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[Q] Das Land Gorthar # 7
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07.03.2004, 20:34 #251
Isabell
Beiträge: 307

Nur wenige Momente nachdem ihr Bruder im Wald verschwunden war, raffte auch sie ihren Körper wieder nach oben. Es musste weitergearbeitet werden, daran führte kein Weg vorbei. Schnell hatte sie auch alle Sachen, die sie brauchte. Die Wolfsfelle, die Schuppen der Warane und die des Drachen. Heute sollte sie allerdings erst mal mit dem Grundgerüst anfangen. Schnell waren Nadel und Pfaden zur Hand, die sie immer bei sich trug. Zuerst einmal musste das Grundgerüst aufgebaut werden und dieses bestand aus den vielen Feuerwaranschuppen. Es waren einzeln sehr kleine Teilchen, doch wenn man sie erst einmal verbunden hatte, war es ein solider Panzer, der alleine schon ausgereicht hätte. Noch war es zwar zu früh, die Zauberformel zu sprechen, doch sie summte schon die Klänge vor sich hin, damit sie in drei Tagen auch ja bereit war sie zu sprechen. Alte, schaurige, mystische Klänge, ein Zauber eines wunderbaren Wesens. Nie hatte sie herausgefunden, was es für ein Wesen war, doch die weiße Lichtgestalt war ihr für immer im Kopf geblieben. Sie hatte zwar ihre Rüstung damals an Kryliyx verloren, doch nun sollte es eine zweite geben. Erneut sollte Ashisou ihren schmalen Körper zieren. Sie würden damit endlich eine weitere Stütze im Kampf erhalten. Die Rüstung, so sagte man, konnte einfach Pfeile ohne Mühen abwehren. Sie sollte gegen jegliche Zauber schützen. Und im Nahkampf zäh wie biegsames Leder einer Schlange. Dennoch war man damit nicht unbesiegbar, man hatte nur die besten Chancen lebend aus einem Kampf herauszukommen, doch versichern konnte dies auch die Rüstung nicht. Während Isabell so Minute um Minute eine Schuppe mit der nächsten verband, zogen dunklere Wolken auf. Dennoch hielt sich die Sonne tapfer, zwar schien sie jetzt an grauen Wolken vorbei, aber die gelben Frühlingsstrahlen blieben und sollten der Erde ein klein wenig den Frühling schmackhaft machen, oder ihn zumindest einmal ankündigen. Isabell war glücklich, in den letzten Tagen war wieder so viel passiert, es schien einfach keine Ruhe zu geben, keine Pause, doch so wie es jetzt war, so konnte es weitergehen. Immer noch war sie frisch verliebt und es mochte einfach kein Ende nehmen. Es war ein Gefühl von unglaublicher Harmonie, wenn sie zusammen waren und sich nahe waren, all dies genoss sie noch wie am ersten Tag. Wen scherte es da schon, dass sie Geschwister waren, ihre Liebe niemals anerkannt werden würde. Sie brauchten niemand, der sie bewunderte, keine alltäglichen Freunde, auf die sie sich stützten konnten. Kein Getuschel der Nachbarn in einer Stadt wie Khorinis oder Gorthar. Sie lebten auf ihren Flecken der Erde, gegen jede Regel, gegen jedes Wort. Niemand konnte sie daran hindern es zu tun. Die Flucht schien tatsächlich mit Erfolg gekrönt zu sein. Seit sie aus Drakia weg waren. Niemals hätte sie sich das träumen lassen, noch vor ein paar Monaten sah das alles so anders aus. In der Gefangenschaft dieses Bastards war sie dem Tod näher als dem Leben. Niemals hätte sie weiterleben dürfen und doch tat sie es. Und es war richtig so. Sinn und Unsinn dieser Entscheidung dahingestellt, hätte sie ihn damals getötet? Nicht einmal die Chance dazu ergab sich, aber hätte sie es getan? Isabell lächelte wieder, der Sonnenschein kam ihr genau recht, er war so was wie ein Zeichen ihres Gemüts, es schien wieder die Sonne, doch sie schien so oft und vertuschte so nur die dunklen Schatten der Nacht, die in manch einem Herzen wohnten. Es würde nie so perfekt sein, niemals würden andere für sie lächeln und auch das Leben war niemals so rund, wie sonst gewohnt, aber dieser Preis war einfach nur lächerlich. Man hatte ihnen das Leben geschenkt, was nicht nur für viele treue Gläubige eine Sünde war. Dadurch, dass sie es jetzt wussten, was sie waren, nahm man ihnen jegliche Lebenshoffnung. Aber so, so konnten sie ihr Leben wenigstens aushalten. Es war einfach nur die verruchteste Lösung, für zwei Seelen, die es nie hätte geben dürfen. Innos, Adanos, Beliar, egal welcher Gott, der, der ihnen das Leben schenkte, hatte sich schuldig gemacht, für immer und auf ewig, doch nun waren sie da und so wie sie nun waren, wollten sie für ewig bleiben.



Nicht auszudenken, wenn das Gefüge der Macht gestört werden würde. Egal welcher Teil der beiden genommen würde, der Gegenpart würde sich an jedem rächen, der noch einen Funken Glück in sich trägt. Sie würden wüten, schrecklich wüten. Bald wird man sie auch nicht mehr stoppen können, dann, wenn sie ihre wahre Macht erreicht haben. Und das alles nur, für dieses eine Artefakt, diese unglaubliche Macht, die vor Beliars Schergen in Sicherheit gebracht werden muss, nur wenn es zerstört ist, können sie es nicht mehr nutzen. Doch rechtfertig dies wirklich die Erschaffung von zwei solch unkontrollierbaren Seelen? Was meinst du, was hat sich unser Herr dabei gedacht Tarugie? –
Ach Pator, denkt doch nicht immer über Dinge nach, die du nicht verstehst. Es entwickelt sich alles prächtig, du wirst sehen, die beiden werden es schaffen, genau wie es unser Herr vorausgesehen hat, als er sie erschuf. Aber ich denke, es ist an der Zeit. Ich werde in Kürze mit dem Cherubim in Kontakt treten. Wir dürfen uns keine Fehler mehr leisten. Der Zeitplan muss eingehalten werden. Die neue Gefahr…sie wächst jeden Tag an.




Die Rüstung wuchs und wuchs, anfangs noch ein Beutel mit vielen kleinen Schuppen, war sie doch nun schon zu einem strafen, ansehnlichen Stück Rüstung geworden. Ihr Bruder kam kurze Zeit später. Bei sich trug er ein Wildschwein, ein schönes, leckeres Stück Fleisch. Sie würden ihre helle Freude daran haben. Isabell war soweit zufrieden, essen hatten sie genug, auch noch genügend Wasser, doch davon brauchten sie mehr. Viel, viel mehr. Die Trainingseinheiten waren anstrengend und Kraft raubend, sie mussten viel trinken. Kurze Zeit nachdem Rociel den Eber abgelegt hatte, war er auch schon wieder verschwunden. Feuerholz sammeln, nahm sie zumindest an. Die Rüstung jedoch musste weitergearbeitet werden. Es war nicht wirklich Präzisionsarbeit gefragt, denn diese würde die Zauberformal erledigen, doch man brauchte ein stabiles Rohwerk, um erfolgreich zu sein. Am ersten Tag sollte zumindest der größte Teil der Waranschuppen verbunden sein, am zweiten Tag kam dann das schwierigste, die Drachenschuppen an den wichtigsten Stellen einer Rüstung zu platzieren und am dritten Tag musste das weiße, wärmende Felle auf den Panzer genäht werden, doch selbst dann wäre es noch nicht mal eine ansatzweise gute Rüstung. Dies jedoch sollte das Ritual, sollten die Worte des Überbringers ändern. Erst im Schutze der Nacht würden sie ihre Wirkung entfalten, dann, wenn nach einer Vielzahl von Äonen wieder rote Zweige durch die Nacht fuhren, das schauerliche Schauspiel einer längst vergessenen Zeit, einer Zeit der Magie.

Wie vermutet kam ihr Bruder bald zurück, auch wenn er sich lange Zeit ließ, Dafür war er voll bepackt mit trockenem Holz. Als ob dies noch nicht reichen würde, ging er gleich noch einmal, um die nächste Fuhre zu holen, doch dieses Mal verabschiedete er sich mit dem Hinweis, dass er danach weiter zutrainieren denke. Ein klares Zeichen, dass sie auch akzeptierte. Schließlich waren sie in diesen Tagen viel beschäftigt, kein Vergnügen sollten diese Tage werden. Doch eigentlich war es egal, wie viele Anstrengungen ihr Körper über sich ergehen lassen musste, solange Rociel hier war, gab es keine Schmerzen mehr…
08.03.2004, 17:43 #252
Heimdallr
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Lass uns weitermachen, einverstanden? – Ja ist gut, warte noch eine Sekunde.

Der nächste Tag war abgebrochen und sie befanden sich nach wie vor auf der kleinen Lichtung im Wald von Gorthar. Die Übungen gestern waren allesamt zu seiner Zufriedenheit ausgefallen, weitere Male hatten sie ihre Holzschwerter genommen und damit den Schwertkampf gefördert, oder es zumindest versucht, außerdem waren sie heute morgen wieder gelaufen, allerdings ein bisschen länger. Ihr Zeitplan war in Ordnung, zumindest bekam er alles durch, das er auch durchbringen wollte. Das ganze war schwierig, denn einerseits musste Rociel Rücksicht auf das Voranschreiten der Rüstung nehmen, andererseits wollte er natürlich auch nicht nur trainieren, sondern auch die Zeit mit Isabell genießen, schließlich waren sie in keinem Arbeitslager, sondern hatten jede Menge Freiraum und die Natur und ihre wohlklingenden Stimmen brachten eine sehr entspannte Stimmung in ihr provisorisches Lager. Es war nicht leicht, da er weder hetzen noch drängen wollte, schließlich brachte es nichts, wenn sie nur die Schwerter gegeneinander schlugen, sie mussten wirklich mit ganzer Sache dabei sein, mit Herzblut kämpfen. Aber das war eigentlich selbstverständlich. Dennoch, der junge Mann konnte mit den Ergebnissen durchaus zufrieden sein. Sie waren eigentlich gut versorgt, das Wildschwein, dass sie gestern Abend noch über einem Feuer gebraten hatten, sollte sie die nächsten Tage mit Nahrung versorgen, ansonsten hätte er noch einmal raus müssen, doch diese Zeitverschwendung sollte kein Problem darstellen. Noch zwei Tage also, dann wollte sie fertig sein. Sobald die Rüstung passend sitzen würde, müssten sie wieder weiterplanen. Es war ein wenig konfus, er wusste nicht, was sie danach tun sollten, doch er hielt es am besten danach zu Tolban zurückzukehren. Bestimmt hatte sein Mentor wieder etwas Wichtiges zu sagen, vielleicht wartete er schon auf ihr Kommen, sie waren lange nicht mehr in der Bibliothek gewesen. Etwas wehmütig dachte er an früher, damals hatte er noch Zeit, in der Bibliothek belanglose Bücherwälzer zu lesen, inzwischen würde er diese Zeit wohl nicht mehr haben. Das Leben, oder sollte er besser sagen, die Zeit, sie veränderte sich so schnell. Man konnte sich nicht sicher sein, was in einem halben Jahr wäre. Er konnte nicht mal für das nächste Mondjahr planen. Wissen ist Macht, durchaus, aber er wusste ja nichts über die Zukunft. Doch war nicht Beständigkeit sowohl als auch die wahre Freude? Er wusste es nicht, doch so viele Gedanken wie damals konnte er gar nicht mehr verschwenden, nicht mehr heute. Nicht mehr jetzt.

In Ordnung, was hast du dir denn so vorgestellt. Wieder ein reiner Kampf? Rociel schüttelte den Kopf und ging etwas näher zu Isabell zu. Nein, lass uns mal nur versuchen die Schlagreihenfolge einzustudieren. Ein paar Griffe, ein paar Tricks. Wir müssen uns dabei bildlich Gegner vorstellen. Sprich, Konzentration ist gefragt. Versuch immer zweimal meine Klinge zu parieren und dann müssen wir blitzschnell unsere Schwerter tauschen. Ich geb dir meins und du gibst mir deins, das muss blitzschnell gehen. Und es kann auch mal vorkommen, dass ich nur nehme und nicht gebe, damit musst du auch rechnen. Das ganze muss schnell gehen, sehr schnell, wir attackieren den bildhaften Feind, machen eine Drehung und tauschen die Schwerter aus. Solche Kniffe müssen wir beherrschen. Der Sinn dieser Sache ist der, dass niemand ohne Schwert dasteht und die Feinde überrascht werden. Aber natürlich gehört da noch viel mehr dazu. Das alles ist ein langwieriger Prozess, aber desto eher wir anfangen, desto besser. Isabell nickte und gab einen zustimmenden Ton von sich. Danach sollte es losgehen. Rociel und seine Schwester brachten sich in Stellung. Dann begann ihr Training. Mit einem dumpfen Ruck prallten die hölzernen Klingen aufeinander, links, rechts und dann kam der Wechsel. In der angedeuteten Drehung brachte er seinen Schwertgriff an die Hand seiner Schwester, die danach packte, genauso andersrum. Beim ersten Mal, wen wundert’s, ging aber einiges schief. Erstens, es dauerte zu lang, zweites, ihre Arme hätten sich fast verheddert, drittens, ein Schwert fiel zu Boden. So konnte das natürlich unmöglich gehen, doch das war anzunehmen, dass dies nicht klappte, also versuchten sie es erneut. Wieder griff er sie an, zwei, drei Schläge später die Drehung und wieder versuchten sie die Schwertübergabe. Diesmal entdeckte der Fürst aber noch eine weitere Finesse, die er bisher nicht gesehen hatte. Wenn er sich duckte bot er weniger Angriffsfläche und konnte die Klinge seiner Schwester besser greifen. Ein drittes, ein viertes, ein fünftes und viele weitere Male später, hatten sie es geschafft. Die erste Hürde war genommen. Rociel hatte Spaß dabei, denn das Kämpfen war auch eine Art Kunst, vergleichbar mit der Musik zum Beispiel. Er verabscheute das kämpfen gegen Lebewesen, die man töten musste oder zumindest schwer verletzen. Das Kämpfen für Schmerz war natürlich keine Kunst, keine Passion. Aber ein Kampf, mit edelsten Mitteln und Einsatz von höchsten Künsten, das war die wahre Kunst eines Schwertkämpfers. Rociel wusste, dass er das Talent dazu hatte in die Fußstapfen der besten Schwertkämpfer Myrthanas zu treten, vielleicht sogar der Beste zu werden, doch er war nicht verblendet oder dumm, momentan war er vielleicht so gut wie ein einfacher Milizsoldat. Dennoch war er ihnen allen überlegen, da er mit Leidenschaft und Ehrgeiz kämpfte, dennoch war er alles andere als meisterlich. Doch dies wollte er ändern, durch ständiges Sammeln von Erfahrungen und eigenem Training. Isabell konnte ihm da nur weiterhelfen, es war eine Ehre mit ihr zu trainieren, doch selbst sie war nicht fehlerfrei und konnte immer noch dazu lernen. Inzwischen waren sie ein gutes Stück weiter und innerlich grinste sich der Fürst so etwas breites. Er strotzte geradezu von Zufriedenheit, denn der Zeitplan lief und lief und lief, es war bislang perfekt. Sein Ziel lag schon früh klar, zunächst einmal sollten die ersten Kämpfe folgen, zur Sensibilisierung und zum erneuten Beobachten des Gegenparts. Außerdem sollten die ersten konditionellen Einheiten aufgenommen werden. Heute jedoch sollte es an das gehen, um was es ihm eigentlich ging. Die Finesse, das Besondere, das, was sie unberechenbar, tödlich und überraschend werden ließ. Der erste von vielen solcher Finessen saß nun. Die Situation war einfach, die Vorstellungskraft kannte hier keine Grenzen. Sie standen dicht beisammen, Gegner, wie viele war unwichtig. Ein einfacher Zug, der Gegner griff an, sie wehrten die Angriffe ab, dann eine geschickte Drehung, genau im richtigen Moment, der Austausch der Schwerter, den sie später noch mit einem Tritt in die Magengrube des Gegners perfektionierten. Je nach Situation tauchte einer ab, der andere griff nach vorne, nahm sich die Klinge, ließ die seinige fallen oder auch nicht und sofort hatten sich Standort und Möglichkeitsradius geändert, mögliche Feinde sollten spätestens jetzt ein Stück Stahl zwischen den Rippen haben. Das ganze klang unheimlich kompliziert und über Rociels Erklärungen konnten sie, beide, oft nur lachend staunen, aber es war nicht nur heiße Luft, sondern funktionierte auch. Es gelang, das ein oder andere Mal noch hatten sie Probleme, doch die Abläufe schienen so einfach, so perfekt von Hand zu gehen, dass sie mit Freude weitermachten. Ihrer Phantasie waren keine Grenzen gesetzt und Grenzen kannten sie nicht. Verrückt waren sie, verrückt und jung, doch arbeiteten sie wie besessen, besessen für etwas, das man auch sehr makaber ausdrücken konnte. Sie arbeiten, um perfekt zu töten. Doch sie mussten es tun, jeder Kämpfer tat dies, nur taten sie es aus einem Zwang, nicht aus einem Befehl oder aus Lust.
Der nächste Schlag, die nächste Finesse, sie wartete, für die beiden Lehrer, die gleichzeitig Lernende und Schüler waren und manchmal auch ohne Lehrer lernten…
08.03.2004, 21:04 #253
Isabell
Beiträge: 307

Los, du kriegst es…ja, gut, geschafft. Ohne Pause ging es weiter, wieder führten sie ihre Kämpfe weiter, ihre Übungen. Isabell war mit Herzblut dabei, gab alles, damit es auch eine Wirkung erzielte. Natürlich hatte sie am Anfang Zweifel, wer hätte das nicht, doch Zweifel waren dazu da, dass man sie beseitigte. Inzwischen hatten sie schon mehr erreicht, als ihnen die nächsten Kämpfe gebracht hätten. Es war immer noch Distanz zu spüren gewesen, sie wollten sich vielleicht nicht verletzen, vielleicht war auch so eine gewisse Scheu und auch eine berechtigte Angst davor, mit dem Gegenpart in einem echten Kampf, wo es um sehr viel ging, zu experimentieren. Doch diese Distanz bauten sie jetzt Schritt für Schritt ab, wollten nicht nur liebevoll und im Blute sich vereinen, sondern auch endlich im Kampfe zu einem einzigen Teil zusammen wachsen. Die Vorteile lagen ganz klar auf der Hand und sie wussten, dass sie dabei nur gewinnen konnten. Sie waren noch jung, hatten noch längst nicht ausgelernt. Auf der Suche nach Perfektion begegneten sie sich auch selbst, sahen ihr eigenes Spiegelbild. Inzwischen übten sie an etwas anderem, dem Werfen des Schwertes über größere Distanz. Sollten sie einmal nicht nah genug sein, um das Schwert im Schwung zu wechseln, so sollte es durch die Luft segeln und in der Hand des Anderen landen. So schön klang das in der Theorie, doch in der Praxis…richtig, da war das überhaupt nicht so. Die Schwerter besaßen die unverschämte Eigenschaft nie so zu fliegen, wie sie es wollten und zudem haperte es zu Beginn noch auf das richtige Zeitgefühl, schließlich konnte man sich nicht in aller Ruhe auf den Flug des Schwertes konzentrieren und so mussten sie unter erschwerten Bedingungen versuchen zu fangen. Es war nicht einfach und wie immer galt, dass sie es noch längst nicht perfekt konnten, das würden sie wohl auch erst nach einigen Mondjahren schaffen, doch der Wille zählte, der Ansatz war da, die Bereitschaft. Sie waren ehrgeiziger und bereiter als jede einfache Kämpferausbildung. Sie schonten sich nicht, gaben sich nur selten Trinkpausen und sie wollten es unbedingt schaffen. So wurde jede gelungene Aktion auch gefeiert und spornte zu neuen Taten an. Sie waren beide gleichgut und so wurde sich auch gleichermaßen für den Anderen gefreut. Sie konnten dieses Training nicht alleine gewinnen, der Sinn bestand nicht darin der Beste zu sein, sondern die Aufgaben am besten zu schaffen. Hier war es ganz sicher von Vorteil, dass es unter den Geschwistern keinen Konkurrenzkampf gab. Sie achteten den Anderen immer, schon aus reiner Pflicht. Selbst Streit gab es so gut wie nie, sie hatten eben kaum einen Anlass sich zu streiten, der Sinn dahinter war verborgen. So hechteten sie von Übung, dabei fielen ihnen immer neue Dinge ein. Die Kriterien waren eindeutig, es musste ihnen etwas im Kampf bringen, Dinge, die schön anzusehen waren aber nichts brachten, die übten sie nicht lange, sondern nur um etwas auszuprobieren und sich neue Anregungen holen. Sicher hätte bei den Übungen jeder Schwertmeister, ob würdig oder Aufschneider, den Kopf geschüttelt und ihnen mehr Kinderspiele zu Buche gehalten, doch das war es sicher nicht. Sie wunderten sich selber über die ganzen Ideen, die sie mit einbrachten, doch ein Kinderspiel war es sicher nicht. Langsam aber sicher schufen sie ihre ganz eigene Kampfart, die vor allem auf Schnelligkeit wert legte. Unterstützend dabei. Ihre leichten Jägerrüstungen, wobei Ashisou eigentlich nicht als solche bezeichnet werden konnte, sowie die scharfen und leichten Einhänder. Für Zweihänder konnte sich ihr Herz noch nie erwärmen und auch ihr Bruder schien diese Schwerter auszuschließen. So waren sie zwar nur leicht gepanzert und hatten oberflächlich schwache Klingen, doch jeder der sie deshalb unterschätzte war ein gefundenes Fressen. Was nutzte es einem gepanzerten Ritter mit mächtigem Schwert, wenn er dieses nur ein paar Mal schwingen könnte, bis er die Klingen zwischen dem Körper spürte.
Bruderherz, was hältst du…von einem weiteren…Schlag? Das Keuchen in den Stimmen war jetzt Standart, doch das hinderte niemanden daran aufzuhören. Ein bisschen ging noch. Schieß los, was haste im Sinn? Isabell holte tief Luft und erklärte ihre Idee dann. Also ich hab mir das so gedacht. Zustechen auf engsten Raum. Neben den Armen, dicht am Kopf vorbei, über die Schulter. Eben auch bei uns. Damit man nicht erst eine passende Schlagposition einnehmen muss, wenn man dem Anderen helfen will. Ihr Bruder schaute bedenklich, war die Idee doch gefährlicher, als sie sich anhörte, doch der Gewinn war natürlich ebenfalls groß… Hm, alles klar, wir versuchen es. Aber sei am Anfang vorsichtig. Der eine kämpft und der andere versucht dann dicht am Körper den Feind zu erwischen. Die Sicht sollte dann klar sein. Wenn du willst, fang ich an. Sie nickte zustimmend um Puste zu sparen und wartete. Das ganze war natürlich auch ein wenig irreal, denn so etwas konnte man kaum trainieren, da man sich in einem echten Kampf immer anders verhalten würde, als hier, wo fast nichts passieren konnte. Aber sie war zuversichtlich, dass es etwas bringen würde. Ihr Bruder brachte sich in Stellung, stellte sich einen Gegner vor, mit dem er in einen Nahkampf verwickelt sein könnte und vollführte die üblichen Schläge. Dabei schien er tatsächlich zu kämpfen und tat auch so, als ob er Angriffe abwehren würde, was sie kurzzeitig schmunzeln ließ, doch dann achtete sie genau auf seine Bewegung, auf die Bewegung der Schulter vor allem. Immer wieder zuckte sie hoch, ehe sie für einen Moment abfiel. Dann bereitete sie sich vor, zog eines ihrer Schwerter und lief zu ihm, dicht über der Schulter zischte ihr Krummsäbel vorbei und musste den Gegner getroffen haben, mit dem zweiten Schwert fuhr sie nach hinten, wo mögliche Verfolger lauern könnten. Danach hätte die Übung durchaus weitergehen können, doch sie stoppten hier, weil sie sich immer nur auf eine Sache speziell konzentrieren wollten. Ohne echte Bedrohung war dies natürlich größtenteils lächerlich und auch sehr, sehr schwer, da sahen die Hiebe in der Luft mehr witzig als ernst gemeint aus, doch dies hinderte sie nicht am konsequenten Training weiterzumachen. Es war einfach unmöglich sich auf einen Kampf vorzubereiten, nicht mal gegen eine Ratte, aber dennoch, sie waren fest von dem überzeugt, was sie hier taten und dies sollte sicher mal belohnt werden…
08.03.2004, 21:43 #254
Marquez
Beiträge: 370

Ein qualvoll erstickender Aufschrei auf der anderen Seite des Baumes ließ schlagartig jegliche Verzweiflung von Marquez abfallen.
»Was zur Hölle...?«, platzte es aus ihm heraus und sein Kopf fuhr reflexartig aus der Deckung hervor, um nachzusehen, was passiert war. Rein theoretisch hätte es zwar auch eine Falle sein können, doch für eine Falle wäre das, was er da sah, vielleicht etwas zu erleichternd gewesen. Marquez hatte nämlich anscheinend unerwarteten Beistand bekommen, wenn er gerade die richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen hatte, dass einer der beiden Schützen leblos am Boden lag und der andere bereits, den Bogen von sich geworfen und die Arme im Nacken verschränkt, daneben kniete. Sehr aufschlussreich, wie schnell sich ein Blatt doch wenden konnte.
Marquez suchte natürlich sofort die Büsche ab, in denen er den freundlichen Schützen vermutete. Bald darauf fiel ihm auch ein Schatten ins Auge und als dieser ihm auch noch zuwinkte, konnte der Bandit endlich wieder beruhigt aus der Deckung treten. Und das kam ihm gelegen. Schließlich musste er noch rasch mit einem gewissen Strauchdieb abrechnen, was er auch kurzerhand mit einem saftigen Tritt ins Gesicht erledigte. Der gute Mann ging zwar leider sofort elendig wimmernd zu Boden, aber so hatte Marquez jetzt wenigstens die nötige Ruhe, sich mit dem Unbekannten zu treffen, der gerade aus dem Schatten trat und sich auf ihn zu bewegte. Besser gesagt, er hätte die nötige Ruhe gehabt, wenn da nicht dieses unschöne Detail am Rande gewesen wäre, das ihm gerade aufgefallen war, als er seinen Blick auf die am Boden liegenden Körper gerichtet hatte:
Das waren nämlich eindeutig nur vier: Zwei Tote, ein Bewusstloser und einer, der noch vom jüngsten Sprungangriff mit Kopfschmerzen in der Ecke lag... Da fehlte einer. Und das war nicht gut.

Marquez schaute sich beunruhigt um. Vielleicht sollte er seinen Verbündeten lieber warnen.
»Ähm, halt! Warte mal!«, rief er diesem so laut flüsternd wie möglich zu. »Bleib besser da stehen! Es könnte sein, dass hier noch einer...«
Doch er wurde wieder einmal unterbrochen – diesmal von einem barbarischen, sich mehrmals überschlagenden Kampfschrei aus dem Busch schräg links hinter ihm. Marquez drehte sich natürlich sofort um und zog sein Schwert, doch als er sah, dass der tobende Angreifer mit nichts anderem als einem Dolch bewaffnet war, musste er unweigerlich lächeln und packte ganz einfach dessen Waffenarm, den er ihm sogleich umdrehte. Doch der Wegelagerer wollte einfach nicht einsehen, wieso er jetzt schon aufgeben sollte und versuchte immer wieder, begleitet von zahlreichen, nicht jugendfreien Flüchen, nach seinem Bezwinger zu treten. Irgendwann wurde es Marquez aber zu bunt und da er – wie schon mit dem anderen Schützen zuvor – nicht mehr allzu mitleidig war, entriss er dem Gegner ganz einfach dessen höchsteigenen Dolch und bugsierte ihn zustechenderweise in dessen höchsteigenen Arm. Einen Schmerzensschrei später hatte der Kerl auch schon das Weite gesucht. Augenscheinlich hatte er jetzt endlich genug...

Jetzt wollte sich Marquez aber wirklich seinem Retter zuwenden, der sich bei näherer Betrachtung als Drachenjäger herausstellte, also wirklich niemand, der ihm nach dem Leben trachten würde.
»Also...« Der Bandit holte tief Luft. »Erst einmal will ich mich für die Hilfe bedanken. Das war ein erstklassiges Timing gegen dieses üble Pack. Ich sag dir, die schießen sogar auf ihre eigenen Leute, solange diese im Weg stehen. Widerliches Gesindel... Aber ich hätte da jetzt noch, bevor ich zu sehr ins Schwafeln gerate, eine Bitte: Könntest du vielleicht noch kurz mitkommen und mit mir nach meinem Lehrmeister sehen? Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass bei ihm noch mehr... äh...«
Marquez hielt inne. Ihm fiel da gerade etwas auf: Das Gesicht dieses Mannes da vor ihm kannte er doch irgendwoher.
Kurz schauten sie einander schweigend an, doch dann ging dem Banditen das entscheidende Licht auf: Das war dieser eine Typ, den er bei der großen Orkjagd im Minental gesehen hatte.
»Ähm... Raven! Sag doch gleich, dass du es bist...« Der Bandit reichte ihm mit einem verlegenen Lächeln die Hand. »Ich bin Marquez, falls du dich noch an mich erinnern solltest...«
08.03.2004, 22:26 #255
Heimdallr
Beiträge: 12.421

In Ordnung, hören wir auf.

Sie hatten wirklich genug trainiert, mehrere Stunden, fast ohne Pause. Natürlich schwitzen sie wieder, hatten ihren Atem verloren, keuchten lautstark um die Wette und doch hatten sie noch Zeit sich anzulächeln. Es war eine Genugtuung, als sie die Holzschwerter auf den Boden pfeffern konnten, das tat wahrlich gut. Das Programm war sehr gut durchgekommen, sie konnten wirklich zufrieden sein. Es gab keinen Grund zu meckern. Realere Bedingungen gab es dafür auch gar nicht, aber die Erfolgserlebnisse motivierten ihn schon für Morgen. Er freute sich ein wenig drauf, aber die Anstrengungen zerrten natürlich auch an der Substanz. Zum Glück trug er bei dem Training nicht seine warme Rüstung, aber dies wäre im Kampf unvermeidbar. Apropos Rüstung, um genau die sollte es kurze Zeit später wieder gehen. Er war wirklich stolz auf Isabell, anstatt sich eine Pause zu gönnen oder zu sagen, dass sie jetzt nichts mehr machen wollte, ging sie schon zehn Minuten später zu ihrer Arbeit mit der Rüstung zurück, doch Rociel reichte ihr erst mal etwas zu trinken und ein Stück des Wildschweins. Heute sollte es das erst mal gewesen sein mit dem Training an der Waffe, zumindest für sie. Die Rüstung hatte eigentlich oberste Priorität und so war es vielleicht gar nicht so gut, dass sie jetzt, schön fertig, damit weitermachen wollte, aber zu lange konnten sie auch nicht hinten dran bleiben. Der Zeitdruck bestand eigentlich nur aus diesem einen Gefühl, dass bald Veränderungen eintreten würden, doch sein Gefühl hatte sich in der letzten Zeit sehr selten geirrt. Doch wenn es nun nicht in drei Tagen fertig werden sollte, dann mussten sie eben so viele Tage dranhängen, wie sie brauchte. Aber seine Schwester hatte ja selbst diese Frist genannt. Langsam wuchs in ihm auch die Spannung nach dem Aussehen und der Wirkung im Endeffekt, was die Rüstung aushielt und wie sie aufgebaut war, deswegen schaute er ihr ab und zu auch mal über die Schulter bei der Arbeit, konnte aber noch nicht viel erkennen. Heute allerdings widmete er sich noch anderen Aufgaben, der Trinkwasserbesorgung zum Beispiel. Ich wird dann mal unsere Wasservorräte auffüllen, bis später. Ein weiteres Mal verließ er das Lager und ließ Isabell alleine bei der Arbeit. Wahrscheinlich war es auch gut so, dass sie sich besser konzentrieren konnte. Gestern, auf der Jagd nach dem Wildschwein war er an gleich zwei Quellen vorbeigekommen, diese wollte er nun auch nutzen.

Nach einer Viertelstunde durch den Wald, kam er an einer der Quellen an. Sie war nicht sehr groß, gerade mal einen Meter breit und kaum zwei Finger tief, aber sie war beständig und plätscherte mitten durch den Wald. Wahrscheinlich eine von hunderten Quellen, die von den mächtigen Gletschern von Gorthars Gipfelkette gespeist wurde. Jetzt, wo der Schnee wieder taute und das Wetter wärmer wurde. Leider merkten sie davon noch nichts, aber frieren konnte man das nicht nennen, was sie bei den Anstrengungen auf der Haut fühlten. Die Krüge waren bald bis zum Rand gefüllt und mit Kork verschlossen, der Weg konnte wieder zurückgehen. Er machte sich ein wenig Sorgen, der Pessimismus war nicht so leicht zu besiegen. Es war doch irgendwie die Frage, ob das wirklich Sinn machte, das alles. Ob sie nicht sowieso irgendwann sterben würden. Warum nicht sie? Lebten sie doch mit Abstand am gefährlichsten von allen. Die Menschen in der Stadt hatten dicke Mauern, ein paar Milizen und massig Nachbarn, aber sie hatten nur wilde Tiere und Banditen um sich. Die wilden Tiere waren ja nicht mal das Problem, die Menschen waren es. Menschen, wie die Gelirkas Sekte. Sie hatten sich vorgenommen dieses Problem noch mal zu diskutieren und dabei konnte eigentlich nur ein Standpunkt rauskommen. Er hatte sie auf jeden Fall unterschätzt, das war ihm spätestens nach dem zweiten Angriff klar. Das Gefährliche an der Sekte, wenn es denn überhaupt eine war, war, dass sie keine Ahnung hatten. Wer dahinter steckte, wie viele es sind und auf was sich ihre Macht, ihr Einfluss gründet. Schließlich tauchten nicht mal eben ein paar Typen auf, die einem umbringen wollten und schon gar nicht mit solchen Zaubern. Außerdem hatten sie ihr Geheimnis streng gehütet, woher also hatten diese Männer, wenn es denn welche waren, diese Informationen über ihre Vergangenheit, über ihre Körper…

Sorgen, dass war es, was er hatte, was ihn plagte. Die Zukunft mochte rosig sein, doch sie mochte genauso gut Dornen übersät sein. Dornen, an denen man sich schneiden und stechen konnte. An denen man hängen bleiben konnte. Dennoch wollte er sich sein Glück nicht zerstören lassen, dafür hatte er zuwenig davon. Als er wieder ins Lager bzw. auf die Lichtung gekommen war und das Wasser abgestellt hatte, nahm er Isabell auch erst mal in dem Arm und küsste sie zärtlich. Er war eben doch schwach und niemals stark gewesen, so zerbrechlich, zerbrechlich wie ein Stück Kristall…

Aber der Tag war noch nicht vorbei, sie mussten noch weiterarbeiten und so werkelte Isabell weiter, während er sich nach kurzer Auszeit dem Schwerte widmete, allerdings dem echten, dem scharfen. Er übte ein paar Grundschläge, versuchte aber auch in seinen Kampfstil neue Elemente einfließen zu lassen. Eine Übung fürs Leben…
09.03.2004, 16:12 #256
Isabell
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Die Sonne stand hoch am Zenit und die Schweißtropfen perlten von der Stirn der schönen Frau. Erst jetzt waren sie wieder mit ihren Übungen des Vormittages fertig geworden. Laufen, leichte Gymnastikverrenkungen und ein bisschen leichtes Schwerttraining, wie auch schon gestern. Danach hatten sie erst mal gefrühstückt, das Wasser war schön kühl, hatte es doch gar eine dünne Eisschicht in der Nacht bekommen, doch davon hatten sie gar nichts gemerkt, von der Kälte. Das Fleisch war zwar schon etwas ranzig, aber die angebratene Haut hielt das Fleisch darunter wenigstens genießbar. Dadurch, dass es über dem Feuer hing konnten die ersten Aasfresser auch schön davon ferngehalten werden. Aber nach dem Essen und der ersten Regenerationsphase mussten sie schon wieder weitermachen. Es war nicht übermäßig anstrengend, sie fühlte sich in keinerlei fertig oder am Ende, aber sie hatten einen straffen Zeitplan zu bewältigen. Doch heute war die Vorfreude noch viel größer als an den anderen Tagen, denn heute Abend sollte es soweit sein. Sie würden endlich die Rüstung komplettieren, sie würde endlich fertig werden. Ein Traum würde wahr werden. Es durfte einfach nichts mehr schief gehen. Als ihr Bruder das erste Mal von ihr sprach, hielt sie ihn noch für einen Träumer, doch sie hatten es tatsächlich geschafft. Mehr oder weniger alleine hatte er die drei Ressourcen besorgt, immer an das Gelingen geglaubt. Man konnte schon von Anfang an sehen, wie sehr er doch daran glaubte es zu schaffen, ihr Anteil bei dieser ganzen Aktion war lächerlich gering. Wer dachte schon ernsthaft dran, beim Namen einer Drachenzutat optimistisch zu sein. Und selbst die Feuerwarane, die noch öfter auf der Insel gesichtet wurden, waren nicht wirklich Trophäentiere, sondern eher Todesboten. Und Schneewölfe in eisigsten Gegenden zu suchen, ohne die realistische Chance sie zu finden, dazu gehörte auch einiges an Selbstvertrauen. Doch jetzt wollte sie es nicht vermasseln und ihren Teil dazu beitragen, so dass es wirklich ein würdiges Imitat der legendären Ashisou würde.

Gestern war es gelungen die fünf Drachenschuppen anzunähen. Es war eine sehr mühsame Arbeit, die noch lange nicht stabil, sondern nur ein vorsichtiges Gerüst war, doch sie war fertig und nur das zählte. Drei Schuppen bildeten eine Pyramide in Form von drei zylinderartigen Körpern, die restlichen zwei wurden als Rückenpanzerung aufgenäht. Die Arme blieben frei, die gesamte Rüstung war ärmelfrei. Es war ein reiner Oberkörperschutz, allerdings mit Verlängerung des Beckens. Die kleinen Waranschuppen sahen ein wenig wie ein enges Kettenhemd an, so eine ähnliche Funktion hatten sie ja auch. Durch ihre enorme Resistenz gegenüber Feuer war man dort fast vollständig vor Flammen geschützt, doch durch die lederartige Struktur war eine ideale Bewegungsfreiheit an der untersten Schicht gewährleistet. Die Panzerplatten des Drachens waren dagegen alles andere als flexibel, doch an den Stellen wo sie saßen brauchte es dies nicht. An der Brust, wo sie mögliche Pfeile bremsen sollten und natürlich auch am Rücken, über hinterhältige Attacken unschädlich zu machen. Dabei war es natürlich nie eine Garantie, dass der Pfeil nicht doch durch die Schuppe dringen konnte, aber die Schuppen eines Drachen waren so dermaßen hart, dass es schwierig, fast unmöglich war. Keine Rüstung bot an nur einer einzigen Stelle hundertprozentigen Schutz, aber je besser die Rüstung, desto höher die Chancen, das klang einleuchtend und das war es auch. Ashisou war sicherlich eine der besten Lederrüstungen, oder besser gesagt Schuppenrüstungen, die es gab, denn sie besaß nicht nur den Schutz von ein paar der mächtigsten Wesen der Welt, sondern wurde auch noch mit Magie behandelt. Dennoch war sie keine Wunderrüstung und konnte nur mit einem guten Besitzer lange überleben. Einem schnellen Besitzer, einem wendigen Besitzer. Jemanden, der gut kämpfen konnte. Heute sollte das Meisterstück folgen, das Fell der Wölfe auf die Rüstung zu nähen. Dabei stellte sie sehr schnell fest, dass sie viel zu viel Fell hatten und einiges übrig bleiben würde, doch das konnte man dann ja noch sehen. Es war eine mühevolle Arbeit, mit Nadel und Faden und dem Messer, dass sie inzwischen von Rociel bekommen hatte, zu arbeiten, aber es würde sich sicher auszahlen, sie fieberte schon auf das Ende der Arbeit hin und legte sich deshalb besonders ins Zeug, denn wenn sich die Sonne senkte musste sie fertig sein. Außerdem war dies ihre Rüstung für die nächsten paar Jahre, eher noch für immer, deswegen sollte sie auch schön sein. Das praktische Denken hatte bei Isabell Vorrang, aber die Schönheit einer Rüstung durfte nicht außer Acht gelassen werden, weswegen sie auch zunächst nur die besten Stücke der inzwischen schon etwas angeschlagenen Wolfsfelle benutzte. Das Fell hatte den Sinn dieser Rüstung Schutz gegen die Natur zu gewähren, Wind und Kälte abzuwehren. Dabei war es das edelste Fell, das man wohl von einem Wolf bekommen konnte.

Während sie noch weiterarbeitete, hatte ihr eifriger Bruder wieder zum Schwert gegriffen, abseits des Baumes, in der Mitte der Lichtung, sah man ihn Schwerterhiebe üben und üben. Solange sie heute arbeitete, solange trainierte er noch. Er hätte sich auch einfach ausruhen können, aber wahrscheinlich war ihm das unangenehm. Die junge Frau war in diesen Tagen mehr und mehr stolz auf den kleinen Bruder und sie war innerlich froh über diese Schicksalswendung. Ihr Bruder hätte auch ein Säufer, ein Schläger oder einfach nur ein stocksteifer Milzsoldat sein können, aber niemals auf der Welt hätte sie vor der Zeit eine solche Vorstellung von einem Menschen entwickelt. Er war nicht nur ein liebevoller Mensch, sondern auch ein zärtlicher Liebhaber, seine Scheu war so anders, als bei so vielen Männern. Dies alles ließ die negativen Seiten wie das Blut ihres Vaters vergessen machen. Dieses Leben war trotz der ganzen Querelen soviel perfekter und schöner als das Dahinsiechen davor. Oft sah sie ihm kurz zu, wie besessen er doch war, eine Besessenheit, die fast schon Angst einflössend war. Doch nun kam er wieder, mit einem zackigen Geräusch hörte man die Klinge in der Scheide verschwinden. Sie sah zu ihm auf, wie sein Kopf rot war und musste kurz kichern, obwohl sie wusste, dass sie nicht viel anders aussah, vor noch nicht allzu langer Zeit. Dann setzte er sich neben sie. Man bin ich kaputt, aber ich denke, dass mit das sehr, sehr weiterhelfen wird. So intensiv habe ich nicht mal bei meiner Ausbildung trainiert. Wahrscheinlich war ich deswegen damals nie wirklich gut. Na ja egal, ich wollte mit dir nur kurz über die Sekte reden. Du weißt schon, wir wollten das Thema kurz anschneiden. Sein aufgerichteter Oberkörper fiel, abgestützt mit den Händen, zu Boden, bis er ganz im matten Gras lag. Sie sah die Nachdenklichkeit in seinem Gesicht, als er ruhig zum Himmel, der heute mehr blau als grau aber dennoch nicht schön aussah. Sie wollte auch ernst bleiben, hatte aber kein Problem damit, im Gegenteil, es würde wichtig sein darüber zu reden. Diese Frage quälte sie nämlich auch schon die ganze Zeit. Doch die Konzentration blieb weiterhin bei der Rüstung, an der sie nebenher weiterarbeitete.
09.03.2004, 17:42 #257
Heimdallr
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Also, was haben wir? Zunächst einmal einen Angriff auf uns beide. Das war noch dieser schnelle Vermummte, von dem ich annehme, dass es ein Mann war, aber natürlich könnte es auch eine Frau gewesen sein, jedenfalls nennen wir ihn mal einfach Mann. Also, der Typ wollte uns aus dem Hinterhalt meucheln, was ihm aber, dank des Amulettes, nicht gelungen ist. Wir konnten ihn stellen, fanden aber nur noch einen Umhang, auf dem die Worte Gelirkas drauf waren. An dem Umhang war kein Blut, aber auch keine Staub oder Aschereste, also konnte ich ihn nicht getroffen haben, sondern nur den Umhang. Es ist also zweifelhaft, ob es ein Mensch war, wäre aber durchaus möglich. Ich halte fest, es war ein gut ausgebildeter Attentäter, der uns da töten wollte. Dann passierte lange Zeit nichts mehr, bis uns diese Stimme beim ersten Mal begegnete. Sie sprach von Dämonenblut und Unheiligkeit. Sie kannte unser Geheimnis, die Frage ist nur, woher kannte sie unser Geheimnis? Niemals ist es uns über die Lippen gekommen. Sehr seltsam. Ein weiterer, offener Punkt ist, dass diese Stimme sehr göttlich sprach. Als ob sie im Auftrag eines Jemanden handeln, den sie als Gott betrachteten. Ich schließe Beliar und Adanos aus. Es sind entweder verrückte Innosanhänger, das würde sehr gut passen, oder dieser verrückte Schläfer hat seine Finger im Spiel. Natürlich kann es auch einfach sein, dass sich unser Feind einen eigenen Gott geschaffen hat. Auf jeden Fall glauben sie im Recht zu handeln, aber das glauben Fanatiker ja immer. Wir stellen fest, dass die Stimme bei allen drei Malen aus einem Baum kam. Sie versteckte sich, traute sich nicht so Recht an uns zu treten, uns ihren Körper zu zeigen. Aber ich meine, dass es immer dieselbe Stimme war. Und immer wieder war es derselbe Zauber. Es muss ein Zauber sein, denn Gestalten, die wie Menschen aussehen und wie Menschen kämpfen, aber weder Blut noch eigenen Willen besitzen und bei einem tödlichen Treffer zu Staub zerfallen, das kann nur das Werk eines Nekromanten oder eines anderen Zauberers sein. Allerdings sind diese Kämpfer immer sehr schwach gewesen, was uns vielleicht in Sicherheit wiegen soll. Ich für meinen Teil sehe das als Test. Unsere Gegner scheinen sich sicher zu fühlen, sicher und stark. Aber doch zu schwach, um uns offen anzugreifen und uns ihr Gesicht zu zeigen. Und dann ist mir noch etwas Weiteres aufgefallen. Es werden immer mehr. Erst war es ein gutes Duzend, dann etwas mehr und beim letzten Angriff, den ich erlebt habe, waren es mindestens fünfzehn. Außerdem schrecken sie nicht zurück uns einzeln anzugreifen, obwohl das noch logisch ist, taktisch sogar klug war. Aber ebenso gut könnte es ein weiterer Test gewesen sein. Ich weiß nicht wozu das alles und ich weiß nicht, wer dahinter steckt, aber ich habe da so meine Vermutungen. Auf jeden Fall bin ich davon überzeugt, dass es mehrere sind. Ich glaube nicht an den großen, mächtigen Zauberer, der sich in den Bäumen versteckt und seine Zauber wirkt, aber auch ab und zu mal zu einem kleinen Meuchelattentat ansetzt. Nein, ich bin fest überzeugt, dass es eine Art Sekte ist, aber der Umfang ist mir vollkommen unklar. Ob das jetzt fünf oder fünfzig sind, ich hab keine Ahnung. Aber für mich steht eines fest, wir sollten diese Leute gut im Auge behalten. Anfangs hielt ich sie noch für Spinner, aber das hat sich jetzt geändert. Die Typen sind gefährlich. Wer es schafft fünfzehn Zauberwesen zu erschaffen, die sich bei Tode in Luft auflösen, aber dennoch echt und nicht körperlos sind, kämpfen können und damit auch töten können, der gibt sich doch nicht mit Schwächlingen wie diesen zufrieden. Ich glaube…uns könnte da noch ganz schön Ärger drohen. Aber Angst habe ich nicht. Und auch keinen Respekt. Ich möchte nur, dass wir in Zukunft etwas besser aufpassen. Auch dafür ist dieses Training. Sollten sie es noch einmal wagen – und sie werden es ganz sicher noch einmal wagen – dann werden wir keine Gnade mehr walten lassen. Diese Wesen sind es nicht wert beachtet zu werden. Keine Menschen in meinen Augen. Ich werde sie beim nächsten Mal…nicht so schonend behandeln.

Dann endlich stoppte er, er spürte, wie trocken seine Lippen waren und wie trocken sein Gesicht doch schon war. Der Wind hatte wieder Fahrt aufgenommen und man spürte seine sanften Züge auf den Knochen und der Haut, wenn man nur darauf achtete. Rociel sah zum Himmel, so unendlich weit weg. Kurze Zeit vergaß er wieder die Welt um sich herum, aber dann raffte ihn nicht nur Isabells liebliche Stimme wieder auf, sondern auch die Tatsache, dass er wieder weiterarbeiten wollte, vielleicht auch von Bruder Ehrgeiz dazu gezwungen wurde.

Ich weiß nicht, ob es wirklich mehrere sind, aber dennoch gebe ich dir Recht. Das Gelirkas ist eine Bedrohung für unser Leben, aber wir können es uns nicht leisten solche Gestalten und Organisationen frei walten zu lassen. Wir sollten uns sobald wie möglich mit dem Problem näher beschäftigen. Ich möchte dir noch etwas sagen, wenn es dir noch nicht aufgefallen ist. Ich bin eben erst darauf gekommen, als du gesprochen hast. Gelirkas… Dreh das Wort mal herum und du siehst, warum sie gerade uns jagen. Sakrileg. Ein heiliges Vergehen. Wie die Hexenjäger. Wie die Jäger der Sünder…
Hahaha…sie sehen uns als ein Sakrileg. Ich bin allerdings bereit, für mein Sakrileg zu sterben, denn ohne es wäre ich schon längst tot. Psychisch tot. Und wohl auch physisch.
Hehehe…wir werden die selbsternannten Jäger austricksen. Wir finden ihren Bau und schlagen der Schlange den Kopf ab. Und leben als die glücklichsten Sünder auf dieser Welt weiter.


Sie hatte Recht. Noch einmal ging er die Initialen auf dem Umhang durch und die Buchstaben standen wirklich für das Wort Sakrileg. Nur eben rückwärts…jetzt wurde ihm so einiges klar, zwar waren damit nicht die meisten Fragen beantwortet, aber es ließ die Sache klarer wirken. Viel klarer. Hehe, du hast Recht Sternchen. Wir schlagen der Schlange den Kopf ab und sorgen dafür, dass keiner mehr nachwächst. Das Glitzern in ihren Augen, die sich fast die ganze Zeit nur auf das nähen des Felles konzentriert hatten, war ansteckend, aber dennoch war er derselben Meinung. Er hasste es gejagt zu sein, er jagte lieber selber.
Rociel gab seiner Schwester einen sanften Kuss und zog dann wieder zur Mitte der Lichtung, hatte er zuvor noch sein Schwert aus der schützenden Scheide geholt. Noch im Gehen sprach er dann noch einmal zu seiner eifrigen Schwester.

R: Wie lange brauchst du denn noch, wir müssen noch weitermachen!
I: Nicht mehr lange, ich bin gleich fertig, aber etwas Zeit brauch ich noch, das Fell geht schwieriger als gedacht.
R: Nein, nein, schon gut, lass dir alle Zeit dieser Welt. Ich hab das nur wissen wollen. Niemand soll dich bei deiner Arbeit drängen. Es soll die beste, die schönste und die stärkste Rüstung werden, die je einen menschlichen Körper geziert hat, hörst du. Ich werde dir dafür besorgen, was du willst, auch die Zeit!


Danach kehrte wieder Ruhe ein und nur die gleitenden Bewegungen der Klinge zuckten durch die Luft.
09.03.2004, 18:13 #258
Raven the 4th
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Raven grinste und klopfte sich die feuchte Erde vom Harnisch, sobald sich der feste Händedruck des Leelers gelöst hatte.
"So schnell vergess ich niemanden, vor allem keinen Anhänger Lees. Ich hab bloß teilweise Probleme, zu zuordnen, wo oder wie ich wen kennengelernt habe."
Der Jäger wandte den Blick ab von dem Banditen und in das sich lichtende Dunkel, das vor ihnen lag.
"Sollten wir nicht...?", Raven packte wieder seinen Bogen und ein fragendes Lächeln lag auf seinem Gesicht.
Marquez fuhr schlagartig herum und setzte sogleich ein schnelles Tempo vor.
Wortlos folgte Raven dem Verbündeten, der von Wurzel zu Wurzel, die die beiden übersprangen schneller wurde.
09.03.2004, 20:56 #259
Isabell
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Schon wieder waren sie am trainieren, doch dieses Mal ohne Schwerter. Kein Holz, kein Metall. Dieses Mal trainierten sie etwas ganz anderes. Die letzte Art des Kampfes. Die Idee kam dieses Mal von ihr und wurde auch dankend angenommen. Die Rüstung war endlich fertig, noch sah sie wie ein unfertiges Stück aus, doch das sollte sich bei Einbruch der Nacht ändern. Doch bis dahin hatten sie noch ein kleines bisschen Zeit, die Zeit, in der wieder intensiv gearbeitet wurde. Isabells Spekulation zielte darauf spezielle Bewegungen in den Kampf hinein zu bringen. Bewegungen, die nützlich waren um den Gegner maximalen Schaden zuzufügen. Es war schwierig, denn die meisten Bewegungen waren schon längst bekannt und schwer ausbaubar, doch es fanden sich Bewegungsabläufe, die man wunderbar kombinieren konnte. Sie übten einfachste Aufgaben wie das Ducken oder das Beugen des Körpers, das Gleichgewicht auf einem Bein und auch im Fallen zu halten. Doch all dies war nur eine Verbesserung einer Kunst, die jeder Kämpfer von selbst trainierte und die deswegen auch keine lange Übung benötigte. Doch eines war ihre Königsdisziplin, ein Bewegungsablauf, gegen die sie sich erst gewehrt hatte und den sie doch am Ende duzende Male trainierten. Das ganze sah eine kampfähnliche Situation vor. Sie kämpften gegen eine Vielzahl von Feinden, was auf diese Vermummten angespielt war. Mitten im Kampf lösten sie sich voneinander, so dass sie genügend Anlauf hatte. Sobald der Weg frei war sollte sie auf Rociel zulaufen, mit einem schrillen Pfeifton das Signal geben und dann ging er in die Hocke, bot sozusagen eine ideale Rampe auf der sie dann absprang. Das ganze musste schmerzhaft für den Rücken sein, denn die Stiefel und der Rest des Körpers hatten schon einiges an Gewicht, doch Isabell tat es dann doch. Das ganze hatte einen gravierenden Vorteil. Die Feinde die sie während des Sprunges ausschalten konnte, waren groß und selbst wenn nicht, allein die Möglichkeiten beim Aufkommen waren unendlich. Gleichzeitig war sie jegliche Verfolger los, da diese ins offene Messer liefen. Der Nachteil war allerdings auch, dass es dafür Anlauf brauchte und den hatte man im Kampf selten. Deswegen übten sie noch eine weitere Finesse. Einen Kampfstil, der lange Zeit behindert wirkte, da sie kaum Platz für ausfahrende Schläge hatten, doch dafür bildeten sie ein fast uneinnehmbares Bollwerk der Verteidigung. Rücken an Rücken konnten sie fast jeden Angriff abwehren, doch dies alleine sollten nicht alles sein. Sie übten den Schwertwechsel blind, wieder nur durch eine Pfeifreihenfolge aufmerksam machend. Sie versuchten die Schläge präzise nach hinten und nicht nur nach vorne. Der Sinn des ganzen war einfach, auch in der Enge noch Möglichkeiten zu haben. Dabei mussten sich immer wieder Hirngespinste ausgedacht werden. Es war wirklich schade, dass sie hier keine Strohpuppen hatten, aber eigentlich war es gar nicht mal so schlimm. Sie kamen gut voran.

Zu guter letzt beendeten sie das Training mit einem Dualkampf. Es war alles genau abgesprochen und doch war es ein Zufallskampf. Sie wollten versuchen alle Elemente des bisherigen Trainings zu kombinieren. Gegeneinander kämpfen, natürlich mit den Holzschwertern, dabei nicht nur tödliche, sondern auch unvorhergesehene Schläge reinbringen. Doch dann sollten sie auch Ausweichbewegungen üben und immer mal wieder die gemeinsamen Techniken anwenden.

Die Schwerter splitterten kaum noch, obwohl es immer härter zuging, unglaublich schnell waren die Bewegungen jetzt, sie hatten spätestens jetzt gesehen, dass es etwas gebracht hatte, so intensives Training zu betreiben. Beim ersten Kampf war es zwar gut, aber lange nicht so schnell. Verbissen waren ihre Gesichter, der Griff der Klingen wurde fast sekündlich gewechselt. In ihren Augen brannte Feuer, dass sonst nur in Kaminen oder bei Lagerfeuern zu sehen war, sie sah selbst, wie verbissen ihr Bruder die Zähne zusammenknirschte, man mochte sich nach einem Knacken sehnen, um die Beobachtung geradezu zuhören. Doch dieser Kampf sollte ein Musterbeispiel werden, wie eine Prüfung sozusagen, sie legten sich deswegen besonders ins Zeug, gaben sich die größte Mühe. Neben unzähligen Schlägen, die immer wieder die Schwerter zusammenkommen ließen, waren ihre Bewegung fast perfekt. Natürlich gab es auch Fehler, manchmal ging sogar alles schief, doch sie resignierten dann nicht, sondern kämpften einfach weiter. Sie schafften es in einer Drehung ihre Waffen auszutauschen, kämpften blind mit Rückenkontakt, sie wagten sich selbst an die durchaus gefährliche Disziplin ohne Ankündigung gezielte Schläge dicht an den Köpfen des Partners vorbei zu führen, doch was sie am meisten freute, ihre Königsdisziplin gelang. Am Ende, Isabell war mittlerweile vollkommen am Ende und sehnte sich nur noch nach dem erlösenden, letzten Schlag, führten sie sie aus. Niemand hätte aufgegeben, doch sie mussten aufhören, die Sonne, oder besser gesagt das Licht, war untergegangen, sie sahen immer weniger und das bedeutete soviel wie Endzeit. Isabell fuhr herum, ihr Körper drehte sich mit ihr, die Klingen tanzten im gleichen Takt, ihre schwarzen Haare fielen baumelnd nach vorne. Sie streiften das Schwert von Rociel, ehe sie sich nach vorne warf. Mit einem gehechteten Salto brachte sie sich raus, wäre fast ausgerutscht, konnte sich aber sicher auf die eigenen Beine retten. Wie besprochen war noch immer die Kampfsituation gleich, ihr Bruder, umringt von fünf Leuten, wehrte sich erbittert gegen die Angreifer. Ihre Klingen fuhren einmal herum, dann packte sie energisch zu, die Griffe fest in der Hand, gestern noch von ihrem Bruder durch kleine Einkerbungen verbessert. Sie lief zu ihm, gab dem verabredeten Pfeifton von sich, dann passierte es, mit einer blockartigen Abwehrbewegung verschaffte er sich Zeit, ging in die Hocke, während zwei Schläge seiner Feinde über die Stelle donnerten, wo eben noch sein Kopf war. Das Spiel musste gespielt werden, unbedingt und Perfekt, ein Drama, gut genug für das Leben da draußen, zu schlecht für ein geeignetes Publikum, denn das Blutvergießen war zu enorm. Sie nutzte seinen Rücken als Trittfläche, sprang an dem realen Rociel in die Höhe, rammte Zweien das Schwert in den Rücken, ehe sie röchelnd zu Boden fielen, sofort herrschte Panik, Chaos, Verwirrung, ehe die zweite Garnison fiel, enthauptet, aufgeschlitzt, tot, tot, tot. Die Verfolger liefen in das Schwert ihres Bruders, das zweimal das Herz nur knapp verfehlte, einen auch am Bein niederstreckte. Das Drama war vorbei, oder auch, der Kampf war gewonnen, die Darsteller verbeugten sich, oder auch, die beiden fielen glücklich, aber auch schwer, schwer schnaufend und keuchend in das Gras. Sie hatten es geschafft. Natürlich war es nicht perfekt…natürlich nicht…aber so wie es war, war es besser. Ihre Feinde hatten am heutigen Tage einen Grund mehr sie niemals zu finden, denn in Isabells Kopf keimte der Gedanke, das durchzuziehen. Das regelmäßig zu machen. Noch während ihr Brustkorb wild auf und ab bebte, war sie süchtig geworden, süchtig nach der unmöglichen Perfektion. Süchtig nach der Bühne, die es nicht gab.

Glücklich war sie nun, sehr glücklich und auch ihr Bruder schien glücklich zu sein. Aber was hieß schon schien, natürlich, sie wusste es ja. Sie konnten nur lächeln, trotz des Auf und Ab, dem wilden Herzschlag und dem rasenden Puls. Sie hatten etwas geschafft, auch wenn noch überhaupt nicht raus war, ob man all das Gelernte überhaupt mal praktisch anwenden könnte. Aber sie waren beide so zuversichtlich, so strahlend, trotz der Dunkelheit, sie hatten keinen Grund mehr nicht daran zu glauben. Wieder schmeckten die Küsse von seinen Lippen salzig, aber das machte nichts, sie hatten Zeit, die Nacht war noch nicht vorbei, sie hatten nun mehrere Stunden um das Angefangene zu vollenden, um den Tag zu einem perfekten Tag zu machen. Der Zauber, so wusste sie, wirkte nur in der Nacht, wenn diese im Lande herrschte. Warum wusste sie nicht, doch sie war bereit dafür. Aber noch mochte sie nicht an den Zauber denken, denn es war da doch ein kleiner Wehrmutstropfen dabei, ein roter Lebenstropfen…
09.03.2004, 22:56 #260
Heimdallr
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Nach einigen Minuten standen sie wieder auf. Sie waren zwar absolut kaputt, doch in ihren jungen Brustkörben füllte sich wieder neue Luft. Ihr Atem wurde kontrollierter, das Keuchen ging. Erneut rappelten sie sich auf, jetzt spürte auch Rociel, dass es mehr als nur einfaches Schwerttraining war, es war gleichzeitig Muskeltraining, Konditionstraining und auch ihr Geist profitierte davon. Aber jetzt hatte er eigentlich genug. Vielleicht morgen mal wieder, aber für heute konnten die Knochen nicht mehr. Besonders der letzte Kampf, er war so was wie eine Kür, eine unglaubliche Anstrengung, ein Kraftakt. Zusammen gingen sie dann zurück zu dem Baum, unter dem immer noch, seit ihrem Wiedersehen, die ganzen Sachen lagen. Doch aus den losen Drachenschuppen, den vielen Waranschuppen und den großen Wolfsfellen war ein Gebilde geworden, das schon entfernt nach einer Rüstung aussah, allerdings noch längst keine war. Natürlich wunderte sich der junge Fürst, gab es doch allen Grund dazu. Sie wollte fertig werden, heute, und hatte auch gesagt, dass sie fertig wäre, ansonsten hätten sie ja gar nicht so viel noch gemacht. Entsprechend groß war nun die Verwunderung, als er das gute Stück zum ersten Mal sah. Ich dachte du bist fertig. Aber da fehlt ja noch irgendwas oder? Vorsichtig tastete er an der Rüstung, die von außen hin komplett weiß war und nur innen einen tiefen Schnitt besaß. Ein weißer Saum aus Wolfsfell bildete Band, gleichzeitig befanden sich tiefe Löcher in der Innenseite. Perfekte Schneiderkunst wollte er meinen, nur leider war die Rüstung klapprig und würde wohl den nächsten Sturm nicht überleben, weswegen er arg zweifelte, ob das der Endzustand einer solch mächtigen Rüstung sein sollte. Schon wollte er seiner Schwester den Vorwurf machen, doch Stahl zu brauchen, als diese mit einer mehr als überraschenden Antwort herausrückte. Nun ja, du hast Recht, da fehlt noch was. Der Rüstung fehlt noch das Bindeglied, das Stück, dass ihr die Stabilität gibt. So etwas wie Leim. Oder eben eine Naht. Ich habe dir noch nicht alles gesagt. Ich wollte das nicht so früh sagen, aber inzwischen wünschte ich, dass ich es getan hätte. Also…diese Rüstung besteht aus reiner Magie. Die Magie der Wesen, denen diese Trophäen einst gehörten, sie schlummert noch immer darin und diese Magie wird mit einem Spruch gebannt, doch noch viel mehr, diese Rüstung, Ashisou, sie kann nur mit diesem Spruch entstehen. Ich habe ihn einst gehört, als ich die Rüstung bekam. Damals war sie schon fertig, aber ich konnte alles erfahren. Ich weiß selber nicht mehr genau, was ich damals fragte, aber den Spruch habe ich noch genau auf den Lippen, seit Jahren schleppe ich ihn mit mir herum, seit mir Kryliyx meine Rüstung raubte. Es gibt da nur ein Problem, genau deshalb wollte ich es dir nicht erzählen. Aber lass uns zuerst zu dem kleinen Steinhaufen da vorne gehen, dort will ich das Ritual ausführen. Doch Rociel wartete nicht lange mit seiner Nachfrage, wie sollte er auch ruhig bleiben, nachdem die Worte eher aufgeregt als freudig klangen. Was, was für ein Problem? fragte er mit aufgeregter Stimme. Das Bindemittel, der Leim, die Magie…sie besteht aus rotem Lebenssaft., entgegnete seine Schwester ruhig. Blut? Hm… Der junge Mann überlegte, ob es wirklich so sinnvoll war, dieses Ritual durchzuführen. Schon seit jeher hatte er ein gespanntes Verhältnis zur Magie, aber die Worte seiner Schwester lösten ein klein wenig Angst in ihm aus. Er wollte nicht, dass diese ganze Suche, diese ganze Anstrengung und die ganze Stimmung durch so etwas zerstört wurden, das durfte einfach nicht sein. Erklär mir, was es mit dem Blut auf sich hat. Was geschieht dabei genau? Isabell sah ihn nur komisch an und legte die Rüstung auf einen der Steine. Sie lag da nun, nichts mehr darunter und daneben. Wie auf einem Altar. Dabei handelte es sich nur um einen einfachen Stein, das sei hier festgestellt. Nun, eigentlich nicht viel. Es muss eine fließende Blutquelle in der Nähe sein, während die Formel gesprochen wird. Das Blut wandert so geradewegs in die Rüstung, sie bekommt so ihre vollendete Form, aber ich habe es noch nie gesehen, es ist auch für mich nicht genauestens vorhersehbar. Seine Schwester griff zum Rasiermesser, dass er ihr vor ein paar Stunden erst gegeben hatte, für die Arbeit an eben jeder Rüstung. Von außen sah sie so wunderschön aus, aber doch war sie unvollständig, nicht komplett. Geschwind schnappte er nach dem Messer, seine Hand nahm es spielerisch selber und aus der Hand von Isabell. Ich werde es tun. Du wirst dich ganz auf diese Formel konzentrieren. Ich vertraue dir, egal was kommt. Aber ich kann nicht zulassen, dass du dir deinen schönen Körper ruinierst. Er zog nur noch sein schwarzes Leinenhemd aus, dann stand er schon oberkörperfrei da. Die Rüstung, die trug er nicht zum trainieren, es wäre ja auch hirnrissig gewesen eine Rüstung dabei zu tragen und mehr als die Rüstung und das Hemd besaß er nicht. Es blieben nur noch seine Armschienen, doch die sollten jetzt keine Beachtung finden. Warte kurz und schnell eilte er noch zu ihrem provisorischen Lager und besorgte die Fackel mit dem Feuerstein. Bis eben war sie aus, obwohl sie nur noch schwer sahen, aber nun brannte sie wieder und erhellte das Gebiet einige Meter. Die Flamme war unheimlich, zuckte an den Bäumen und warf grauenvolle Schatten, doch immer noch besser als die totale Finsternis. Rociel war fest entschlossen das durchzuziehen. Er hatte Angst, denn wer fügt sich schon freiwillig Verletzungen zu und ließ noch einen Zauber über sich ergehen, aber er musste es tun, es war ein Instinkt, als ob er sie vor etwas beschützen musste. Als sie noch etwas sagen wollte, nickte er nur, es gab keine Diskussionen mehr. Vor der Rüstung stehend, Isabell den Rücken zugekehrt, nahm er dann sein Rasiermesser, dass er eigentlich nur für die Jagd gebrauchen konnte, die Klinge war so scharf, dass sie genau das richtige war. Mit einem genauen Schnitt zwischen dem Brustkorb ließ er sein Blut aus dem Körper strömen, er setzte den Schnitt nicht sehr tief, nur wenige Millimeter. Es tat weh, wie jeder Schnitt, doch das warme Blut linderte den anfänglichen Schmerz. Ein zweites Mal nickte er, so dass sie verstanden hatte. Kurze Zeit darauf hörte er die Worte der Formel, von denen er allerdings nichts verstand.

A ALLA GOJA HO HOPI HAJATA
AL HEJA GOJA HOI GOI HAJATA

Als die letzten Silben gesprochen waren, begann er etwas in sich zu spüren. Es wurde warm in seinem Körper, er spürte ein Lauf einer flüssigen Bahn, er verspürte einen Druck, einen Schmerzimpuls an der Stelle, wo das Blut hinaus trat und die Brust herunter lief, auf dem Weg zum Bauchnabel. Doch dort sollte es nie ankommen. Vor seinen Augen erhob sich das Blut, bildete eine Schlange, eine Schlange die direkt auf die Rüstung zuzielte. Man hörte nur noch das Knistern der Fackel, selbst sein Atem war verstummt, als sich das Blut sammelte und langsam auf die Rüstung niederging, allerdings unglaublich präzise und kaum sichtbar. Das Seil schwebte weiterhin in der Luft, ein Seil aus reinem Blut, das sich aus seinem Körper erhob. Doch nicht mehr lange konnte er sorgenfrei zuschauen, es wurde langsam kälter in seinem Körper, er bekam Kopfschmerzen, ein Pochen in seinem Kopf. Das Blut drängte immer weiter hinaus. Die Rüstung jedoch bekam nun eine Form, wurde viel massiver, dehnte sich wenig, aber immerhin aus. Irgendwann wurde ihm dann schwarz vor Augen, ein Flimmern und spätestens da bekam er ein ungutes Gefühl, doch fast zum selben Zeitpunkt hörte es auf. Das Blut riss von der Rüstung ab und innerhalb von einer Sekunde zog es alles wieder zurück in seinem Körper. Er spürte einen richtigen Ruck und fiel zu Boden. Sein Kopf war schwer und die Finger hatten Mühe sich zu bewegen, doch es war geschafft, die Rüstung war nun in ihrer schönsten Blüte.

Es ist vorbei, du hast es überstanden Mondschein. Komm, ich helf dir hoch. Mit Isabells Hilfe schaffte er es tatsächlich aufzustehen und er konnte sogar gehen, doch es war alles noch etwas verschwommen und er war etwas wacklig auf den Beinen. Schau mal, noch was Gutes, wir haben zwei Wolfsfelle übrig, eine warme Nacht ist uns damit sicher. Seine Schwester strahlte richtig und dieses Strahlen und das Wissen, dass ihr bei alldem nichts passiert war, das ließ hoffen und gab ihm auch die Kraft zu einem Lächeln. Dennoch war die mehr oder weniger freiwillige "Blutspende" sehr Kräfte raubend gewesen. So blieb auch keine Zeit mehr, nicht mehr viel. Immer noch schummrig zog er sein Hemd wieder an, verspürte einen Kuss auf seiner Wange, aber danach kippte er wirklich um. Er brauchte nur ein wenig Schlaf, um wieder zu Kräften zu kommen…nur ein wenig Schlaf…

Wer träumt, dem wachsen Flügel.
10.03.2004, 15:49 #261
Isabell
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Schon gestern Abend war es alles andere als gut gelaufen. Sie hätte niemals mit einem solchen Prozess gerechnet, sie kannte diese alte Formel nicht. Wusste nur ihren Sinn, dass man sie brauchte für die Vollendung der Rüstung, doch hatte sie keine Ahnung, dass es so dermaßen enden könnte. Dieser Anblick, er war einerseits faszinierend, aber andererseits auch schrecklich, denn es war nicht anzunehmen, dass Rociel Freude daran hatte, als sein Blut aus dem Körper gerissen wurde, nur um auf der Rüstung zu landen. Doch sie konnte nichts tun. Das einzige, was sie in ihrer Hilflosigkeit tun konnte war ihn nach dem Zusammenbruch zuzudecken und vorsichtig hinzulegen. Es wäre sinnlos gewesen noch mehr zu tun. Zum Glück war sein Puls wieder stabil, genau wie Herzschlag und die Wunde war auch gestoppt. Trotzdem machten sich Schuldgefühle breit, die sie die ganze Nacht wach hielten. Sie konnte nicht viel schlafen, vielleicht drei oder vier Stunden, doch lange lag sie in der vergangenen Nacht wach und sah in die Sterne. Es waren seit langer Zeit einmal wieder Sterne und sie war sich sicher ihr Bruder hätte diese gerne gesehen, sah er doch so gerne die vielen leuchtenden Himmelskörper und vor allem den Mond. So war das alles nicht geplant gewesen, aber jetzt hatten sie auch das überstanden und sie sollten noch viel mehr überstehen. Es war nur der Gipfel einer elendslangen Kette, die zu dieser Rüstung führten, aber sie war nun endlich zu Ende. Sie hatten es geschafft. Auch wenn sie dabei mitgeholfen hatte, fast alles hatte Rociel getan, es war genau das, was es werden sollte, ein echtes Geschenk und sie freute sich auch riesig darüber. Nur gab es da auch zahlreiche Probleme dadurch, denn nun wusste sie nicht mehr, wie sie sich dafür revanchieren konnte. Irgendetwas musste sie ihm dafür geben, auch wenn er eigentlich nichts wollte, aber das ging ja nicht. Er konnte nicht einfach eine mystische Rüstung verschenken und dann nichts dafür nehmen. Auch darüber grübelte sie, doch die Vorwürfe von gestern Nacht blieben noch lange in ihr bestehen.

Schon früh am Morgen hatte sie die Rüstung dann ein erstes Mal anprobiert. Doch zunächst einmal musste sie sich sehr wundern. Es war sogar eine unheimliche Verwunderung. Denn diese Rüstung sah exakt so aus wie noch das Unikat, dass sie einst überreicht bekam. Kein Teil war anders und selbst die Stücke, die vor ihrem Zauber gestern Nacht noch anders aussahen, hatten sich scheinbar an die alte Erinnerung angepasst. Es war so, als ob die Rüstung in ihrem Kopf entstanden wäre. Verzweifelt war sie, denn die Rüstung war wirklich zu schön. Ihre Kanten hatte sie bei dem Zauber verloren, auch ein erheblicher Teil ihres Gewichtes schien auf magische Weise verschwunden zu sein, oder war dies nur die Einbildung an das erste Stück? Sicher, es war nur äußerlich dieselbe Rüstung und würde niemals an die Macht der wahren Ashisou heranreichen, doch sie wollte diese Rüstung stets in Ehren halten, sie pflegen und sie gut behandeln, sie an ihrem Körper tragen, aber auch im Kampfe, denn dafür wurde sie gemacht. Sie wollte sie weiterhin Ashisou nennen, denn auch wenn es nicht dieselbe war, ein Stück davon wohnte auch dem Imitat inne. Und so wurde die Taufe schnell und ohne Umstellungsprobleme vollzogen. Sie sah ähnlich glanzvoll aus als noch vor dem Verlust der ersten Rüstung. Sie war wieder in ihrer vollen Garnitur. Nun besaß sie nicht nur die zwei Waffen und ihren Körper, sondern auch ihre Rüstung. So war es wieder perfekt. Für eine lange Zeit lächelte und strahlte sie ihre Freude und ihre Zufriedenheit nach außen, denn sie fühlte sich jetzt auch besser, als sie die Rüstung trug, man spürte sie gar nicht mehr auf den Schultern, doch ihren Schutz, ihre Schönheit und das angenehme, weiße Fell, das blieb trotzdem erhalten. Doch ihre Freude wich schnell aus ihrem Gesicht, als sie ihren Bruder noch immer am Boden liegen sah. Erst da nahm sie die Rüstung wieder ab und ging zu den großen Krügen mit Wasser. Das meiste hatten sie während der vergangenen Stunden verbraucht, doch es gab noch genug. Sie schöpfte ein wenig heraus in ihre kleinen Krüge und ging dann zu Rociel. Vorsichtig gab sie ihm einen Kuss, denn er aber nicht zu spüren schien. Dann löste sie sein Hemd und blickte auf die Wunde, um die sich ein großer, roter Fleck gebildet hatte. Vorsichtig versuchte Isabell nun das Blut zu entfernen und hoffte inständig, dass Rociel bald aufwachen würde.
10.03.2004, 17:06 #262
Heimdallr
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In seinem Traum sah er noch einmal, wie Blut lief, allerdings nicht so wie gestern Abend geschehen. Er sah nur, wie ihn ein wilder Wolf anfiel, ihn schwer an der Brust verwundete und dann verschwand. Dort lag er dann, alleine im Wald, sein Körper blutete, er konnte die Wunde nicht stoppen. Das ganze Blut lief ihm hinab, auf den Boden, der bald von dem roten Lebenssaft getränkt war, aber trotzdem wollte er nicht sterben. Es war so komisch, er konnte weiterhin alles sehen. Mit offenen Augen betrachtete er seine Wunde, seine Umgebung. Überall standen Bäume, große Nadelbäume waren es. Der Boden hingegen bestand aus lauter welken Blättern, die ganz klar von Laubbäumen stammen mussten. Seine Hände hielten nicht die Wunde zu, sondern lagen regungslos links und rechts neben ihm, nur seine Finger fuhren langsam in die Erde, die weich unter den Blättern war. Seine Augen mochten ab und an blinzeln, auf jeden Fall waren sie noch nicht tot. Doch diese Szene begleitete ihn sehr lange. Fast seinen ganzen Traum über war diese Szene zu sehen, wie ein Standbild wirkte es, würden sich nicht winzige Teile des menschlichen Körpers, seines Körpers, bewegen.

Spät am Mittag wurde er geweckt, er wachte auf. Geweckt wurde er von Isabell, dessen Bild er verschwommen vor sich sah, doch es war nicht mehr die Blutarmut, die ihn alles verschwommen sehen ließ, es war viel mehr die gläsernen Augen, die noch von seinem Traum übrig geblieben waren. Er spürte aber auch eine Kälte auf seiner Haut, die ihn zucken ließ, die ihn frieren ließ, die eine Gänsehaut verursachte. Er blinzelte ein paar Mal hinter einander, dann rieb er sich die Augen. Er vermochte ein Guten Morgen wahrzunehmen, dass aus einer hellen Kehle entstand. Nach dem Austreiben der Müdigkeit durch kontinuierliches Reiben der Augen konnte er sie dann auch sehen. Doch er sah nun auch, wie sein freier Oberkörper voller Wasser war. Seine Schwester drückte seine Brust wieder zurück nach unten, als er aufstehen wollte. Bleib noch ein wenig liegen, sagte sie nur. Er blieb liegen und wusste nun auch, warum er diese Kälte, dieses eiskalte Wasser gespürt hatte. Isabell war so gütig und versorgte seine Wunde, die er von gestern mitgenommen hatte. Jetzt wo er wach war, entstand ein kleines Gespräch, wobei er nur zur Seite schaute, genau in einen Wald, wie in seinem Traum. Ich habe schon alles erledigt. Du brauchst dich um nichts mehr kümmern. Es ist keine sehr große Wunde, ich denke, es wird auch keine Narbe zurückbleiben. Wieder spürte er neues Wasser, das den dünnen Weg zum Bauchnabel lief und an den Brustflügeln herunter lief. Es waren die Reste ihres Quellwassers gewesen, zumindest musste es das sein. Bestimmt war die Nacht wieder eisig kalt, er konnte sich nur nicht mehr erinnern. Findest du mich denn noch schön?, fragte er leicht verwirrt, mit einem leeren Blick, durch den alles hindurch zugehen schien. Auf einmal hörte Isabell auf mit dem Tuch über den Körper zu fahren und gab ihm einen Kuss auf die Stelle, wo die Wunde lag, aus der aber kein frisches Blut mehr drang. Du bist ein Idiot, seufzte sie nur hilflos. Ja, das bin ich wohl. Nach einiger Zeit tupfte sie ein letztes Mal über die feuchte, aber blutlose Brust, ließ wieder von ihm ab und verschwand augenscheinlich aus seiner Nähe.
Noch immer starrte er in den Wald, dachte an seinen seltsamen Traum. Er konnte sich sogar ein wenig freuen, denn es war ein Traum gewesen, der endlich mal aus reinen Gedanken bestand, bei dem er keine Visionen oder Schicksalszeichen vermuten musste. Dennoch wirkte er so leer, als ob mit dem Blut von gestern auch ein Stück von ihm gegangen wäre. Doch das war nur der erste Anschein. Nach einiger Zeit waren es die Hände und die Arme, die erste Zeichen von sich gaben. Er hatte ein wenig Angst vor dem Anblick, deswegen wollte er erst fühlen, was sich da verändert hatte. Doch das erste was er zu fassen bekam war das Amulett, das seine Schwester zum Glück nicht abgenommen hatte. Doch dann fuhr er über die Stelle. Es war weniger schlimm als befürchtet, nur ein dünner Schnitt zog sich uneben durch die eigentlich glatte Stelle. Danach richtete er sich auf, sein Körper schwer, doch es klappte. Ein wenig blickte er getrübt zum grauen Himmel, der ruhig mal wieder strahlen und ihn aufmuntern konnte, doch es gelang dennoch zu lächeln. Für die ersten Momente musste er noch oft an die Momente der Blutfusion denken, doch dann fiel ihm auch wieder das Andere ein. Wofür sie das alles gemacht hatten. Sein leerer Blick bekam wieder Struktur, als er zu Isabell ging. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen, soviel stand fest. Er umarmte sie von hinten, lehnte seinen Kopf auf ihre Schulter und sah mit großen Augen zu dem Gegenstand, der vor ihnen lag. Es war die Rüstung und sie sah gut aus, mehr noch als das. Dennoch war er unsicher und wollte es von ihr selbst wissen. Flüsternd fragte er sie dann. Ist alles gut geworden, haben wir es geschafft?
10.03.2004, 18:55 #263
Isabell
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Ja, alles ist perfekt. Dein Opfer war nicht umsonst. Auch sie flüsterte, sie wusste gar nicht, warum sie das eigentlich tat, doch es war auf jeden Fall in Ordnung so. Es tat gut mit anzusehen, dass jetzt alles wieder seine geregelten Bahnen ging, alles nahm den Lauf der vorherbestimmt war. Kurzzeitig hatte sie gezweifelt, ob es wirklich richtig war, ob die ganzen Strapazen und Opfer nicht doch zu groß waren, aber das war nur für einen kurzen Moment so. Diese Aufgabe konnten sie getrost als abgehakt ansehen, nun kam es darauf an nach vorne zu blicken. Kurz griff sie nach seinen Armen, hielt sich an ihnen fest, wie an einem rettenden Seil. Eigentlich wollte sie nicht von hier weg, doch sie ahnte schon, dass es unvermeidbar war diese wunderschöne Lichtung zu verlassen. Sie hatten die paar Tage hier wundervolle Bedingungen gehabt, keine Feinde hatten sie hier aufgespürt, sie hatten eine frische Quelle, genügend Wild und einen perfekten Trainingsplatz. Sollte dies alles nur für die paar Tage sein? Warum konnten sie nicht länger hier bleiben? Die Antwort war ihr schon längst klar, aber die Frage kam immer wieder zurück und ließ sich nicht einfach verdrängen. Ich…ich bin froh. Ich…die letzten Wochen waren sehr anstrengend für uns gewesen. Wir waren in Gebieten, in die man normalerweise nicht freiwillig zieht. Wir haben das ein oder andere Mal dem Tod ein Schnippchen geschlagen. Dabei gab es immer wieder Situationen, an denen ich Zweifelte. Die ganze Zeit hat mich ziemlich zermürbt. Die Bedrohungen wollen einfach nicht abreißen, sie lassen uns nicht los. Aber wir dürfen nicht aufgeben. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das durchstehen, du und ich. Weißt du Schwester, irgendwie erwische ich immer total die falschen Momente, um so was zu sagen. Ich, ich kannte dich noch nicht mal vor nicht allzu langer Zeit und die paar Mondjahre seit denen wir nun zusammen sind haben dies bezüglich einiges geändert. Gerade diese Aufgabe, diese Chance etwas Verrücktes zu machen und zu schaffen, sie hat mir neue Kraft gegeben. Und dafür bist du verantwortlich. Ich…ich liebe dich Isabell. Ich liebe dich Schwester.

In ihren Augen standen die Tränen, irgendwie so, warum auch immer. Warum war sie nur kurz davor zu weinen. Vielleicht, weil sie das alles gar nicht verdient hatte? Sie wusste nun selber nicht mehr, was sie sagen sollte, alles hätte er tun können. Meckern, Kritik üben, verärgert sein, aber warum das. Sie hatte es einfach nicht verdient, nicht so und überhaupt. Ich liebe dich auch, so sehr Rociel, so sehr. In diesem Moment mochte es abstrakt erscheinen, dass sie sich nicht küssten, aber sie blieben weiterhin so wie vorhin, aber ihre Hände, sie mochten sich küssen, hielten sie den Anderen doch fest und gaben ihm Kraft, halfen seiner Angst und gaben ihm Schutz. Ohne das alles wäre es gar nicht möglich, diesen ganzen Kampf zu überstehen, aber es war so einfach, so spielend leicht. Isabell wünschte, sie könnte mehr tun, mehr tun um Rociel ihre Liebe zu beweisen, aber das ging nicht. Sie hatte ihren Bruder nach all den Jahren gefunden und doch war es nie sicher, ob ihre Liebe überhaupt sein sollte. Denn sie durfte nicht sein und sie war alles andere als leicht zu verstehen. Aber im Moment war sie die glücklichste Sünderin der Welt. Mochte die Welt zusammenfallen, sollten Kriege ausbrechen, Völker sterben, sollten sie für immer fliehen, oder nur verachtet und verspottet werden. Es war so egal. In ihrer eigenen Liebe nährten sie sich von allem, brauchten nicht mal den Tod zu fürchten. Doch selbst dem Leben hatten sie jegliche Angst abgerungen.

Aber jetzt, jetzt lass uns gehen. Ich verspreche dir, irgendwann wird das alles ein Ende haben, wir werden stoppen und stehen bleiben. Nicht mehr weitergehen. Weißt du nicht mehr? Ich habe es dir schon einmal versprochen…Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen noch so viel tun, noch so viel machen, die Welt liegt uns noch lange nicht zu Füßen. Komm schon du lahme Kröte, packen wir die Sachen, auf zur Bibliothek, haha.

So seltsam, so unlogisch. Wie er das nur machte, so fröhlich. Diese Fröhlichkeit war anziehend, ob sie wollte oder nicht, sie wurde davon geradezu angesteckt. Der Pessimismus, das schwere Herz, die Suche nach Worten, die nur annährend ihre Gefühle ausdrückten, das alles brauchten sie jetzt nicht mehr, denn sie hatten ihre Fröhlichkeit und ihre Ziele. Niemand sollte sie mehr aufhalten, denn sie liebten sich so sehr. Niemand würde es wagen, keiner getrauen. Aus ihrer kalten Mine wurde eine warme, lächelnde, während sie die Rüstung zu Hand nahm, sie vorsichtig nahm und straf um den Oberkörper schnallte. Wer ist hier eine lahme Kröte, sammle lieber die beiden Felle ein und komm, bis du da bist, bin ich schon zweimal da gewesen. Wieder ging ein Lachen durch die Lichtung und die Gesichter strahlten um die Wette. Es herrschte Aufbruchstimmung, die Reise zu neuen Ufern. Neue Herausforderungen mussten her. Die Bibliothek sollte gewiss nur ein Anfang sein.

R: Schwester?
I: Ja Bruder, was ist?
R: Ich wollte nur sagen, dass die Rüstung wirklich wunderschön aussieht. Du siehst klasse damit aus. So rein weiß, so zart und dünn und doch strahlt sie geradezu eine Macht aus. Und ich bin stolz, dass mein Blut dich jetzt mehr oder weniger beschützt.
I: Danke, es freut mich, dass sie dir gefällt. Nur blöd, dass wir beide wohl etwas schwarz-weiß rumlaufen. Ein wenig desillusioniert.
R: Na und wenn schon, schwarz und weiß passen doch prima.
I: Genau. Ähm…was machen wir denn mit den beiden Fellen?
R: Na ja, zum mitnehmen auf Dauer sind zu schwer und sie würden sich auch nicht lange so schön halten. Wie wäre es, wenn wir sie erst mal in der Bibliothek lassen?
I: Ja, warum nicht.
R: Gut, dann lass uns gehen, hast du alles?
I: Dein Messer, hier.
R: Ah ja, stimmt. Gut, sonst noch was vergessen? Die Fackel hab ich, meine Tasche, mein Schwert, die Holzschwerter.
I: Alle drei?
R: Ja alle drei. Hast du dein Schwert?
I: Klar, was denkst du denn?
R: Na wir sind ja auch Zwei, wieso sollten wir was vergessen haben, wenn hier nichts mehr liegt.
I: Stimmt, hihihi.
R: Na dann los. Wer als letzter bei der Bibliothek ist hat verloren.
I: Hey, ich will einen Vorsprung, du Unhold.
R: Vergiss es, ich muss mehr schleppen, hehehe.


Und so verließen sie wieder die Lichtung und tollten gemeinsam neckend durch den Wald, nur um nach einiger Zeit zum Waldgebiet der Bibliothek zu kommen. Dort hievten sie den schweren Bleideckel hoch und stiegen hinab in den Untergrund, wobei sie von zwei Wölfen als letztes gesehen und beobachtet wurden…
11.03.2004, 19:56 #264
Heimdallr
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Tief ging es hinab in den tiefen Schacht, sie quälten sich mühsam herunter, zum Glück bot die alte, verrostete Leiter einen guten Halt. Sie kletterten mit ein bisschen Abstand nach unten, so dass sie sich nicht in die Quere kamen. Vor ihnen lag Dunkelheit und hinter ihnen lag Dunkelheit. Schon sehr lange waren sie nicht mehr hier gewesen, lange Zeit war vergangen, sie hatten sich auf die Rüstung, auf dieses wunderbare Stück konzentriert, doch nun musste es weitergehen, weiter in die so verhasste Richtung. Während des Abstieges erinnerte er sich noch einmal daran, wie er einst mit Prix und Ra hier unten war. Damals noch hatte er sie vor dem Labyrinth stehen gelassen, sie angewiesen zu warten. Es war die richtige Entscheidung, das wusste er nun, doch was hatte es ihm damals gebracht? War es überhaupt vermeidbar, dass er den Weg auf dieses fremde Land fand? Konnte man es überhaupt verhindern, dass er diesen Eingang betrat? War die Frage der wachenden Statue nicht schon vorher klar? Was wäre wenn nicht… Die hypothetische Frage musste er zurückweisen, ohne Antwort durch den Raum gleiten lassen. Rociel wusste nur zu gut, dass es keine Fragen ohne Antwort gab, genauso wenig gab es Dinge, die zufällig geschahen. Es mag manchmal spontan und zufällig wirken, doch eigentlich ist es längst bekannt, man kann solche grundschweren Dinge nicht zufällig erkennen, keine Entscheidungen von solchem Ausmaße freiwillig treffen. Vielleicht wäre ja einiges anders gewesen, wenn er damals nicht dieses Amulett von Tolban bekommen hatte, doch er hätte auch niemals seine Schwester kennen gelernt. Niemals, das wusste er. Ihr Treffen und ihre erste Begegnung, das Wiedersehen unter diesen Umständen, es war doch lange vorher so und dennoch entschied der Zufall über den passenden Moment. Es war alles so verwirrend, man konnte es nicht mehr verstehen, er verstand es selber nicht. Als er nun zu seiner Schwester sah und nur noch das dunkle Haar in der Dunkelheit vernahm, da warf er diese Gedanken über einen möglichen anderen Verlauf des Schicksals wieder ab. Was wäre wenn, es war ihm egal. Es wäre sicher nicht besser gewesen, sondern höchstens schlimmer. Außerdem sollten sich die Barden, Schriftgelehrten und Philosophen mit solchen Zukunftsfragen beschäftigen, seine Zeit war längst abgelaufen, als er noch krankhaft hinter solchen Beispielen hinterher hechelte.

Locker blies er sich eine Strähne aus dem Gesicht und setzte seinen Weg weiter nach unten fort. Nach einer gewohnten, fast akribisch geregelten Zeitspanne kamen sie unten an, zuerst klackten die Stiefel von Isabell auf dem steinernen Boden des Ganges auf, kurze Zeit später die von Rociel. Schnell kramte er seine Fackel heraus, denn nach wie vor war es im Gang, der zum Labyrinth führte, stockdunkel. Sie gaben sich einen Kuss, nur so, ohne großen Hintergrund oder Verlangen. Noch lange zehrte er von dem Blick ihrer tiefen Augen, in die er sich so verliebt hatte und heute konnte er es sich leisten zu träumen. Denn in diesen Gängen hatten sie nichts zu fürchten. Keine Fallen, keine Feinde, als Träger des Amulettes war er hier unten unantastbar und das war auch gut so. Es gab nicht viele dunkle Verließe und Gänge, in denen er sich so sicher und ein bisschen auch wohl fühlte, wie in diesem hier.
Das Klacken ihrer Stiefel war durch das Echo lauter als es sein sollte, doch dabei bemerkte er nur, wie gut die neuen Stiefel schon passten. Dabei trug er die beiden Felle und seine alten Stiefel, die hatte er im Rucksack. Er wollte sie nicht einfach in der Wildnis lassen, hätten sie da doch eh nichts genutzt, obwohl man nie wusste, ob die Banditen nicht auch alte, ausgelatschte Stiefelpaare verwehrten konnten. Eines musste an den Schneewolfstiefeln, die er fortan nur noch weiße Stiefel nennen wollte, allerdings noch verbessert werden. Es fehlte noch die kleine Scheide oder besser gesagt die Lasche für die Dolche. Jetzt trug er sie zwischen seinem Waffengürtel und ehrlich gesagt hatte er auch kein Problem sie dort zu belassen, doch er hatte es lieber, wenn seine kleinen, aber durchaus tödlichen Waffen verdeckt lagen, nicht von jedem sofort gesehen wurden. Es war so was wie eine Hilfe, eine Überraschung, die genauso schnell zu einer tödlichen Überraschung werden konnte. Er wollte Isabell bald darum bitten dies zu verändern.
Doch das Klacken war auch gar nicht mal so laut, denn der summende Text von Isabell war zwar leise, aber doch so schön, dass er ihm lauschte, still und ohne Interesse zu bekunden, abweisend wirkend um nichts zu stoppen, doch er hörte dem kleinen, wörter- und melodielosen Liedchen gerne zu. Dabei fiel ihm nur wieder auf, was er sowieso schon immer wusste, dass seine Schwester ein wunderschönes Talent zur Musik hatte, ein Talent, das er nie besitzen würde. Doch jeder hatte seine Vorlieben, er interessierte sich eben mehr für Schriften und für die Werke von echten Meistern der einzig wahren Dichtkunst. Die Barden von heute waren meistens Stümper, die sich von der Bezeichnung etwas versprachen, doch die wahren Künstler, die wahren Barden, die waren meistens unbekannt und hatten nie sein Ohr erreicht.
Mit dem Schweifen und Klingen kamen sie nach nicht allzu langem Wege zum Labyrinth, einer wohlbekannten Stelle. Er kannte sie inzwischen in- und auswendig, kannte jede Abkürzung, jeden Weg, so wollten sie auch daran vorbei, schnell und flink, ohne Hast und ohne Eile, aber auch ohne große Weile.
11.03.2004, 21:22 #265
Isabell
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Es war finster, aber nicht mehr in ihrem Herzen. Nur ihre Augen sahen in wabernde Schwärze, das große Licht der Fackel unterstützte sie dabei nach ganzen Kräften. Die Wände waren alle glatt, einfacher Fels und dicke Spinnenweben sowie Generationen von Staubkulturen, das war es, was zu ihren Seiten zu sehen war. Der Boden war ebenfalls aus flachem Stein, gehauen aus einem riesigen Massiv. Die Kräfte, die dafür erforderlich waren, sie wollte es sich gar nicht vorstellen, aber es musste eine gewaltige Kraftanstrengung gewesen sein, denn anders wäre dies nicht machbar gewesen. Sie vertrieb sich die Zeit mit einem Lied aus Drakia, einem Lied des Windes. Summen konnte man es, aber auch Pfeifen. Es war kein schönes Lied, das hieß, der Inhalt war nicht schön, es erzählte vom Wind, der über ein einsames Fischerdorf wehte, in dem nur noch wenige Menschen lebten. Doch ihre Lieder waren selten schön, denn sie waren alle in einer Zeit entstanden, in der es ihr nicht sonderlich gut ging. Dennoch fanden sie immer Zuhörer, wenn sie die Harfe anklingen würde, die immer in ihrem Rucksack verweilte, seit sie Rociel auf dem Gipfel des Schicksalsberges auf mysteriöse Art und Weise wieder entdeckt hatte. Die Harfe, ein Instrument der Seraphim. Sie konnte traurig klingen, sie konnte fröhlich klingen, sie konnte unendlich langsam klingen, sie konnte schnell wie der Wind singen.

Weiter summte sie das Lied des einsamen Windes über Drakia, während Rociel weiter zielstrebig zu dem Ziel ihrer Reise, der richtigen, kleinen Bibliothek steuerte. Sie folgte ihm auf gleicher Höhe und sah so fast zeitgleich mit ihm, wie sie das Ende dieser verzweigten Gänge erreichten. Die große, marmorne Halle tat sich auf, bot sogar etwas mehr Licht als die Dunkelheit in den Gängen. Den Anblick, den sie letztes Mal hier hatte, denn würde sie wohl nie mehr vergessen. Es war sicher eine unglaubliche Überwindung für ihren Bruder, ihr das alles zu offenbaren, denn es war ja doch ein Geheimnis von höchster Güte, zwar war es nur ein kleines Zeichen, denn eigentlich sollte dies ja selbstverständlich sein, wenn man sich liebte, doch diese Selbstverständlichkeit, die herrschte leider nur in wenigen Köpfen vor. Es war doch sehr schmeichelnd. Doch zurück zu der Halle, ihre große Masse, ihre riesige Größe und ihre fanatischen Säulen prägten den Anblick, zu Beginn ihres Weges, viel mehr ihres Ganges war der Marmor noch sauber, er blitzte und bleckte sogar richtig, doch mit der Zeit wurde er immer staubiger und dreckiger. Bald schon kamen die ersten Fetzen von Rüstungen, Waffen und Schilden in ihren Blick, später dann auch die Knochen und Kadaver von Menschen. Sie sah das ja erst zum zweiten Male, doch ihr Bruder musste es schon viel öfter gesehen haben. Es war nicht mehr allzu schlimm diese Toten zu sehen, denn das konnte man auf Schlachtfeldern, gar Friedhöfen jeden Tag tun, doch der Gedanke, wie die Toten gestorben waren, das war interessant und sicher nicht sehr schön.

Ihre Blicke trafen sich erst, als sie schon den Anblick der Toten abgelegt hatten. Die ganze Zeit mussten die Blicke an sich vorbeigewandert sein. Der Boden bot eben doch weniger Gräuel als der Blick in Ecken, in denen Skelette vor sich hin moderten und verfaultes Fleisch noch am verwesen war. Der Anblick ließ sie eigentlich kalt, doch man versuchte ihn trotzdem zu vermeiden. Es musste nicht sein, dass sie auch noch Anteil am Tod der Schlummernden hatten, das ging sie nichts an. Zum Beginn der elendslangen Treppe mit ihren wenigen Stufen aber dem Zauber, der sie dreimal so lang wirken ließ, stoppten sie dann. Wir nehmen wieder den Trank denke ich, jeder die Hälfte, in Ordnung? Isabell nickte zustimmend, ihr Bruder nahm eine kleine Ampulle aus seinem Beutel. Er öffnete den Pfropfen und schüttelte die Ampulle leicht, etwas Dampf entwich schaurig, doch das hinderte ihn nicht die Hälfte des Inhaltes in sich hinein zu kippen. Danach war sie an der Reihe und tat es ihm nach. Der Trank schmeckte nach nichts, ganz leicht bitterlich vielleicht, doch das konnte man so genau nicht sagen. Die Wirkung war dafür enorm. Heute rannten sie nicht, um die volle Macht des Trankes zu entfalten, sondern gingen ganz gepflegt die Stufen hinauf. Normalerweise hätte sie das sehr viel Kraft gekostet und die Anstrengung wäre enorm gewesen, doch mit Hilfe des Trankes bewegten sie sich ganz normal und konnten die Treppe schneller als gewohnt nehmen.

Die nächste Station war ebenfalls ein guter Bekannter, doch für die junge Frau war es immer noch ein Respekt einflössender Anblick und die beiden Skelette, die in voller Kampfmontur mit dem Zweihänder auf dem Rücken regungslos dastanden, auch sie waren alles andere als beruhigend. Es war keine Angst, es war wirklich nur ein Gefühl von Respekt. Respekt vor diesem Zauber, dieser Mechanik oder einfach nur dieser Art von Kunst so ein Meisterwerk zu vollenden, zu erschaffen. Als sie sich einem bestimmten Punkt näherten, hörten sie die Stimme der Statue in ihren Köpfen, die wieder nach dem Grund ihres Kommens fragte. Wer wagt es in die heiligen Hallen der Bibliothek zu treten? Sie hatte große Achtung vor dieser Stimme und wollte auch keinen Ärger mit ihr, doch zum Glück war es nur noch eine Art Routinevorgang, nichts mehr wovor man sich fürchten müsste. Lässig und ein wenig gelangweilt, was aber sicherlich daran lag, dass Rociel schon ein paar Mal gegähnt hatte, antwortete er der Statue dann mit kräftiger Stimme. Ich bin der Träger des Amulettes des Wissens, lasst uns passieren. Eine kurze Bestätigung noch, dann bewegten sich die Wächterskelette, aber nicht um sie anzugreifen, sondern nur um Platz zu machen, wie schon so oft und doch war es immer wieder spektakulär, wenn sich diese Knochenmänner bewegten.
Nun endlich war der Weg frei zur Bibliothek. Sie gingen über die steinerne Brücke und öffneten dann vorsichtig die hölzerne, stabile und massive Holztür.

Drinnen dauerte es nicht lange, bis sich ein wohliges Gefühl bei ihnen breit machte, denn die Kaminfeuer brannten und der Teppich tat sein weiteres, doch nicht lange blieben sie allein. Der alte Priester Tolban, den Rociel so schätzte, kam ihnen schnell entgegen. Er lächelte zwar, sprach aber ernst. Es freut mich euch gesund und munter zu sehen. Doch ihr werdet eure Kräfte brauchen, legt euch sofort hin, wir sprechen morgen.

Und das taten sie auch. Wieder mussten sie sich ein engstes Bett teilen, doch im Gegensatz zu anderen hatten sie damit kein Problem, im Gegenteil, so blieb es wenigstens schön warm. Ein Kuss sollte diesen Tag versiegeln und beenden, war er doch ruhig und friedlich verlaufen.

Wer träumt, dem wachsen Flügel.
12.03.2004, 16:14 #266
Heimdallr
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Am nächsten Morgen hatten sie einen schönen Start in den Tag gehabt. Zwar wusste man einige duzende Meter unter der Erdoberfläche nie wirklich, ob es Tag, Nacht oder etwas dazwischen war, aber nachdem sie gestern Abend den Abstieg in die Bibliothek gewagt hatten und sofort nach ihrer Ankunft ins Bett „gezwängt“ wurden, dürfte es sich in der Tat um einen Morgen handeln, an dem sie erwachten. Es dauerte lange, bis sie sich aufraffen konnten aufzustehen, denn als es endlich, oder besser gesagt leider, nicht mehr ging weiterzuschlafen, waren sie noch gerne ein wenig im wachen Zustand in dem sehr engen Bett. Doch das Gewissen rief und so standen sie nach einiger Zeit auch auf. Sie bereiteten sich auf die Worte von Tolban vor, waren bereit sofort wieder auszuziehen. Nun endlich hatten sie beide eine stolze Rüstung, die sie jeden Morgen anlegen wollten. Auch die Stiefel bedeckten danach die Füße, hielten sie auf dem kalten Steinboden warm. Auch ihre Rucksäcke, die Felle und noch das zweite Paar Schuh waren dort. Ein kleiner Tisch, auf dem die Felle lagen, zwei Stühle, auf denen die Rüstungen einst Platz gefunden hatten. Das war alles.
Doch es erwartete sie eine Überraschung, denn als sie den weisen Mann endlich gefunden hatten, wies dieser schon wieder zurück, ließ kein Gespräch entstehen und beantwortete schon gar nicht erst eine Frage von ihnen. Alles was er zu sagen hatte war, dass sie sich erst mal ordentlich stärken sollten und empfahl ihnen dazu den Weg in die Speisekammer, denn Isabell nicht, dafür aber Rociel kannte. Sie taten wie ihnen geheißen, mit dem Wink, nach dem Essen zu ihm zurückzukehren. Die Sachen ließen sie dann doch noch einmal in ihren Zimmern zurück. In der Speisekammer erwartete sie wieder einiges an leckeren Sachen, manchmal fragte sich der Fürst, wie Tolban das machte. Wie konnte er all diese Lebensmittel hier herunter kriegen, wenn doch niemand hierher kommen durfte? Es war ihm ein Rätsel, denn es waren auch keine alten Sachen, sondern äußerst frische Vorräte. Brot, Käse, Milch, Fleisch, Wurst, Gemüse, sogar Obst. Es gab allerlei feines Zeug. Sie griffen gerne zu und aßen ausgiebig und viel. Von allem etwas, eine gesunde Mischung. Sie tranken Milch, seit langer Zeit mal wieder kein Wasser. Sie aßen Brot mit Käse und mit leckerer Wurst, nahmen sich Fleischstücke und Karotten. Zum Schluss aßen sie kleine Preiselbeeren, die in dem Regal für Obst in einem kleinen Schälchen versteckt waren. Dabei wurden sie wieder ein wenig kindisch und steckten sich die Beeren mit den Lippen zu. Doch dennoch blieb es ein gelungenes Frühstück und es nährte die Frage, warum sie nicht jeden Tag so ausgiebig und gemütlich frühstücken konnten. Rociel wurmte dies gewaltig, doch es stand ihm nicht zu, derartige Dinge zu fordern. Noch jedenfalls nicht.
Nach dem Essen war es dann soweit. Sie gingen zum Priester, besser gesagt zu dessen Unterkunft, in der er so lange saß und klopften. Nach dem schon gewohnten Herein traten sie in die kleine Kammer. Es sah alles so gewohnt aus, der Kamin brannte und schenkte Wärme und Licht, die Bücherregale tanzten in Schattenspielen und die Farben der Einbände flackerten auf. Sein Mentor saß in einem breiten Sessel und seine rote Robe wirkte bedrohlich feurig. Setzt euch erklang es aus der Ecke und eine knochige Hand deutete auf zwei einfache, aber reich verzierte Eichenholzstühle, die mit feinem Samt bezogen waren, wie geheißen taten sie es und dann warteten sie gespannt auf die Worte. Er war dabei noch viel aufgeregter als seine Schwester, doch aus Gewohnheit oder Reflex, wer weiß, hielt sie seine Hände fest, was ihn unglaublich beruhigte. Das Ansetzen der Stimme des alten Mannes war immer wieder ein Genuss und doch eine respektvolle Art zugleich, denn obwohl man es dem sehr alt aussehenden Wrack nicht anmerkte war er ein unglaublich starker Mann, dessen Aura viele in seinen Bann ziehen konnte. Er hatte größten Respekt davor. Keiner wagte es zu sprechen, als er sprach und seine Worte klangen nach dem, was er erwartet hatte. Es war also doch richtig, dass sie gekommen waren. Es war Zeit.

T: Ihr habt die Zeit sinnvoll verbracht wie ich sehe. Eine schöne, neue Rüstung hast du da Isabell. Oder sollte ich lieber sagen, du hast Ashisou wieder? Nun ja, ich könnte euch tadeln, dass ihr eure Zeit mit so etwas verschwendet, aber es war richtig so. Du wirst diese Rüstung noch oft brauchen und ihr oft danken, sie ist genau das richtige für dich mein Kind. Und du Rociel, du hast neue Stiefel wie ich sehe. Der Alte ist immer noch darin. Doch du hast noch etwas anderes in dir. Eine viel größere Balance. Sehr gut, sehr gut. Aber euch muss klar sein, dass die Zeit des Schlendrians vorbei ist. Ihr werdet noch heute aufbrechen, eine neue Suche erwartet euch. Ich denke, ihr seid in der Zwischenzeit gereift und nun bereit dafür. Ihr müsst wissen, ich kenne den nächsten Standort, des nächsten Amulettes. Und ich werde ihn euch mitteilen. Gorthar. In Gorthar wird das dritte Amulett zu finden sein. Dabei ist es gar nicht in dieser Welt, in der wir leben.
Ich werde euch die ganze Situation erklären, hört gut zu. In Gorthar gibt es ein umfangreiches Kanalisationssystem. Doch dort unten ist noch mehr, viel mehr. Eure Aufgabe ist es, den magischen Spiegel zu finden. Mehr kann ich euch nicht sagen, ich weiß nicht mehr. Wenn ihr den magischen Spiegel gefunden habt, aktiviert ihn, schreitet durch ihn hindurch und holt das Amulett. Ich weiß nicht, welcher Part euch erwartet. Ihr seid aber stark genug um mit allem fertig zu werden. Ich gebe euch wieder ein paar Tränke mit, doch verlasst euch nicht auf sie. Sie geben euch ein wenig Kraft, mehr jedoch nicht. Wenn ihr das Amulett habt, dann kehrt zu mir zurück. Ich werde für euch beten und eure Ankunft herbeisehnen. Es ist von hoher Wichtigkeit, dass diese Mission erfolgreich verläuft. Innos steht euch bei.
I: Ähm, Moment mal, wie sollen wir den einen kleinen Spiegel unter Gorthar finden, Gorthar ist riesig, da wird die Kanalisation das doch auch sein.
R: Stimmt, wir werden Wochen brauchen…
T: Ihr werdet an der richtigen Stelle einsteigen. Ich hab das in den Knochen.
I: Pffff….
R: Schwester, ich glaube ich weiß was er meint…in Ordnung, natürlich werden wir im Dienste Innos diese Mission führen. Ihr werdet uns bald gesund und munter wieder sehen. Aber eines noch. Wir brauchen Vorräte, wir brauchen etwas Holz und vor allem noch Wasser, viel Wasser. Und dann wollte ich euch noch bitten unsere beiden Felle in Verwahrung zu nehmen. Außerdem hab ich noch ein altes Paar Stiefel, dass ich im Gästezimmer lassen will.
T: Aye, das geht alles in Ordnung. Gebt mir die Felle, in einer halben Stunde stehen eure Sachen bereit.
R: In Ordnung, wir warten.
12.03.2004, 16:54 #267
Isabell
Beiträge: 307

Sie warteten die Zeit ab, in zwei angenehmen Sesseln in einer der Zimmer in der eigentlichen Bibliothek, beide hatten sich ein Buch genommen, in dem sie ein wenig lasen, es war nur so zum Vertreib der Zeit, da sie sowieso nicht soviel davon hatten. In ihrem Buch, das den Titel "Arsun Katarum" hatte, ging es um alte Legenden, die sich um ein Land namens Katarum drehten. Sie hatte von diesem Land nie etwas gehört, doch die Geschichten waren schön beschrieben. Daraus ließen sich viele Texte für die Lieder machen, dachte sie sich, doch bevor sie ernsthaft daran dachte sich aus diesem Buch ernste Anreize zu holen, kam schon der greise Mann mit ihren Rucksäcken. Sie waren jetzt viel, viel schwerer und es würde zu Beginn keine schöne Zeit mit diesen Gewichten auf dem Rücken werden, doch so waren sie trotzdem optimal vorbereitet, denn wie lange sie weg sein würden, das war natürlich unbekannt. Sie gingen zum Ausgang der Bibliothek, die schwere, massive Holztür war dies und sie wurde nun mit einem leichten Knirschen geöffnet. Es war Rociel, der zuerst durchging, doch der jungen Frau lag noch etwas am Herzen, wozu sie ihren Bruder aber ganz und gar nicht brauchte, weswegen sie ihn schon einmal anwies, weiterzugehen. Ich komme gleich nach. Dann wandte sie sich zu Priester Tolban, der immer noch im Rahmen der Türe stand und sie aus tiefen Augenhöhlen ansah.

I: Meister, ich…ich habe eine Frage an euch. Mein Bruder sagt immer, ihr wäret so weise, vielleicht könnt ihr mir ja helfen.
T: Was bedrückt dich denn, mein Kind?
I: Es ist wegen Rociel. Diese Rüstung…wie es zustande gekommen ist. Und auch sonst. Er ist immer so, ich weiß nicht…
T: Zuvorkommend?
I: Ja, ja so in etwa, ihr wisst was ich meine. Gibt es denn nichts, mit dem ich mich revanchieren könnte? Habt ihr vielleicht eine Idee?
T: Die Stiefel hat er doch schon lange von dir bekommen. Was denn noch?
I: Die Stiefel? Das kann man doch so nicht vergleichen, ein kleines Paar Stiefel. Es war sogar seine Idee, sie zu schustern.
T: Na dann koch ihm mal was, irgendwann, nach diesen Abenteuer. Besonders Fisch mag er, am besten mit frischen Kräutern. Gerade jetzt wachsen frische Kräuter zuhauf.
I: Kochen? Ich versteh nicht ganz. Was soll das?
T: Nun, dann will ich es dir mal näher erklären, wenn du meine Worte nicht verstehst. Was ich sagen will ist, dass Rociel keine Geschenke von dir erwartet. Er ist glücklich, wenn du bei ihm bist, mehr braucht er nicht. Deine pure Anwesenheit ist in seinen Augen ein Geschenk. Wenn du ihm was kochst oder eines deiner Lieder spielst, oder etwas anderes, in deinen Augen Unwichtiges machst, dann wird er glücklich sein. Genau wie du dabei auch glücklich wärst, nicht wahr? Schau Isabell, der Junge liebt dich und du doch ihn? Wieso sollte man so ein sicherlich schönes Geschenk wie diese Rüstung mit etwas noch größerem zurückzahlen? Er hat sie dir aus Sorge um dich geschenkt, nicht wegen dem Materiellen, das ist ihm egal. Ein Geschenk aus Liebe muss man nicht mit etwas anderem zurückzahlen. Es war ein Geschenk. Mach dir nicht so viele Gedanken, das ist schlecht für eure Mission. Bleib einfach nur bei ihm und so wie du bist, das wird er mehr schätzen als jedes Materielle, verstanden?
I: Ja, ich glaube ich war blind. Aber das leuchtet ein.
T: Natürlich tut es das und nun geh, ihr habt in den kommenden Wochen fiel zu tun. Passt auf euch auf.


Sie ging ein paar Schritte nach vorne und hinter ihr krachte die Tür in die Angeln, vorne, vor der Treppe und hinter der Statue wartete ihr Bruder. Mit ihm warteten auch noch die Skelette auf sie, doch diese wollte sie mehr warten lassen als ihn. Als sie die Statue hinter sich gelassen hatte, rasteten die Skelette wieder auf ihrer alten, wachenden Position ein.
Was wolltest du denn noch mit meinem Mentor besprechen? fragte ihr Bruder, nachdem sie sich kurz geküsst hatten. Ach nichts, es war nur wegen der Kanalisation. Ich wollte nur wissen, ob es da unten auch Ratten gibt. Die Lüge war zwar schlecht, aber sie schaffte es einigermaßen glaubwürdig zu präsentieren. Danach gingen sie langsam die Treppen hinab. Ratten? Natürlich gibt es da Ratten. Riesenratten, so groß, dass sie kleine Mädchen mit einem Biss verschlingen, wohahahaha. Lass uns hier verschwinden, auf nach Gorthar. So ein Spinner, dachte sie sich schmunzelnd, doch wenigstens nahm er es so locker.

Sie nahmen für ihren Rückweg erneut einen Schluck aus dem angebrochenen Fläschchen, von diesen hatten sie nur noch ein Volles, das mussten sie für die Rückkehr bewahren. Doch erst mal hatten sie noch eine Essenz intus und rannten so durch die Hallen, durch das Labyrinth und durch den großen Gang, so dass sie schon nach einer Viertelstunde im Dauerlauf zu der Leiter kamen, die sie nach oben, ans Tageslicht, bringen sollte.
12.03.2004, 20:23 #268
Heimdallr
Beiträge: 12.421

Das Licht tat gut, es war eine wahre Wonne es zu sehen. Da merkte man erst, wie sehr einem das natürliche Licht gefehlt hatte. Unten, in den alten Gewölben, da fiel einem das gar nicht auf. Da nahm man das einfach hin. Da wusste man, dass es kein Licht gab, es war selbstverständlich, sich an kleine Fackeln zu gewöhnen und immer mal wieder im Dunklen zu stehen. Aber das natürliche Licht des Himmels tat schon gut, es war eine richtig schöne Befreiung. Gemeinsam entstiegen sie dem Schacht, hinter ihnen verschloss er den bleiernen Deckel und ließ die Bibliothek ein weiteres Mal hinter sich. Schon wieder. Doch nun hatten sie wieder eine klare Order, ein klares Ziel. Ein weiteres Amulett wartete, es war also wirklich an der Zeit. Bisher kannte er nur einen einzigen fremden Besitzer und diesen hatte er in absolut schlechter Erinnerung. Er konnte sich gar nicht vorstellen, was für ein schlechter Typ Kryliyx war und was er alles getan hatte, seine Taten waren so unvorstellbar grausam, er wollte es nicht wissen, er verdrängte diese ekelhaften Gedanken. Er hoffte inständig, dass der nächste Besitzer kein so unfreundlicher Kerl war, doch er vermutete es fast schon. Am liebsten hätte er Isabell wieder umarmt, lief sie doch ein paar Schritte vor ihm, hätte sie festhalten wollen, sie eng an sich drücken und sie nie wieder loslassen, doch er hielt sich in der eigenen Bewegung auf und ließ alles so, wie es war. Seine Gedanken sollten nicht wieder um alte Geschichten kreisen und seine Schwester sollte nicht wieder den Namen ihres Peinigers hören, er mochte sich nicht vorstellen, wie oft sie in der letzten Zeit an ihn dachte. Hoffentlich kein einziges Mal. Doch egal was da auch hinter diesem Spiegel auf sie lauern würde, sie würden es in Beliars Reich schicken, da hatte er keine Skrupel mehr. Er war auch schon so weit, dass er ernsthaft den Tod von Menschen in Kauf nahm, aber nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Es bröckelte, man konnte die Schichten noch immer fallen hören, man konnte gespannt oder gebannt sein, wann wirklich die letzte Hemmschwelle sinken sollte, oder ob das nie passieren würde.

Gemeinsam jagten sie durch den Wald, doch sie jagten nicht nach Fleisch, sondern nach einer großen Stadt namens Gorthar. Zum Glück war die Bibliothek nur einen kleinen Wurf von Prix Lager entfernt und wie jeder wusste, hatte der Meisterjäger sein Lager am Waldesrand, der direkt zur Stadt angrenzte, errichtet. Doch sie machten einen kleinen Bogen um das Lager des alten Freundes. Rociel hatte das so beschlossen. Er wollte nicht vor einer Jagd zurückkommen, erst nach der Jagd wollte er sich wieder zu seinem Freund gesellen. So gingen sie zwar einen kleinen Umweg, aber diese Differenz war wirklich so gering, dass es nicht mal wert war dies zu erwähnen. Bei ihrem Lauf dachte er aber nicht nur an das Vergangene und an das Abenteuer, das vor ihnen lag, er dachte auch an Dinge, die schon lange, lange vergessen waren. Er erinnerte sich wieder an die ersten Gortharbesuche, damals, als er noch ziemlich unklug war und keine wirkliche Ahnung vom Leben und vor allem von sich und den Anderen hatte. Damals, wo er noch so viel jünger und unschuldiger war. Er mochte nur wenige Mondjahre gealtert sein, doch es fühlte sich nach mehr an. Fünf Jahre sollten eventuell vergangen sein, wenn man seinem Gefühl Glauben schenken sollte. Und auch hunderte von Opfern gab es bereits seitdem. Alle gestorben durch seine Klinge. Immer im Glauben an Innos so gehandelt, im Hinterkopf das Wissen, das man das richtige tat und im Gewissen die tausend Stiche, die einen quälten, das man eben doch nur ein plumper Mörder sei. Das man nichts besseres wäre, als der ganze, mordende Abschaum, der unschuldige Frauen und Kinder niederstreckte, sich an ihnen verging und ihnen ihre Seele nahm. Auch er zerriss Familien, vielleicht keine Menschen, doch wo war da der Unterschied. Waren nicht alle Tiere auch Lebewesen? Diese Frage würde ihn wohl noch die Ewigkeit seines Lebens quälen und nur das Zurückdenken an den Tod von Beliars Geschöpfen ließ ihn jubeln. Bei ihnen kannte er keine Gnade, waren sie doch ein Feind von Frieden und Glück und keine Geschöpfe des Lebens. Ja, sie schlachtete er gerne, wie Vieh, das eine Wolfsherde riss.

Aber er hatte nicht nur die Erinnerungen an seine Kämpfe in dieser Zeit, nein auch die Stadt Gorthar, die er damals als absolut Fremder erkundete. Er war zum ersten Mal in der Stadt und sie war bis heute die größte, die er je gesehen hatte. Gorthars Größe mochte einen erschlagen, doch bis auf Respekt hatte er noch nie etwas davon gespürt. Im Gegenteil, die Armut der Stadt und die Verbrechen ließen ihn mehr schmunzeln als fürchten. Doch immerhin hatte Gorthar seinen Respekt, während Khorinis schon in der Lächerlichkeit versunken war, trotz einer ewig bleibenden Träne. Er mochte noch Bilder von damals in seinem Kopfe haben, eines dieser Bilder war die Begegnung mit einer Sekte, an die er sich erst kürzlich im Rahmen des Wiedersehens mit Druid erinnern konnte. Damals war er auch an einer ganz bestimmten Stelle der Stadt, ganz in der Nähe des Hafenviertels, in eine Art Kanalisation gestiegen, sonst hätte er den geheimen Eingang in das Haus der Sektenbrüder gar nicht erst gefunden. War es das, was der Meister meinte? Es musste, es musste…

Er würde aus ausprobieren können, denn die Stadt lag vor ihnen, sie standen mittlerweile am Tor und warteten auf die beiden gorthanischen Milizen. Es waren äußerst junge Männer, hart im Nehmen und mit weicher, sanfter Stimme. Er wunderte sich, war er doch so oft durch dieses Tor gegangen, dass er auch die Wachen meinte zu kennen, doch Gorthar war rau und nicht weniger brutal wie Khorinis. Eher noch mehr. Vielleicht waren die alten Wachen verstorben, vielleicht ein Bandit, vielleicht ein Attentäter, vielleicht ein Dieb, vielleicht auch in einer Schlacht. Vielleicht war es ein natürlicher Tod, oder auch nicht. Eigentlich war es vollkommen egal, denn die höchste Wahrscheinlichkeit besaß die Theorie, dass es einfach eine Wachablösung gegeben hatte. Doch um ehrlich zu sein, weder Isabell noch ihn interessierte das die Bohne. Sie ließen ein paar normale Fragen zu ihren Beweggründen des Einlasses in die Stadt über sich ergehen, flunkerten ein wenig hier und da, also überall, und wurden prompt, wie sollte es anders sein, hineingelassen.

Schnell steuerten sie gemeinsam, Hand in Hand, die große Gasse zum Hafenviertel an. Es ging wieder leicht hinunter. Doch auch die Häuser und Gestalten wurden immer weiter in die Tiefe gezogen, es wurde dreckiger, es roch schlimmer und es kamen düstere Gestalten hinzu. Es waren alles irgendwelche kleinen Verbrecher, doch ein Pärchen mit jeweils zwei Schwertern an den Seiten werteten die meisten Leute als schlechte Beute, da möglicherweise der eigene Tod raus springen konnte. Nur wenige waren so verrückt oder so verzweifelt, dass sie es ernsthaft versuchten, doch heute sollten sie von solchen Leuten verschont bleiben. Zum Segen Rociels und zur Freude Isabells warf sich heute keine Dirne an den Fürsten, was vielleicht auch an ihrem eng umschlungenen Gang lag, doch auch ihm war dies nur Recht, er hatte kein Interesse an anderen Frauen und schon gar nicht an Eifersucht seiner Schwester. So war es fast ein Wunder, dass sie ohne irgendeine Störung zu besagter Stelle kamen. Sein Gedächtnis war noch ziemlich gut, erstaunlich für diese lange Zeitspanne, doch spätestens in dem Moment, wo sie – unbemerkt von jedem Auge des Gesetzes und anderen Augen – ein Gitter aushebelten, in dessen Schwärze verschwanden und wieder einsetzen, war klar, dass sie nun lange Zeit keine Sonne, kein Licht, keine Sterne und keinen Mond mehr sehen würden.
Ein Kuss sollte dies erst mal vergessen machen, danach entzündete sich die Fackel von Rociel, die Fackel mit dem ewig brennenden Feuerstein und die Suche konnte beginnen. Wo waren sie hier eigentlich?...
16.03.2004, 21:04 #269
Rovan
Beiträge: 192

Verschwiegen stand Rovan in der Ecke einer Taverne Gorthars und lauschte den unterschiedlichsten Unterhaltungen, ehe er sich, ohne einen Laut von sich zu geben, von der Wand, an welcher er lehnte, abstieß und das Gebäude verließ. Langeweile. Warum war er hergekommen? Um etwas zu erleben, um seine kaum unterdrückbare Sucht nach Perfektion einen Schritt weiter zu bringen. Wut überkam ihn, und ohne nachzudenken schlug der Krieger gegen ein Holzbrett, welches an der Wand der Taverne lehnte. Ein krachendes Geräusch ertönte, dann brach das rett entzwei und knallte auf den leicht matschigen Boden. Voller Verachtung betrachtete der Gildenlose die Trümmer des Brettes, ehe er seinen Kopf nach oben riss und seinen Weg fortsetzte.

Dutzende Straßen durchquerte er, ehe er das Tor hinaus in die Wildnis fand, kurz betrachtete und dann durchtrat. Das Wetter war nicht sonderlich angenehm, doch sagte dem Einzelgänger die Bewölktheit und der graue Himmel zu, zumal ihm dies, einen unscheinbaren Ausdruck verlieh, was allerdings selten etwas nutzte. Spähend begutachtete er die Wälder und Felder, die sich vor dem Kämpfer erstreckten und setzte dann seinen wahllosen und für ihn völlig sinnlosen weg fort. Vielleicht mochten ihn die Götter doch, und ihm würde etwas Interessanteres widerfahren als Thekengespräche und täglicher Tratsch.
17.03.2004, 18:49 #270
Marquez
Beiträge: 370

Wieder ein lebloser Körper auf dem Boden. Druid hatte wirklich eine ordentliche Spur hinterlassen, die selbst noch bei fehlendem Licht und diesem dichten Nebel gut zu verfolgen war. Raven und Marquez, die den Ort des Überfalls nun schon längst hinter sich gelassen hatten und ins vorsichtige Schritttempo übergegangen waren, mussten demnach ganz auf dem richtigen Weg sein. Und schließlich hörte Marquez auch etwas, das von der anderen Seite eines nahen kleinen Hügels zu kommen schien. Wie eine Drohung oder eine Pöbelei klang es, und das war ein sehr gutes Zeichen. Schließlich musste ja jemand dagewesen sein, um angepöbelt zu werden.
Marquez lief jedenfalls sofort den Hügel hinauf und kroch behutsam über die Kuppe, von wo aus er einen guten Überblick über die Situation bekam: Druid war, offenbar unverletzt, von fünf der Schurken in einem weiten Radius eingekreist worden. Vielleicht wollten die Kerle da ja abwarten, bis ihr vermeintliches Opfer verhungert war oder - noch schlimmer - einen Wadenkrampf wegen Überanstrengung bekam – aber wer verstand schon die Taktiken von Dilettanten? Jetzt würde es ihnen zumindest gehörig an den Kragen gehen und so stand Marquez auf, wartete, bis Raven neben ihn getreten war, und unterbrach das Treiben überzeugt und gut hörbar:
»Meine Herren, das Spiel ist aus! (Oh Mann, das wollte ich schon immer mal sagen...)«
Mit gezogenen Waffen traten die beiden nun auf die Strauchdiebe zu und forderten sie auf, die Ihren abzulegen, doch von Kooperation war, wie zu erwarten, wenig bis keine Spur. Zwei der feindlichen Banditen wurden angewiesen, Druid zu bewachen, die anderen drei postierten sich vor Raven und Marquez und versuchten, möglichst bedrohlich auszusehen. Aber als dann einer von ihnen die Geduld verlor und von den Drohgebärden in den Angriff überging, war der Kampf schneller vorbei, als er angefangen hatte: Ein Wegelagerer hatte sich sofort einen Pfeil eingefangen, ein anderer war des Zusammenhaltes seiner Kehle entledigt worden und ein dritter konnte sich nun nach einem neuen, intakten Oberschenkel umsehen. Der schäbige Rest hatte den Heimweg vorzeitig angetreten.
18.03.2004, 23:50 #271
Dark-Druid
Beiträge: 2.190

Leise röchelnd glitt der letzte der Räuber zu Boden, mit einem schmatzenden Ruck verließ der schwarze Stahl des Trauerschattens den leblosen Leib. Völlig emotionslos blickte Druid auf die toten Körper herab, die um ihn und die beiden anderen verteilt lagen. Narren. Blindlinks, ohne die Kampfkraft der „Opfer“ richtig einschätzen zu können, waren sie in ihren Tod gerannt. Doch... hatten sie ihn nicht eingekreist, fast getötet? Unsinn. Im Zweifelsfalle hätte er auch diese noch bezwungen, wenn er auch dankbar war, dass Marquez und sein neuer Begleiter, scheinbar einer der Drachenjäger, die sich auf Khorinis aufhielten, gekommen waren. Eine Verletzung reichte. Kritisch fuhren seine Augen seinen linken Arm hinab, trafen schon bald auf die frische Wunde, die das freie Fleisch zwischen Armschiene und Schulterpanzerung zierte. Es blutete noch immer heftig, doch er spürte den Schmerz kaum, nur das dumpfe, kribbelnde Pochen, das von dem Schnitt ausging. Mit einer schnellen Bewegung riss er einen Streifen vom unteren Ende seines Mantels ab, band damit seine Wunde notdürftig ab, um die Blutung zu stoppen oder wenigstens einzudämmen.
Langsam blickte er auf, schaute zuerst zu Marquez, schwenkte dann hinüber zu dem Krieger, der nun neben seinem Schüler stand. Ein brauner, abgewetzter Mantel hing über die breiten Schultern des braunhaarigen, bärtigen Kerls, eine robuste, wenn auch schon leicht mitgenommene Drachenjägerrüstung schützte den kräftigen Körper. In den Händen des Mannes, dessen Gesicht eine unschöne, lange Narbe durchfurchte, prangte ein gut gearbeiteter, durchschlagskräftiger Langbogen, einige der von ihm abgeschossenen Pfeile ragten wohl gerade aus den toten Körpern der Banditen um sie herum.
Langsam wanderte der Blick des dunklen Kämpfers zu den Augen seines Gegenübers, bis sich ihre Blicke trafen. Als der Drachenjäger die zutiefst schwarzen Augäpfel erblickte, glaubte Druid in den Augen des Mannes vor ihm ein leichtes Blitzen erkennen zu können, stark genug um ein Zeichen der Überraschung zu sein, doch ebenso schwach genug, für eine Lichtreflexion.
„Danke“, mit einem Ruck wandte Druid den Blick ab, stapfte bestimmt an den beiden vorbei, sie folgten ihm auf den Fuß. Fürs erste kümmerte er sich nicht um den Neuankömmling, zumindest diese Nacht würde er ohnehin mit ihnen verbringen, war die Sonne doch schon hinter den Gipfeln des Gletschers verschwunden. Wie ein weißer Riese türmte er sich fern am Horizont auf, im Dämmerlicht kaum noch zu erkennen. Eindeutig jedoch hoben sich die dämonisch anmutenden Luzkanzacken, die vom Göttersitz aus hoch in den Himmel ragten, von dem dunkelblauen, fast schwarzen Himmel ab. Es kursierten Gerüchte in Gorthar, dass vor einigen Monaten jemand verrückter Weise versucht hatte, jene Felsplattform zu besteigen. Alleine. Ein tödliches Unterfangen. Ganze Veteranentrupps waren in den eisigen Höhen des Gletschers elendig erfroren oder von den Luzkan, den unbestrittenen Herren des frostigen Eises, zu Grunde gerichtet worden. Doch selbst wenn jener Krieger es geschafft haben sollte, die gefrorenen Wassermassen zu bezwingen und den Göttersitz zu erreichen, alleine das war nahezu unvorstellbar, wäre er spätestens auf dem Gesteinsplateau ums Leben gekommen - denn in dieser Zeit wütete über dem Gipfel des Berges ein Unwetter, das die Menschen Gorthars noch lange in Erinnerung behalten sollten. Nicht einmal die Ältesten der Stadt konnten sich daran erinnern, jemals ein derartiges Naturereignis erlebt zu haben...

Leise knisternd flackerte das kleine Lagerfeuer auf, verbreitete gleichermaßen Licht wie auch Wärme in der engen, ausgedienten Wolfshöhle, in der sie Schutz für die Nacht gefunden hatten, lange, schlierige Schatten bildeten den Tanzpartner für die springenden, roten Flammen. Marquez und der Fremde schienen sich zu kennen, folgte man ihren Gesprächen. Langsam versuchte Druid die linke Hand zu schließen, es ging ohne nennenswerte Probleme, nur machten sich mit der Zeit, in der das Adrenalin im Blut abnahm, die Schmerzen der Wunde bemerkbar. Egal. Es funktionierte alles und das war es, was zählte. Entspannt doch wachsam saß der Krieger am Eingang des Erdlochs, den Rücken an die Wand gelehnt, ein Bein ausgestreckt, das andere eng zum Körper gezogen. Regungslos verharrte er, starrte einfach nur in den nächtlichen Wald, der sich vor der ehemaligen Raubtierbehausung auftat, bis er sich schließlich erhob und mit langsamen, ruhigen Schritten auf das knackende Feuer zuging, an dem auch die anderen beiden saßen, und sich dort wieder niederließ.
20.03.2004, 13:09 #272
Raven the 4th
Beiträge: 1.342

Die kohlraben schwarzen Augen hatten sich tief in das Gedächtnis Ravens eingebrannt. Während er sich jedoch mit Marquez unterhielt, kamen andere Erinnerungen in seinen Geist und dieser grausame Blick verschwand ins Unterbewusstsein, bis sich der verschlossene Kerl zu ihnen gesellte.

Raven blickte kurz auf, wandte seinen Blick sogleich aber wieder zu Marquez, da der fremde Drachenjäger noch immer nichts sagen zu wollen schien.
Der Jäger versuchte weiterhin das selbe Gespräch zu führen, doch die direkte Anwesenheit dieses unheimlichen Mannes, irritierte ihn. Es war nicht Furcht, die Raven verspürte, sondern eher Neugier, doch ihn zu fragen, was es mit seinen Augen auf sich hatte, kam dem Drachenjäger gar nicht in den Sinn.

Als das Gespräch mit Marquez nun langsam zu Ende ging, drehte sich Raven zu dem Fremden und zog die Kapuze aus dem Gesicht.
"He, Dark-Druid!", der Jäger hatte den Namen des Mannes von Marquez erfahren, der scheinbar Unterricht im Schleichen von ihm bekam. "Was machst du hier draussen? ... ich meine, ausser Marquez das Schleichen beibringen?"
Noch ehe Raven den Satz beendet hatte, machte er eine hektische Bewegung gen seiner Tasche und zog nach kurzem Wühlen drei Flaschen Bier heraus, die er in der Runde verteilte.
20.03.2004, 18:04 #273
Marquez
Beiträge: 370

Marquez nahm sein Bier zwar dankend an, doch anstatt es zu trinken, steckte er es nur ein. Ein Blick zum Himmel hatte ihn nämlich gerade darauf gebracht, dass er jetzt vielleicht noch rasch etwas Wichtiges erledigen sollte, bevor es für die Gruppe einen Aufschub bedeuten würde. Denn der Tagesanbruch näherte sich mit Riesenschritten, während sein Hunger jetzt nach dem Kampf wieder anfing, sich bösartig bemerkbar zu machen. Ein so nicht hinnehmbarer Zustand...
Der Bandit erhob sich also und gab den fragenden Mienen, die ihn sogleich anblickten, Antwort:
»Tja, da ihr beiden euch gerade so schön unterhaltet, dachte ich mir mal, ich verschwinde kurz und besorge uns etwas zu essen, bevor noch der Tag über uns hereinbricht und wir mit leeren Mägen dastehen... Also, bis gleich.«
Im Laufschritt entfernte er sich nun vom Lagerfeuer, und bald war er in der Dunkelheit zwischen den Gebüschen verschwunden. Sein Weg führte Marquez ein paar Hundert Schritt den Pfad zurück, auf dem Druid und er gekommen waren. Dort hatte er nämlich vorhin ein kleines Rudel Scavenger ausmachen können. Er musste sie jetzt nur noch wiederfinden und dem reichhaltigen Frühstück würde nichts im Wege stehen. Blieb nur zu hoffen, dass keinem Überrest des Strauchdiebgesindels begegnen würde. Die Jungs mussten echt so richtig sauer sein, da wäre es allein kein allzu großer Spaß gewesen, auf einen oder mehrere von ihnen zu treffen. Aber da vorne im Dickicht waren schon die ersten Tiere aus dem gesuchten Rudel, also weg mit diesen überflüssigen Gedanken und auf das Wesentliche konzentriert...
Die Scavenger schliefen noch, also ging Marquez ins Schleichen über und hielt nach einem Exemplar, das möglichst weit vom Rest der Gruppe entfernt lag, Ausschau. Obwohl die Viecher scheinbar nichts mitbekamen, so würde sie trotzdem jedes noch so kleine verdächtige Geräusch aufwecken, das wusste auch er. Und was passierte, wenn ihn das Rudel umzingeln würde, daran wollte er gar nicht denken. Das Ziel wollte also mit Bedacht gewählt sein.
Schließlich hatte er sich aber entschieden, und so ließ er nun lautlos seine Klinge aus dem Gürtel fahren und musterte das Terrain zwischen ihm und der zukünftigen Beute, das zwar nun mittlerweile durch die Dämmerung schon etwas besser einzusehen war, aber dennoch jederzeit böse Überraschungen bereithalten konnte. Nur ein trockener Ast unter dem Stiefel und es würde sofort vorbei sein mit dem Schleichen. Diesmal schien der Boden aber sauber zu sein, es konnte nun losgehen. Marquez hätte auch gleich zum Beutezug angesetzt, doch irgendetwas riss ihn plötzlich aus dem Vorbereitungen heraus....
Da war ein Rascheln im Gebüsch hinter ihm. Zwar war nicht zu sehen, wer das verursachte – dafür war noch zu viel Buschwerk im Weg –, aber Marquez dachte natürlich gleich an die Wegelagerer von vorhin und drehte sich angespannt der möglichen Gefahr zu. Es musste natürlich nicht unbedingt einer der Wegelagerer sein, aber wie sollte er das nur herausfinden?
Vielleicht sollte er einfach einmal seine Position preisgeben... Marquez räusperte sich.
»Waffen weg!«, rief er beherzt, aber dabei immer noch leise genug, um die nahen Scavenger nicht auch noch aufzuwecken. »Waffen weg, Hände hinter den Kopf und dann rauskommen!«
Er wartete gespannt lauschend auf eine Reaktion.
02.04.2004, 16:34 #274
Estragon
Beiträge: 507

Nichts vermag den Lauf des Schicksals vorher zu sehen oder gar zu schätzen. Und doch ist alle vorbestimmt, alles unveränderlich in die Gestirne des Kosmos geätzt mit dem Blut der Götter die starben um ihren tausenden Werken einen Sinn zu geben. Die Götter oder Dämonen die ihren Platz einnehmen, lenken nur den Willen derer, die sie beerbt haben. Um am Ende ihres Zenites selbst eine Bestimmung zu Hinterlassen.

Doch jeder Gott oder Dämon legt alles zu seinen Teilen. Und manchmal unterscheiden sich Götter von Dämonen nur der Bezeichnung nach. Kriege stehen bevor, so wie sie es immer tun. Denn Krieg ist eine Konstante sowie Tod und Wiedergeburt. Krieg ist die letzte Instanz der allgegenwärtigen Kreisläufe, die von Beginn zum Ende und wieder zum Beginn führen.
So überlebt im Krieg nur das Starke und Harte. In welche Hüllen es sich kleidet, wie es zu den Waffen greift oder was ihm zur Verteidigung seiner Existenzberechtigung billig und möglich ist, wird es einsetzen oder in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Denn Krieg ist die Probe. Im Einzelnen ist es der Kampf. Alles ist ein fortwährender Kampf, eine Probe täglich aufs Neue. Am Ende steht der Sieg, um sich dem nächsten Kampf zu stellen, oder die Niederlage. Die Bedeutungslosigkeit. Das Vergessen.

Der Beginn, die Probe, der Tod. Keiner kann diesem blutigen Machwerk entrinnen. Doch man kann sein Dasein so gestallten, das ein würdiges Zeugnis seiner eigenen Existenz die Zeit solange wie Möglich überdauert. Denn nur darum geht es, den Kreislauf durch seine Zeugnisse zu überwinden.

Auch Götter und Dämonen stehen unter jener Probe. Sie ziehen gehen alles und jeden in den Krieg, nur um ihre Zeugnisse zu setzen und das Unvermeidliche ein kleines Stück in der Unendlichkeit heraus zu zögern.
Und ihre stärksten Waffen sind die Jünger. Die sterblichen, die ihnen Huldigen. Sie wirken und bewegen den Kreislauf ständig fort. Selbst in ihrer Verleumdung des Allmächtigen, können sie unbewusst selbigen in die Hände spielen. Am Ende dienen sie doch den Göttern oder Dämonen, die wiederum dem Kreislauf als Indikator und Generator dienen.
Als letztes steht der Titan. Der Vieläugige. Der alles Vernichtende. Der Tod. Zusammen mit seiner Schwester, der Zeit. Der Kalten. Der Blinden. Der Gleichgültigen. Und sie gebaren ein Kind. Jenes Kind, das wirkt im Kleinsten, aber auch größten Ding. Der Wiedergeburt.

Ein Gott auf einem Planeten hat einen kühnen Plan gefasst. Dazu wirkt er etwas, was bei Göttern als Trumpfwaffe schlechthin gilt. Einen Knotenpunkt seines Willens. Viele dieser Knotenpunkte unterstehen den Göttern und Dämonen. So wird auch dieser Punkt wandern, wie die anderen und wirken, was noch keiner sah.
Beliar, Gott des Todes und der Dunkelheit, kehrte nach Myrthana zurück. Dort senkte er seine Augen auf den Teil der Welt, die man Gorthar nennt. Er greift ins Nichts hinaus und wirkt.

Sein Wille durchstößt unsichtbar die Wolken, jagt über das tiefblaue Meer, über Berge und Wälder. Es durchpflügt den Himmel, unter sich eine dichten Dschungelsumpf hinter sich lassend. Am Horizont ist ein gigantischer Friedhof in den Formen und Zwängen einer leblosen Stadt gefangen. Ohne jenes grausame Schlachtfeld zu beachten, setzt die Macht Beliars ihren Weg fort, denn dort unten ist Vergangenheit. Voraus liegt Zukunft. Mächtige Zukunft.

Ein leeres Tal wird sichtbar. Es ist leer, der Grund ist mit Knochen unzählbarer Lebewesen bedeckt. Doch das chaotische Böse wurde des Ortes verwiesen. Es hatte die Probe nicht bestanden. Andere waren als Siegreiche vom Schlachtfeld zurückgekehrt, um sich neuen Kämpfen und Proben zu stellen.
Doch das alles hatte keinen Belang für die Essenz des finsteren Totengottes. Er war hungrig auf etwas, was noch vor ihm lag. Die Schnüre seines Willens würden an etwas geknüpft, was hätte seinem Bruder ein mächtiges Werkzeug und ihm einen lästigen Dorn im Auge sein können. Tatsächlich war er nur knapp einem Feldzug der Truppen Innos gegen seine Jünger entgangen. Viel hätte er verlieren können. Jetzt würde sein Bruder eine Menge verlieren.

Eine grüngraue Hügellandschaft zeigte sich am Boden, dort sein ganzes Sterben war nur auf einen Punkt fokussiert. Es lag in den tiefen Eingeweiden, die dem Bau am Horizont innewohnten.
Die schwarze Abtei, jetzt nur noch die vergehende Abtei, liegt nun geistlos und ohne Kraft unter ihm. Wie ein Drache ohne Atem. Wehrlos dem Zahn der Zeit ausgesetzt. Und mit unnatürlichem Hunger stürzt er sich auf den nackten Fels. Hatte ihn zuvor Magie abgehalten, war nun freie Bahn für den Verfall gegeben. So brechen die Steine und Mauern im Sonnenlicht zu Staub, wie Schnee der in der Wüste schmilzt. Bald würde hier nur noch versuchter Boden von dem einstigen Übel künden.

Beliar jagte in die Tiefe, durchstieß die Dächer der Abtei mühelos. Er machte sich weder die Mühe, dem Gängen zu folgen, noch musste er lange suchen. Wände waren kein Halt für ihn und er kannte den Weg genau.

Das Schiff der Kappel liegt glanzlos im einfallenden Sonnenlicht. Löcher klafften in der Decke bis hoch zum Dachstuhl. Das schwarze Glas der Fenster ist gebrochen und im Tagesschein tanzen die Staubflocken ihren Sinnesbetörenden Tanz von Verlockung und Unerreichbarkeit.

Beliar fährt auf eine Ecke des Schiffes zu, ohne bei den mächtigen Artefakten auf dem Boden Rast zu machen. Sandartiger Staub wirbelt auf, Beliars nistete sich ein. Wirkt seine Kräfte in die leblose erdige Asche. Findet einige Tabaksammen. Dort bricht Leben auf. Erde aus den Gegenden von Khorines (wer weiß schon zu sagen, wie sie dort hingelangen können, oder besser wohl, was spielt es für eine Rolle, wenn Schicksal am Werke ist) bietet Nährboden für die Samen. Der Aschestaub wird regelrecht inhaliert und mit Erde und wachsenden Pflanzensträngen vermengt. Bald schwellen die unheiligen Keime zu einem lichtlosen Lebewesen heran, fingern suchend über den Steinboden und die Mauern der Ecke empor. Blätter sprießen in giftigvioletten Farbtönen. Smaragdgrüne Dornen hebelten sich aus den schon holzigen Stängeln. Die Wurzeln drängen spielend zwischen die Fugen der Steinfließen, bohren sich schnell und tief. Treffen auf giftiges Wasser. Saugen gierig. Bekommen Kraft. Wachsen. Erstarken.
Beliar hat den Anstoß gegeben und zieht sich langsam zurück Andere Geschicke verlangen seiner Aufmerksamkeit. Wie immer gibt es keine Pause. Pausen bedeuten Vergessen. Vergessen bedeutet Vergehen.

Die Ecke ist völlig von wabernden, bösartig schillernden Leben erfüllt. Dicke Wurzelstränge haben die Steinfließen vom Boden gepresst. Die Blätter haben an Spannweite und Stärke gewonnen.
Seit Beliars eintreffen sind etwa sieben Minuten vergangen. Und die Pflanze breitet sich immer schneller aus. Bleibt nur im lichtlosen Schatten. Meidet das Tageslicht. Greift um sich wie eine Pest auf schnellen, ledrigen Schlingarmen.
Was kann nur der Zweck sein? Was kann aus solch einem…widernatürlichen Ding nur entstehen? Eines gewiss nicht. Etwas Gutes.
02.04.2004, 23:24 #275
Estragon
Beiträge: 507

Die Schatten dehnten sich mit der fortschreitenden Abenddämmerung immer weiter aus. Waren ihre Grenzen zuvor noch scharf gezogen, so wurden sie bald schwammig, das Licht wich einem diesigem Dunstschleier. Bald war auch die letzte Spur des Tages aus dem gewaltigen Mittelschiff gewichen.

Die pulsierenden Wurzeln der Pflanze hatten in wenigen Stunden das ganze Mittelschiff erobert. Überall wiegten sich breit gefächerte Blätter in tiefen Violett und scharfem Grün im Wind der lauen Nacht. Mit dem letzten Licht waren auch die letzten Barrieren für das mächtige Kraut gefallen. Nicht hielt es mehr auf.
Die dicken Stränge kletterten mit fast Krakenhaftanmutenden Griffen die letzten Wände empor. Sie durchbrachen und durchwirkten die Felsen, brachen in die oberen und unteren Stockwerke der Abtei ein. Unterhalb des Kapellenschiffes labten sie sich in giftiger Erde und ätzenden Tümpeln. Gierig schienen sie nach aller negativen Energie zu forschen, um sie auf zu saugen und sich einzuverleiben.

Die Glasrosette, wodurch früher das Licht blutrot auf die Erde gefallen war, war das erste Tor zur Außenwelt. Dort die Pflanze schien noch kein Interesse daran zu haben ihren schattigen Hort zu verlassen. Tatsächlich konzentrierte sie sich voll und ganz drauf, in die tiefen, lichtlosen Kerker der Abtei einzudringen. All wüsste sie, das die Sonne wiederkehren würde.

Aber als dann doch eine ihrer Triebe vorsichtig die Kante des Rundfensters erklommen hatte, da schien das Sternenlicht auf ihre Feuchtglänzende Lederhaut. Die Sterne, schon auf Motoren für allerlei Spuck, Fluch und Hexerei, wirkte auch hier nicht anders.
Der schon fast armdicke Strang begann unter dem sanften, toten Licht der Sterne zu zittern. Wasser pumpte sich vom Kern, der bereits tief unter der Abtei schlummerte, hinauf in den Strang.
Mehr und mehr schwoll das Ding an. Die Haut spannte sich zum zerreisen, wurde fast glasig. Das platzte der Trieb wie eine überreife Frucht. Blutrote Säuere ergoss sich aus dem Fenster in die Außenwelt, der Stein begann sich sofort unter dem ätzenden Saft der Pflanze aufzulösen.
Der geplatzte Trieb blutete noch ein wenig aus, dann schob sie mit vorsichtig tastenden Bewegungen eine Schote ins Freie. Sie reckte ihren Kopf, wie ein kleines Tier, das aus seinem Bau schauen will, um nach Feinden zu spähen.

Das Sternenlicht sprenkelte die pergamentartige Haut der Schote. Saturn und Merkur standen sich genau in ihrer Laufbahn gegenüber, die Erde dazwischen. Der Saturn war der letzte Anstoß. Weder Beliar noch das Schicksal jener Welt hatte dies geplant. Alle Götter wirbelten einen kurzen Augenblick nach Gorthar um und die Kräfte des Chaos erbeten für Bruchteile eines Herzschlages. Das war es geschehen. Unter dem harten, kalten Glanz eines Planeten, der nicht mal einen nadelspitzen Punkt auf dem gewaltigen Himmel einnahm, begann sich die grünweißliche Schotenhaut in dunkles Blauviolett zu wandeln. Die Knospe bildete feste Kanten aus. Sie wurde größer, begann in einem wilden Rückmuss zu pulsieren. Das Beben setzte sich bis in das Zentrum des Kapellenschiffes fort.

Dann, begleitet von einem reisenden Geräusch, sprengte die Knospe ihre schützende Hülle, entfaltete die seidigen Blütenblätter. Außen fast schwarz, nach innen in Scharlach übergehend, reckte sie sich dem Saturn förmlich entgegen.
Saturn Energie hämmerte ungebremste auf die Blüte ein, die wie ein Trichter seine Kräfte auffing und über die fleischigen Arme ins Zentrum leitete.

Dort begannen sich neue Sprösslinge zu bilden. Viele Stängel und harte, dolchartige Dornen erhoben, wickelten sie um einander, wie die viele Fäden um die Narbe einer Spindel.
So schraubte sich ein mächtiger, kokonartiger Stamm in die Höhe. In fast vier Metern Höhe stoppte er sein Wachstum. Eine Krone aus rasiermesserscharfen Stacheln, lang wie Degenklingen, wuchs unter den wispernden Geräuschen der restlichen, wachsenden Stränge, Wurzeln und Blätter.

In der Mitte schwoll dieser Kokon an, dehnte sich rasch und härtete nach etwa drei Metern eine Rinde aus. Neue, winzige Dornen und Stacheln bedeckten diese hölzerne Rinde. Wie eine überdimensionale Diestel stand das Gebilde schlussendlich auf einem geschraubten Stamm.
Die Blüte am Fenster hatte sich schon wieder geschlossen und der Trieb war zurück in die raschelenden Schatten der Kapelle gewuchert. In der Mitte erhob sich nun diese Knolle wie ein bösartiges Geschwür in der Realität.
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