12.2003, 01:20 #184
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Wie sie das nur liebte, einfach nur mit Rociel zusammen sein und einfach nur seinen Körper an ihr zu spüren, es war mehr als nur plumpes Verlangen oder unwillige Gier, es war einfach nur das größte Glück der Welt, dass man ihr da schenkte. Immer wieder berührten sich ihre Lippen, sie waren wie brennendes Feuer und stechende Kälte, es waren Gegensätze die aufeinander trafen und doch vereinigten sie sich zu einem neuen, zu einem noch besseren, zu einer Perfektion und immer wenn sie ihre Lippen schmerzhaft von sich rissen ging diese Perfektion in sie über. Für kurze Momente war sie dann da. Aber weniger die Lippen des Anderen waren ihre Ziele, Isabell verwöhnte oft seine Ohren und seine Stirn, aber auch seine eiskalten Hände, die nicht einmal jetzt richtig auftauen wollten. Im Gegenzug spürte sie immer wieder zärtliche Küsse an ihrem Nacken und an ihrem Hals. Das alles war so schön und brauchte so lange, aber sie genossen es und ließen sich viel Zeit. Sie konnten sich blind vertrauen und brauchten nicht zu reden, kein Wort kam ihnen über die Lippen und sie schwiegen Stunde um Stunde. Sie fragte sich, ob das das höchste Glück der Menschen wäre, oder ob es tatsächlich noch etwas Schöneres geben konnte, aber eigentlich war es unvorstellbar. Es waren ihre ersten sinnlichen Wahrnehmungen in diesem Bereich, es war alles so seltsam fremd und neuartig und doch hatte man einfach keine Scheu und Angst davor, da man wusste, dass einem nichts passieren konnte. Man fühlte eine Sicherheit und auch ein Gefühl der Unsterblichkeit, selbst dieser Moment würde sterben aber sie hielten ihn für immer in sich. Noch nie hatte sie jemanden so berührt wie Rociel, dass er ihr leiblicher Bruder war störte sie nicht, er war einfach nur ihr Gegenpart, kein Bruder. Es war einfach nur ihr Mondschein.
Es war komisch, die meisten Mädchen waren in diesem Alter schon verheiratet, aber sicher hatten sie nicht solche intensiven Glücksgefühle wie sie jetzt. Aber eigentlich waren ihr die anderen egal, für sie gab es nur ihren Bruder und sonst keinen.

Die Nacht wollte unendlich dauern, immer und immer wieder kamen sie heute nicht zum Ende, Erschöpfung oder Müdigkeit schienen fremd, vielleicht waren sie auch einfach trunken an ihrer Liebe geworden, auf jeden Fall waren sie glücklich und die Frage nach möglichen Unglück war genauso schnell verschwunden, wie sie auch gekommen war. Sie wusste jetzt, dass sie mit Rociel nie unglücklich sein konnte und selbst die Angst, die jeder Verliebte hatte, die hatte sie nicht. Vielleicht behaupteten es einige, aber sicher sein konnten sie sich nicht, sie war sich aber sicher, dass ihr Bruder sie nie verlassen würde, dafür spürte sie viel zu sehr eine Verbundenheit, die er ausstrahlte.

Die letzten Küsse waren besonders zärtlich und lange, fast mochte man meinen sie wollten ihre Lippen nie wieder trennen und für ewig vereint lassen, jetzt hielten sie sich zurück und wurden langsam müder. Isabell saß kniend auf seinem Schoss und blickte ihm lange in die stahlblauen Augen, die sich manchmal veränderten, aber nicht heute, heute blieben sie die Augen von Rociel und in der Tiefe sah sie ihre Zukunft und ihr Glück, aber sie sah auch Kampf und Angst darin. Man konnte nicht nur Gutes in der Zukunft sehen, aber was sie sah beruhigte sie sehr und immer wieder folgten auf das lange Blicken die noch längeren Küsse. Irgendwann zerschnitt ein sanft gehauchtes Ich liebe dich Isabell die Luft und ließ den Wind voller Freudentränen erstarren, selbst der Mond, der kaum da war, und die Sterne weinten mit und nachdem auch eine glänzende, opale Träne ihr Auge erreicht hatte hauchte sie ihm ein Ich liebe dich auch Rociel ins Ohr und ließ ihn darauf die zweite, fehlende Opalträne erschaffen. Als sich die Tränen trafen versanken sie in einem letzten Kuss in den Armen des Anderen, und schliefen irgendwo eng umschlungen ein...
31.12.2003, 12:27 #185
Isabell
Beiträge: 307
[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Ihr Schlaf dauerte heute sehr lange, denn sie war voller Freude eingeschlafen, aber auch fertig. Es war nicht nur ihre Zuneigung, sondern auch der Weg dahin, der Kräfte gekostet hatten. Außerdem schlief es sich so unglaublich sanft heute. Mitten in der Nacht war sie einmal aufgewacht und hatte ihren Bruder gesehen, wie sie so da lagen und sich eigentlich unmöglich benahmen, aber dann war sie wieder eingeschlafen, bis jetzt. Es war wohl irgendwann einfach genug, aber von Außen wurde sie heute nicht geweckt. Nicht mal der starke Wind konnte da etwas dran ändern.

Als sie nun wieder ihre Augen aufschlug war aber etwas anders, sie spürte sofort, dass Rociel nicht mehr da war und das alleine ließ sie sofort hochschrecken, obwohl sie noch schrecklich träge war. Sie hatte natürlich Angst, aber zum Glück sah sie noch seine Sachen neben ihren und ein neu brennendes Feuer. Das beruhigte sie doch etwas, später sah sie ihn dann bei einer Klippe sitzen und war beruhigt, so dass sie sich noch einmal hinfallen ließ. Hier zwischen den Steinen in ganz weiches Moos. Sie spürte noch immer die Küsse der letzten Nacht, wie auch schon die Nacht davor und sie kribbelten noch immer in ihrer Haut, so dass sie leise kichern musste.
Als sie sich dann wach genug fühlte stand sie auf und merkte, wie der Umhang ihres Bruders im Winde wehte, irgendwie sah das klasse aus.
Langsam und wohl bedacht ging sie dann zu ihm und begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange, danach setzte sie sich auch und lehnte sich an seine Schulter um in die Ferne zu blicken.
Jetzt am Morgen war die Luft noch so klar und es war hier absolut still. Sie wirkten wie zwei Hirten, die ihre Schafsherde durch die Berge trieb, fehlten nur noch die Schafe. Das Land Gorthar, es war so groß und weit, man konnte es überhaupt nicht mit Khorinis vergleichen, nicht mal ansatzweise. Sie hatte etwas über dieses Land gelernt, hier verbanden sich Gefahren mit friedlichem Dasein. Langsam fing sie auch an Gorthar zu lieben.
Es war seltsam, warum konnte sie nicht erklären, warum sie dies und jenes dann und wann fühlte. Gestern noch konnte sie kaum genug kriegen und heute war sie froh, dass sie einfach nur so dasaßen und nichts weiter taten als in die Ferne zu blicken.
Rociels Finger durchstrichen langsam ihre Haare, heute waren sie übrigens nicht mehr schwarz, sondern dunkelbraun, langsam rollten sie sich über den Finger und fielen wieder hinab. Sie spürte das sehr gerne, eben weil sie es fühlte und dabei blickten sie immer noch nach vorne.

Sie sahen den Wald, immer noch sehr grün und immer noch voller Leben, das war noch längst nicht ausgehaucht, wieso auch. Sie sahen die kräftigen Stämme und die vielen kleinen grünen Nadeln, die spitzer werdenden Fichten und Tannen und die kahlen Buchen und Eichen. Sie sahen in der Ferne weite Berge und einige waren auf ihrer Seite schon richtig nah, wenn sie sich nach links drehten. Sie sahen selbst die Stadt in der Ferne, die riesigen Stadtmauern waren unverkennbar. Und sie sahen natürlich auch den Himmel, heute rein weiß, dafür ohne jegliche Wolken. Aber eigentlich sahen sie nur ihre Gedanekn vor sich, was sie wohl wieder dachten. Isabell dachte an vieles, aber nichts so richtig. Sie dachte aber vorallem an die Zukunft, denn natürlich hatte sie Angst davor. Sie wusste nicht, wie es weiterging, hatte das Buch nicht selbst geschrieben und nicht vor sich liegen.

Irgendwann löste sich Rociel aus seiner Umarmung und ging zum Feuer um das Fleisch endlich anzubraten, es war eine gute Idee, denn sonst würden sie wohl noch ewig hier bleiben, nach der kleinen Stärkung sollten sie endlich los.
31.12.2003, 19:25 #186
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Inzwischen brannte eine Fackel in den Händen ihres Bruders und leuchtete ihnen den Weg. Sie waren doch noch weiter gekommen, als sie es für möglich hielten. Der Wind peitschte ihnen noch immer ins Gesicht, aber das war auch schon das einzige Hindernis. Keine wilden Tiere und erst recht keine Menschen, es waren nur die schönen Berge und der schöne Wald an ihrer Seite. Es war sehr gut, sie hatten sich den idealen Weg ausgesucht, wo sie den ganzen Wald und damit die Tiere im Blick hatten und andererseits nicht zu hoch gingen um noch mehr von den Winden erfasst zu werden und diese Würmer auf sich aufmerksam zu machen. So kamen sie ganz schön weit, gestern schon waren es mehrere Meilen und auch heute war dies ihre Entfernung, die sie zurücklegten. Natürlich etwas weniger als gestern, denn sie mussten heute noch das Fleisch anbraten und gegen den Wind ankämpfen, aber ansonsten war ja alles wie schon am Tage zuvor.
Es war schon seltsam, ab und zu erzählten sie mal was, meistens eher so Alltagskram, den man sich auch gut ersparen konnte, aber irgendwie heiterte es schon auf. Ansonsten hatte sie viel Zeit um wieder nachzudenken, an diesen Berghängen in relativer Sicherheit und ohnehin noch Meilen vor dem eigentlichen Ziel, ging das recht gut. Aber manchmal dachte sie überhaupt nicht an ihren Bruder und sich, sondern auch einfach nur an die Vergangenheit, die sie in Drakia erlebt hatte und auch ein paar besondere Momente. Es war wirklich eine Menge, was sie da zu finden erhoffte, aber eigentlich ging es gar nicht mal so darum etwas zu finden, es war schon in Ordnung, wenn sie überhaupt mal wieder die Bilder in ihrem Kopf sah. Während der Zeit bei Kryliyx oder auch in der Zeit, wo sie Shinoke gejagt hatten, oder aber auch noch in hundert anderen dazwischen konnte sie das nicht. Es waren meistens negative Empfindungen, Sorgen, die sie davon abhielten. Aber jetzt in diesen Augenblicken fühlte sie sich befreit, befreit aus der Gefangenschaft der Gefühle, befreit aus den Fesseln des verdammten Lebens. Sie war eine Sklavin der alltäglichen Angst und der Sorge, verdammt zu einem ungewöhnlichen Leben voll von Gewohnheit. Gepeinigt und gezeichnet der Suche wegen.
"Wer suchet, der findet" und ja, sie hatte gefunden. Innos sei Dank, oder auch den anderen Kräften, wie auch immer.

Die Berge wanderten an ihnen vorbei, doch sie gingen absolut langsam, denn es war kein Wunder, schließlich gingen sie ja an den steinernen Riesen vorbei und nicht umgekehrt, dennoch wandelte sich die Landschaft, mal kamen sie in immergrüne Gebiete voller Wildwuchs und mal mussten sie auch Kieselsteinfelder durchqueren, ihr Weg war noch weit, aber sie würden das schon schaffen, sie konnten alles schaffen und alle Wege gehen. Es gab wohl kaum etwas, was sie zusammen nicht schaffen konnten. Alle Herausforderungen, die das alltägliche Leben bot waren lachhaft, mit einer großen Portion Humor zu nehmen, nein, ihnen musste es um das Ungewöhnliche, das besondere Etwas gehen. Denn wie sonst sollte man Halbdämonen fordern. Vielleicht war es ja auch alles nur eine Illusion, ein großer Traum. Aber sie genoss diese Illusion und diesen Traum. Wieso auch nicht, solange er nicht enden mochte. Und selbst wenn er enden würde, würde alles beim alten bleiben, denn da es kein Traum war, konnte er auch nie enden. Die Logik war konfus und doch hatte sie Hand und Fuß.

Wer träumt, dem wachsen Flügel...
31.12.2003, 21:03 #187
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Wieder einmal Schluss, Schluss für den heutigen Tag aber nicht Schluss für immer, am nächsten Morgen würden sie ganz normal aufstehen und alles wäre wie zuvor, wieder einmal weitermachen, nicht nach hinten, sondern nach vorne schauen, das war es was zählte und nur das. Hatten ihre Ruhe, Ruhe vor allen und Ruhe vor Anderen. Brauchten eigentlich keine Ruhe, brauchten nur Geborgenheit und Zuneigung, brauchten nur mehr als ein Leben. Waren verbunden, waren wie eins in zwei. Suchten immer Nähe, aber nur zu einem von gleichen Blute. Nur zu ihrem Bruder sehnte sie sich sehr. Die eigentlich große Fackel erschien nun so winzig klein zu sein, schien geradezu unterzugehen in den Schatten, aber selbst wenn sie gar kein Licht gehabt hätten und absolute Finsternis um sie herum herrschte, wen kümmerte es schon? In ihrem Augen brannten immer Lichter, in ihrem Herzen und sogar auf ihrer Haut und dann waren da ja auch noch die Sterne. Auch heute waren sie wieder ihre Begleiter und gaben Einblick in das Himmelsleben bei Nacht. Sie waren wieder so wunderschön und auch hell, nein, alleine waren sie nie. Selbst die ewige Finsternis konnte ihnen nichts anhaben. In ihnen glühte ein Wegweiser, irgendwohin würde er sie schon führen, selbst in ewiger Finsternis.
Immer noch war an den felsigen Hängen viel weiches Moos, auf dem es sich prima schlafen ließ, sie nutzen es als Unterlage und als weiche Sitzkissen, wenigstens das war ihnen hier geblieben. Die Region wurde nämlich immer felsiger, irgendwann waren auch die letzten kahlen Bäume verschwunden und desto höher sie kamen, desto weniger Gras wuchs noch.

An diesem schönen Abend, an dem so klare Luft umherwehte, wollte sie zuerst einmal ein bisschen Harfe spielen. Vielleicht war es auch besser, wenn sie sich ihre besonderen Zuneigungen für später aufhoben oder ganz wegließen, doch zunächst spielte sie ein paar traurige Stück auf ihrem Instrument. Jetzt wo sie es wiederhatte wollte sie es nicht mehr hergeben. Es war ihr ein und alles und so klang es auch. Wunderschön alt und ungeheuer edel. Es war mit Abstand das einzige Instrument, das sie vernünftig spielen konnte, aber dafür war es für Isabell mehr als nur ein Instrument, es war pures Leben, das diese Harfe ausstrahlte, wenn sie gespielt wurde. Heute jedoch spielte sie traurig, was weniger ihrer Gemütslage entsprach, sondern der Situation. Ein paar dunkle, tiefe Klänge passten besser als laute und schnelle.

Doch irgendwann spielte sie den Schlussklang, lange hatte sie ihn hinausgezögert, doch irgendwann war es ruhig in den Bergen, absolut still und leise. Sie verspürte eine Lust etwas zu erzählen, sie wollte einmal wieder die Stimme ihres Bruders hören, aber sie wollte auch mal wieder ihre Stimme hören.
01.01.2004, 12:41 #188
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Dieser Aufstieg war nun also das letzte, bevor sie in die Siedlung kommen sollten. Sie hatte sich das ganze sehr gut angeschaut. Die zerklüfteten Felsen, die herabrollenden Kiesel und die großen Steinbrocken. Zudem ging es steil nach oben, aber in einem Winkel, in dem man noch laufen konnte. Es erinnerte sie kaum an den Schicksalsberg, das alles war hier anders. Man konnte immer noch den Wald sehen, je höher sie kamen, je kleiner wurde er.
Die Luft hier oben schien gefroren, wurde schwerer und schwerer in ihren Lungen, dabei waren sie doch kaum höher als bei den Hängen. Nebelschwaden legten sich um die Berge und auf dem Boden kräuselte sich die weiße Pracht. Sie war materielos und man konnte sie einfach mit den Stiefeln zerteilen, doch es wurde kalt hier oben. Der Nebel hatte einiges verborgen, nicht nur die Kälte hielt sich anscheinend nur hier oben, auch die spitzen Steine. Hier war alles noch sehr natürlich und wild geblieben, der ganze Berg schien sich kaum verändert zu haben. Es gab nur einen schmalen Weg, der aber war schon oft begangen. Der Stein war platt getreten und hatte keine spitzen Ecken und Kanten mehr. Hier mussten schon einige Leute vor ihnen vorbei sein. Das einzige was sie beruhigte war, dass dort oben Menschen lebten, also dieser Berg schon oft bestiegen sein musste. Eigentlich war sie ja lieber alleine, aber dieses Mal freute sie sich fast auf ein paar neue Gesichter. Sie war gespannt auf die Menschen, die dort oben mehr oder weniger freiwillig lebten.

Die Steine wichen krachend zurück, immer waren es Kieselsteine, die unter ihren Schritten wichen und polternd nach unten fielen, die größeren, die waren fest mit dem riesigen Stein verschmolzen, vielleicht auch festgefroren. Die Geräusche klangen manchmal wie Musik, wenn ein kleiner Stein die ganzen Felsen hinunter fiel, wie bei einer Treppe, Klick, Klack, Klick...
Der Nebel lichtete sich schon nach ein paar Metern und dann sahen sie erst den richtigen Aufstieg vor sich. Es war noch ein gutes Stück, aber zum Glück wollten sie ja nicht zum Gipfel, das wäre mehr als ein gutes Stück. Dieser Gipfel, er war nämlich noch sehr weit weg, sein ganzer Schatten nahm eine übergroße Fläche ein, irgendwo hier mussten gewaltige Gebirgsketten sein. Gorthar....

Sie war sich sicher, dass sie es schaffen würden, es war schließlich nur ein einfacher Aufstieg, kein Grund Zweifel walten zu lassen, sie durften sie nicht zerfressen, sie waren selbstsicher und diszipliniert. Isabell nahm die Hand ihres Bruders und lächelte ihn an, danach zog sie ihn weiter hoch, sie durften sich nur nicht verlieren, nicht alleine lassen.
01.01.2004, 14:37 #189
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Isabell spürte immer noch wie kalt Rociels Hand war, als ob kein Blut durch sie durchfließen konnte, aber trotzdem wurde sie immer wärmer und wärmer, je länger sie sich festhielten. Es ging auch immer weiter nach oben, bald schon waren sie auf einer unglaublichen Höhe, wobei man sagen musste, es kam ihnen nur aufgrund des Neigungswinkels des Berges so vor. Eigentlich war es nicht wirklich hoch, eigentlich war es gar nicht mal so weit, aber trotzdem. Immer wieder waren große Steinflächen zusehen, die einfach so in den Berg geschlagen wurden und auch gut der Platz von einem oder zwei Häusern sein konnte. Aber Anzeichen von menschlicher Zivilisation sah man noch nicht. Der Wald war inzwischen zu einm großen schwarzen Punkt verkommen, aber sie drehte sich nur noch ein einziges Mal um, den Rest des Wegs hielt sie meistens den Kopf gesenkt, um dem immer stärker werdenden Wind keine Angriffsfläche zu bieten.
Ihre Schritte wurden von Zeit zu Zeit immer langsamer und bald schon kamen sie fast zum stehen. An ihren Füßen bildeten sich schon Eiskristalle, teils wegen des Nebels und teils auch wegen des eiskalten Windes, aber das war noch lange kein Grund aufzuhören. Natürlich gingen sie weiter. Das Schlimmste stand ihnen jedoch noch bevor, denn was sie erst gar nicht bemerkten, was aber bald kaum noch zu übersehen war, Schneeflocken fielen vom Himmel.
Es waren erst nur kleine, ganz feine Flocken die auch sofort auf dem Boden zu Wasser schmolzen. Aber es wurden immer mehr, je höher sie auch kamen. Der Wind wirbelte sie wild umher und ließ sie gar nicht erst in ihrer Schönheit fliegen, sie donnerten in ihre Gesichter, auf ihre Körper und an den Fels. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Wenn jetzt noch einer dieser Würmer gekommen wäre, dann wäre wirklich alles perfekt gewesen, aber das blieb ihnen zumindest vorerst erspart. Der Himmel war nach wie vor weiß und schneeklar, hatte sozusagen die Farbe seiner jetzigen Pracht angenommen, aber dieser Schnee war zwar schön anzusehen, doch er war ein wahres Ärgernis. Anfangs fühlte sich das ganze auf den freien Hautflächen wie dem Gesicht noch angenehm an, aber der Wind war grausam, er sorgte dafür, dass die kleinen Schneekörner wie Bolzen auf ihre Haut geschossen wurden.

Bald schon sorgte die zusätzliche Kälte für ein oder zwei Grad weniger Temperatur auf ihrer Haut und das spürte sie auch. Zwar hatten sie sich noch einmal zusätzlich angetrieben und waren noch mal ziemlich schnell weitergekommen, aber die Siedlung erreichten sie trotzdem erst mal nicht. Der stechende Schmerz tat langsam weh und sie musste auf die Zähne beißen. Aber dann merkte es ihr Bruder, obwohl er vor ihr lief, vielleicht zitterte ihre Hand ja?
02.01.2004, 04:00 #190
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Dieser Schneesturm, er mochte einfach nicht aufhören zu toben, immer und immer wieder, es ging weiter und weiter. Es war ein wahres Martyrium, doch sie konnten es nicht verhindern. Nachdem sie nun die Rüstung ihres Bruders trug, ging es ihr wirklich sichtlich besser, natürlich. Das Fell, dass sie vielleicht mit einem Schattenläufer, diese edlen Tiere, in Verbindung brachte, es glich dem Fell der Schneewölfe. Nur war es schwarz und silbern und nicht weiß und hell, sondern sehr dunkel. Es gab der Rüstung ihres Bruders dieses Unheimliche. Was außerordentlich war und sie sicher noch lange behalten würde, wenn sie diesen Sturm überleben würden war, dass sie nun spürte, wie dieser menschliche Schädel, den Rociel immer mit Rexx ansprach, nun ja...lebte. Sie spürte eine tiefe Macht von ihm ausgehen und die roten Augen, die die ganze Zeit zu beobachten schien. Aber das war nicht so wichtig, wichtiger war der Schneesturm. Noch nie waren sie so an der Grenze zum Tod wie heute. Sicher war der Pfeil auf sie viel todbringender, dahinter steckte eine Sicherheit, aber hier, hier war es eben die Unsicherheit, die das ganze noch schlimmer machte, als es eigentlich schon war. Sie wollte ihren Bruder nicht in den Tod schicken, nicht so, aber er ließ ihr keine andere Wahl. Auf jeden Fall schwor sie, würde sie ihm in den Tod folgen, wie sie es sich schon lange davor versprochen hatten. Diese Gedanken waren schon da, als es erst richtig losging zu stürmen, dabei war er noch da.
Die ganze Zeit hielt sich Hoffnung, dass er vielleicht doch überleben konnte, mit dem dünnen Umhang in einem Schneesturm im Winter beim Aufstieg eines Berges. Eigentlich gänzlich unmöglich, aber es hieß nicht umsonst, Ausnahmen bestätigten die Regel. Ja es war eine Ausnahme, aber nicht das alleine. Isabell war nicht dumm, der Sturm schädigte zwar sekündlich ihre Knochen, ihre Muskeln, ihr Fleisch und ihr Äußeres, aber nicht ihren Geist. Sie konnte das Gesicht ihres Bruders jederzeit sehen. Er hatte wieder Anzeichen in sich, Anzeichen der Veränderung. Sie waren nicht so schlimm wie letztes Mal, sie hielten sich in Grenzen, aber sie waren zweifelsohne vorhanden. Sie war froh, dass sie nicht voll da waren, wie sie es mindestens schon einmal bewiesen hatten, auch wenn es vielleicht heute gut gewesen wäre. Denn der Schneesturm kannte kein Erbarmen, es ging jede Stunde weiter, was sie auch taten, aber sie gingen immer weiter. Sie gaben nie auf.
02.01.2004, 10:37 #191
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Isabell sah in ihrem inneren Auge einen Alptraum vor sich, ja es war ein Alptraum und es war schrecklich. Die ganze Zeit windete sie sich im Schlaf, doch irgendwann hielt sie die Bilder nicht mehr aus, die ganzen peinigenden Gestalten. Mit einem Angstschrei erwachte sie aus ihrem Traum und sah sich in der Welt der Menschen wieder. Zuerst sah sie ungläubig an die Decke, es war Holz. Dann wanderte ihr Blick weiter, an den Wänden entlang, sie vernahm zwei Bilder und dann einen Kamin. Der Kamin brannte und deswegen kam es ihr hier so warm vor, vielleicht auch wegen der sicher zehn Zentimeter dicken Wolldecke. Feinste Schafswolle. Ihr ging es wieder gut, sie lebte und fror nicht mehr. Nur ihr Körper tat an einigen Stellen weh, der Kälteschmerz hatte sich wie glühender Stahl in die Haut gebohrt und der Frostbrand wirkte noch nach. Aber dieser Schmerz würde irgendwann vergehen, im Gegensatz zu dem mit der glühenden Klinge. Als sie aufstehen wollte, fiel ihr das noch schwerer, da Muskeln und Knochen auf eine große Belastprobe gestellt wurden, doch auch dies mochte gelingen. Wo war ihr Bruder? Wo war Rociel? Als sie sich endlich umdrehte sah sie ihn in einem Bett, hinter dem ihrigen liegen. Er sah ziemlich fertig aus, doch er lebte, das war die Hauptsache. Aber wo waren sie? Das spartanisch eingerichtete Zimmer sagte ihr nichts, wie waren sie hierher gekommen? Sie konnte sich nur noch daran erinnern, dass sie an irgendeine Tür geklopft hatten und dann wurde sie ohnmächtig. Vielleicht war das das Zimmer von dem Haus, womöglich der Taverne.

Sie sah einen Tisch aus Holz, einen Stuhl aus Holz und einen Kelch aus Lehm, in ihm befand sich etwas Wasser, das wohl zum trinken da war, sie benetzte damit aber ihre Augen um etwas wacher zu werden. Auf dem hölzernen Stuhl lag eine gut hingestellte Rüstung, es war ihre Rüstung, oder noch besser gesagt, die ihres Bruders. Es war die Rüstung, die ihr vielleicht den Tod erspart hatte. Darüber hing ein schwarzer Umhang, der ihres Bruders, der, so unglaublich das war, ihm vor den Tod bewahrt haben musste. Die Sachen waren nicht gestohlen, auch ihr Gold trug sie noch am Körper und auch Waffe und Goldbeutel an ihres Brudes Gürtel sah sie. Schienen also sehr ehrliche Leute hier zu sein, denn jeder andere hätte diese Schwächephase wohl ausgenutzt, hier in diesen rauen Zeiten.

Sie ging etwas zum Kamin und wärmte sich noch mehr, als es eigentlich schon war, es tat gut mal wieder ein Feuer zu sehen. Der ganze Schnee, es schien unglaublich kalt zu sein. Es war so unheimlich geworden, auf einmal. Es war wirklich komisch. Sie hätten da draußen sterben müssen, aber sie lebten noch. War es wirklich ihr Schicksal zu leben und wenn ja, warum? Warum durften sie da draußen nicht sterben, sich nicht dem Schnee ergeben? Schnee...so wunderschön und doch so todbringend.

Sie ging wieder zu ihrem immer noch bewusstlosen Bruder und nahm seine Hand. Sie war erstaunlicherweise eiskalt, trotz der, fast mochte man sagen, Hitze hier drin. Aber als sie sie berührte wurde sie augenblicklich heiß, wie konnte das sein? Leider half es nicht ihn zu wecken, sie musste also noch länger warten. Isabell strich ihm die Haare aus dem Gesicht, so dass sie es wieder frei erblicken konnte und dann, dann gab sie ihm einen Kuss in der Hoffnung, dass er bald aufwachen möge. Vielleicht mochte ja ein Kuss seine Lebensgeister erwecken.
02.01.2004, 11:49 #192
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Isabell sah sich noch mal an, sie sah in Ordnung aus, konnte sich raus trauen. Mit einem weiteren Klacken schloss sich die hölzerne Tür erneut. Es war wie ein ewiges Geräusch in ihrem Ohr geworden. Sie erkannte erst mal gar nichts. Ein hölzerner Gang verband... sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf. Also zwölf Türen. Also hatte das Gebäude etwa zwölf Zimmer. Eine beachtliche Anzahl, allerdings hatte sie verständlicherweise noch keine Gelegenheit gehabt sich das Gebäude von außen anzusehen, auch die Siedlung war noch nicht ein einziges Mal an ihr Auge getreten, nun ja, gestern viel es ihnen schon schwer zu erkennen, was Häuser und was Hütten für die Tiere waren. Aber das war jetzt auch nicht das wichtigste der Welt, hauptsache sie konnte etwas Warmes für ihren Bruder finden und sich ein besseres Bild von dem ganzen hier machen.
Die logische Konsequenz war, dass sie dann den Gang entlang weiterschritt und die hölzerne Treppe runter lief. Ihr fiel sofort etwas auf, das war die erste Treppe in einer Taverne, die nicht aus Altersschwachheit ächzte, sondern nur das Klacken ihrer Stiefel wiedergab. In der Taverne waren nur drei Menschen, sie schienen Bergarbeiter zu sein, trugen solche Kleidung, auch drei Hacken standen am Eingang in einer eigens dafür gemachten Vorrichtung. Die drei Männer fingen an zu tuscheln, als sie gekommen war, das konnte sie genau sehen, sie wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war und was sie tun sollte, überhaupt stand sie ziemlich unbeholfen dar, da sie nicht so recht wusste, was sie tun solte, aber wenigstens der Wirt lächelte sie an, aber taten Wirte das nicht immer?

Er hatte eine weiße Schürze um den Hals und hinter ihm standen drei Regale mit einer Menge an Flaschen und Krügen. Blaue, Grüne, Rote und Gelbe, alle Farben waren hier vertreten. Hinter der Theke war ein Eingang, der mit Sicherheit in die Küche führte, das kannte sie ja schon aus den Zeiten in Drakia. Der Wirt war etwas zu dünn für einen Wirt, die meisten Wirte hatten doch immer einen Bierbauch, aber dieser hier nicht. Er wirkte auch nicht sehr alt, mehr wie Anfang dreissig, ein ziemlich glattes Gesicht für einen Mann, kleine Bartstopeln und ein Schwert an der linken Seite. Ein Schwert bei einem Wirt? Das überraschte sie, aber es herrschten wahrlich raue Sitten. Irgendwie brachte sie dann doch noch ein paar gestammelte Worte heraus, die für einen Satz sicher nicht gereicht hätten.

I: Ähm...guten Tag, ich...
W: Guten Morgen. Was hat euch eigentlich geritten in einem Schneesturm hochzukommen? Als ihr hier reingeschneit kamt hattet ihr Glück, ich konnte nicht einschlafen, hab noch Kassensturz gemacht. Wenn ich geschlafen hätte...mich weckt so schnell nichts auf.
I: Ihr wart es also gestern, der stämmige Mann, ich habe nur eure Konturen gesehen, bis ich ohnmächtig geworden bin.
W: Tja, man tut was man kann, ich habe euch gerne geholfen, wirklich. Wir aus Teljarsfeld sind nette Menschen, zwar wirken wir manchmal etwas komisch, aber eigentlich gibt es hier keine schlechte Haut. Dadurch, dass wir so weit weg von normalen Welten sind und auch nur eine kleine Siedlung gibt es hier auch keine Diebe oder Mörder. Naja, es gibt auch wenig Frauen, sonst gebe es Herzensdiebe und Liebesmörder, hähähä. Stimmt's Jungs.
C: (Chor): Juppp
W: Nein im Ernst, wir Menschen halten zusammen, nicht alle sind so schlechte und gleichgültige Seelen wie in der Stadt.
I: Jedenfalls danke ich euch, wahrscheinlich habt ihr uns mehr oder weniger das Leben gerettet. Aber jetzt habe ich eine Bitte an euch. Könntet ihr eine Suppe kochen, irgendetwas kräftiges. Es sollte am besten die ganze Kälte wegpusten.
W: Für euren Mann?
I: Nein für meinen Bruder.
W: Hm, ich denke ich habe etwas ganz besonderes, schmeckt zwar nicht gut, macht aber garantiert fit.
I: Nun, wenn es ihm nicht schmeckt bringt er nur mich um, hauptsache es wirkt auch.
W: Das wird es, wartet etwas, ich muss erst noch das Wasser aufsetzen.
I: In Ordnung.


Isabell sah den jungen, gutaussehenden Wirt in der kleinen Nische verschwinden und drehte sich dann von der Theke weg und schaute auf die drei Männer. Sie saßen alle vor ihren Schüsseln und schienen irgendeinen Brei zu essen. Ob das gut schmeckte? Sie hatte Zweifel. Trotzdem sah sie den Männern weiter zu, was sollte sie auch anderes tun. Dann aber ertönten Stimmen, die Männer schienen wohl fertig zu sein.

J: (Jemand): Sag mal Mädchen, was wollt ihr hier in Teljarsfeld?
I: Meint ihr mich?
J: Naja sonst ist ja hier keine weibliche Person mehr, höchstens Eddi.
E: Blödmann!
C: Hahahaha
I: Nun ja, mein Bruder wollte hier hin. Er sagt, hier würden wir endlich mal warme Kleidung bekommen, für den Winter und so...außerdem gibt es noch etwas was er hier will. Ich glaube es hat was mit Händlern zu tun.
J: Hmmmm...fahrenden Händlern?
I: Möglich, so genau weiß ich das nicht.
J: Euer Bruder hat Glück, momentan halten sich drei sehr bekannte Schwarzmarkthändler hier. Aber das wisst ihr natürlich nicht von uns.
I: Natürlich nicht... Darf ich euch mal etwas fragen?
C: Klar
I: Was wird hier in Teljarsfeld gemacht?
J: Nun wir bauen hier schwarzes Erz ab. Das wird dann zu Schwarzstahl geschmolzen. Schwarzstahl ist typisch für Gorthar und kommt hier sehr häufig vor. Dieses magische Erz aus dem Minental werdet ihr hier nicht finden.
I: Und wie lebt es sich hier so?
J: Oh oh, wie lebt es sich hier?...
J: Nun es ist kalt, meistens zumindest und die Arbeit ist nicht immer leicht, aber dafür sind wir hier eingeschweißte Brüder. Wenn hier nicht jeder dem anderen vertrauen könnte, dann wäre das hier lange nicht so erfolgreich, wir haben alle genug Gold und deswegen kommen auch die Schwarz, ähm naja die fahrenden Händler hier hoch. Einige haben auch eine Frau und Kinder, aber nur sehr wenige, die meisten Frauen verabscheuen das Leben hier oben. Mich wunderts, mal wieder eine zu sehen, hähähä.
J: Wir mögen vielleicht ein paar rohe Sitten haben, aber lasst euch nicht täuschen.
I: Hm, jetzt weiß ich wenigstens etwas über diese Gegend hier. Danke euch.
W: Die Suppe ist fertig.
I: Oh, sehr gut, dann werde ich sie meinem Bruder mal bringen. Danke auch euch.
W: Ach das ist meine Arbeit.


Und dann ging sie wieder hoch, eine Suppenschüssel in der Hand und etwas Brot. Hoffentlich half das auch...
02.01.2004, 14:37 #193
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Diese Suppe, also sie hatte wirklich eine ziemlich eindeutige Wirkung, wenigstens wirkte sie und das nicht gerade langsam. Das ihrem Bruder jetzt schwindlig war, das war für sie nichts neues, denn er musste wirklich Unmengen an Körperflüssigkeiten verloren haben. Diese Nebenwirkung hätte man vielleicht noch irgendwie verhindern sollen, aber wenigstens schien er jetzt wieder mehr oder weniger geheilt zu sein. Aber bei seiner Einlage konnte sie einfach nicht hinschauen. Ein leises Röcheln war von dem Bett zu hören, er wirkte wenigstens nicht tot und das war zumindest ein gutes Zeichen. Komischerweise nahm sie es mit einer gesunden Portion Sarkasmus auf, obwohl es ihrem kleinen Bruder jetzt sicher nicht gut ging und ihm sicher noch weniger zum lachen war. Irgendwann hatte er sich wieder gefangen, Isabell hatte unterdessen die schöne Rüstung genommen und strich noch einmal über das sanfte Fell und dachte daran, dass diese Rüstung vielleicht ihr Lebensretter war und natürlich auch ihr Bruder, aber das war er sowieso schon längst. Irgendwann erhob sich die Gestalt dann von dem Bett, sie hielt sich den Magen, als ob er gleich abfallen würde und krümmte sich noch ein wenig, aber wenigstens saß er da, sein Gesicht war noch immer nicht ganz normal und hatte dieses Erhitzte, aber sein Blick verriet mehr als tausend Worte, die sie aber trotzdem hörte.

R: Oh man, was war da bloß für Zeug drin?
I: Du kannst den Wirt ja mal nach dem Rezept fragen.
R: Ich hab ne bessere Idee, du isst den Rest von der Suppe.
I: Die ist doch schon längst kalt.
R: Na um so besser orrrrrgggg, man ist mir übel. Ich könnt fast schon wieder brechen, wenn ich nur daran denke wie übel mir ist.
I: In deinem Magen ist doch gar nichts mehr, bist du sicher, dass noch alle Organe und Darme drin sind?
R: Sehr witzig Schwester, orrggggg.
I: Na komm schon, dir gehts doch wieder besser oder?
R: Schon...
I: Na also, dann können wir ja mal runtergehen.


Sie gab ihrem Bruder die Hand und half ihm dann beim Aufstehen, danach kleidete sie ihn in Rüstung und Umhang, dem sie ihm wieder zurückgab, zumindest bis zum Rückweg. Danach verließen sie das Zimmer und nahmen noch die Suppenschüssel mit. Rociel wirkte zwar noch etwas stapsig, aber laufen konnte er und mit der Zeit würde auch der Magen aufhören zu rebellieren, so wenig wie da jetzt nur noch drin war.
02.01.2004, 18:40 #194
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Natürlich war ihr aufgefallen, wie ihr Bruder da mit dem Wirt redete, aber sie konnte leider nichts verstehen, also bemühte sie sich auch gar nicht erst in darauf anzusprechen, erstaunlicherweise schien es ihm wieder richtig gut zu gehen, oder hatte er während des Gespräches seine Bauchschmerzen vergessen? Schon möglich, aber auch kein Grund da weiter drauf zu achten, ihr Gespräch mit den drei Arbeitern war auch nicht gerade schlecht. Sie hatte gefragt, warum sie denn nicht arbeiteten und die Antwort schien irgendwie logisch, sie hatten einen freien Tag. Dann endlich konnten sie gehen, Hunger hatte sie schon, aber in der Rücksicht auf ihren Bruder hatte sie nichts gesagt, er wollte jetzt bestimmt nichts essen. Als sie dann damit rechnete, dass sie gehen wollte, wohin auch immer, überraschte sie Rociel mal wieder.

R: Hast du Hunger Isabell? Du musst doch total geschwächt sein oder? Hast du wenigstens was heute Morgen gegessen?
I: Nein, ich...ähm...ich.
R: Na prima, dann mach es dir gemütlich und lass dir von unserem Freund hier etwas zu essen bringen. Du verstehst sicherlich, dass ich nicht an dem Mahl teilnehmen kann, denn mir ist immer noch dank dieser verflixten Suppe speiübel. Ich werde wohl solange mal ein wenig spazieren gehen. Also bis nachher, tschüß.
I: Aber...hey...tschüß.


Er war einfach so gegangen und hatte sie gar nicht zu Wort kommen lassen, dabei schien er es aber kaum unabsichtlich zu machen. Er hatte irgendetwas vor. Er wollte sie absichtlich loswerden. Die Frage war nur, sollte sie ihm folgen, oder sollte sie lieber ihrem Magen folgen.

Ein Magenknurren später....

Der Hunger hatte gewonnen, sollte er doch machen was er wollte, sie war schließlich nicht sein Dienstmädchen und immer hinterher gehen musste sie auch nicht. Also blieb sie in der warmen Taverne und lehnte sich gegen die Theke, wo sie sofort vom Wirt angelächelt wurde.

I: Einmal das Abendessen, was ihr da so da habt, aber tut mir einen Gefallen, nichts, was dieser Suppe gleicht.
W: Geht klar.
01.02.2004, 19:56 #195
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Das Essen war warm, lecker und sättigend, doch irgendwie hatte sie gar keinen Hunger mehr. Er war ihr buchstäblich im Halse stecken geblieben. Jetzt waren sie hier, auf diesem Berg, oder besser gesagt auf einem Hang des Berges, der eigentlich ein großes Gebirge war und nun wusste sie nicht weiter. Was wollten sie hier bloß? Neue Kleidung hatte sie hier noch nicht gesehen, nur erfahren, dass morgen so was wie ein Markt hier war. Das dann anscheinend alle Händler kamen und sie versammelten, auf dem Marktplatz der kleinen Bergarbeitersiedlung und das dann wieder viele Geschäfte getätigt würden. Dennoch. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken hier zu bleiben. In den letzten Stunden hatte sie viel nachgedacht, weniger über Rociel oder das Essen hier, auch nicht über den Schneesturm und dieses Geheimnis, das sie hierher trieb, nein, es war anderer Natur. Isabell musste an Drakia denken, kein Heimweh und auch keine direkte Sehnsucht an ihre Heimatstadt, es war nur...so ein Gefühl. Egal wo sie auch gewesen sind, irgendwie war nichts so sehr vollkommen, als das sie sich wohlgefühlt hätte. Dabei lag es vielleicht am Winter, der all dies so hart machte, das Leben und auch die Gefühle. Sobald des Frühlings erste Knospen sprießen, würde sicher auch ihr Herz aufgehen.

Die Taverne war warm, gut beheizt und bot großem Komfort gegenüber dem da draußen. Auf dem hölzernen Mobiliar saß es sich gut und Essen und Trinken war genug da, selbst die Betten waren weich und sie hatte nichts daran auszusetzen, doch da gab es dennoch Dinge, die eine Freude verhinderten. Tiefe Sorgenfalten gruben sich in ihre junge Stirn und regten zum grübeln an. Immer wieder drangen Bilder an ihr Auge, Bilder der vergangenen Zeit. Schöne und grausame Zeit zugleich. Die Schlacht um das Amulett und die Schizophrenie die sie in dieser Schmierenkomödie spielte und auch die Zeit danach. Immer wieder war es das Blut, das ihren Weg beflecken sollte. Sie sah es vor sich und wurde nur noch trauriger. Ab und zu lehnte sie ihre Hände vor und starrte auf sie, nur um sicherzugehen, dass kein Blut mehr auf ihnen war, sehr zur Verwunderung der anderen Gäste und dem Wirt. Dann aber sah sie wieder fort und wollte weg.

Wie sie so über die Schwertklingen fuhr, da erkannte sie den Weg, der nur über den Kampf führen konnte. Langsam stand sie auf und ging wieder hoch zu ihrem gemeinsamen Zimmer. Isabell schloss nur die Tür hinter sich, schloss aber nicht ab. Als sie alleine in dem kleinen, rechteckigen Raum war, konnte sie es wagen die Klingen zu ziehen. Lautlos glitt der Stahl aus den Scheiden und blieb in ihren Händen willens. Auch an den doch sauberen Spitzen sah sie rotes Blut hängen und sah, wie es langsam auf den Boden tropfte. Plitsch, Platsch, Plitsch... Sie konnte die Tropfen gut hören, wie sie die Lache bildeten und wie bald schon ein Strom entstehen könnte. Aber sie verfiel dieser Versuchung, diesem Wahn nicht. Ruhig und gelassen wirbelte sie das Schwert herum, seitlich und präzise tauchte es unter allem hindurch, mit der Kraft der Gedanken ließ sie Gegner erscheinen und doch war sie grazil wie eine fliegende Feder eines weißen Adlers.

Das ging eine ganze Weile so, immer wieder segelten die Schwertspitzen nur knapp an Wänden und anderen Dingen vorbei, doch nichts wurde beschädigt, nichts zerstört. Bis sie auf einmal einen Gegenpol spürte, eine Macht die sich lautlos genähert hatte und als sie ihre Augen wieder aufriss stand da ihr Bruder, eines ihrer Schwerter zielte auf seine Kehle, Zentimeter von Halsschlagader entfernt. Erschrocken ließ sie beide Klingen aus den Händen fallen und taumelte, doch ihre Hand und damit ihr Körper konnten nicht fallen, da Rociel sie im Fallen aufhielt. Was machst... du hier?
02.02.2004, 18:32 #196
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Sonnenschein über den Bergen, irgendwo würde Schnee abtauen und die Flüsse und Bäche in Gorthar mit frischem Quellwasser tränken, solange bis wieder ein Schneesturm über dem gefürchteten Gebirge stürmen würde. Die Luft war bitter kalt und gab keinen Grund zur Hoffnung. Doch Hoffnung war ihr ständiger Begleiter, jeder Versuch sie abzulegen scheiterte, war es doch in ihnen verankert wie kaum woanders. Wo sie ohne sie wären? Es war ein Wahnsinnsunterfangen, das er da vorhatte, aber trotzdem glaubte sie an den Erfolg. Isabell würde sich nichts sehnlicher wünschen als endlich wieder an Ashisou zu kommen, doch es grenzte scheinbar an eine Unmöglichkeit. Sie traten dort an den Rand eines Abgrundes. Sie standen an der Grenze zu einer Mauer, durch die sie hindurchgehen mussten. Und doch schien sie zu schweben, wie eine Feder im Wind. Sie hielt sich das immer wieder vor Augen, fühlte es sich doch wirklich so an. Wie eine Feder im Wind...

Der Marktplatz war genauso kühl wie auch jeder andere Platz im Freien, er war nicht besser und nicht schlechter als andere Plätze, doch im Innern einer warmen Taverne würde man sich sicher wohler fühlen, mit etwas Schinken und frischem Brot, einem warmen Wasser oder vielleicht auch einem anderen Getränk. Aber noch ging es. Der Markt war größer als jemals erwartet worden, er war sehr größer, erstreckte er sich doch in zahlreichen Nebengassen weiter. Isabell hatte den Generalauftrag bekommen nach warmen Wintersachen zu sehen, das was sie am meisten benötigten waren Kleider und Stoffe, sie hatten genug Gold für Essen, für Trinken und Waffen hatten sie auch. Aber was sie eben nicht hatten waren warme Kleider und diese würden sie sehr brauchen, wenn sie auch nur einen Hauch von einer Chance in den Gletschern haben wollten. Es gab viele Dinge zu erwerben, Nahrung und Waffen, sowie Werkzeuge lagen noch am höchsten im Kurs, doch drei Händler führten auch Kleidung, selbstverständlich warme Kleidung, denn etwas anderes wäre man wohl kaum hier losgeworden. Felle waren viel hier, aber auch andere Kleidung, in die Federn, Felle oder dicker Stoff verarbeitet wurde. Vieles interessante bot sich ihrem Auge, sie befühlte und sah sich die Sachen an. Die Händler waren freundlich zurückhaltend, die eine oder andere Parole kam auch hier über ihre Kehlen, doch es war nicht wie auf den Märkten in der Stadt, wo man immer angebrüllt wurde. Sie wussten, dass hier in Teljarsfeld nicht so viele Menschen waren.

Doch der Markt war gut besucht, viele Bergarbeiter waren hier, war es doch unsicher, wann denn mal Markttag war, konnten doch durch Schneestürme und unwirsche Katastrophen die Märkte immer mal wieder ausfallen. Auch einige Frauen waren hier, es gab wirklich nicht viele Frauen hier oben, am Fuße des großen Gebirges, doch die die hier waren schienen sich tapfer zu schlagen. So suchte sie zwischen Bärenfellen und Schafswollkragen, zwischen Schattenäuferhosen und Wildfangpelz, zwischen Wolfspelzhüten und Harpyienleder. Es war nicht leicht sich zu entscheiden, besonders weil ihr Bruder weg war. Nur mal kurz weg, schau du weiter...hatte er gesagt, doch das war vor einer Viertelstunde. Sorgen machte sie sich nicht, im Gegenteil, Isabell war genervt von dieser Abwesenheit, wo war ihr Bruder nur schon wieder...
02.02.2004, 19:15 #197
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Am Marktplatz trafen sie sich dann wieder. Rociel hatte Glück, dass es ein langer Markt war, kaum ein Händler hatte seinen Platz zur Mittagszeit geräumt und es schien nicht so, als ob dies vor dem späten Nachmittag jemand tun würde. Sie hatte zwischendurch einmal eine Pause gemacht. Die Händler hatten hier einen guten Umsatz, auch wenn nicht immer in Gold bezahlt wurde, ein paar Käufer, das konnte sie sehen, bezahlten ihre Waren auch mit Schmuggelware. Aber das war ihr herzlich egal, sie hatte inzwischen gefunden, was sie suchte. Bei dem größten Kleidungshändler wollte sie eine Bärenfellweste kaufen. Sie war weich, roch nicht mehr nach dem erlegten Tier und bot genügend Schutz. Es war ein überaus dickes und zähes Fell und es würde sicher sehr warm darunter sein. Dann hatte sie noch eine enge Bluse gefunden, fast mochte man es Korsett nennen. Eigentlich war es auch eins, aber eben nicht ganz. Man schnürte es hinten zu, es bestand aus einem lederartigen Material, dass als Fell einer ihr unbekannten Wurmspezies gehandelt wurde. Jedenfalls sollte dieser Fetzen den Oberkörper zusätzlich schützen. Dann hatte sie noch eine Hose gefunden. Sie war etwas ganz besonderes, denn in ihr wurden kleine Metallplatten eingearbeitet, aber nicht über den ganzen Teil, sondern nur über kleine Teile an den Knien und an dem Fußbereich. Das Material war aus Wolfspelz. Diese drei Teile sollten ihr diesjähriges Winteraussehen prägen, auf jeden Fall stand die Eleganz dem Nutzen in nichts nach, nur das klobige Bärenfell ließ sie unnatürlich rund erscheinen, doch das war bei dieser Expedition sicher nicht wichtig. Insgesamt waren die Sachen teuer aber erschwinglich, zweihundertdreiundvierzig (243) Goldstücke betrug der Preis. Ihr Bruder begutachtete die Sachen sehr kritisch, doch am Ende der Untersuchung wandte er sich ihr nur kurz zu und sagte lächelnd, du hast einen guten Geschmack. Dann verschwand auch er bei den Kleidungshändlern und sie folgte ihm langsam, musste sie doch die ganzen Sachen schleppen, dann angezogen hatte sie noch nichts davon. Rociel hetzte über die Stände und schien überhaupt keine Geduld mehr zu haben, wie unter Zeitnot beriet er sich kurz mit den Händlern und war immer wieder empört über die Preise. (Das ist doch dieser Schund nicht wert, für das Selbstgenähte soll ich zahlen?...)
Doch dann half sie ihm bei der Suche und gemeinsam fanden sie recht schnell etwas Passendes. Da er noch seine Rüstung hatte und diese auch nicht hergeben würde, war die Suche einfacher, doch besonders im Unterleibsbereich statteten sie ihn vollkommen neu aus. Eine wahrlich dünne Hose war das einzige, was er trug, diese wurde nun durch eine dicke, warme Hose ersetzt, es war wieder Bärenfell, aber das eines Schwarzbären, so dass sich farblich nichts änderte. Dann noch eilte er wieder in Eile zum Rüstungshändler und kaufte sich Armschienen aus schwarzem Leder. Es waren mehr Armbänder, aber die Flächen, die außerhalb der verlängerten Rüstungsschiene lagen, waren auch nur durch sein dünnes Samthemd bedeckt. Am Ende bezahlte er für die beiden Teile sogar mehr als sie, nämlich zweihundertfünfzig Goldstücke, aber so richtig vergleichen konnte man das nicht. Dann aber schien schon wieder Eile angesagt zu sein, ohne wirklich zu wissen, warum sie eigentlich so hetzten, schleppte er Isabell wieder in die Taverne zurück. Stellt uns bitte Proviant und Feuerholz für drei Tage zusammen. Die Anweisungen an den Wirt wirkten knapp und planend, doch sie konnte nur milde lächeln, ehe sie schon weitergezogen wurde.

Als sich die Tür hinter ihnen schloss, war aber Schluss. Mit einem wütenden Blick, der mehr oder weniger glückte, wollte sie endlich wissen, warum sie es so eilig hatten und über die halbe Siedlung rennen mussten, doch alles was sie auf die Frage erntete war ein mieses Grinsen ihres Bruders, was sie noch wütender machte. Aber während er noch seine Sachen anlegte, schien er dann doch auf ihre Frage einzugehen, er hatte es also nicht ignoriert...

Also ich hab mich schlau gemacht, gleich nach unserer erneuten Ankunft hier, werden wir abreisen und zwar nach Gorthar. Ich habe erfahren, dass es da einen Drachenjäger gibt, hast du gehört Schwester, einen Drachenjäger! Und was macht so ein Drachenjäger? Richtig, er verkauft die Schätze eines Drachen. Zumindest hoffe ich das, sonst drehe ich diesem dreckigen Wiesel den Hals um. Der Typ der mir die Informationen verkauft hat, weißt du...
Also, ich hoffe stark darauf, dort die Schuppen kaufen zu können, denn wo soll man schon einen echten Drachen finden und dann noch erlegen? Hörst du mir überhaupt zu?


Isabell nickte nur kurz, sie hatte schon gar nicht mehr daran geglaubt, denn selbst wenn die Schneewölfe nicht ausgestorben waren und sie es schaffen würden die Feuerwarane zu erlegen, wie sollte man heutzutage noch Drachenschuppen bekommen. Ihre Rüstung war ein altes Geschenk, aber nicht selbst gemacht, dennoch hatte sie es erlernt, sie konnte sich noch gut an diesem einen Tag im Maisommer erinnern, an dem Tag, wo sie diesem Geschöpf begegnet war, das ihr diese Rüstung schenkte und ihr die Geheimnisse verriet. Ashisou war einzigartig, man würde sie nie kopieren können, aber wenn es wirklich gelingen sollte...dann würde ihre Schwester ebenfalls stark werden.
Jetzt wurden ihre Augen ein wenig glasiger als zuvor, die Gedanken an Ashisou brachten Gedanken an Kryliyx und dieser war zwar besiegt, aber noch nicht vergessen. Und dann war da ja auch noch die Freude, vor allem war sie stolz so einen Bruder zu haben, auch wenn sie ihn manchmal hasste, natürlich nicht wirklich. Jaja, sicher Bruderherz, fahr nur fort, warum diese Eile? – Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich weiß, es könnte auch Irrglauben sein, aber ich spüre schlechtes Wetter. Das können wir uns nicht leisen, deswegen will ich so schnell wie möglich los, verstehst du? Isabell nickte, schlechtes Wetter war hier oben wirklich ein Problem, in den Höhenlagen wurde Luft dünn und Schnee zum tödlichen Weiß.

Sie machte nun schneller, so dass sie schon bald in der Lage waren aufzubrechen. Es fiel schwer das gemütliche Dorf zu verlassen, sie hatte es richtig zu mögen gelernt, doch es blieb ihnen keine Wahl. Dieses Mal waren die Rucksäcke kleiner und leichter, aber dafür wichtig. Der Wirt wurde von Rociel bezahlt, für alle Dienste, die sie in Anspruch genommen hatten (60 Gold), danach verließen sie die Taverne und schon kurz darauf die Siedlung durch das nördliche Tor. Es war später Mittag, früher Nachmittag, als sie ihre Suche begannen, auf der Suche nach den legendären Schneewölfen, die längst nur noch in ihrer Erinnerung existierten...
03.02.2004, 19:20 #198
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Bald schon brannte in dieser Art Freiluftaussichtsplattformhöhle ein klitzekleines Feuerchen, dass sogar mit seiner Wärme den Schnee ein paar Zentimeter neben jeglichem Boden zum schmelzen brannte. Durch die Enge der Höhle wurde es sehr schnell warm und das war sicher auch das Ziel, dass sie verfolgten. Mit dem Brennholz musste sparsam umgegangen werden, reichte es doch gerade mal für drei Tage. Genau wie der Proviant. In der Dunkelheit der nun immer schneller kommenden Nacht schien auch der Tag hier zu enden. Bald schon warf das Feuer, kleine Schatten von sich, die immer größer wurden, je dunkler es wurde. Es war ein scheinbar normales Bild, zwei Menschen abends bei einem Feuer sitzend, das Schatten warf, doch das war es nicht. Es war wirklich ungewöhnlich, einfach nur so dazusitzen und etwas auf Zwieback und Schinken herum zuknabbern. Isabell dachte sich, dass es sicher besser wäre heute noch mehr zu essen als morgen und morgen mehr zu essen als übermorgen. Denn jeder Tag konnte schon der letzte sein und der Proviant könnte verloren gehen. Und außerdem waren die Sachen jetzt noch frisch, doch sie würden immer härter und gefrorener, desto länger sie warteten.

Unter dem Knacken der Äste wurde es wieder leiser, man konnte nicht unbedingt gut liegen, doch es ging mehr schlecht als recht. Zwar stießen sie sich immer wieder an den Beinen des Anderen, doch wenigstens war es mehr oder wenig möglich auf dem Boden zu liegen. Ohne die Winterkleidung wären sie sicher schon längst erfroren. Besonders das Bärenfell bot sehr viel Schutz vor Kälte, war dafür alles andere als einfach zu handhaben und sehr schwer, zumindest für sie. Aber die Rüstung war noch ein wenig schwerer gewesen und so hatten sich Schulter und Rücken schon an das Gewicht gewöhnt. Und da der ohnehin nicht so schwere Rucksack immer leerer wurde, würde auch dieses Gewicht in den nächsten Tagen noch schwinden.

Irgendwie schien es Zeit zu sein zu schlafen, doch sie fühlte sich gar nicht müde. Im Gegenteil, sie hatte dieses eine Ei aus dem Proviantrucksack genommen und sah es sich längere Zeit an. Nach einiger Zeit musste sie dann einfach fragen, denn eine Antwort fand sie nicht...Sag mal, wozu haben wir eigentlich die Eier dabei? Ich meine, hast du eine Pfanne? Oder wie sollen wir sie zubereiten? Ihr Bruder war in seinem Schatten kaum zu erkennen und regte sich auch nicht, fast schon war sie der Meinung, dass er sicher schon eingeschlafen war, doch dann höhnte ein leises Kichern aus seiner Schlafecke. Hrr...Hrrrr...Hahahaha...keine Pfanne...Wir haben Eier und keine Pfanne. Ich bin gerade am einpennen und dann erzählst du mir, wir haben keine Pfanne, harharhar. Tja, was soll ich sagen…du hast Recht. Ich habe mir selber noch gar nicht so die Gedanken drüber gemacht, aber du hast Recht. Tja. Das bedeutet wohl, dass wir weniger Proviant haben als gedacht und noch sparsamer sein müssen... Das war wohl wahr, sie mussten noch sparsamer sein. Doch noch hatte sie keinen Hunger, noch genug zu essen. Und man starb ja nicht gleich, nur weil man einen Tag nichts aß. Ein paar Tage ohne Nahrung würden sie es sicher aushalten, auch wenn die Anstrengung und die Kälte hier mehr Kalorien forderten als eine Wanderung im Tal, wo die Luft nicht so dünn war. Dennoch, noch war sie zuversichtlich. Der heutige Tag hatte ihr Selbstbewusstsein gegeben, auch wenn sie nicht seit dem Morgen unterwegs waren und noch keine Frostnacht in dieser Bibberkälte verbracht hatten, es war ein guter Anfang gewesen.

Lange noch lag sie da, die Knie angewinkelt und die Arme unter ihren Kopf gebracht. Ein weiches Kissen war der verlängerte Teil ihrer Fellweste zwar nicht, doch wenigstens tat der steinerne Boden nicht so weh. Sie konnte immer noch nicht einschlafen, blieb noch eine Viertelstunde so wach. Mit dem Blick zu den Sternen, die am Nachthorizont standen, sie lag genau zum Eingang des kleinen Windschutzes, ihr Bruder davor. Mondlicht mochte auf seinem Körper scheinen, doch sein Gesicht sah man trotzdem nicht. Auch wenn sie damit rechnete, dass er schon lange schlief, fragte sie dann noch einmal, selbst wenn keine Antwort kam, war es ja nicht so schlimm. Sag mal Bruder, hast du dich schon mal gefragt, warum es so viele Sterne gibt? Lange Zeit wartete sie, doch Rociel sagte nichts mehr. Obwohl er noch wach war und die Augen offen, schwieg er still und ließ sie im Glauben er schlief. Vielleicht wäre ein Gespräch jetzt nicht so wichtig gewesen, als der Schlaf.

Das Feuer knisterte leiser, Holz knackte um so lauter. Bald schon würde es ausgehen, so in zwei, drei Stunden. Doch bis dahin würden sie die Wärme noch haben und dann im Schlaf würden die warmen Pelze und Felle sie hoffentlich wärmen. Die erste Nacht hier oben, in den Gletschern, sie war so was wie eine Herausforderung an den Körper. Isabell legte sich jetzt auch endlich hin und versuchte zu schlafen, doch kurz bevor es dann gelang, hörte sie noch die Wölfe in der Ferne heulen. Ganz deutlich war das Wolfsheulen in ihrem Ohr zu klingen, anscheinend warteten sie schon. Das jedenfalls dachte ihr Bruder, der nun ebenfalls ganz wegnickte, er konnte viel besser einschlafen, schon immer. Sie waren an einen Punkt gekommen, wo es kein Zurück mehr gab, sie hatte sich für diese irre Expedition entschieden, ob sie heil heraus kommen würden, das stand in den nächtlichen Sternen, die funkelten wie die schönsten Edelsteine diesseits der Erdseite. Vielleicht wussten die Sterne ja Antwort auf diese Frage, doch für diese Nacht schwiegen sie, ließen dem ruhigen Gebirge seinen Schlaf...
04.02.2004, 20:17 #199
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Es war schon komisch, aber sie fror immer noch nicht. In der Nacht war der Schlaf angenehm gewesen, sie hatte sogar etwas geschwitzt. Und auch jetzt musste sie nicht zittern oder frieren, einzig alleine im Gesicht war die Kälte spürbar, ihre Ohren waren zum Glück durch die Haare geschützt, aber der Rest bekam den eisigen Wind ab. Zum Glück war es kein starker Wind, sondern nur eine sanfte Brise, aber deswegen wurde es kein Stück angenehmer. Nun sollte also der zweite Tag anstehen und noch immer wusste sie nicht, ob sie überhaupt eine Chance auf Erfolg haben würden, denn bis jetzt hatte sie noch keinen Hauch von einem Schneewolf gesehen, nicht mal ein normaler Wolf war zu erspähen. Doch diese Spalte in die sie jetzt kamen, sie gab all ihren bisherigen Bemühungen neue Hoffnung. Sofort bemerkten sie es beide, es war nicht schwer zu erkennen, denn die Spuren waren noch frisch. Die Pfoten hatten sich in den weißen Schnee gedrückt und hinterließen eine deutlich sichtbare Spur, die genau in diesen Spalt führte. Das es die Abdrücke von Wölfen waren, daran gab es keine Zweifel. Ihre Augen leuchteten hell auf, geblendet vom Jagdfieber und vom Wahnsinn ihrer Mühen ging es weiter, immer ein Auge auf die Spur und dann wieder auf den Schnee und immer noch sicherte einer das Gebiet, während der Andere mehr auf das, was vor ihnen lag, achtete.

So ging das eine ganze Weile, vergessen waren die Landschaft oder der Himmel, das Wetter und die Kälte, die immer noch eisig und eisern unter null Grad lag, jetzt zählte nur noch dieser eine Weg. Es war kaum überraschend, doch die Falle schnappte mehr oder weniger nicht zu. Sie hatten sich kurz zuvor abgewechselt und Isabell ging nun vorne. Es war nur ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, da tappte sie ohne Sicherung in das Schneeloch. Ein tiefes Loch war da, der Schnee hauchdünn darüber und so rutschte sie hinein, konnte im letzten Moment aber noch Rociels Hand ergreifen. Das Loch war gut fünf Meter tief und hätte sicher zu einigen Problemen geführt, sowohl in Hinsicht auf die Knochen als auch auf die Frage, wie man da wieder rauskommen sollte. Doch noch war es ja gut gegangen.
Isabell klopfte sich den Schnee von Brust und Beinen, doch damit war ihre kleine Pechsträhne noch nicht vorbei. Als ob die Wölfe es gemerkt hätten, dass jemand in das Loch getreten war, stürmten zwei von ihnen heran, ihr Knurren war schon lange zuvor zu hören und gab ihnen genug Zeit sich in Stellung zu bringen. Sie hätten es sich fast denken können, dass die hochsensiblen Tiere ihre Witterung aufgenommen hatten, doch eigentlich war es Glück das sie hatten, würden sie doch nun sehen, ob es hier wirklich noch Legenden gab.

Angespannt war die Situation, sie waren weg von den Löchern, hatten sich an eine Stelle gebracht, wo der Schnee nur dünn den Boden bedeckte, wo man gut stehen und kämpfen konnte. Sie hatte beide Schwerter gezogen, denn bei unbekannten Gegnern auf fremdem Terrain konnte man sich keine Spielereien leisten. So warteten sie, doch man enttäuschte sie nicht, ihre Wartezeit betrug nicht lange, keine halbe Sekunde nach dem Einbruch in das Loch war es dann soweit...
06.02.2004, 17:16 #200
Isabell
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[Q] Das Land Gorthar # 7 -
Sie musste ein wenig keuchen, die Anstrengungen des Kampfes waren heftiger als erwartet, doch auf den Knien lehnend und tief Luft holend konnte schon bald ein geregelter Sauerstoffhaushalt gewährleistet werden. Ihre blutigen Schwerter und das Blut im Schnee ließen die einst so schöne Landschaft unwirsch erscheinen, nun lag auch hier der Tod, schwebte über ihren Köpfen, aber nicht um sie zu holen. Es waren andere, die wieder einmal an der Reihe waren. Isabell machte sich nicht so viele Gedanken über den Tod der Tiere, sie sah es berechnend. Sie war auch tierlieb und sah sie gerne, doch sie wusste eine klare Grenze zu ziehen, anders als ihr Bruder. Sie wollte nicht unbedingt auf dieser einen Aktion drauf rumhacken, doch noch immer war sie verwirrt. Diese Schwäche war selten, man sah Rociel nicht oft in Schwäche, nur wäre es fast tödlich, oder zumindest sehr gefährlich geworden und das machte ihr Angst. Den toten Wolf vor ihr realisierte sie erst viel später.

Dann aber sah sie zu dem Tier. Es war tatsächlich ein Schneewolf. Das Fell war rein weiß, ohne Flecken, ohne Schmutz, ohne Kerben. Es war auch keine Farbe, sondern echte Naturfärbung. Der Wolf lag nun tot da, für immer, er würde nie mehr aufstehen können, nichts mehr spüren. Es war kalt, das Fleisch war kalt und auch das Fell wurde kalt. Das Blut, entweder in den Boden versickert oder langsam erkaltend. Doch Insekten und Aasfresser gab es hier nicht. Noch nicht. Das Fell war genau wie bei Ashisou, es war weich, flauschig und zäh. Sie war verwirrt, konnte man doch niemals damit rechnen so einen Wolf wirklich zu finden. Es war wirklich so, Schneewölfe galten als potenziell ausgestorben, es gab sie einfach nicht mehr. Alle sagten das, doch alle irrten sich. Isabell wünschte diesen Wölfen, dass sie auch noch in ein paar Jahren bestanden, doch gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie mit dem töten nichts, aber auch gar nichts dazu beitrugen, im Gegenteil, sie beschleunigten nur ihre Ausrottung. Und auch Isabell musste sich vorhalten lassen, aus niederen Beweggründen zu handeln. Sie wollte das edle Fell nur für eine Rüstung, es gab keinen echten Sinn. Wahrscheinlich war es das, das ihren Bruder so bedrückt machte. Und natürlich seine Bewunderung für die vierbeinigen Tiere, schon früher hatte er ihr verboten sie zu töten. Tiere schützen erschien ihr in ihren Augen seltsam und ungewohnt, denn kaum ein Jäger nahm wirklich Rücksicht auf sie. Eigentlich nahm niemand Rücksicht auf sie...

Sie seufzte, dann aber nahm sie den Wolf am Kragen und schleifte ihn Richtung Rociel, die Zunge hing dem Tier aus dem Maul und hinter ihr hinterließ es eine blutige, rote Spur. Aber es half ja alles nichts, es musste getan werden.
Mit ziemlich geknickter Haltung und trauriger Mine empfing ihr Bruder sie, kniend vor dem ersten Wolf, das Fell vom Körper lösend, seine Hände blutverschmiert, in der Hand sein scharfes Messer. Wie viele brauchen wir noch?, war alles was er sagen konnte, natürlich nicht mit einem hoffnungsvollen Unterton. Drei war die knappe Antwort ihrerseits, denn fünf Felle brauchten sie für eine Rüstung, die ihren Massen entsprechen sollte. Die Menge, sie hatte sie im Kopf, kannte jeden einzelnen Bauschritt dieser besonderen Rüstung. Fünf Felle waren eine ganze Menge, besonders gegen diese Tiere, die viel aggressiver und geschickter waren als die normalen Waldwölfe. Ihre Schönheit zeigte sich erst in ihrer Stillform, dann wenn sie nicht angriffen und ihre potenziellen Ziele oder auch Opfer töten wollten. Doch dementsprechend schwer war es auch sie zu erlegenen, aber mit zweien war der erste Anfang gemacht, nun galt es nur noch zu hoffen, dass bald die nächsten kamen. Auch wenn ein wenig Ruhe gut getan hätte, ihre Vorräte würden sich in sechsunddreißig (36) Stunden aufgebraucht haben, in spätestens zweiundsiebzig (72) sollten sie wieder im Lager sein.
Kommst du gut voran? war die wenig hilfreiche Frage und ihr Bruder ließ sich Zeit mit der Antwort, erst setzte er den letzten Schnitt durch die Haut des Wolfes. Das erste Fell ist ab, sei so gut und reinige meine Waffen im Schnee, hier ist ein Tuch zum abwischen. Gesagt, getan, so hatte sie wenigstens etwas zu tun. Ihr Bruder tat ihr leid, musste er doch noch die übelsten Aufgaben übernehmen, aber sie hatte einfach keine Ahnung von diesen Fähigkeiten. Das es seine Entscheidung war hier zu sein, das war jetzt nur sekundär.

Nach ein paar Minuten war auch das zweite Fell des Wolfes vom Körper getrennt, Rociel reinigte es ebenfalls im Schnee, um wenigstens etwas das Blut abzubekommen. Auch die beiden Dolche und sein Schwert strich sie mit Hilfe des Tuches im Schnee ab, ihre Schwerter auch. Bald hatte sich der Boden rot gefärbt, nur noch selten war mehr weiß als rot zu erkennen, das Blut der Wölfe würde noch lange hier von dem Kampf zeugen, genau wie ihre Kadaver, die aber bei hungrigen Tieren bald beliebt werden würden. Sie mussten sich nicht mal mehr durch das Fell arbeiten...

Sie gingen weiter, Rociel trug die Felle, die nicht minder viel wogen, sie hatte nun die Verantwortung und musste dieses Mal besser aufpassen, noch einmal durfte sie nicht in eine Bodenfalle treten, die erste umgingen sie geschickt.
Es dauerte keine fünf Minuten, als der Spalt dann eine radikale Gradänderung vernahm und irgendwie hatte sie es schon geahnt…
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