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[GM] Drachenfeuer
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18.07.2003, 13:27 #51
Skeleon
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Der junge Dieb tauchte unter einer heranbrausenden Vogelfrau hinweg, richtete sich blitzschnell wieder auf, wandte sich um und ließ seine Klinge zischend durch die Luft schnellen - doch die Harpyie war bereits außer Reichweite.
Ein unmenschlicher Schrei machte Leon auf die verwundetet Harpyie aufmerksam, die, von Satura ablassend, auf Blutfeuer zuschnellte, die ihr einen Pfeil in den Rücken gejagt hatte. Er setzte ihr nach und hieb ihr von oben herab den Rücken entzwei. Kreischend sackte die Kreatur in sich zusammen, schlug an der steilen Felswand auf und torkelte unkontrolliert in den Abgrund hinunter.
Rechts von sich hörte er das Scharren von Stahl auf Horn - mit heftigen Schlägen versuchte Satura, die Schläge zweier weiterer Harpyien abzuwehren. Leon sprang hinzu und gab ihr Deckung vor einer der Bestien - mit einem glucksenden Krächzen brach die erste Harpyie in sich zusammen, als Satura sie nun ungestört beharken konnte. Nur einen Augenblick später kreischte die zweite auf, als Leons Stahl sie durchbohrte.
Wild blickte er sich um - es musste fast ein Dutzend sein, dass über die Gruppe hergefallen war, Blutfeuer und Saria schossen einige vom Himmel, während Esteron und Lehna, genau wie Satura und Leon, sich gegenseitig verteidigten und so die Reihen der Harpyien Stück für Stück lichteten.
Leon sprang überrascht zurück, als ihn ein Schlag in die Magengrube traf - die scharfen Harpyienklauen kratzten nutzlos an seiner Filzkleidung herab, bevor Satura der Bestie in die Hüfte stach.
Kreischend ließ die Harpyie von ihnen ab und versuchte davon zu flattern, langsam an Höhe gewinnend - wie von einem Knüppelschlag getroffen stürzte sie vorwärts und fiel dann hilflos in die Tiefe.
Leon blickte zur Seite und sah, wie Saria ihren Bogen langsam sinken ließ.
Zwei weitere Harpyien machten sich davon, das Schicksal ihrer Schwestern nicht teilen wollend, flatterten über die Köpfe der Gruppe hinweg und verbargen sich hinter dem Bergrücken. Krächzend und kreischend entfernten sie sich auf ihren weiten, verfilzten Spannen.
18.07.2003, 13:44 #52
Satura
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Satura lächelte Leon erleichtert zu - war er diesmal tatsächlich ohne Verletzungen davongekommen? Die Harpyien ließen von ihnen ab, sei es, um Verstärkung zu holen, sei es, um sich endgültig zurückzuziehen. Lehna und Esteron hatten sich gut gehalten - zumindest Lehna, denn Esteron schien recht unbeholfen zu sein.
"Ich glaube, ich sollte Esteron einmal ein paar Kniffe mit dem Schwert zeigen... es wird auf die Dauer anstrengend für Lehna, ihn immer verteidigen zu müssen." Sie lächelte - es gab eine Zeit, da war es zwischen ihnen genau so gewesen. Nicht das ihr das zu anstrengend gewesen wäre - aber die Gefahren in Gorthar erschienen ihr rückblickend nicht so groß wie die hier, in diesen Bergen.

Zu ihrer linken Seite tat sich ein klaffender Abgrund auf; unmerklich fast waren sie immer höher, immer tiefer in das Bergmassiv vorgedrungen, auf immer schmaleren Wegen wandelnd. Vor ihnen schlängelte sich der Pfad unregelmäßig weiter den Berg hinauf, bis er irgendwann im Nebel der Wolken verschwand.
Es war recht kühl hier oben, und Satura war froh, den wärmenden Umhang bei sich zu haben.
"Lasst uns weitergehen." rief sie den anderen zu. "Wir sollten zu sehen, uns von diesen Biestern zu entfernen, wer weiß." Satura hatte das ungute Gefühl, dass dies nicht der letzte Angriff war.

Es schien ihr fast, als würde sie in ein Gebiet vordringen, dass die Vogeldämonen für sich beanspruchten - und als wären diese Harpyien eben nicht mehr als eine Vorhut an Wächterinnen gewesen...
18.07.2003, 14:03 #53
Skeleon
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Leon stapfte schweigend eine Weile neben Satura her, vor ihnen Blutfeuer und Saria, hinter ihnen Esteron und Lehna. Und dieser Gardist. Der junge Dieb warf ihm einige, misstrauische Blicke zu, beließ es jedoch dabei. Er blickte wieder nach vorne und sah, wie sich am Himmel dunkle Wolkenberge zusammenballten. Etwas unsicher blickte er sich um.
Als er früher im Wald unterwegs gewesen war, hatte er schon einige Unwetter in Gebirgen miterlebt - und wusste, dass mit ihnen nicht zu spaßen war. Sie konnten plötzlich aufziehen, ihre nasse Ladung herabregnen lassen und sich dann ebenso schnell wieder auflösen. Und ein Gewitter konnte tödliche Folgen haben, hier oben.
Leon warf der Amazone neben sich einen vielsagenden, besorgten Blick zu, den sie jedoch nicht richtig zu deuten schien. Zärtlich erwiderte er ihren Kuss.
Der Gebirgspfad wandte sich nun um einen Steilabbruch herum und führte dann ein Stück steil am Hang empor, ehe er sich wieder abflachte und in weiten Serpentinen auf einem Geröllfeld wieder an Höhe gewann. Hier und da vernahm der Dieb das Geräusch von Stein auf Stein. Die Gruppe trat einige Kiesel los, doch das allein konnte nicht der Grund für die Geräusche sein. Er blieb abrupt stehen und lauschte angestrengt.
Vernahm er nicht das leise Flattern von Flügeln? Das hämische, krächzige Lachen, das er erst vor wenigen Minuten gehört hatte?
"Bleibt mal stehen!" forderte er die anderen auf. "Bleibt stehen und lauscht - ich glaube, die Harpyien kommen zurück."
Doch nichts geschah.
Die anderen winkten ab und stapften wieder weiter, doch der Junge blieb noch immer unschlüssig stehen. Wenn es Harpyien waren, wieso griffen sie dann nicht an? Oder flohen? Oder taten irgendwas?
Klackernd klopfte ein kleiner Felsbrocken über den Geröllhang hinweg, auf dem der Serpentinenpfad verlief. Dann noch einer.
Und da wusste Leon, was die Vogelfrauen vorhatten.
"Bringt euch in Sicherheit!" schrie er verzweifelt, wurde jedoch schon von den Geräuschen übertönt, die vom Hang herunterdröhnten. Die anderen blickten irritiert nach oben, doch Leon riss Satura mit sich, stieß die anderen vorwärts und trieb sie ein Stück abseits des Pfades, weg vom Geröllfeld, hinein in ein dorniges Gestrüpp. Schmerzhaft bohrten sich die Stacheln in seine Haut, doch er trieb sie weiter.
Im nächsten Moment rauschte eine Welle aus Stein über den Hang hinunter, Querschläger flogen durch die Luft und schlugen sich durch das Gestrüpp, in dem sich die Gruppe verborgen hielt.
Mit lautem Donner ging die Lawine über den Rand des Hanges hinweg und rauschte die Steilwand entlang hinab ins Tal.
Hämisches Krächzen und Lachen, das Flattern großer Flügel und das Scharren scharfer Klauen. Die beiden entfleuchten Harpyien glitten über den verheerten Hang, spähten eine Weile und flogen davon, als sie keine Anzeichen der Menschen erkennen konnten.
Nur zögerlich brach die Gruppe wieder aus dem Gestrüpp hervor.
In der Ferne rollte ein Donner aus.
Tief unter ihnen setzte die Lawine ihren Weg durch ein bewaldetes Tal fort, ehe sich ihre Gewalt zu verlieren drohte.
18.07.2003, 14:31 #54
Satura
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Satura presste sich dicht an den Boden, den Schmerz ignorierend, den die spitzen, harten Dornen verursachten, als sie sich gnadenlos in ihre ungeschütze Haut am Hals bohrten. Sie bemühte sich, ihren Atem flach zu halten, und keiner der Gruppe wagte, einen Laut von sich zu geben. Mit einem gewaltigen Donnern und Poltern rumpelte das Geröllfeld an ihnen vorbei... es war, als würde sich der halbe Berg bewegen. Eine Staubwolke umfing sie, und auch als das Echo der Lawine abgeklungen war, blieben sie noch liegen, sich in den Schutz des Gestrüpps kauernd.

Die Harpyien waren schon längst verschwunden, als die Gefährten sich mühsam und teilweise zerstochen aus dem Gebüsch robbten.
Ungläubig starrten sie auf den verschütteten Weg, über den die Steinlawine hinweggedonnert hatte. Von einem dürren, aber doch recht großen Baum war nichts mehr zu sehen... die Gewalt der Lawine hatte ihn wahrscheinlich entwurzelt und ins Tal mitgerissen. Langsam legte sich die Staubwolke, und es entblößte sich ein weites, kahles Feld, durch das der Weg sich unvermindert aufwärtswand.
Nur zögernd machte sich die Gruppe wieder auf den Weg, alleine Blutfeuer schien sich nicht irritieren zu lassen und ermutigte alle, weiterzugehen.
Der Himmel hatte sich verdüstert, aus dunklen Wolkenballen tönte das ferne Grollen eines mächtigen Donners, und ab und an durchzuckten Blitze den fast schwarzen Himmel.
Die sieben jedoch setzten unbeirrt ihren Weg fort.
18.07.2003, 15:02 #55
Saria
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"Donnra ist erzürnt", sprach Saria seltsam tonlos, den leeren Blick starr auf die dunklen Wolkentürme gerichtet.
Der Anblick der schwarzen Wolkenmasse ließ ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengrube entstehen. Verflogen war der Frohmut, machte einer unbegründeten aber dennoch heftigen Angst Platz.
Zuerst der Angriff der geflügelten Furien und dann hatte sich auch noch der Berg aufgebäumt, um die Reisegruppe unter sich zu begraben. Glücklicherweise hatten Satura und die anderen schnell genug reagiert. Saria war einen Moment starr vor Schreck gewesen. Erst als die anderen schon fast in Deckung gewesen waren, hatte sie reagiert und war ihrem Beispiel gefolgt. Hätte sie auch nur eine Sekunde später reagiert... Sie wollte besser gar nicht drandenken.
Die Gewalt, mit der die Lawine niedergegangen war, hatte den gesamten Berg zum Erzittern gebracht. Noch immer glaubte Saria das Donnern der übereinanderpolternden Steine hören zu können. Waren die Götter ihrer Reise nicht wohlgesonnen?
Schwachsinn, die interessierten sich doch gar nicht für ein paar Abenteurer, die irgendwo inmitten der Felswüste des Gebirges nach einem vielleicht nicht einmal existierenden Schwert suchten. Nein, das Schwert musste existieren. Es durfte gar nicht anders sein.
Und Saria hatte schon eine gute Vorstellung davon, was sie mit der Waffe anstellen würde...
18.07.2003, 17:46 #56
Skeleon
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Die kleine Gruppe arbeitete sich über den von Felsen überrollten Hang empor, vom alten Pfad war nichts mehr zu erkennen und so kletterten die Sieben von einem Brocken zum nächsten. Immer wieder hielt der junge Dieb inne und blickte sich um - das Gewitter kam näher, Donner hallten über den Berg und irgendwo in der Ferne hingen Regenschleier im Himmel. Seufzend richtete Leon seinen Blick wieder auf die zerborstenen Felsen vor sich und machte den nächsten Schritt.
Blutfeuer trieb sie immer mehr an, wahrscheinlich hoffte sie in Kürze einen Unterstand finden zu können - denn sich hier vom Gewitter überraschen zu lassen wäre das letzte, was sie sich wünschen könnten.
Mindestens eine volle Stunde stapften und kletterten die Sieben über das zerklüftete Geröllfeld, als Blutfeuer schließlich aufrecht stehenblieb. Leon und die anderen kamen ihr nach und atmeten erleichtert auf: Vor ihnen lag der Grad der Bergkette. Sobald sie diese Wegstrecke hinter sich gebracht hätten, würde der Pfad hinab in das Tal der Dolmen führen - in Sicherheit vor dem Unwetter, das sich rund um sie herum zusammenbraute.
Mit leichtem Schritt stapfte Leon hinter Blutfeuer her, wurde ein wenig langsamer und wartete, bis Satura zu ihm aufgeholt hatte.
Nebeneinander näherten sie sich jetzt dem Grad, zu beiden Seiten fiel der begraste Hang steil ab und in seiner Mitte zog sich ein schmaler, erdiger Trampelpfad.
"Vorsichtig jetzt." ermahnte Blutfeuer die anderen. "Tretet nicht aufs Gras, es ist zu rutschig für einen sicheren Halt. Kommt ihr einmal ins Straucheln geht es nur noch bergab."
Leon nickte bestätigend, reihte sich hinter Satura ein und stapfte den schmalen Pfad entlang, fast mehr auf die Amazone vor sich als auf seine eigenen Füße achtend. Etwas irritiert blieb er stehen, wischte sich über die Stirn und blickte besorgt zum Himmel. Ein erster Regentropfen. Fast unmerklich beschleunigte er seinen Schritt und stapfte wieder hinter Satura her. Hoffentlich hielt das Wetter noch, bis sie wenigstens den Grad hinter sich gebracht hatten ...
18.07.2003, 18:18 #57
Satura
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Die Gruppe erklomm den Hügel in schnellem Schritt, vor dem drohenden Regen, der sich im schwer verhangenen Himmel ankündigte, fliehen wollend. Ein verwachsener Pfad zog schlängelnd sich in das Tal hinunter, das in Nebel samten eingehüllt war. Riesige Steine ragten spitz aus den Nebelschwaden - sie schienen eine eigenartige Form zu bilden, waren eindeutig nicht von der Natur so zusammengetragen worden. Saftiges Grün überwucherte den Boden des Tales - ein krasser Gegensatz zu der felsig-unwirtlichen Steinwüste, in der sie die letzten Stunden verbracht hatten. Von irgendwoher drang das Plätschern eines Baches, und trotz des Nebels konnte man schwer mit Früchten behangene Bäume erkennen.

Satura blieb kurz stehen, von der atemberaubenden Schönheit des Anblicks in den Bann gezogen. Das ganze Tal wirkte wie ein paradiesischer Garten, unpassend fast hier mitten in der rauen Bergwelt.
"Satura! Komm!" rief Leon drängend von vorne, und voller Vorfreude lief die hohe Amazone der Gruppe nach, hinunter in das Tal. Keinen schöneren Ort hätte Chiara sich aussuchen können, um zu sterben... dachte sie bei sich. Sie war sicher, hier musste, wie auf der Karte verzeichnet, das Grab der Amazone sich befinden.

Es war ein anstrengender Tag gewesen; Satura konnte diese Kletterei nicht ausstehen. Nun, es war besser, als mit einem Boot über's Meer zu fahren...
Der Abstieg gestaltete sich mit dem ganzen Gepäck fast noch beschwerlicher, als der Aufstieg, und sie ertappte sich dabei, wie sie immer wieder den dukeln verhangenen Himmel nach fliegenden Schatten absuchte...
Die Gruppe erreichte den Boden des Tales, als die Wolken brachen. Ein heftiger Regen setzte ein, und innerhalb kürzester Zeit schien sich das Tal in einen matschigen Sumpf zu verwandeln. Ihr Umhang klebte bald völlig durchnäßt an ihrem Körper, und der überflüssiger Weise einsetzende Wind ließ sie frieren; ausserdem trieb er den Regen schräg in ihr Gesicht.
18.07.2003, 18:31 #58
Skeleon
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Die kleine Gruppe teilte sich auf und schwärmte aus, durch das gesamte Tal. Leon begutachtete die Felsbrocken mit gemischten Gefühlen. Wie waren sie hierhergekommen? Wer hatte sie so aufgestellt, so angeordnet? Und vor allem, wozu?
Hier und da rankten sich wilde Gräser die Brocken empor, an vielen Stellen hatten die Pflanzen Risse ins Gestein gesprengt. Sie mussten uralt sein.
Unwillig wischte sich der Junge eine nasse Strähne aus den Augen. Seine Haut war klitschnass und seine Schürferklamotten hingen, vollgesogen mit Wasser, schwer an seinen Schultern. Er stolperte ein paar Schritte weiter, auf der Suche nach einem Unterstand. Irgendwo in dem etwa fünfhundert Meter im Durchmesser zählendem Tal taten sechs andere Menschen dasselbe.
Etwas überrascht blieb der Dieb stehen. Vor ihm zog sich ein Steinkreis, auf einem niedrigen Hügel. Die Felsen waren hier genauso verwittert und zerborsten, doch sie schienen mit voller Absicht so platziert zu sein. Sie umschlossen einen grob behauenen Steinquader. Unsicher stapfte Leon ein paar Schritte darauf zu und besah ihn sich von oben bis unten. In der Mitte seiner Oberseite war eine schmale Kuhle eingelassen. Daraus stak ein steinernes Gebilde hervor, es erinnerte an eine Gabel mit zwei Zinken. Sie schienen eine Fassung zu bilden - und irgendwie kam dem Dieb die Form bekannt vor, doch er konnte sie nicht recht zu ordnen. An einer Seite lief das Gebilde zu einer Art Felsblende zu, es erinnerte Leon an eine Schießscharte.
Er kratzte sich am nassen Kopf.
Plötzlich horchte er auf. Hatte er nicht eben einen Ruf gehört?
Der Laut wiederholte sich. Der Junge lief in die Richtung davon - hoffentlich hatte jemand einen trockenen Unterstand gefunden. Während er lief machte er sich ein Bild von dem Weg, um zurück zu diesem seltsamen Altar zu finden. Er stolperte durch den Regen und vergaß bald alles andere - er wollte nur noch raus aus der Nässe.
Erleichtert erkannte er, dass die Stimmen seinen Gefährten gehörten. Offensichtlich hatten sie sich wieder gesammelt und einen Unterschlupf gefunden ...
18.07.2003, 19:00 #59
Satura
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Leon hatte sich fasziniert den seltsamen Steinen zugewandt, während der Rest des Trupps durchnäßt und nicht gerade in bester Stimmung das Tal durchschritt, um irgendwo Zuflucht vor Kälte und Regen zu finden. Der dunkle Himmel wurde von Blitzen zerrissen, und das ohrenbetäubende Grollen des Donners machte jeden Gesprächsversuch zunichte.

Blutfeuer rief irgendetwas, doch der Wind riß ihr die Worte von den Lippen. Bekräftigend deutete die Amazone mit ihrem Arm in eine Richtung, und die anderen folgten ihr. Und tatsächlich, wenige Meter vor ihnen tauchte eine Hütte aus dem Nebel auf. Eine Hütte, hier, mitten im Nirgendwo? Da wollte wohl jemand alleine sein - sehr alleine.
Als sie näher kamen, sahen sie, dass die Hütte wohl verlassen war; die Tür war offen und wurde vom Wind knarzend hin und her gerissen.

Schnell liefen sie hinein, unter das schützende Dach. Die Dielen waren alt und ächzten unter dem ungewohnten Gewicht. Der Raum war sehr klein, und es roch modrig. In dem Halbdunkel der Hütte konnte Satura ein Bett, einen einfachen Herd und einen kleinen Tisch mit einem kaputten Stuhl ausmachen. Neben dem Herd war ein Stapel mit trockenem Holz aufgetürmt, und eine kleine Pfanne hing darüber. Es war zwar eng für sie alle sieben, doch besser, als weiter im Regen herumzuwaten. Die Hütte war tatsächlich verlassen; nichts deutete mehr auf ihren ehemaligen Bewohner hin.

Satura streckte ihren Kopf bei der Tür hinaus. Wo war Leon? Wenn sie seinetwegen noch mal hinaus in den Regen würde müssen... Die hohe Amazone fluchte innerlich. "Leeeon! Leeeeon!" rief sie einige Male, und ihr Echo wurde von den Bergen zurückgeworfen. Plötzlich löste sich ein Schemen aus der Nebelwand.
18.07.2003, 19:11 #60
Skeleon
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Die Hütte tauchte so plötzlich vor seinen Augen auf, wie es der Steinkreis getan hatte. Und genauso plötzlich schloss sich hinter ihm die Wand aus grauen Schlieren wieder. Er stolperte die letzten Schritte und trat erleichtert in die Hütte hinein.
"Ist ja gut, ich bin ja da ..." griente er, Satura flüchtig auf die Wange küssend. Ein paar Schritte weiter in der Hütte riss er sich das Oberteil seiner Schürferrüstung vom Leib und warf achtlos das Lederbündel ab. Erleichtert atmete er auf, als ihm nur noch die Schürferklamotten völlig durchnässt am Leib hingen.
Einen Augenblick später fröstelte ihn bereits.
"Wir werden uns alle noch den Tod holen, wenn wir hier rumstehen, völlig durchnässt."
Satura deutete wortlos und matt lächelnd auf den Herd und das Feuerholz daneben. Sie schafften ein paar Holzscheite in die kleine Luke, Satura holte wieder ihr Zunderzeug hervor und nur einen Augenblick später brannte ein wärmendes Feuerchen. Die kleine Gruppe drängte sich eng um den Herd, aus dem der angenehme, rötliche Feuerschein drang. Keiner fragte mehr, woher das Häuschen stammte - sie waren einfach froh, dass es hier war.
"Glaubst du, es ist hier?" raunte der Dieb Satura zu, die neben ihm hockte. Im selben Atemzug zog er sie noch ein Stück näher an sich und strich ihr eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Ein wenig bereute er es, soviele Leute um sich zu haben.
Von draußen drang das Rauschen des Regens durch das alte Strohdach. Doch noch hielt es dem Prasseln stand.
18.07.2003, 19:59 #61
Satura
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Satura presste sich eng an Leon und genoß die Wärme, die der Ofen abstrahlte. Bald stand der Wasserdampf im Raum, während sich die nassen Gestalten wieder in trockene Menschen verwandelten.
"Ganz sicher. Wozu sonst die Karte, die Sagitta uns gegeben hat? Was hätte das für einen Sinn, eine Stelle einzuzeichnen, die nicht das Grab ist?" Andererseits, dachte sie, sind einige hier sich nicht einmal sicher, ob das Grab überhaupt existiert... und das Schwert.

Der Regen schien nicht nachzulassen, geschweige denn aufzuhören. Unablässig trommelte es auf das Dach der Hütte, das aber dicht zu halten schien, und rann in Sturzbächen an den Aussenwänden hinab.
"Ich glaub, ich mach uns mal was zu essen." Saturas Vorschlag erntete begeisterte Zustimmung, und so begann die hohe Amazone, das mitgebrachte Moleratfleisch in der Pfanne zu braten. Die stärkehaltigen Knollen warf sie in die Glut des Ofens.
Bald war die Hütte erüllt mit dem Duft herzhaft gewürzten Fleisches, und die Stimmung hob sich beträchtlich.
Lehna und Esteron saßen eng beieinander, und obwohl alle von dem anstrengenden - lebensgefährlichen! - Tag fertig waren, kehrten langsam wieder die Lebensgeister zurück.
18.07.2003, 20:14 #62
Skeleon
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Fröhlich mampfte der Dieb auf seiner Knolle herum. Die Kälte und der Hunger ließen das schon so leckere Gewächs gleich nochmal so gut schmecken. In der anderen Hand hielt er ein Stück Moleratfleisch, selbst gefangen, gewürzt, eingepökelt und neu gebraten. Abwechselnd biss er von der Wurzel und der Keule ab und blickte fröhlich in die Runde. So hatte er sich das Ganze vorgestellt: Ein Dach über dem Kopf, gutes Essen - und am wichtigsten von allem, Satura an seiner Seite. In diesem Moment schmiegte sie sich wieder eng an ihn, er legte ihr sanft den Arm um die Schulter und hielt ihr die Moleratkeule hin.
"Naja, es könnte schon so sein. Aber was hätte dann der Rest der Legende zu bedeuten? Was die seltsamen Schriftzeichen, am Kartenrand?" meinte er schließlich, auf seine Frage zurückkommend.
Als Satura das Fleisch ablehnte und auf ihr eigenes Stück wies zuckte er die Schultern und biss einen großen Happen ab.
"Vor allem aber sieht mir dieses Tal nicht nach einem Grab aus. Ich habe einen alten Altar entdeckt, nichts aber von einem Grufteingang oder sowas, sieht aus wie eine Opferstätte -"
Leons Blick fiel zufällig auf Saturas Amulett, das locker in ihrem Ausschnitt baumelte. Etwas machte Klick in ihm.
"- aber irgendwie habe ich das Gefühl, es hätte mehr damit auf sich."
Er schluckte seinen Verdacht hinunter und blickte stattdessen schweigend auf den Drachen oder zumindest grob in diese Richtung und beschloss, das Ganze auf Morgen zu verschieben.
"Ich bin jedenfalls dafür, dass wir uns diesen Altar näher ansehen. Und vielleicht noch einmal Sagittas Abschrift, wenn wir keinen Hinweis auf dieses Grab finden."
18.07.2003, 20:40 #63
Satura
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Satura deutete Leons Blicke eindeutig falsch, denn sie grinste ihn neckisch an und flüsterte ihm ins Ohr: "Nach diesem Abenteuer gönnen wir uns mal ein Monat auf einer einsamen Insel..." Der junge Dieb blickte sie kurz verständnislos an, doch Satura fuhr laut fort: "Hm, ein Altar sagst du? Was macht ein Altar mitten in der Wildnis? Vielleicht war der Einsiedler ja ein Priester... ist er irgendeiner Gottheit geweiht?" Sie nagte nachdenklich auf dem Knochen herum und sah Leon fragend an. "Nun, morgen wird hoffentlich das Wetter besser, und wir können uns das dann näher ansehen. Kein Hinweis auf das Grab, sagtest du?" Satura sah Blutfeuer an, die ihren Blick freundlich lächelnd erwiderte.

Die hohe Amazone atmete tief durch. Kein Grab. Sie stand auf, entzündete eine Kerze, die am Tisch stand, und setzte sich in der anderen Ecke der Hütte auf das Bett. Sie zog die Karte hervor, die sie in Sagittas Päckchen gefunden hatte, und sah sie noch einmal genau an. "Nein, es muss... es muss hier sein." Genau hier ist ein Kreis eingezeichnet." Ihre Stirn legte sich nachdenklich in Falten, als sie die seltsamen Symbole musterte. "Sieh mal!" sagte sie aufgeregt zu Leon. "Die Symbole hier..." sie deutete auf einen leeren Kreis, darunter war eine Schlange - es konnte sich mit viel Phantasie auch um einen Drachen handeln - gezeichnet, und wiederum darunter war der Drache in dem Kreis abgebildet. "Seltsam." murmelte sie.
18.07.2003, 21:10 #64
Skeleon
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Leon blickte ein wenig verwirrt zwischen ihrem Amulett, ihrem Ausschnitt und dem Rand der Karte hin und her.
"Es ist so einfach! Die Karte sagt es uns doch ganz deutlich!"
Satura blickte ihn etwas verstört an.
"Auf dem Opferaltar befindet sich eine steinerne Halterung, eine Fassung für etwas. Ich hatte schon gedacht, mir käme die Form bekannt vor."
Er deutete auf ihr Amulett.
"Das ist dieses kleine Drachengetier."
Jetzt wies der Dieb auf das Symbol am Kartenrand.
"Und der Kringel, der Kreis muss für die Halterung stehen."
Breit grinsend deutete er auf das letzte Symbol.
"Beides gehört zusammen. Wir müssen nur das Amulett einlegen und -"
- ja und was? Würde sich eine Falltür auftun? Würde Chiara erscheinen und ihnen das Schwert und ihre besten Glückwünsche geben?
Lächerlich.
Es musste noch irgendetwas dabei sein.
Trotzdem fühlte er sich, als wäre seiner Hoffnung ein Dämpfer verpasst worden.
"Naja. Ich finde, wir sollten Morgen hingehen und schauen, ob das Amulett hineinpasst. Vielleicht habe ich mich auch nur verguckt, sonderlich gut war die Sicht ja ohnehin nicht."
Nein, er war sich sicher, es würde passen. Aber er glaubte nicht, damit irgendetwas erreichen zu können. Er wollte Satura nicht unnötigerweise zuviel Hoffnung machen, die doch nur enttäuscht würde.
Einen weiteren Bissen später kaute er wieder auf der Knolle herum.
18.07.2003, 21:43 #65
dunkle Diener
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Nicht mehr als ein Schatten, flüchtig, nicht greifbar, und doch vorhanden. Das Gras wurde niedergedrückt, Spuren entstanden in der durchnässten Erde, um gleich darauf vom Regen wieder fortgespült zu werden. Der Wind heulte, in grauen Schlieren stürzte das Wasser vom Himmel, hinab auf die völlig durchnässte Erde. Die Regenwürmer kamen aus ihren Löchern im Boden, um nicht zu ertrinken.
Doch noch etwas war erwacht.
Ein Jäger, nicht mehr als ein Schatten, so schien es...
Die Dunkelheit war sein Licht, Kälte seine Liebe, Einsamkeit sein Begleiter, der Tod sein Leben.
Und dies Tal war sein Jagdgebiet.
Sein Heim.
Hier war seine Beute...
Für einen Moment glühten blutrote Augen im Dunkel auf, gezeichnet vom Wahnsinn der Einsamkeit. Abgebrochene Fingernägel, scharf genug, um selbst Tiere aufzuschlitzen, gruben sich kurz in die schlammige Erde. Sehnige Muskeln spannten sich unter der kalkweißen, vernarbten Haut, wie ein Schemen näherte er sich der kleinen Hütte. Das lange, dünne Haar hing ihm in nassen Strähnen ins Gesicht, seinen Bart hatte er schon lange ausgerissen.
Er schob die schmalen, blassen Lippen zurück, verzerrte den Mund zu einem wahnwitzigen, bestialischen Grinsen. Leise sog er die Luft ein, seine Muskeln spannten sich in freudiger Erregung.
Sie...
Diejenigen waren dort, zu denen er selbst einst gehört hatte. Diejenigen, die ihn ausgestoßen hatten, weil er anders gewesen war.
Seine Erinnerungen waren verschwommen, zu einem Zerrbild verkommen, nur noch Grausamkeit und Brutalität schien es damals gegeben zu haben.
„Däääääääämoooooooon...“, zischte er, es war ungewohnt für ihn, seine Stimmbänder zu benutzen. ‚Dämon!’, hatten sie gerufen.
‚Dämon!’
Er duckte sich wie ein Raubtier zum Sprung, näherte sich der Hütte, dem Feuer, das dort brannte, und ihnen. Weiße Haut, weißes Haar, rote Augen.
„Däääääääämooooooon...“
Seine Augen verengten sich zu schlitzen, katzenhaft glitt er zur Seite, schwebte fast über die Wiese dahin, während er das Haus umkreiste, das Haus mit ihnen.
War er ein Mensch, oder eine Bestie?
Wer war die größere Bestie, die Bestie, oder der Mansch, der die Bestie geformt hatte?
18.07.2003, 22:01 #66
Satura
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Satura sah zu ihrem Amulett, und dann zu Leon. "Das könnte wirklich passen..." Sie sah wieder auf ihr Amulett hinunter -
und erstarrte.
Leon sprach beschwingt weiter, doch als Satura nicht antwortete, hielt er inne und sah sie fragend an. "Was...?" Sein Blick fror ein, saugte sich an dem strahlend roten Amulett fest.

Mit einem Schlag war es still geworden in der Hütte. Lehna und Esteron sahen Satura fragend an, und Blutfeuer war mitten im Schritt erstarrt, lauschend. Das fröhliche, leichte Geplapper und Gelächter war einer eisigen Stille gewichen, in der das Prasseln des Regens auf das Dach wie Trommelschläge klang.
Satura hörte vor Anspannung das Blut in ihren Ohren rauschen, fühlte ihren Puls sich in schwindelerregende Höhen bewegen. Was machte ihr solche Angst? Sie war doch sonst kein furchtsamer Mensch...

Jäh zerriß ein dumpfes Pochen die beunruhigende Ruhe. Jemand klopfte gegen die schwere Holztüre, die unter der Schwere des Schlages zu beben begann. Ein zweites, ein drittes, ein viertes Mal... lange würde die Tür dem nicht stand halten. Blutfeuer reagierte als erstes. Mit einer geübten Bewegung spannte sie die Sehne ihres Bogens. "Vielleicht war das Haus doch nicht unbewohnt..."

Aus ihrer lethargischen Erstarrung gerissen, kam nun hastige Bewegung in die Gruppe. Satura sprang auf und zog ihr Schwert, Leon tat es ihr gleich. Gerade rechtzeitig, denn just in diesem Moment barst die Tür.
18.07.2003, 22:15 #67
Lehna
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Mit einem dumpfen Aufprall landete die Tür auf den Holzdienen der Hütte, kleine Splitter flogen durch die Luft. Ein kalter Windstoß ging durch die Hütte, ließ das Feuer im Herd flackern und bizarre Schatten an die Wand werfen. Augenblicklich drang der regen in die Hütte ein, peitschte den Insassen in die angespannten Gesichter.
Sie alle standen mit gezogenen Schwertern und gespannten Bögen da.
Warteten.
Nichts...
Verunsichert sah Lehna zuerst zu Esteron, dann wieder zur Tür. Der graue Regenschleier, der gnadenlos die Wiese nieder stampfte, war alles, was es dort draußen zu sehen gab. Fragend sahen sich die Gruppenmitglieder an, Saturas Amulett glühte noch immer, fast noch stärker als vorhin schien es zu leuchten, aber das konnte auch Einbildung sein.
Doch sie waren nicht mehr allein...
Vorsichtig, mit kampfbereit erhobenem Schwert, näherte sich Lehna der Tür, zog mit der Linken einen ihrer Dolche aus dem Gürtel. Der kalte Regen peitschte ihr ins Gesicht, sie kniff die Augen zusammen, spähte nach draußen. Esteron, Satura, Leon und der Stadtgardist Jori waren hinter ihr.
Nichts.
So schien es.
Denn niemand warf einen Blick nach oben...
18.07.2003, 22:43 #68
manmouse
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Esteron blickte wie die anderen einen Moment gebannt zur Tür, die vor ihnen auf dem Boden lag und dann nach draußen in den Peitschenden Regen. Da war nichts! Nur ein ziemlich heftiges Unwetter.
Esteron grinste, viel fast in lautes Gelächter aus. Die Gruppe hockte in einer einsamen verlassenen Hütte, in einem Gottverdammten leeren Tal und bei der kleinsten Naturgewalt machten sie sich allesamt in die Hosen.
Der junge Wanderer trat für ihn vollkommen ungewöhnlich, einen Schritt nach hinten und steckte das gezückte Kurzschwert zurück in das Gehänge. Da war nichts!
Der junge Mann grinste noch immer, seine Augen leuchteten. “Also ihr könnt ja weiterhin auf das Naturspektakel achten, ich widme mich lieber dieser Herzhaften Moleratkeule und die Knollen. Wäre doch zu schade, wenn die Sachen kalt werden.
Der Wanderer wandte sich jetzt vollkommen von seinen Gefährten ab und stapfte zurück zum Feuer, das unruhig und wild im Kamin züngelte. Esteron war völlig im Eimer. Blutfeuer hatte die Gruppe über die Berge getrieben, und das, obwohl kaum einer von ihnen eine solche Strapaze gewohnt war. Zudem hatten sie das ganze Gepäck auf den Rücken durch die Gegend geschleppt. Der Wanderer konnte sich also echt was besseres vorstellen als, sich von ein bisschen Wind und Regen von seiner wohlverdienten Ruhe abbringen zu lassen.
Mittlerweile hatte sich auch Jori zu dem Wanderer zurück an den Kamin gesellt. Esteron grinste ihn mit einer passenden Geste an und begann mit seiner Hand eine der ach so köstlichen Wurzeln aus der Glut zu fischen, und war dabei ein wenig unachtsam.
“So eine verdammte Scheiße“, brüllte der junge Mann während er vollkommen überhastet aufsprang nach hinten taumelte und rücklings über das Gepäck seiner Freunde stolperte.
18.07.2003, 23:03 #69
Lehna
Beiträge: 397

Lehna seufzte leise und sah zu Esteron. Vielleicht hatte er ja wirklich recht. Aber Saturas Amulett...
Ach, egal. Es war nicht das geringste zu sehen. Sie ließ ihren Blick noch einmal über die Landschaft vor der Hütte streifen, aber es war noch immer nichts anderes zu sehen als der Regen. Da war wohl wirklich nichts.
Lehna ließ ihr Schwert sinken, zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen – doch dabei blieb es auch...
Eine bleiche Hand schoss von oben herunter, blutrote Augen blitzten kurz im Regen auf. Lehna stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sich klauenartige Finger in ihre Haare gruben, sie festhielten und ruckartig nach oben rissen. Heißer Schmerz durchfuhr sie, es schien, als wollte ihr jemand die Kopfhaut abreißen. Völlig überrascht ließ sie ihre Waffen fallen und griff nach oben, ihre Hände umfassten einen muskulösen Arm. Im selben Moment verlor sie den Boden unter den Füßen, der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, sie wusste nicht mehr, was nun überhaupt passierte...
Eine Sekunde Später wurde sie an ihren Haaren über das Stroh des Daches gezerrt, eine Hand packte sie mit schraubstockartigem Griff am Oberarm, und dann ging es auch schon wieder runter vom Dach. Stechender Schmerz durchfuhr ihre Schulter, als sie unangenehm verrenkt wurde, sie schrie. Doch das... was auch immer es war... interessierte das nicht.
Wenig später war sie vom Grau des Regens verschluckt worden...
19.07.2003, 09:52 #70
Satura
Beiträge: 589
Noch in der letzten Nacht.
"Lehna!" Satura stürzte zur Tür, hinaus in den strömenden Regen. Als sie nach oben blickte, sah sie gerade noch die Füße der Amazone über den Giebel verschwinden. "Kommt, schnell!" rief Satura unnötigerweise, denn die anderen waren ihr schon nachgestürmt. Es war stockdunkel, und ohne sich noch einmal umzusehen, rannte sie in die Nacht davon.
Der Boden unter ihren Füßen war aufgeweicht, und sie sank bei jedem Schritt bis zu den Knöcheln in den weichen Schlamm ein. "Lehna!" Immer wieder rief sie den Namen der Amazone, verzweifelt auf eine Antwort wartend - alleine, die Nacht blieb still.

Satura vermeinte von fern her ein rasselndes Keuchen zu vernehmen, und verringerte ihre Geschwindigkeit, dem Geräusch langsam folgend. Der Boden wurde immer weicher, verwandelte sich langsam in einen Sumpf, der die Beine der hohen Amazone mit saugendem Griff festzuhalten versuchte. Jeder Schritt wurde zu einer großen Anstrengung, doch Satura gab nicht auf, sie mußte Lehna finden.
Die anderen hatte sie schon weit hinter sich in der Dunkelheit gelassen, sie war allein.

Plötzlich, ein Aufblitzen kalter roter Lichter - nur wenige Schritte vor ihr. Sie blieb stehen - wissend, es hatte sie entdeckt. Sie zückte eines ihrer Wurfmesser, zielte zwischen die roten Augen...

Das rote Licht erlosch für einen Augenblick, um im nächsten Moment fast schon zynisch wieder aufzuleuchten. "Aahh..." Ein erstickter Schmerzensschrei entrang sich einer gequälten Kehle. "Lehna!" Dieses... etwas musste den Angriff geahnt - gesehen? - haben, und hatte sein Opfer als Schutzschild benutzt...
"Lehna... es tut mir leid... verdammt!" schrie Satura gegen den heulenden Wind, der an Intensität immer mehr zuzunehmen schien.
Sie mußte die Amazone retten... Lautlos glitt ihre Klinge aus der Scheide, und sie kämpfte sich durch den schlammigen Untergrund zu dem Wesen vor, das Lehna entführt hatte.
19.07.2003, 10:22 #71
Skeleon
Beiträge: 793

Leon blickte sich hilflos in dem dunklen Gewirr aus Nebelschlieren und wehenden Ästen um.
"Was ist geschehen? Wo ist Satura?" rief der Dieb gegen den Wind an, seine Stimme wurde hinfortgeweht, kaum, dass sie seine Kehle verlassen hatte.
"Lehna! Wo seid ihr?" hörte er Esteron verzweifelt und gegen den Wind beinahe stumm rufen. Auch die anderen riefen ihre Namen, doch kaum verließen die Worte ihre Münder, wurden sie auch schon vom Heulen des Sturms verschlcukt.
"Satura!" stimmte der Dieb in das hilflose Rufen mit ein.
Nasskalte Finger berührten Leon an Gesicht, Armen und Händen und ihn fröstelte. Unsicher stapfte er weiter in die Richtung, in der Satura verschwunden war. Der aufgeweichte Modder schmatzte unter seinen Füßen, schien ihn festzuhalten, hinabzuziehen. Mit jedem Schritt wurde das Gefühl stärker, dass ihn etwas aufzuhalten versuchte.
Blutfeuer, Saria, Esteron und Jori stapften dicht neben ihm durch den Nebel.
Lehna war verschwunden - und sie hatten die Spur von Satura in der Düsternis verloren.
Die Nebel verdichteten sich noch um sie herum.
Plötzlich hielt der junge Dieb inne.
Von irgendwo links von ihnen trieb der Wind eine klägliche Stimme zu ihnen herüber. Nicht nur Leon hatte es bemerkt - ohne zu zögern wechselte die Gruppe die Richtung und versuchte, Saturas Ruf zu folgen, den der Wind gnädig in ihre Richtung geweht hatte.
19.07.2003, 11:52 #72
Lehna
Beiträge: 397

Undeutlich konnte Lehna Saturas Schemen vor sich ausmachen. Dennoch wollte nicht so recht neue Hoffnung in ihr aufkeimen, ihr Widersacher hielt ihr Genick schraubstockartig fest, scharfe, abgebrochene Fingernägel gruben sich schmerzhaft in ihre Haut, das Regenwasser vermischte sich mit dem Blut, das aus ihren Verletzungen sickerte...
Plötzlich wurde sie brutal zur Seite gerissen, die Welt schien einen Sprung zu machen. Im nächsten Moment fuhr schneidender Schmerz durch ihre Schulter, die schrie gequält auf und realisierte noch, dass eines von Saturas Wurfmessern in ihrer Schulter steckte – kurz unterhalb des Halses...
Die Kreatur hinter ihr stieß ein glucksendes, fast schon schadenfroh klingendes Lachen aus und begann, sich tiefer in den Sumpf zurückzuziehen. Mit schlafwandlerischer Sicherheit fand sie ihren Weg, bewegte sich mit katzenhafter Anmut über die Felsen und Bäume.
Satura blieb zurück...
„Nicht jetzt...“, murmelte Lehna plötzlich. Ihre rechte Hand schloss sich um den Griff des Wurfmessers, das aus ihrer Schulter ragte, riss es rücksichtslos heraus. Auf die neuerlichen Schmerzen, die dadurch verursacht wurden, achtete Lehna gar nicht. Die kurze Klinge beschrieb einen Halbkreis durch die Luft, um sich dann gnadenlos in den Unterarm der Bestie zu bohren. Die geschliffene Klinge bahnte sich ihren Weg durch Fleisch und Muskeln wie durch Butter, das Wesen stieß einen erschreckend menschlich klingenden Schmerzensschrei aus und ließ Lehna fallen...
Die Amazone versuchte sofort, etwas Abstand zwischen sich und dieses Wesen zu bringen, kroch rücklings durch den sumpfigen Boden. Sie zog ihren letzten Dolch aus dem Gürtel und versuchte, auf die Beine zu kommen, als sich erneut der Umriss ihres Gegners aus dem Dunkel schälte.
Sie erstarrte fast mitten in der Bewegung.
Es war ein Mensch...
Ein mittelgroßer, älterer Mann stand in gebeugter Haltung vor ihr und musterte sie gehässig aus blutroten Augen, in denen der blanke Wahnsinn geschrieben stand. Seine schmutzige Haut war unter der Dreckschicht so weiß wie Schnee, auch sein langes, verfilztes Haar war völlig farblos.
Verängstigt wich Lehna einen Schritt zurück und hielt dabei ihren Dolch schützend vor sich, ihre Hand zitterte stark. Sie stolperte und fiel rückwärts in den Schlamm, was ihrem Versuch, weiter von ihrem Gegner wegzukommen, jedoch kein Ende setzte. Verzweifelt versuchte sie, sich mit den Beinen weiter weg zu schieben.
Der Mann vor ihr kniff die Augen zusammen und zog die Lippen zurück, wobei er eine Reihe großer, gelber Zähne entblößte. Ein bestialisches Knurren entrang sich seiner Kehle, wie ein Raubtier duckte er sich zum Sprung...
19.07.2003, 12:19 #73
Saria
Beiträge: 484

Fast blind durch den dichten Nebel und die nahezu perfekte Dunkelheit um sie herum, stolperte Saria durch die nächtliche Sumpflandschaft. Ihre Hände umklammerten ihren Bogen als ob er alleine ihr den Mut geben würde, sich weiterzuschleppen, die Sehne war leicht gespannt, ein gefiedertes Pfeilende zitterte zwischen ihren Fingern.
Schmatzend entließ der schmutzigbraune Morast ihren Stiefel, saugte sich kurz darauf wieder mit unnachgiebiger Hartnäckigkeit an dem Leder fest, als die Diebin stehenblieb und sich hilflos umsah.
"Hey! Wo seid ihr denn alle?!"
Nur ein paar Sumpflöcher antworteten ihrem Ruf mit lautem Glucksen. Blubbernd stiegen Blasen in einem nahen Tümpel auf, ein fauliger morastiger Gestank lag in der Luft. Außer den rauchigen Nebelschwaden rührte sich nichts. Wo waren die anderen?
Bis vor wenigen Minuten war Blutfeuer noch dicht an ihrer Seite gewesen. Doch dann plötzlich verschwunden. Egal wie laut Saria rief, es kam keine Antwort. Als ob der Sumpf den Rest der Gruppe verschluckt hätte...
Sarias angsterfüllter Blick wanderte zu Boden. Ihre Stiefel steckten fast knöchelhoch in dem braunen Schlamm. Bildete sie es sich nur ein, oder sank sie mit jeder Sekunde ein Stückchen tiefer in den Morast?
Von plötzlicher Panik erfüllt, rannte Saria weiter. Plötzlich trat ihr rechter Fuß ins Leere, durchbrach platschend die Wasseroberfläche eines von verdorrtem Gras überwachsenem Sumpfloches. Mit einem erschrockenen Schrei warf sich die Diebin herum, stürzte und landete klatschend in dem Schlamm. Augenblicklich rappelte sie sich wieder auf, riss den Bogen in die Höhe und blickte sich gehetzt um.
Hatte da nicht eben ein Schrei den Schleier der nächtlichen Stille durchbrochen?
Die Nebelschwaden drifteten leicht auseinander. Ein bösartiges Knurren drang aus der Dunkelheit. Die Schwärze vor Saria manifestierte sich zu einem hageren, seltsam gebückt gehenden Monster, rote Augen glühten feurig in der Finsternis der Nacht.
Einen Augenblick später wurde die Gestalt vom wogenden Nebel verschluckt. Doch das Knurren wurde zunehmend bedrohlicher. Die Diebin spürte ihren Puls in die Höhe schnellen, ihr Herz sich in eine wummernde Adrenalinpumpe verwandeln. Von panischer Angst ergriffen, sprang sie zurück, riss den Bogen in die Höhe und die Sehne durch. Singend entließ die Waffe einen gefiederten Todesboten, der sirrend die Nebelschwaden zerfetzte und von der Dunkelheit verschluckt wurde. Am ganzen Körper zitternd, wich Saria weiter zurück, fingerte nach einem weiteren Pfeil und stürzte über eine vorspringende Wurzel einer verkümmerten Sumpfweide. Platschend landete sie erneut im Morast, robbte blindlings rückwärts, tastete nach ihrem fallengelassenen Bogen. Wo waren Satura und die anderen?!
19.07.2003, 12:56 #74
Satura
Beiträge: 589

Das nasse Haar klebte in Strähnen an ihrem Gesicht, an ihren Füßen klebte feuchter, schwerer Morast und die Kälte kroch langsam in ihre Glieder. Ihre klammen Finger spürten kaum noch das Schwert, das sie in vermeintlich festem Griff hielten...
Wo war Lehna hin? Wo der Entführer? Entschwunden in die Dunkelheit...

Ein greller Blitz durchzuckte den dunklen Himmel, und für einen Augenblick ward es taghell in dem Tal, ein kurzer Moment, der reichte, um schreckliches zu offenbaren. Donnergrollen folgte fast augenblicklich, und immer noch regnete es Sturzbäche.
Satura hatte ihn gesehen... kalkweiß sich gegen die umgebenden Schatten abhebend. Sie löste sich aus dem kurzen Moment der Erstarrung und lief los, keuchend gegen den sie festhalten wollenden Sumpf ankämpfend. Wo waren die anderen?

Erneut durchzog ein greller Blitz in feinen Äderchen den Nachthimmel, und im selben Moment ertönte ein ohrenbetäubender Krach. Die hohe Amazone zuckte zusammen, als wenige Schritte neben ihr ein knorriger Baum ächzend zu Boden ging, lichterloh brennend. Langsam schien der Regen nachzulassen, und wie eine übergroße Fackel erleuchtete der brennende Baum die Nacht.
Am Rande ihres Sichtfeldes tauchte eine Gestalt auf, taumelnd. Es musste jemand aus der Gruppe sein. "Hierher!" rief Satura. "Kommt hierher!"

Und vor ihr stand er.
Scharf gegen das Dunkel abgegrenzt zeichneten sich die bizarren Umrisse eines gebrochenen Wesens ab. Der Widerschein des Feuer spiegelte sich auf der aalglatten, nassen Haut. Hinter ihm auf dem Boden lag Lehna, Satura in stummer Verzweiflung anstarrend.
Die hohe Amazone riß sich aus der Erstarrung, die der Anblick des seltsamen Wesens ausgelöst hatte und kam langsam, erhobenen Schwertes, auf ihn zu. Sie war erschrocken, welch menschliche Züge das verwitterte Gesicht diese Wesens barg...
19.07.2003, 13:25 #75
Lehna
Beiträge: 397

„Satura...“
Widerliches, schlammiges Wasser drang Lehna in den Mund, gelangte in ihre Luftröhre, was einen unangenehmen Hustenanfall zur Folge hatte. Suchend tastete ihre Linke im Schlamm herum, während die mit der Rechten ihren Dolch fast krampfartig umklammerte. Satura ging langsam auf die Kreatur zu, die ein tiefes, drohendes Knurren hören ließ – wobei die Stimme erschreckend menschlich und doch gleichzeitig bestialisch klang...
Lehna bekam eine alte, morsche Wurzel zu fassen und zog sich an selbiger etwas weiter weg von der rotäugigen Kreatur, die jetzt langsam Satura umkreiste, dabei aber auch immer ihre eigentliche Beute im Auge behielt. Lehna versuchte sich aufzurappeln, doch es schien fast, als hätten der Sumpf und der Regen selbst etwas dagegen. Immer wieder rutschte sie aus und landete platschend im Schlamm, um es gleich darauf noch einmal zu versuchen. Schließlich gelang es ihr, sich an einem aus dem Schlamm ragenden Baumstamm hochzuziehen...
Was das rotäugige Wesen aber nicht ganz so toll zu finden schien. Blitzartig wirbelte es herum und sprang auf Lehna zu, die reflexartig ihren Dolch nach vorn stieß. Die Klinge bohrte sich tief in den weißen, muskulösen Körper, doch die Kreatur...der Mann...schien es gar nicht zu spüren. Einmal mehr krallte er sich in Lehnas Haaren fest und riss sie mit einem brutalen Ruck herum, wieder landete sie platschend im Schlamm – und schlug verzweifelt um sich, als ihr Kopf gnadenlos unter Wasser gedrückt wurde...
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